ZEITSCHRIFT FÜR SÄUGETIERKUNDE Im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e. V. herausgegeben von PROF. DR. HERMANN POHLE ■ BERLIN Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. 20. BAND 206 + IV Seiten Text und STafeln Mit 49 Abbildungen BERLIN 1954/55 In Kommission beim Verlag Naturkunde, Hannover und Berlin -Zehlendorf Es sind erschienen: Titel, p. I— IV 3. 8. 1955 Heft I, p. 1—36, Tafel I— III 30. 7. 1954 Heft II, p. 37—118, Tafel IV— VII 3. 8. 1955 Heft III, p. 119—200, Titeltafel 3. 8. 1955 Register, p. 200—204 3. 8. 1955 Dieser Band ist die Gabe der Gesellschaft an ihre Mitglieder für das Jahr 1952. Druck vom Wiihelim Möller, K. G.; Berlin- Waidmaainsliist. I bA.ao-A\ III Inhalt I. Originalarbeiten p. 1. F. Schwangart, Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 1 2. F. Kühlhorn, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 13 3. K. Herter und G. Lauterbach, Überwinterung syrischer Gold- hamster in Norddeutschland 37 4. D. Chitty, über die Dichteschwankungen bei der Erdmaus 55 5. A. van Wijngaarden, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 61 6. D. M. Steven, Untersuchungen über die britischen Formen von Clethrionomys 70 7. I. Eibl-Eibesfeldt, Territoriales Verhalten und Brutpflege des Galapagos- Seelöwen 75 8. K. Becker, Art- und Geschlechtsunterschiede am Becken einhei- mischer Spitzmäuse 78 9. G. Stein, Die Kleinsäuger ostdeutscher Ackerflächen 89 10. K. Zimmermann, Körpergröße und Bestandsdichte bei Feld- mäusen 114 II. Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunds e. V. 1. K. Becker, Niederschrift der 28. Hauptversammlung in München 119 2. K. Becker, Niederschrift der wissenschaftlichen Sitzungen 1954 150 3. Geschäftsbericht (nur Hinweis) 153 4. Satzung (nur Hinweis) 7 153 5. I. Johnke, Eingänge für die Bücherei 1939 — 1954 154 6. Verzeichnis der Vorstandsmitglieder 1955 — 1956 178 7. Mitgliederverzeichnis (Nachtrag) 178 8. H. A. Freye, Prof. Dr. Ludwig Freund f, 1878—1953 180 AÜG2 319S: IV III. Notizen p. 1. K. Pritsche, Wildkatze bei Bremerhaven 183 2. G. Gaffrey, Zur Biologie der Hausratte 183 3. B. Grzimek, Wissenschaftliche Arbeitsplätze im Frankfurter Zoologischen Garten 184 4. W. Herold, Zahnverschmelzung bei einer Gelbhalsmaus 184 5. J. Kühlhorn, Der Auerochs von 1595 186 6. R. Lange, In Gebäuden eines Erzgebirgs-Dorfes überwinternde Kleinsäuger 187 7. K. Zimmermann, Zur Fauna Afghanistans 189 IV. Referate 1. F. Goethe u. a.. Eingegangene Literatur 192 V. Anhang 1. Index der Autornamen 201 2. Index der Säugetiernamen 202 3. Index der Mitgliedernamen 205 In diesem Bande neu beschriebene Säugetierformen: Keine. ZEITSCHRIFT FÜR SÄUGETIERKUNDE Im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. herausgegeben von PROF. DR. HERMANN POHLE • BERLIN >f Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. 20. BAND 30. JULI 1954 HEFT 1 36 Seiten Text und 3 Tafeln BERLIN 1954 In Kommission beim Verlag Naturkunde, Hannover und Berlin -Zehlendorf Zeitschrift für Säugetierkunde Band 20 Heft 1 1.) Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen (Standards) Von Prof. Dr. F. Schwangart (München). Mit 12 Abbildungen im Text und auf den Tafeln I — III. Einführung Diese Standards sind das Ergebnis \del jähriger wissenschaftlicher und praktischer Beschäftigung mit der Katze. Die ausführliche Begründung meines Systems brachte ich in meiner Monographie ..Zur Rassenbildung und -Züchtung der Hauskatze'" (83 p.. 29 Abb. auf Tafeln, 2 Textbilder, diese Zeitschr. 7, 1932, und als Broschüre). Ergänzt habe ich diese Arbeit, besonders in bezug auf das Verhältnis der Hauskatze zu Wildkatzenrassen, in „Die Sohlenzeichnung von Felis und Verwandtes. Zur Systematik und Ökologie des Genus" (Abh. der Bayerischen Akademie der Wiss., N. F., Heft 52, 1943). Eine Übersicht der Wildkatzen der alten Welt", beson- ders der Untergattung Felis, wobei wiederum Beziehungen zur Hauskatze erörtert wurden, bot Halte north (Ak. Verlagsgesellschaft Geest und Portig, Leipzig). Hinsichtlich der Hauskatze enthält ein Abschnitt dieses Werkes Hinweise auf ihren Ursprung, Avährend für ihre Rassen auf meine Arbeit von 1932 verwiesen wird. Unter ,,H a u s k a t z e n" verstehe ich sämtliche bekannten domesti- zierten Rassen, die sogenannten ,,Edelkatzcn" (Langhaar, Siam usw.) also inbegriffen. (Ebenso geschieht dies in dem genannten Buch Haltenorths). Unter den bisher strittigen Namen für diese Gemeinschaft (doniesticus, silvestris domesticiis, ocreata dorn. u. a.) wurde durch die nomenclatorisch entscheidende Instanz catns ausgcAvählt gemäß den geltenden Bestimmun- gen, also „Felis catns'''. Diesem Brauch schließe ich mich, wo der wissen- schaftliche Name nötig wird, an. Schon nach meinem ersten Bekanntwerden mit den verschiedenen Katzenschlägen wurde mir klar, daß bisher die Form der Tiere als ras- senbegründend zu wenig berücksichtigt Avar im Vergleich mit der so ver- lockenden Färbung und daß die tiefe Bedeutung der beiden Zeich - nungsmuster („Tiger" und „Marmor") fast ganz übersehen wwde. Mag die Katze in ihrer Neigung zu domestikativen Formveränderungen auch hinter dem Hund zurückbleiben, so übertrifft sie hierin doch z. B. das. Pferd, und mit dem Besitz von zweierlei grundverschiedenen Zeich- nungsmustern, einem von den Wildvorfahren ererbten und einem im Haus- tierstand hervorgetretenen, steht sie einzigartig da. Diesen Erkenntnissen habe ich bereits in der alten Ausgabe meiner Standards voll entsprochen 1 - 1954 2 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954) (1928, 1929). In dieser hier sind die Rassenbe^iffe. tiefer ausgearbeitet, dabei ist das Ganze in der Fassung vereinfacht und für Richter und Züch- ter handlicher geworden. Darüber hinaus sind mehrfach Verbesserimgen vorgenommen. Meine Beobachtungen zur Form haben mich unter anderem veran- laßt, beim Lang haar neben der ausgeprägten Kopfform des Hoch- zuchtpersers eine zweite Rasse zu unterscheiden, das „Deutsch- L anghaar", und vom Kurzhaar mehrere Rassen, bei denen mit dem Fehlen oder Vorhandensein und den beiderlei Merkmalen der Zeich- nungsmuster und mit der Färbung F o r m e i g e n h e i t e n kombiniert wurden. Diesen Rassen (s. hier II, No. 2 — 4) habe ich die damals schon vorhandenen Siamesen, Kartäuser und Abessinier angegliedert, wie dem Langhaar die Birmanesen, die ein Kreuzungsprodukt von Siamesen und Persern sind (französischen Ursprungs). Bei der Einführung der neuen K u r z h a a r r a s s e n leitete mich auch der Wunsch, daß das einheimische Kurzhaar, seinem Ursprung nach zum ,, ältesten Adel" des Katzengeschlech- tes gehörig, in Zukunft das gleiche Ansehen erringen möge wie die im- portierten Luxusrassen. Es gibt noch nicht viele reinvererbende Stämme korrekt beschaffener Vertreter von Kurzhaar, doch ist es durchaus erwie- sen, daß es leicht möglich ist, solche zu erzüchten. Besonders in italieni- schen Ausstellungen habe ich Musterstämme dieser Rassen feststellen imd prämiieren dürfen. Beim Richten muß es Grundsatz werden, nachweisbar reinblütige Exemplare zu bevorzugen, und es muß das Ziel der Züchtung sein, zu erreichen, daß nur mehr solche Tiere prämiiert werden können, wie das bei den Persern und Siamesen und in der gesamten sonstigen Tierzucht der Fall ist. Jetzt schon auszuschließen von Ausstellungen und der Züchtung sind alle diejenigen Tiere, die in ihrer Erscheinung Mischungen zwischen den Rassen darstellen. In wirklichen Musterschauen schließt man auch andenveite, diesen Rassen nicht entsprechende Tiere aus; sonst kann man sie noch in der Weise berücksichtigen, daß besonders hübsche Exem- plare darunter „Schönheitspreise" erhalten, die jedoch keineswegs mit wah- ren Zuchtpreisen verwechselt oder gleichgestellt werden dürfen und eigens zu kennzeichnen sind. Ebenso sind Kastraten von Lang- wie Kurzhaar zu behandeln. Ich habe keinen Standard für schwanzlose Katzen (sog. „Manx") aufgestellt, denn anatomische Untersuchungen haben ergeben, daß Schwanz- losigkeit und andere Schwanzdefekte (Verkürzung, Krüppelschwänze) bei der Katze oft mit inneren Mißbildungen verbunden sind, welche oft ;schwer pathologisch, sind und als de generativ zu gelten haben. Sie er- reichen einen lebengefährdenden Grad. Solche Kathen kommen bei aUten Kurzhaar Schlägen vor, seltener bei Langhaar. Sie sind von der Zucht fernzuhalten. Beiden Siamesen wird wegen der großen Häufig- keit dieser von der älteren Zucht bevorzugten Deformationen insofern eine F. ^SCHWANGART, Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 3 Ausnahme gemacht, als sie noch ausstellungsfähig sind. Es muß aber das Bestreben sein, sie wegzuzüchten, und die mit ihnen behafteten Tiere ran- gieren in der Bewertung hinter den normalen. Der Grad der Deformatio- nen bestimmt den der Wertminderung. Dem Urteil auf Grund der Bewertung nach Punkten muß sich beim Richter ein solches nach Grundsätzen der Schönheit zugesellen. Dieses muß sich auch auf die Bewegungsweise erstrecken, die ja gerade bei der Katze ein gut Teil Schönheit ausmacht. Ferner muß dem Richter stets gegenwärtig sein, daß ungeachtet der rubrizierenden Punkteskalen das Tier als ein einig wirkender Organismus betrachtet und bewertet werden muß. In den Punkteskalen habe ich keine Rubrik für „pfleglichen Zu- stand" eingesetzt, wie man das sonst antrifft. Eine solche Rubrik schmä- lert den Spielraum für die übrigen, die sich auf Körperpartien beziehen; sie beeinträchtigt auch die Freiheit der Richter. Vernachlässigung und Minder tauglichkeit können ja einen Grad erreichen, der zur Ablehnung oder starken Herabwertung zwingt. Der Richter muß befugt sein, in sol- chen Fällen die Herabwertung frei zu bestimmen, die vom Abzug weniger Punkte bis zur Ablehnung reichen kann. Ein Überblick der Standardskalen zeigt, daß die gleichen Rubriken für die verschiedenen Rassen ungleiche H ö c h s t z a h 1 e n enthalten, zuweilen auch schon für Untertypen (s. II, No. 2a — f). Denn bei der einen Sorte können diese, bei der anderen jene Merkmale größere Be- deutung haben. Ich halte die Punktbewertung für unentbehrlich. Nur so wird eine, dem Rassebild genau entsprechende Beurteilung möglich. Für den. genauen Wert eines Tieres und für die Reihenfolge der mit „vorzüglich", „sehr gut", ,,gut", „befriedigend" Gekennzeichneten unter sich ist die Reihenfolge nach den Gesamtpunktzahlen maßgebend. Die „Preise", mit denen die Katzen nachher bedacht werden, bringen nicht den absoluten Wert zum Ausdruck, denn sie schwanken mit der Anzahl der zu einer Ausstellungs- klasse gehörigen und werden mitbestimmt durch den Wert der Konkurren- ten, sie sind also ,, relativ" und das in hohem Grad. Das muß man den Züchtern vor Augen halten, wenn sie über den wahren Wert ihrer Tiere informiert werden wollen, was ja der Sinn des Richtens ist. Kurz nur weise ich hin auf die Möglichkeit einer L e i s t u ng s zucht bei der Katze. Unsere Katzen sind nicht nur Naturschönheiten, dankbare Objekte einer Züchtung auf äußere Vorzüge und liebenswerte Hausgenos- sen, sondern auch hervorragende Nutztiere. Höchste Wertschätzung ver- dienen sie in der Rattenbekämpfung. Außerdem sind sie nutz- und freude- bringender Abrichtung viel mehr zugänglich, als das gemeinhin geglaubt wird. Ich habe hierüber besonders abgehandelt und kann in diesen Rassen- beschreibungen weder auf die Methoden einer Leistungsprüfung an Katzen eingehen, die von besonderer Art sind, noch auf die Art der Bewertung solcher Leistungen und auf eine Leistungszüchtung einer Zukunft. Es soll 1* 4 Zeitschrift für Säugelierkundc, Bd. "20, 1952 (1954) nur betont werden, daß diese Standards hier nichts mit dem Leistungs^ momcnt zu tun haben und daß sich die nach ihnen bevorzugten Rasse- katzen auch nicht durch besondere Leistungen auszeichnen müßten. Eben- so rate ich dem Richter, jenen Besitzern oder Besitzerinnen, deren Tiere danach ungünstig abschneiden, nahezulegen, daß solche Enttäuschungen nichts über seelische Eigenschaften ihrer Tiere besagen und der Liebe zu ihnen keinen Schaden tun dürften. /. Langhaarkatzcii (Aiigora). Gemeinsames Bild für Rasse i) Perser und 2) Deutsch Langhaar.:' Gedrungener Körperbau, kurze stämmige Beine, breiter Kopf mit rel. kur- zem, breit endigenden Schnauzeniteil. Kleine Ohren. Ziemlich kurzer, schön getragener Schweif (Pleureuse), ausgesprochenes, schmiegsames Langhaar (aber Altersdifferenzen, Jahreszeit, evtl. Trächtigkeit berücksichtigen!). „Halbangora" schließt aus. Rückenscheitel, Krause, „behoste" Hinter- schenkel. Rasse i ) Perser. Dicker Rundkopf, Stirn vorgetrieben, schroff zum breiten, kurzen Nasenrücken abstürzend, mit dessen Ansatz einen Sattel bildend. Behaa- rung gern etwas wollig. Auf Größe und Kraft zu züchten. (Tafel I, Abb. 2). R a s s e 2 ) D e u t s c h L a n g h a a r . Stirn abgeschrägt, nicht vorgetrieben, in flachem Bogen zum Nasen- rücken überfließend oder mit ganz leichter Stufung. Nasenrücken ohne Sattel. Breiter, nicht zugespitzter Schnauzenteil (genau wie beim Perser). Die Figur darf etwas weniger gedrungen sein als beim Perser, der Schweif wenig länger. Deutsch Langhaar läßt sich reinzüchten. Es müssen die Zwischenstufen zum Perser obiger Form, die in manchen Farbschlägen häufig sind, aus- geschaltet werden. — Die Rasse wurde zuerst durch mich in Deutsehland unterschieden, der Name entspricht einem in der Hundezüchtung. Sie ist keineswegs auf Deutschland beschränkt. Sie steht der Stammform näher als der Perser. Ihre Züchtung lohnt wegen ihrer Schönheit, und sie wirkt der Degeneration des Langhaars entgegen. Die verbreitete Behauptung, es handle sich um ,, Spitzköpfe", die bei allem Langhaar fehlerhaft sind, be- ruht auf unlauterer Propaganda. (Tafel I, Abb. 2 und 3). Pimktbewertung für Perser und Deutsch Langhaar in allen Schlägen. Körperform und Statur 25 Kopf 25 Augen I o Haar (und Plaut) 15 Färbung bzw. Zeichnung i 5 Schweif I o 100 Punkte F. SCHWANGÄRT; .Übersicht und Beschreibung der Hauskätzenrasseii 5 Färbungs- und Zeichnungsgruppen (für beide Rassen dieselben) : a) - E-inf a r b e n€ (schwarz, weiß, blau, isabetl, o.r aiige u. a.). Anflug -^on Scheckung oder Musternng schließt von dieser Gruppe aus. Blaue stahl- oder lichtblau. Schwarze nicht bräunlich. Nase, Ballen; Rachen bei blau und schwarz dunkel. Augenfarbe bei Schwarze n tief- gelb, bei Weißen blau oder gelb (am besten beide getrennt aufstellen). Taubheit entwertet; bei blauäugig hoher Prozentsatz (Prüfung mit der Pfeife, dem Tier unsichtbar). Als Hautfarbe bei weiß ^^ird gern rosa ver- langt, wegen der mit albinotischen Eigenschaften (rosa Haut, blaues Auge) verbundenen Neigung zu Degeneration (Taubheit u. a.) ist auch ein dun- kelhäutiger Schlag erwünscht. b) C h i n c h i 1 1 a , P f i r s i c h f a r b e n , Rauchkatzen (ohne Muster), Silberige. vl: Chinchilla hellerer und dunklerer Tönung. Ihre Haarspitzen schwarz, die schwarze Zone nicht zu lang. Zu heller Grundton fehlerhaft. V^orzüge: schwarze Augen- und Nasenränder, Lippen und Sohlen, dagegen weiße Krallen. P f i r s i c h f a r b e n e : zwischen bläulich und orange, fleischfarbene Nase und Ballen. R a u c h ka t z en: bei weißlichem Basalteil der Haare tiefdunkel be- rauchte Spitzenfärbüng. Bei der Nuance ,,moro argentato" ist das Weiß silbrig und die Krause hat mehr Silberton als das übrige Haar. Nase und Ballen tief dunkel. Augen in dieser gesamten Gruppe wie immer je nach Haarfarbe,.. Räuchkatze z. B. am besten Ambra. ' " ' . c) Gemusterte (Tiger und Marmor). Die Muster bei Langhaar nicht rassebegründend wie bei Kurzhaar. Sie müssen auch hier gut ausgebildet sein und kräftig abstechen. Formmerk- male sind für Tiger wie Marmor hier die der beiden Langhaarrasssen. Es gelten alle die unter II, 2 und 3 genannten und beschriebenen Farbschläge. Die Nase darf schwarz oder rot sein. d ) Schecken (zwei- und d r e i f a r b e n e , M a s k e n k a t z e n ) . Ohne Spur von Muster. M a s k e n k a t z e n höher als unsymmetrische Gescheckte. Unter diesen setzt stark überwiegendes weiß je nach der Aus- dehnung herab. ,,S c h i 1 d p a 1 1 s" (Schwarz- und Gelbnuancen) gehen den ,, Spaniern" (dieselben Farben mit weiß) bei sonst gleicher Beschaffen- heit vor. Die Farben der Schildpatts sollen in möglichst großen Flächen verteilt sein, was bei uns sehr selten vorkommt. Augen nach der vorherr- schenden Haarfarbe. 6 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954) R a SS e 3) B i r m a ka t z c n. Halbangora, Kreuzungsprodukt von Perser und Siamkatze. Französi- schen Ursprungs, nicht etwa importiert, wie der Name vortäuscht. Einziger Halbangora, der bisher anerkannt wurde. Einziger mir bisher bekannter reiner Stamm: „De Madalpour". Vereinigung der die große Schönheit bedingenden Merkmale sonst kaum jemals geglückt. Tiere von abweichen- dem Aussehen, die als ,, Birma", als „Tibetaner" u. dgl. bezeichnet werden, sind abzulehnen . Es gilt allein die französische Urbeschreibung: Körper gestreckt, wohl proportioniert, etwas niedrig gestellt. Kopf kurz, Ohren groß, Stirn vorgetrieben, Nase etwas hochgebogen, Augen groß, dunkelblau, irisierend, Haare massig lang, am Rücken gescheitelt, am Schweif sehr lang, eme Fahne bildend. Halskrause. Grundfärbung helles Creme, mit goldigen Tönen auf dem Nacken. Maske, Schweif, Ohr, Pfoten im selben tiefbi-aun wie bei den Siamesen. Alx^r die braungestiefelteii Pfoten mit rein weißen Krallen. (Tafel II, Abb. 8). Punktbewertung der Birniarassc: Körper form und Statur 20 Kcypf 1 5 Augen 20 Haar i o Färbung, Tönung, Abzeichen 20 Schweif 1 5 100 Punkte //. Kurzhaarkatzen. Rasse i) Siamkatzen. Mittelgroß. Statur elegant, aber nicht zu langgestreckt. Pfoten klein. Kopf proportioniert, länglich, nicht allzu schmal, reichlicher Abstand zwi- schen den Augen, zwisehen den Ohren leichte Einengung. Stirn flach, Nase länglich, Ohren groß, im Ansatz breit. Augen groß, von einem ausge- sprochenen, tiefen, leuchtendem Blau (Azur, Kornblumenblau), je nach dem Lichteinfall Pupille mit Rubin Schimmer. Die längstens bevorzugte. Schieläugigkeit ist feWerhaft. Haar sehr kurz, samten bis leicht strohig. Grundfärbung gleichmäßig abgetönt, sand- bis tief rehfarben (sogen, „chocolats"), darauf das abstechend dunklere Braun der scharf umgrenz- ten charakteristischen „Maske". Verharren im Übergang von der milch- weißen Jugendfarbe, ein Dunkeln des Grunds über die Rehfarbe liinaus^, jederlei Fleckung außerhalb der Maske mindern den Wert. An der Unter- seite darf die Färbimg etwas lichter sein. Der normal geformte Schwqif kaum etwas schwächer als bei anderem Kurzhaar, Stummel- und Krüppel- schwanz mindern den Wert je nach dem Grad der Mißbildung. (Es kom- men leicht innere Defekte pathologischer Natur hinzu.) Die Rasse stammt aus Slam, doch ist alles, was über dortige „Tempel- oder Palastkatzen" geschrieben wird, Pländlerlegende und von den Siame- F. SCHWANGART, Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 7 sischen Gesandtschaften mehrmals dementiert worden. Die Auslese wird Europäern verdankt, ihnen folgten Einheimische als Züchter erst nach. In eanem original isiamesischen Katzen bilderb uch mit Besehreibimgen von vor etwa anderthalb Jahrhunderten fehlt die Siamkatze". Direkt impor- tierte Stücke sind in der Regel plumper gebaut mit einem Stich ins tief Olivgrüne der Grundfarbe. Es ist bemerkenswert, daß sich Stücke bei uns, die viel frei laufen, dieser Färbung nähern können. Man sollte sich über die Bewertung solcher Tiere schlüssig werden. (Tafel II, Abb. 7). Punktbewertung der Slamrasse: Körperform und Statur i 5 Kopf 15 Augen 20 Haar I o Färbung und Tönung 1 5 Abzeichen („Maske") 15 Schweif 10 IOC Punkte Rasse 2) Kurz h aartig er. Gedrungen, stämmige Beine, kurzer kräftiger Nacken, relativ kurzer, gern etwas buschig endigender Schweif. Auf Kraft und Größe zu züchten. Breiter Oberkopf, kurzer Gesichtsteil nüt breit endigender Schnauze. Nase gerade oder leicht hakig, Stirn zur Nase gestuft, aber nicht vorgetrieben, Ohren dürfen relativ klein, auch etwas schmal sein. Die Streif ung erklärt der Name. Sie darf durchgezogen oder tmterbrochen sein. Übergänge hier- in und in der Grtmdfärbung entwerten nicht, doch erhalten typische Ver- treter der verschiedenen Schläge den Vorzug. Nur die Vermengung der Rottigerfärbung mit den übrigen entwertet. Bei a — c sind ein kleiner wei- ßer Kehl- (bzw. Brust-) fleck zulässig, bei a gilt er als Vorzug, bei f aber als wertmindernd. Schwere „Tiger" führen oft Blut der nordischen Wildkatze, der Neben- stammart imserer Hauskatzen. Hierauf nehmen die Angaben des Standards Rücksicht, Schläge der Kur^haartiger: a) W^ildf arbtiger. Strohiges, wildkatzenmäßiges Haar, Ohren innen kräftig behaart, Streif ung meistens unterbrochen imd wenig abstechend. Grtmd mehr oder weniger fahlgrau, „Zonenfarbig" am Haar, mit Einschlag von gelblichem, schwach rötlichem oder bräunlichem Ton. Augen grüri, je nach der Grund- farbe auch ins G^bliche. Kurzer, am Ende leicht buschiger Schweif. (Tafel II, Abb. .5). 8 Zeitschrift für Sfiugetlerkunde, Bd. 20, 1952 (1954) Punktbewertung für Wildjarbtiger: Körperform und Statur 25 Kopf 2 5 Augen fo Haar 10 Muster und Färbimg i 5 Schweif 15 : . ' 00 Punkte . b) S c hie f e r t i ge r. Haar besser etwas rauh als glatt. Streifung stärker abgehoben als beim vorigen. Grund schiefergrau. Augen grün. Punkteskala wie bei a. (Tafel II, Abb. 6). . c) Silbertiger. Zucht auf Farbton hier wichtiger als auf Größe. Feiner Silberton, wo- von sich die Streif ung scharf abheben soll. Weicheres Haar. Augen grün- lich. Schweif darf etwas schmächtiger sein als bei den vorherigen Schlägen. Punktbewertung für Silbertiger: Körperform und Statur 20 Köpf 25 Augen . ' IG Haar 10 Muster und Farbe 25 ' Schweif IG 1 00 Punkte d) B 1 a u t i ge r. Grundfarbe die einer „silberblauen" Einfarbkatze. Haar wie beim Sil- bertiger. Augen grünlich bis tief gelb. Punkteskala wie beim Silbertiger. e) ,B ra u n t i ge r. Starker Einschlag von Schokoladenbraun im Grau. Haar leicht strohig bis samten. Der Basalteil des Haares darf hell sein wie bei „Rauchkatzen", doch muß das Muster deutlich hervortreten. Augen orange, ambra, bei viel grau in der Grundfarbe auch gelb bis grün. Punkteskala s. Silbertiger. f) Rottiger. : Rotbraune Streif ung auf gelbem oder rotgelbem Grund, Haar lieber leicht strohig als zu weich. Auf kräftige Ausprägung des Musters ist sehr zu achten, wie auf typische Tigerkopfform. Beide lassen bei dieser Va- riante oft nach. Augen gelb, orange, ambra. Punktbewertung für den Rottiger: Körperform und Statur 25 Kopf 25 Augen IG . Haar 10 Muster und Farbe 20 ' ■ ■ ' ' ■■ ■ -Schweif • ■ ■ ■ ■ 10 lOG Punkte F. SCHWANGARTj Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 9 Rasse 3) Kurzhaarmarmor. Körperform stattlich, aber nicht zu schwer und gedrungen. Beine mit- telhoch, Nacken mäßig kräftig, Kopf hoch getragen. Mittellanger und -kräftiger, nicht buschiger Schweif. Stolze Gesamterscheinung. Oberkopf leicht gewölbt, Stirn mit nur geringem Absatz zur Nase. Schnauze ge- streckt, ohne sich zuzuspitzen. Eindruck eines ,, großen Gesichts". Das eigen- tümliche Zeiclinungsmuster miii^ typisch ausgeprägt sein. Die „Schleife" kann einen hellen Hof imischließen mit oder ohne dunklen Binnenfleck, sie darf auch ausgefüllt sein. Ihr unterer Bogen darf geschlossen oder nahe seinem Ansatz vom leicht unterbrochen sein. Das Marmormuster läßt noch Abb. 1. Marmorrasse, Schemata des Musters (nach Brooke, ergänzt von F. S c h w a n g- a r t ) . mehr Varianten zu, doch muß stets die Grundform, besonders die Sclileife, deutlich erhalten bleiben. Der Rücken soll bei dieser Rasse drei parallele Längsstreifen tragen. Diese dürfen auch zu einem breiten Band verschmel- zen. Die Zeichnungsmuster der beiden Seiten sollen möglichst symmetrisch sein. Das Haar muß Samtcharakter tragen oder doch sich ihm nähern. Die Farbschläge gehen mit denen des Kurzhaartigers einig. Der Färbung nach am schönsten erscheint mir der Silbermarmor und der Rotmarmor, wenn bei ihm das Muster stark genug absticht. Es neigt zum Verblassen wie beim Rottiger. Eine noch offene Frage ist die der Veränderung dieses Musters im Lauf der Lebenszeit. Ich habe wiederholt Verschlechterungen davon beob- achtet. Das würde die Rasse als solche nicht aufheben, aber es müßte be- rücksichtigt und hinsichtlich der Bedingungen seines Vorkommens unter- sucht werden. Das Marmormuster beruht auf domestikativer Mutation. 10 Zeitschrift für Säugetierkunde. Bd. 20, 1952 (1954) Punktbewertung für alle Varianten des Kurzhaarmarmors: Körperfomi und Statur 20 Kopf 20 Augen 10 Haar 10 Muster und Färbung 30 Schweif I o 100 Punkte Rasse 4) Schlank rasse („Ägypter"]. Körperform: Gegenstück zum Kurzhaartiger. Ausgesprochen schlank, hochbeinig, feingliedrig. Schlanker, etwas gebogener Hals. Langer, dünner, durchweg glatter Schweif. Kopf hochgetragen, schmal, Scheitel etwas em- porgewölbt, Stirn ohne Absatz zum Nasenrücken. Die-ser gerade oder leicht gesattelt. Schnauze langgestreckt, sich stark zuspitzend. Ohren groß oder etwas länglich und schmal. Augen wie schräg gestellt. Haar samten, nicht strohig. Keines der Zeichnimgsmuster darf auch nin: angedeutet sein, da- gegen sind alle Farben, einfarbig oder in Scheckung zulässig, auch „Rauch- farbe", sofern kerne Zeichnung damit verbunden ist. Hinsichtlich der Far- benwahl geht einfarbig vor Scheckung. Schwarz und blau wirken be- sonders günstig und v/erden mit Recht bevorzugt. Hierin sind schöne erb- feste Linien vorhanden. Der Farbe geht aber stets in der Bewertung die Form hier vor. Blauschlank darf „stahl- oder silberblau" sein. Die Augen- farbe richtet sich nach der Fellfarbe. (Tafel III, Abb. 10 — 12). Punktbewertung der Schlankrasse aller Farben: Körperform und Statur 30 Kopf 30 Augen IG Haar 10 Färbung i o Schweif 10 100 Punkte Rasse 5) Kartäuser. Groß, schwer, gedrungen. Stämmige Beine. Kurzer, kräftiger Nacken. Kopfhaltung mehr waagerecht. Relativ kurzer, aber nicht buschiger Schweif . Kopf breit, schwer, große Ohren. Stirn zur Nase gestuft, SchnauzenteiL kurz, breit. Einzelheiten der Gesichtsform noch in Erwägung. Haar mög- lichst samtartig. Färbung blau; „Stahl- und Silberblau" zulässig. Augen bernsteingelb. Diese Rasse ist streng von der Blauschlanken (II, 4) auseinanderzu- halten. Zwischenformen sind auszuschalten. Der Kopf des Kartäusers darf nicht die ausgebildeten Merkmale eines Perserkopfes annehmen. Die Ab- stammung muß von reinem Kirrzhaar sein. Die beliebte Kreuzung von blauem Langhaar, um die Form zu übertreiben, ist unstatthaft. F. SCHWANGART, Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 11 Punktbewertung für Kartäuser: Körperform und Statur 25 Kopf 25 Augen IG Haar i g Färbung 20 Schweif I o 100 Punkte Rasse 6) Abessinier. Knapp mittelgroß, feingliedrig, aber nicht langgestreckt oder hoch- beinig. Bew^egungs weise zierlich. Kopf dem Gesamtbild der Statur entspre- chend. Mittelschlank, nicht langschnauzig. Relativ großer Abstand zwischen den Augen, relativ geringerer zwischen den Ohren (ähnlich den Siams). Auf diesen deutliche Pinselbehaarung. Für den Nasenspiegel verlangen Standards: fleischfarben, dunkel gesäumt. Obgleich er gerade bei dem Vor- bild, den wild lebenden, afrikanischen Falbkatzen, schwarz ist. Augen groß, rund, klar. Haar ganz kurz, dicht anliegend. Färbung hasenbraim, fein meliert mit schwarz und tiefgelb (eine Wildfärbung; Zonenfarbigkeit). Schmale Schattierung längs des Rückens bis zimi Schwanzende („Aal- strich"), schwarze Schwanzspitze. Dunkler Schatten zwischen den Ohren. Unterseite abgestuft tief grau bis rostbraun. Innenseite der Beine rostbraun. Kein Zeichnungsmuster, auch die Beine ohne Andeutung von Streif ung. Ballen und Zehenenden schwarz, von der dunklen Färbung zwischen den Zehen sieht man von oben schwarze Linien. Diese „Abessinier" sind keine Exoten aus Afrika, sondern ein in man- chen Stücken den dortigen Wildkatzen ähnelndes englisches Zuchtprodukt. (Die gegenteilige Legende widerlegen Details, besonders schon die rote Nase.) Sie lassen sich ebenso z. B. aus italienischem Material gewuinen. Um eine Annäherung an den Kurzhaartiger zu vermeiden, ist streng auf Fehlen jeder Zeichnung zu achten, die als Streifung hier leicht auftritt, ferner auf Statur und Farbdetails. In reiner Beschaffenheit ist die Rasse selten. Punktbewertung jür Abessinier: Körperform 1 5 Kopf 1 5 Augen I o Haar 25 Färbung 2 5 Schweif IG 100 Punkte 12 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954) Anhang Von K u r z Ii a a r k a t z e n , die nicht diesen Rassen zugehören, sind manche Gruppen in Ausstellitngen zuzulassen, aber nur al^ Bevveri>er um „Sch önheit s p r e is e", nicht als züchtbare Schläge. Hierher gehören Einfarbige von schwerem und mittlerem Bau, ausgenommen die Kartäuser, welche rassewert sind. Ebenso zwei- und dreifarbene von mittlerem und schwerem Bau und dementsprechender Kopfform. Die Bewertung ge- schieht hier nach Grundsätzen allgemeiner Schönheit. Bevorzugt sind Ein- farbene, Schildpatts, Maskenkatzen und verwandte, symmetrisch gefärbte. Kastraten unter den Rassekatzen erhalten ebenfalls nur Schönheitspreise. Auszuschließen sind von der Ausstellung : Tigerschecken, Marmorschecken, getigerte oder marmorierte ausgesprochene Schlanktiere, mehrfarbig, flächig gefärbte mit mehr als der Hälfte der Körperfläche in Weiß. Die Ausstel- lung solcher Tiere gefährdet die Rassebegriffe oder ist konstitutionell ab- träglich. Aus den zur Schönheitskonkurrenz zugelassenen Sorten lassen sich vielleicht einmal Rassen gewinnen. Ihre Zulassung bedeutet indessen jetzt eine Konzession an ein züchterisch noch nicht sicheres ausstellendes Publikum. Gräfelfing 1949. Tajelerkläriirig Tafel I, Abb. 2. Hochzuchtperser (blau), „Michael of Allington''. Bes.: Margarete Risch Dresden. Foto: „Dresdner Werkstätten'*. Abb. 3. Deutsch Langhaar „Fuchs von der Rheinburg", Bundessieger 1932. Bes. Dr. med. Heine, Leipzig. Abb. 4. Derselbe Kopf von vorn. Tafel H, Abb. 5. Wildfarbner Kurzhaartiger „Silvester*'. Bes. Ernst Braun -f-, Berlin. Foto O. K. Vogelsang, Berlin. Mehrfacher Ausstellungssieger. Abb. 6. Grautiger ,,Sinison". Bes. Joseph Lesti, Wien. Kurzhaarsiegsr dortselbst 1932. Kopfprofil. Abb. 7. Siamkatzen, Zwinger Frau E. Sache r-Petri, Breslau, ,, Foto- Knapp", Breslau. Abb. 8. Birmakatze. Aus der Revue Feline de France" (Clichy-Seine 1931), Stamm „de Madalpour". Tafel III, Abb. 9. ,,Peterle" (stahl-) und „Mausi*' (silberblau) „von Kantheim". Kartäuser. Bes. Alma Hansen, Kiel. Fot. A. Lehmann, Kiel 1931. Abb. 10. Schlankrasse, schwarz (,, Ägypter"). Kater „Moro". Bes. Geheimrat Dr. KarlWoermann Dresden. Foto Atelier Ursula Richter, Dresden. Abb. 11. Schlankrasse, schwarz („Ägypter"). Katze „Maja". Bes. Frau Alma Schulze, Dresden. „Dresdner Fotogr. Werkstätten". Abb. 12. Schlankrasse, schwarz („Ägypter"). Katze „Nerina von der Josef- stadt". Bes. Dr. Stephan Zimmermann, Wien. CAC und ,, Ehrenpreis der Stadt Wien" 1952. Aufn. Dr. Br. M. Klein, Wien 2. 8. 1952. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954) 13 2») Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen ( Cebus apella L. und Alouatta caraya Humboldt) Von Friedrich Kühlhorn (München) Einleitung. Das Problem der biologischen Gefügegesetzlichkeit hat, wie aus einer zusammenfassenden Arbeit von B. R e n s c h (1948) zu ersehen ist, für hei- mische Säuger schon eine weitgehende Bearbeitung erfahren. Dagegen sind tropische Säugetiere in dieser Hinsicht bisher noch verhältnismäßig wenig untersucht worden. Diese Tatsache veranlaßte mich zu einer Zusammenstel- lung meiner während der Teilnahme an der von Herrn Prof. Dr. H. Krieg geleiteten Südamerika-Expedition 1937/38 gesammelten biometrischen Un- tersuchungsergebnisse. Der Teilverlust meiner Säugerausbeute infolge der Kriegsereignisse und die Lückenhaftigkeit der mir noch verbliebenen, von meiner Mutter gerette- ten wissenschaftlichen Aufzeichnungen ermöglichen leider keine Gegenüber- stellung der gefügegesetzlichen Verhältnisse vergleichbarer Arten, wie sie z. B. von R. Hesse (1921) und B. R e n s c h (1948) für verschiedene Säuger der gemäßigten Zone vorgenommen wurde. Aus diesem Grunde sollen die beiden untersuchten Affenarten in Einzeldarstellungen behandelt werden, welche die individuelle Variabilität, die Entwicklungsstufen und das Verhält- nis der Geschlechter zueinander hinsichtlich der Organproportionen veran- schaulichen. Da für mich kaum eine Möglichkeit bestehen dürfte, in den da- mals bereisten Gebieten Süd-Mattogrossos Ergänzungsuntersuchungen an Tieren aus freier Wildbahn vornehmen zu können, ist es nur auf diese Weise möglich, das mühsam zusammengetragene Zahlenmaterial einer Auswertung zuzuführen und so die Grundlage für die noch ausstehende umfassende Be- arbeitung derartiger Probleme an tropischen Affen zu geben. Bei den oft großen Schwierigkeiten, in unberührten Ürwaldlandschaften umfangreichere Serien von einer Art mit allen Entwicklungsstadien erbeuten und unter ex- peditionsmäßigen Verhältnissen exakt meßtechnisch bearbeiten zu können, wird es einem einzelnen auch in Zukunft kaum möglich sein, dort allein für die Ableitung allgemeingültiger Regeln zahlenmäßig ausreichende Individuen- reihen in freier Wildbahn zu untersuchen. Aus diesem Grunde hat auch die Veröffentlichung nach anerkannten Methoden (R. Hesse 1921, B. R e n s c h 1948 u. a.) gewonnener Einzelergebnisse als Ergänzung unserer Kenntnisse auf diesem Gebiete ihre Berechtigung. Wie aus der einschlägigen Literatur zu ersehen ist, werden bei heimi- schen Säugern im allgemeinen sehr kleine Untersuchungsreihen (meist unter 14 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). 20 oder 10 Individuen) als ausreichend für die Ableitung gefügegesetzlicher Regeln angesehen. Dieses Verfahren ermöglicht keine wirkliche Berücksichti- gung der individuellen Variabilität und ist höchstens dann berechtigt, wenn vergleichbare Arten ein ähnliches Verhalten zeigen. Diese Vergleichsmöglichkeiten fehlen aber vorläufig noch für tropische Wildsäuger. Da die individuelle Variabilität gerade bei Kapuzineraffen sehr groß sein kann, muß ich vorläufig davon Abstand nehmen, sich in den Organ- proportionen nur andeutende Gesetzmäßigkeiten als regelhaftes Verhalten aufzufassen. Das gilt vor allem für die Fälle, in denen stark von der allge- meinen Tendenz abweichende Verhältniswerte keine Entscheidung darüber zulassen, ob eine sehr große individuelle Variabilität eine in Wirklich- keit bestehende allgemeine Regelhaf tigkeit verschleiert (wie z. B. R. Hesse für das Herzverhältnis einiger Säuger zeigen konnte) oder aber andere Fak- toren für die Unregelmäßigkeiten in der Wertefolge verantwortlich zu machen sind. Beim Vorliegen derartiger Verhältnisse wird deshalb nur das jeweilige Verhalten der Organproportionen ohne eine weitere Ausdeutung angegeben. Methodisches. Die in dieser Arbeit behandelten Affen wurden durch Abschuß erbeutet und möglichst bald nach dem Aufhören der Totenstarre untersucht. Die Wägungen erfolgten mit einer Handwaage, einer analytischen Waage und bei höheren Gewichten mit einer fein unterteilten Federwaage, nachdem der Magen- und Darminhalt, bei der Leber die Gallenflüssigkeit und das in den Herzkammern enthaltene Blut nach der von R. Hesse (1921) angegebe- nen Methode entfernt worden waren. Das Fettgewicht fand nur bei besonderem Fettansatz Berücksichtigung, weil dieser bei den untersuchten Affen — wie auch bei den meisten tropi-v sehen Säugern mit Ausnahme mancher Wasserbewohner und der Beutelratten — im allgemeinen nicht besonders ausgeprägt war. Für die Längenmessungen wurden eine Schublehre mit Nonius, ein Me- tallineal und ein Stahlbandmaß verwendet. Der große Zeitaufwand, der für exakte Messungen und Wägungen mit allen ihren Vorbereitungen erforderlich ist, erlaubte bei den sehr vielseitigen Expeditionsaufgaben nicht bei jedem erbeuteten Stück derartige Unter- suchungen. Außerdem mußte auch deshalb oftmals darauf verzichtet werden, weil das Material infolge zu weiter Jagdgänge nicht mehr frisch genug war. Aus diesen Gründen ist es leider nicht möglich gewesen, die gesamten ge- sammelten Serien auf ihre biometrischen Verhältnisse hin zu untersuchen, woraus sich neben den schon oben erwähnten Ursachen die Unvollständigkeit mancher Tabellenwerte erklärt. Ein Vergleich der entsprechenden Organe der einzelnen Individuen ist nur durch die Ermittlung der Relativwerte (Verhältnis von Organgewicht FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 15 bzw. -Länge : Körpergewicht [Kgw.] bzw. Kopf -Rumpf länge [KR]) möglich. In Anlehnung an R. Hesse (1921) bezeichne ich die Relativzahlen der ein- zelnen Organe der Kürze halber als Leber-, Nieren-, Milz- und Herzver- hältnis. Sämtliche Relativgewichte sind als auf das Nettogewicht des Körpers (nach Abzug des Magen-, Darm- und Blaseninhaltes) bezogen zu verstehen. In manchen Arbeiten, die sich mit gefügegesetzlichen Problemen beschäf- tigen, findet man häufig auch für größere Tiere das Körpergewicht bis auf cg angegeben. Dadurch wird eine Genauigkeit vorgetäuscht, die kaum zu er- reichen ist, wenn man bedenkt, wieviele Fehlerquellen meßtechnisch über- haupt nicht ausscheidbar sind. So dürfte z. B. schon eine verschieden dichte Behaarung, nicht aufgefundene Schrotkörner (bei geschossenen Stücken), die nur unvollkommen mögliche Entfernung des Fettes usw. bei Gegenüberstel- lung von zwei sonst hinsichtlich des Alters, Geschlechtes, Fundortes und der Erbeutungszeit vergleichbaren Individuen den Wert von Kommastellen bei den Körpergewichten ziemlich fraglich erscheinen lassen. Aus diesem Grunde wurde das Körpergewicht der von mir untersuchten Affen in den Tabellen nur bis auf Gramm genau angegeben. R. Hesse (1921) und andere Autoren geben vielfach das Körpergewicht vor allem bei größeren Tieren in vollen Gramm an, während bei den Relativ- werten zwei Kommastellen berücksichtigt werden. Diese Kommastellen sind (auch wenn die Organgewichte bis auf mg genau bestimmt wurden) streng genommen als nicht völlig gesichert anzusehen. Um zu willkürliche Abrun- dungen zu vermeiden, habe ich trotzdem die Relativzahlen auf eine (erhöhte) Kommastelle berechnet. Um das Artverhalten in gefügegesetzlicher Beziehung zu kennzeichnen, werden von R. Hesse (1921) und anderen Autoren Mittelwerte errechnet. Diese Mittelzahlen gründen sich vielfach auf die Untersuchung verhältnis- mäßig weniger Individuen und fassen nicht selten Werte von Tieren beiderlei Geschlechtes zusammen. Da hinsichtlich der Organproportionen gelegentlich auch geschlechtsmäßige Unterschiede auftreten, ist eine Zusammenfassung der Längen- und Gewichtsmaße von Weibchen und Männchen zu einem ge- meinsamen Durchschnittswert der Art höchstens nach Prüfung eines sehr großen Materiales vertretbar. Diesem Umstand ist aber nicht von allen Be- arbeitern solcher Fragen in gebührender Weise Rechnung getragen worden. Obwohl z. B. mein Material von Cebus apella L. zahlenmäßig bedeutend größer als das vieler bisher untersuchter Arten aus der gemäßigten Zone ist, verzichte ich im allgemeinen auf die x4ngabe von Mittelwerten, weil die im- merhin noch kleine Serie den Umfang der individuellen Variation nicht exakt darzustellen vermag. MateriaL In der vorliegenden Arbeit werden die ermittelten Meßwerte von 25 In- dividuen (14 Männchen, 11 Weibchen) von Cebus apella L. und von 5 Exem- 16 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). plaren (4 Männchen, 1 Weibchen) von Alouatta caraya Humboldt, sowie Beobachtungen über die körperliche Entwicklung eines etwa im Alter von 4 — 6 Wochen erbeuteten Saugjungen von Cebus apella L. (im Verlaufe eines halben Jahres) vergleichend zur Darstellung gebracht. Cebus apella L. (Faunaffe, Kapuzineraffe) * Umweltverhältnisse. Die Voraussetzung für eine Beurteilung der Bedeutung der gefügegesetz- lichen Beziehungen zwischen den Körpergewichten bzw. -Maßen und den Organgewichten bzw. -Maßen ist die Kenntnis der Umweltverhältnisse und der Lebensweise der zu untersuchenden Art. Das von uns bereiste Gebiet Süd-Mattogrossos (Raum zwischen 21"^ 37' und etwa 24° südl. Breite und zwischen dem 34° westl. Länge und dem Rio Paranä), in dem die in dieser Arbeit zusammengestellten Untersuchungen gemacht wurden, liegt in den Randtropen und zeichnet sich durch ein perio- disch trockenes Savannenklima (AW K ö p p e n s) aus. Dieses ist durch eine ausgesprochen heiße Regenzeit charakterisiert, die von einer sehr regenarmen, kühleren Trockenperiode abgelöst wird. Cebus apella L. wurde nur in den Feuchtwäldern der weiten Talmulden des Tieflandes angetroffen. In den Capoes, den mehr oder weniger hygro-i philen Waldinseln der trockneren Hochlandsavanne, schien er dagegen zu fehlen. Die Feuchtwälder stellen ein ziemlich konstantes Milieu mit üppigem Pflanzenwuchs dar, das aber bezüglich seiner klimatischen Verhältnisse in vertikaler Richtung keinesfalls völlig gleichartig ist. Das gilt nicht allein für die relative Luftfeuchtigkeit, sondern in ganz besonderem Maße auch für die Luftbewegungsverhältnisse und die Temperaturschwankungen, die in Boden- nähe erheblich geringer als in Baumkronenhöhe sind. Als Beispiel für die großen Temperaturunterschiede, die in den Randtropen auftreten können, möge nur erwähnt werden, daß die Temperatur schon wenige Meter über dem Boden in Waldlichtungen während der kühleren Trockenzeit nachts bis auf -f 6° G absinken und in den heißen Mittagsstunden bis auf weit über + 30° G ansteigen kann (F. Kühlhorn 1952). Diese bemerkenswerten Schwankungen, die in größerer Höhe — z. B. in der Baumkronenregion — unter Umständen noch ausgeprägter sein werden, bleiben naturgemäß nicht ohne Einfluß auf den Organismus der hier lebenden Tiere. Die reinen, Baum- bewohner sind diesen wechselnden klimatischen Einflüssen natürlich mehr ausgesetzt als die Bodentiere, die in ihren Unterschlupfen derartigen Einwir- kungen weitgehend auszuweichen vermögen. So ließ sich ganz allgemein bei Cebus mit Beginn der kühleren Trockenzeit ein Dichterwerden des Haar- kleides und eine Zunahme der subkutanen Fettablagerungen unter der meist weniger behaarten Bauchdecke beobachten. Solche auffallenden Veränderun- FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 17 gen zeigten z. B. die bodenlebenden, stark an den Wald gebundenen Agutis {Dasyprocta azarae Licht.) nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die gefügegesetzlichen Verhältnisse der einzelnen Arten von Cebus sehr wechselnd sind, weil das Verbreitungsgebiet dieser Gattung eine außerordentlich weite Nord-Süderstreckung hat und ver- schiedene, klimatisch nicht einheitliche Räume umfaßt. Da entsprechende Untersuchungen an anderen Cebusarten nicht vorliegen^), ist augenblicklich eine vergleichende Untersuchung in dieser Richtung nicht möglich. Nahrung von Cebus apella L. Wie schon von den Untersuchungsergebnissen heimischer Säuger bekannt ist (B. Rensch 1948), steht die Art der Nahrung offenbar vielfach in einem gewissen Zusammenhang mit der Ausbildung mancher Organe des Stoffwech- sels. Aus diesem Grunde ist eine genauere Analyse der Hauptnahrungs- bestandteile für jede auf ihre gefügegesetzlichen Zusammenhänge zu prüfende Art erforderlich. Nach den von mir an Magen- und Darmuntersuchungen gewonnenen Er- gebnissen ernährt sich Cebus apella L. von Blättern, Früchten, Samen und Insekten. Die Vorliebe für Frischfleisch, die ich während meiner Volontär- zeit am Zoologischen Garten Köln bei Kapuzineraffen verschiedener Arten feststellen konnte, rechtfertigt die ebenfalls von M. Weber (1928) ausge- sprochene Vermutung, daß Cebus baumlebende Wirbeltiere (z. B. Jungvögel), wie auch Eier, nicht verschmähen dürfte. Die vergleichende Betrachtung aller Magen- und Darminhalte deutet darauf hin, daß sich Cebus apella hauptsächlich von Vegetabilien ernährt. Der immerhin beträchtliche Anteil tierischer Nahrungsbestandteile läßt aber einen Vergleich der biometrischen Verhältnisse mit denen der rein herbivoren Alouatta caraya Humboldt als nicht angebracht erscheinen. Daher werden beide Arten in dieser Arbeit ge- sondert behandelt. Bemerkungen zur altersmäßigen Zusammensetzung der Ce&MS- Horden. Für die Beurteilung der biometrischen Verhältniswerte spielt die Kennt- nis des Entwicklungszustandes der untersuchten Tiere eine sehr große Rolle, weil die Organproportionen jugendlicher Individuen vielfach sehr stark von denen adulter abweichen. J. R. Rengger (1830) bezeichnet als „erwachsen" bei Cebus alle In- dividuen, die den Zahnwechsel beendet haben. Bei den Weibchen ist damit nach meinen Feststellungen die Geschlechtsreife (nach Rengger im Alter von zwei Jahren) gegeben. Wie weit das auch für die Männchen der Fall ist, läßt sich bei so schwer beobachtbaren Tieren aus freier Wildbahn kaum 1) Die von A. H. Schultz (1947) angeführten Maße von Cebus capucinus sind we- gen fehlender genauerer Angaben über die altersmäßige Zusammensetzung der unter- suchten Serie nicht zum Vergleich mit meinen Werten geeignet. 18 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). sagen. R e n g g er gibt an, daß die Männchen etwa im Alter von Jahren mannbar werden. Nach beendetem Zahnwechsel ist es bei Wildtieren dann oftmals außer- ordentlich schwer, Aussagen über das ungefähre Lebensalter zu machen. Neben dem (allerdings aus verschiedenen Gründen nicht immer stichhaltigen) Abnutzungsgrad der Zähne kann (wenn das Skelett nicht zur Untersuchung vorliegt) die mehr oder weniger fortgeschrittene Verschmelzung der Schädel- nähte Hinweise in dieser Richtung geben. Wie schon R. Martin (1928) be- tonte, ist aber die Altersbeurteilung bei Cebus nach dem Obliterationsgrad der Schädelnähte mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, weil sich z. B. die für derartige Feststellungen besonders wichtige Sutura coronalis häufig über- haupt nie oder ganz selten und dann nur teilweise zu schließen scheint, und auch alle anderen Schädelnähte sehr spät zu obliterieren beginnen. Ähnliche Beobachtungen konnte ich im allgemeinen auch an meinem Material machen. Um einen genaueren Einblick in die altersmäßige Zusammensetzung der Cebus-Horden zu gewinnen, ist die Aufteilung des adulten Materials (In- dividuen mit vollendetem Durchbruch der permanenten Bezahnung) in zwei Altersgruppen zweckmäßig. Diese Maßnahme gestattet zudem oftmals eine bessere Beurteilung der Bedeutung der Relativwerte der Organgewichte und Körpermaße. A. H. Schultz (1942) schlug für katarrhine Affen folgende Auf- teilung in zwei Altersklassen vor: Als „erwachsen" bezeichnet er die adulten Stücke mit keiner oder mitt- lerer Zahnabnutzung und als „alt" solche mit stark bis extrem abgeschliffe- nen Zähnen und dem Verschluß aller Schädelnähte. Für Cebus ist diese Einteilung nicht in völlig gleicher Weise durchführ- bar, weil die Obliteration aller Nähte auch bei sehr alten Individuen viel- fach unterbleibt, wie oben schon erwähnt wurde. Die Zahnabnutzung allein scheint aber aus verschiedenen Gründen als Alterskriterium nicht geeignet zu sein. Neben dem Abnutzungsgrad der Zähne dürfte aber nach meinen Unter- suchungen der Verschluß der nach dem Durchbruch der endgültigen Zahn- garnitur in der Regel noch deutlich erkennbaren Synchondrosis sphenooccipi- talis die Möglichkeit einer Abgrenzung zweier Altersklassen bei adulten In- dividuen von Cebus apella geben. Wie die Prüfung der mir zur Verfügung stehenden Schädelserie (34 Stück) zeigte, tritt offenbar in der Regel der Ver- schluß dieser Naht erst nach einer deutlicher erkennbaren Abnutzung der permanenten Bezahnung ein. Ich bezeichne daher als „erwachsen" (um keinen neuen Begriff in die Literatur einzuführen) solche Tiere meines Materials, die bei vorhandener Synchondrosis sphenooccipitalis eine höchstens gering- fügige Abnutzung ihrer permanenten Bezahnung aufweisen und als „alt" im Sinne von A. H. Schultz die Individuen mit einer Synostosis sphenooccipi- talis und stärker abgeschliffener 2. Dentition. FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 19 Die bejagten Cebus-Horden setzten sich — abgesehen von einem großen Prozentsatz infantiler und besonders juveniler (A. H. Schultz 1942) Stücke — vorwiegend aus „erwachsenen" Individuen zusammen, während in der Regel Vertreter der älteren Jahrgänge erheblich seltener waren. Durch Ent- wicklung einer besonderen Jagdmethode gelang es vielfach mit absoluter Sicherheit, den Leitaffen (mit einer Ausnahme war es ein Männchen) zu er- beuten. Wie die Durchsicht der Leitaffen-Serie zeigte, befanden sich darunter nur ganz wenige „alte" Individuen, während die Hauptmasse durch „er- wachsene" Stücke gestellt wurde. Wie weit hier eine Zufälligkeit vorlag, kann nicht entschieden werden. Immerhin ist es bemerkenswert, daß es mir niemals — wie ab und zu bei Alouatta caraya Humboldt — gelang, Ein- zelgänger von Cebus zu beobachten. Alle einzeln angetroffenen Individuen dieser Art waren nachweislich Stücke, die aus irgendwelchen Gründen (z. B. Bejagung) von der Horde abgetrennt worden waren. Trotzdem muß man wohl annehmen, daß auch bei Cebus sehr alte Männchen, die sich in ihrem Ver- band nicht mehr durchsetzen können, zu Einzelgängern werden. Die für die adulten Männchen in dieser Arbeit angegebenen Meßwerte beziehen sich durchweg auf „erwachsene" Stücke, von denen allerdings einige eine beginnende Synostosis sphenooccipitalis aufwiesen. Nach dem Ab- nutzungsgrad der Bezahnung konnte man diese Individuen aber noch keines- falls der 2. Altersklasse zuordnen. Die Betrachtung der Weibchen-Reihe zeigte, daß die 2. Altersgruppe im allgemeinen stärker als bei den Männchen vertreten zu sein scheint. Inter- essant war die Tatsache, daß es sich bei Nr. 9, wie auch bei der Mutter (Nr. 28) unseres aufgezogenen Jungaffen Nr. X, um sehr alte Tiere mit fortgeschrittener Verwachsung aller Schädelnähte und stark abgenutzten Zähnen handelte. Ein Zeichen dafür, daß die Weibchen offenbar sehr lange fortpflanzungsfähig bleiben können. Die übrigen in dieser Arbeit untersuchten adulten Weibchen entsprechen bezüglich der Gebrauchsspuren an den Zähnen und dem Obliterationsgrad der Schädelnähte den Verhältnissen der „erwachsenen" Männchen- Serie. Gefügegesetzliche Untersuchungen. A. Skelett und Körpergewicht. a) Verhältnis der Kopf-Rumpflänge (K R)^) zur Schwanz- länge (SL) 2). Männchen : Bei einem männlichen Embryo betrug die KR 66 mm und die SL 46 mm (Kgw. 18g). Nach J. R. Rengger (1830) hat auch der Säugling von Cebus noch einen im Verhältnis zur KR kürzeren Schwanz. Das deckt sich mit der -) KR = Gtiathion — letzter Sacralwirbel, SL = 1. — letzter Caudalwirbel. 20 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). bekannten Tatsache (E. Mohr, 1927), daß die Neugeborenen langschwänzi- ger Säuger im allgemeinen kurzschwänzig sind. Bei Cebus scheint dann aber sehr frühzeitig ein bedeutendes Längenwachstum des Schwanzes einzusetzen, wie ich an dem etwa im Alter von 4 — 6 Wochen erbeuteten Saugjungen Nr. X feststellte (Tab. 1), bei dem die Entwicklung des Verhältnisses der KR zur Tabelle 1. Schwanzentwicklung bei Cebus apella Nr. X (o^). Beobachtungstag Kgw. KR mm SL mm SL o/o der KR Kgw.: KR 18. 2. 1938 270 175 175 100,0 1,54 18. 4. 1938 525 180 240 133,3 2,91 18. 5. 1938 620 210 260 123,8 2,95 8. 7. 1938 800 250 300 120,0 3,2 SL im Zeitraum von etwa einem halben Jahre beobachtet werden konnte. Am Erbeutungstage waren die KR und SL gleich. Während der nächsten acht Wochen zeigte die SL zur KR eine bedeutende positiv allometrische Zunahme, die dann später in eine allerdings schwächere negative Allometrie umschlug. Nr. 150 übertrifft Nr. X bei gleicher KR bezüglich der SL noch etwas, wohl ein Hinweis auf die schon bei Jungtieren festzustellende Variabilität der Kör- permaße, die bei den adulten Individuen vielfach noch auffälliger in Er- scheinung tritt (Tab. 2). Die hohen SL-Verhältniswerte in der Jugend scheinen aber kein Aus- druck einer besonderen Funktionsfähigkeit dieses Organs während der ersten Lebensmonate zu sein. Bei Tieren dieser Größenordnung habe ich, wie auch Rengger (1830), nie die Benutzung des im Gegensatz zu den Alttieren meist mehr oder weniger gestreckt getragenen Schwanzes als Greifwerkzeug beobachten können. In diesem Zusammenhange soll darauf hingewiesen wer- den, daß der Schwanz längst nicht in dem Maße von den Kapuzineraffen als „5. Hand" gebraucht wird, wie oftmals aus den Literaturangaben hervor- zugehen scheint. Bei den älteren, noch im Zahnwechsel befindlichen Jungtieren Nr. 55 und 57 zeigt die relative Schwanzlänge Werte, die denen der erwachsenen Stücke teilweise weitgehend angeglichen sind. Das Längenverhältnis zwischen der KR und der SL bleibt demnach auch nach dem Ausklingen des Zahnwechsels bei zunehmender Körpergröße — abgesehen von der individuellen Variabilität — mehr oder weniger gleich. 3) Der Quotient zeigt das unterschiedliche Verhältnis von Körpergewicht : Kopf- Rumpflänge in den einzelnen Entwicklungsstufen und bringt den Wechsel von Längen- und Breitenwächstumsphasen zum Ausdruck. FR. KCHLHORN, Gefügegesetzliche Unlersuchungen an Neuweltaffen 21 Weibchen: Von jugendlichen Weibchen liegen keine Schwanzlängenmaße vor. Die der erwachsenen Stücke halten sich mehr oder weniger im Rahmen der Rela- tivwerte der entsprechend entwickelten Männchen. b) Beziehungen zwischen der KR und dem Körper- gewicht (Kg w.). Interessant sind die Beziehungen zwischen der KR und dem Kgw. bei dem aufgezogenen Jungaffen Nr. X. Wie aus der Tabelle 1 zu ersehen ist, treten in der Entwicklung dieses Tieres deutlich verschiedene Wachstums - phasen auf. Zunächst nimmt die Körpermasse bei sich nur wenig verändern- der KR erheblich zu. An diese Breitenphase schließt sich eine zeitlich aus- gedehntere Längenphase an. Aus äußeren Umständen war es leider nicht möglich, das Tier noch weiter zu beobachten. Es muß ergänzend darauf hin- gewiesen werden, daß sich Nr. X völlig frei bewegen konnte und in den spä- teren Lebensmonaten viel in den Lagerbäumen umherkletterte. Langanhal- tende Balgereien mit seinem Spielgefährten, einem vier Monate alten Kater, sorgten außerdem noch für genügend Bewegung und Übung der Muskulatur. Bei der Ernährung des Jungaffen wurde auf möglichste Vielseitigkeit ge- achtet. In der ersten Zeit erhielt er verdünnte Kondensmilch. Später bekam er Reis und Bohnen in gekochtem Zustande, Brot und Fleisch (roh oder ge- kocht), Fisch (gekocht oder gebraten) und, wenn vorhanden, Früchte ver- schiedener Art. Außerdem fraß er bei gelegentlichen Streifzügen in den Lagerbäumen Blätter und Baumfrüchte und fing sehr geschickt Insekten mit der Hand, die er dann gierig verschlang. Nach meinen Zoo-Erfahrungen hätte eine derartige Kost bei der ausreichend vorhandenen Bewegungsmöglichkeit eher gewichtserhöhend als -mindernd wirken müssen. Es darf natürlich nicht übersehen werden, daß Nr. X vorzeitig die Muttermilch entzogen wurde und dieser Umstand möglicherweise von Einfluß auf den Verlauf der Jugendent- wicklung war. Dagegen spricht aber die Tatsache, daß das Längenwachstum^ wie der Vergleich mit Nr. 150 zeigt, offenbar normal verlief. Allerdings be- steht zwischen diesen beiden Jungaffen trotz gleicher Körpergröße doch ein ziemlicher Gewichtsunterschied. Da keine weiteren Individuen dieser Größen- ordnung erbeutet wurden und sich auch in der Literatur keinerlei Hinweise finden, läßt sich natürlich nicht beurteilen, wie weit etwa eine sehr weit- gehende individuelle Variabilität des Körpergewichtes in diesem Entwick- lungsstadium oder aber das nicht ganz normale Aufwachsen von Nr. X dafür verantwortlich zu machen ist. Es wäre andererseits aber sehr gut denkbar, daß sich Nr. 150 bei einer KR von 250 mm schon in einer ausgeprägteren Breitenphase befindet als Nr. X, bei dem sich deren Einsetzen bei der glei- chen KR erst schwach andeutet. 22 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). Tabelle 2. Skelettmaße, Schädeliiidices, Organgewiehte. Cebus apella L. B Öß S n o 1 & & 3 ü '% u eschle rlegun emerk g es s S eberge Ü 150 cf 3. 6. 38 Zahnw. 1050 250 330 132.0 47,23 30 18. 2. 38 Zahnw. I 1510 — — — 53,41 55 19. 3. 38 Zahnw. II 1855 345 402 113,6 68,39 19 7. 2. 38 Zahnw. III 1910 — — — 62,23 57 19. 3. 38 Zahnw. II 2250 343 400 117,0 73,11 04 rt O Ort XTT 18. 3. 38 IV «JOU JUD.U 66,58 62 26. 3. 38 2450 65,24 53 er 18. 3. 38 IV 2510 375 410 109.0 69,79 11 1. 2. 38 2710 380 440 116.0 84,21 22 ^ Ort TXT 7.2.38 III 2835 78,45 56 -1 O OO TT 19. 3. 38 II 3000 360 410 114,0 75,48 27 O lö. L. «Jö 3010 370 24 11. 2. 38 3080 420 480 112,0 85,56 148 cf 31. 5. 38 V 3320 380 71,37 149 o-^ 2. 6. 38 3550 380 75,89 31 9 18. 2. 38 Zahnw. I 1425 — — — 48.45 9 26. 3. 38 ZUUU 60,45 32 9 18.2.38 Laktierend I 2050 87,31 155 9 8. 6. 38 2050 340 390 114,7 52,68 20 9 7. 2. 38 III 2200 31,57 28 9 15. 2. 38 Mutter v. X 2200 9 9 27. 1. 38 Laktierend 2210 380 370 97,4 110,11 59 9 21. 3. 38 2250 350 400 114,3 68,97 147 9 31. 5. 38 V 2420 360 420 116,7 94.21 120 9 9. 5. 38 trächtig 2655 360 120,20 60 9 24. 3. 38 2850 350 390 11,4 82,00 Alouatta caraya Humboldt. 18 13 21 17 er' (f (f cf 6. 2. 38 Zahnw. 1. 2. 38 Umf ärbung 7. 2. 38 erwachs. 1. 2. 38 erwachs. 2430 5600 6425 6615 380 512 550 480 620 590 126,3 121,1 107,3 75,67 155,00 165.58 170,80 12 9 1. 2. 38 Zahnw. 3110 422 590 139,8 110,23 Zahnw. = Im Zahnwechsel. I, II, II, IV, V = Aus Herde I. II, III, IV, V. Kgw. g = Körpergewicht in g. KR mm = Kopf-Rumpflänge in mm. SL mm = Schwanzlänge in mm. FR. KÜHLHORN, Gefügcgesetziiche Untersuchungen an Neuweitaffen 23 WD e© u ■M 43 w X. TS ergev Kgw renge renge Kgw AgC » 1 zgewi Kgw M) ■Zgewi Kgw ädelii 43 V o .•-< o o d 43 m 4,5 3,24 3,1 2,11 2.0 5,13 4.9 76,3 3,5 4,12 2,7 2,02 1,3 6.21 4,1 — 3,8 3,91 2,1 — — 7.11 3,8 — 3,2 3,13 1,6 2,15 1,1 7^24 3,8 — 3,3 4,00 1,8 3,01 1,3 8,45 3,8 — 2,7 4,10 1,7 3,12 1,3 9,36 3,9 — 2,1 3,80 1,6 3,67 1.1 — — — 2,8 4,14 1,7 3,70 1,5 10,33 3,7 — 3,1 4,42 1,6 — — 10,67 3,9 70,3 2,9 6,21 2,2 4,20 1,5 11,34 4,0 65,9 2,5 — — - — 12,54 4,2 ^ — 3,3 5,72 1,9 4,03 1,3 15,15 5,0 67,1 4ö l,ö 1,7 15,41 o,u 2,3 7,12 2,2 2,23 0,7 16,34 4,9 67,8 2,1 8,06 2,1 4,31 1,2 17,13 4,8 3,4 5,00 3,5 6,29 4.4 3,0 5.22 2.6 3,03 1.5 7,18 3,6 4,4 5,12 2.5 2,12 1,0 9,10 4.4 2,6 5,30 2,6 3,00 1,5 8,03 3.9 1,4 5,01 2,4 3,10 1.4 8,54 3,9 70.2 5,13 2,3 2,58 1.2 75,8 5,1 6,01 2,7 11,21 5,1 74,4 3,2 5,12 2,0 5,00 2,2 3,9 6,00 2,6 3,02 1,2 11.12 4,6 74,0 4,5 4,59 1,7 3,05 1,2 9,43 3,6 73,2 2,9 5,02 1,9 2,93 1,0 10,11 3,6 3,1 7,43 3,1 - 9.30 3,8 77,5 2,8 15,00 2.7 — 25,34 4,5 2,6 16.47 2,6 - 37,32 5,8 68,4 2,6 16,24 2,5 22,00 3,3 39,23 5,9 71,0 3,5 7,67 2,5 - 10,54 3,2 75,9 24 Zeitschrift für Säugetierkunde. Bd. 20. 1952 (1954). Aus der Tabelle 2 geht hervor, daß die Beziehungen zwischen der KR und dem Kgw. bei den erwachsenen Tieren beiderlei Geschlechtes nicht ein- heitlich sind, wie das aus verschiedenen Gründen (Ernährungszustand, Jahres- zeit Parasitenbefall, Beanspruchung durch Jungenpflege bei den Weibchen usw.) nicht anders zu erwarten ist. Wenn man die Männchen über 3000 g Kgw. miteinander vergleicht, fällt auf, daß Nr. 24 bei einer KR von 420 mm noch leichter als manche kleineren Individuen dieser Gewichtsklasse ist. Das Stück machte keinen herunter- gekommenen Eindruck und wußte sich als Leitaffe gegenüber den anderen erwachsenen Männchen der Horde zu behaupten. In der Leber liatte das Tier einen leichten Parasitenbefall, wie auch das gleich schwere, aber kleinere Männchen Nr. 27, dessen Lebergewicht (nach Entfernung der Parasiten) sogar noch etwas höher lag. Eine körperliche Schädigung scheint demnach durch den Parasitenbefall nicht erfolgt zu sein. Nr. 24 fällt somit bezüglich des Verhältnisses zwischen der KR und dem Kgw. aus dem Rahmen der indi- viduellen Variation heraus und machte (auch im äußeren Erscheinungsbild) fast den Eindruck eines schlankeren Konstitutionstypus ^). Natürlich sichert dieser Einzelbefund nicht die Annahme von Konstitutionstypen bei Cebus apella, wie sie z. B. beim Menschen (E. Kretschmer 1929) bekannt sind. Doch weist die Beobachtung darauf hin, daß es nicht uninteressant wäre, ein zahlenmäßig großes Material von Wildsäugern der gleichen Art auf ein etwaiges Vorkommen von Konstitutionst} pen hin zu untersuchen. Hierfür wären natürlich besonders Affen geeignet, weil ihre anatomischen Verhältnisse denen des Menschen sehr ähnlich sind. In diesem Zusammenhange ist die Frage von Interesse, wie sich der Schädelindex zum körperlichen Erscheinungsbild verhält. Leider war e^ da- mals aus schon erwähnten Gründen nicht möglich, das gesamte Cehus- Material daraufhin zu untersuchen. Die errechneten Werte (Tab. 2) zeigen, wie schon bei oberflächlicher Betrachtung der Schädel erkennbar war, daß sich innerhalb der vermessenen Serie lang- und kurzschädelige Individuen unterscheiden lassen. Ganz allgemein erweisen sich die Männchen lang- schädeliger als die Weibchen. Das vorliegende Zahlenmaterial läßt keine Re- lation zwischen dem Schädelindex und dem Habitus erkennen. Das halbwüchsige, noch im Zahnwechsel befindliche Männchen Nr« 150 (KR 250 mm) ist, wie nicht anders zu erwarten war, erhebKch kurzschädeliger als die erw^achsenen Männchen. Der Vergleich der sehr alten Weibchen Nr. 9 und 28 mit dem Männchen Nr. 150 deutet darauf hin, daß sich die Index- zahlen geschlechtsreifer W"eibchen vielfach nicht weit von denen jugendlicher männlicher (und vermutlich auch weiblicher Stücke) zu entfernen scheinen. *) Es darf aber in diesem Zusammenhange nicht unbeachtet gelassen werden, daß große Individuen häufig schlanker als kleine sind (vgl. B. Rensch, 1934). FR. KÜHLHORN, Gefügcgesetzliclie Untersuchungen an Neuweltaffen 25 Es zeigen sich hier offenbar Verhältnisse, die denen des Menschen sehr ahn- lieh sind; denn nach R. Martin (1928) muß als feststehende Tatsache be- trachtet werden, daß der menschliche weibliche Schädel in manchen Merk- malen dem kindlichen Typus näher steht als der erwachsene männliche. Diese Erscheinung findet nach Martin z.T. ihre Erklärung in dem früheren Ab- schluß aller Wachstumsprozesse im weiblichen Geschlecht. B. Organgewichte. Bisher sind vor allem die für eine Reihe von Arten typischen gefüge- gesetzlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Gültigkeit der Größenregeln und ihre Bedingtheit untersucht worden, während das diesbezügliche inner- artliche Verhalten — mit Ausnahme des Herzverhältnisses, das R. Hesse (1921) u. a. bei verschieden großen Individuen einer Reihe von heimischen Wildsäugerarten genauer studiert hat — im allgemeinen Aveniger Beach- tung fand. Aus Mangel an Vergleichsmöglichkeiten muß ich mich daher vorläufig im wesentlichen darauf beschränken, die Befunde bei den einzelnen Größen - gruppen der beiden geprüften Affenarten ohne den Versuch einer Ausdeutung oder den der Ableitung einer Reihenregel (vgl. R. Hesse, 1921) darzu- stellen, worauf in der Einleitung schon hingewiesen wurde. a) Lebergew ich t. Männchen: Aus der Tabelle 2 geht deutlich hervor, daß die jugendlichen Individuen (Nr. 19, 30, 55, 57, 150) in der Regel ein bedeutend höheres relatives Leber- gewicht als die adulten Stücke aufweisen. Das deckt sich mit den Angaben, die B. R e n s c h (1948) ganz allgemein über die entsprechenden Verhältnisse bei Säugern der gemäßigten Zone macht. Die vermessene Serie erwachsener Männchen weist bezüglich der Ände- rung des Leberverhältnisses bei Zunahme des Kgw keine einheitliche Ten- denz auf, wie schon auf Grund der Gewichtsvariabilität dieses Organes (s. o.) von vornherein angenommen werden konnte. Auch bei heimischen Säugetieren treten in dieser Beziehung Unregelmäßigkeiten in der Wertefolge der rela- tiven Lebergewichte bei verschieden schweren Individuen auf, wie dem aller- dings für die Bearbeitung solcher Fragen zu geringem Zahlenmaterial aus der einschlägigen Literatur zu entnehmen ist. Bei dem Cebus -Männchen Nr. 27 kommt die mögliche, außerordentlich weit gespannte Schwankungsbreite des Leberverhältnisses besonders deutlich zum Ausdruck. Weibchen : Wegen der körperlichen Anforderungen, die Trächtigkeit und Jungen- aufzucht an die Weibchen stellen, ist von vornherein ein noch weniger ein- 26 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). heitliches Verhalten des relativen Lebergewichtes als bei den Männchen zu erwarten, wie auch die Tabellenwerte zeigen. Der bei den Männchen feststell- bare Unterschied im Leberverhältnis der Jung- und Alttiere ist bei den Weibchen nicht ausgeprägt. So liegt z. B. das weibliche Jungtier Nr. 31 bezüglich seines Relativwertes noch weit unter dem vieler erwachsener Weibchen. Die Weibchen von Gehns apella unseres Arbeitsgebietes erwiesen sich (durch laktierende Milchdrüsen) schon von einem Körpergewicht von 2050 g ab vielfach als geschlechtsreif. Derartig niedrige Gewichte, die unter denen vieler anderer erwachsener Weibchen liegen, haben wohl z. T. ihren Grund in der durch die Jungenaufzucht bedingten besonderen körperlichen Bean- spruchung. Wie aus der Tabelle 2 hervorgeht, liegt das relative Lebergewicht träch- tiger oder führender Muttertiere z. T. erheblich über dem der unbelasteten Individuen. Geschlechtsunterschiede im Leberverhältnis. Durchschnittlich erreicht das relative Lebergewicht der geschlechts- reif en Weibchen einen etwas höheren Wert als das der erwachsenen Männ- chen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich diese geringen Unterschiede bei Berücksichtigung einer größeren Untersuchungsserie ausgleichen. B. R e n s c h (1948) weist darauf hin, daß bei einer ganzen Reihe heimischer Säuger- arten das durchschnittliche Leberverhältnis der Weibchen nicht höher als das der Männchen ist. Er betont deshalb, daß es noch genauer Untersuchun- gen bedürfe, um festzustellen, ob das relative Lebergewicht generell (im Sinne eines Gesetzes mit einem gewissen Prozentsatz von Ausnahmen) bei den Weibchen größer als bei den Männchen ist. Es sei noch erwähnt, daß das Weibchen Nr. 20 nicht zum Vergleich geeignet ist, weil möglicherweise der auffallend starke Parasitenbefall der Leber nicht ohne Einfluß auf ihre Gewichtsentwicklung blieb. Jahreszeitliche Einflüsse auf das Lebergewicht. Bei der Schilderung der Umweltverhältnisse wurde auf die Periodizität hingewiesen, die das klimatische Geschehen unseres Arbeitsgebietes be- herrscht. Die Männchen, die für derartige Vergleiche geeigneter sind, zeigten innerhalb der untersuchten Serie jedoch keinen Anhaltspunkt für eine etwaige jahreszeitliche Beeinflussung des Lebergewichtes. b) Nierengewicht Männchen : Das jüngste erbeutete Männchen Nr. 150 liegt bezüglich seines rela- tiven Nierengewichtes über dem der alten Individuen. FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Nemveltaffen 27 Weibchen: Ähnlich wie bei den Männchen zeigt sich auch bei den Weibchen ein überwiegen des Nierenverhältnisses des jugendlichen Tieres Nr. 31 gegen- über den älteren Individuen. Der vermutlich gegenüber den Alttieren er- höhte Stoffwechsel der Jungaffen dürfte eine Erklärungsmoglichkeit für diesen Tatbestand bieten. Die erwachsenen Individuen lassen bei den Männchen, wie bei den Weib- chen kein regelhaftes Verhalten hinsichtlich des Nierenverhältnisses bei den einzelnen Gewichtsgruppen erkennen. Nach den wenigen diesbezüglichen An- gaben in der Literatur zu urteilen, scheinen die Verhältnisse bei manchen heimischen Säugern ähnlich zu liegen. Geschlechtsunterschiede im Nierenverhältnis. Die vergleichende Betrachtung des durchschnittlichen Nierenverhält- nisses der untersuchten Individuen läßt bei den Weibchen ein geringfügiges überwiegen dieses Wertes über die entsprechenden der Männchen erkennen. e) M i 1 z g e w i c h t B. R e n s c h (1948) wies darauf hin, daß die Größe der u. a. als Speicherorgan wirkenden Milz sehr schwanken kann. Wie aus der Tabelle 2 hervorgeht, läßt sich bei den erwachsenen Männchen, wie auch bei den ge- schlechtsreifen Weibchen, keine einheitliche Tendenz im Verhalten des rela- tiven Milzgewichtes verschieden großer Individuen erkennen. Das jüngste Männchen Nr. 150 liegt bezüglich seines Milzverhältnisses noch erheblich über dem der erwachsenen Stücke. Für die Weibchen fehlen leider in dieser Beziehung vergleichbare Werte. Nach B. Rensch (1948) sind die relativen Milzgewichte der Weib- chen gegenüber denen der Männchen bei verschiedenen heimischen Säugern höher. Dem stehen nach demselben Autor aber auch eine ganze Anzahl von Ausnahmen gegenüber. Die untersuchten Ce& ms -Männchen und -Weibchen unterscheiden sich hinsichtlich ihres durchschnittlichen Milzverhältnisses in so unerheblichem Maße, daß das geringfügige überwiegen des Durchschnitts- wertes bei den weiblichen Individuen nicht als Hinweis auf ein etwaiges ge- schlechtsgebundenes, gesetzmäßiges Verhalten dieser Organproportion ange- sehen werden kann. f) Herzgewicht Allgemeine Bemerkungen : R. Hesse (1921) betont, daß das Herzverhältnis innerhalb einer Art vielfach in nicht sehr engen Grenzen variiert und nicht selten Unregelmäßig- keiten auftreten, die eine trotzdem vorhandene Gesetzmäßigkeit zu ver- schleiern vermögen (z.B. Crocidura t-mssm/^ -Männchen). Aus diesem Grunde 28 Zeitschrift für Säugeticrkunde, Bd. 20, 1952 (1954). sei es nicht immer einfach, in Reihen von Herzgewichten die Abnahme der Verhältniswerte bei zunehmender Körpergröße festzustellen. Demgegenüber gibt es aber nach demselben Autor Arten, wie z. B. Igel, Wildkaninchen und Waldwühhnaus, bei denen eine derartige Regelmäßigkeit des Verhaltens ein- deutig zu erkennen ist. Wo aber solche Regelmäßigkeiten nicht ohne weiteres sichtbar werden, läßt sich nach R. Hesse fast ganz allgemein die Abnahme des Herzverhältnisses mit zunehmendem Körpergewicht erkennen, wenn man je eine Anzahl voneinander im Körpergewicht benachbarter Stücke zu Grup- pen zusammenfaßt und dann ilire Mittelwerte vergleicht. Man findet dann nach H e s s e's Erfahrungen fast immer das relative Herzgewicht bei leich- teren Individuen höher als bei schwereren. Hesse entwickelte die „Reihenregel" an Säugern der gemäßigten Zone und wies in seiner grundlegenden Arbeit (1921) besonders auf die Notwendig- keit der Untersuchung tropischer Tiere in dieser Richtung hin. Wegen der auch heute noch ausstehenden eingehenden Bearbeitung tro- pischer Säuger bezüglich dieser Probleme muß ich mangels Vergleichsmög- lichkeiten davon Abstand nehmen, den von mir bei Cebus apella gewonnenen Ergebnissen den Charakter einer Regel beizulegen, obwohl meine Serie er- wachsener Cebus -Männchen erheblich größer als das von R.Hesse zur Ab- leitung von Gesetzmäßigkeiten als ausreichend erachtete Material mancher von ihm geprüfter heimischer Säugerarten ist. Das Herzverhältnis bei zunehmendem Körpergewicht. Männchen : Der Vergleich der relativen Herzgewichte der erwachsenen Männchen zeigt ein nicht ganz einheitliches Bild. Doch läßt sich bei zunehmendem Körpergewicht eine steigende Tendenz des Herzverhältnisses erkennen, wenn man die Individuen von 2425 — 2835 g Kgw^ und die von 3000 — 3550 gKgw. zu je einer Gruppe zusammenfaßt und die Mittelwerte bestimmt. Für die erste Gruppe ergibt sich dabei ein durchschnittliches Herzverhältnis von 4,0 o/o und für die zweite ein solches von 4,8 o/o. Ähnliche Verhältnisse liegen auch bei der allerdings zahlenmäßig nicht sehr großen Serie erwachsener Männchen von Alouatta caraya Humboldt vor (s.d.). Weibchen : Auch bei den Weibchen zeigt sich ein individuelles Variieren des Herz- verhältnisses, das aber beim Vergleich der Mittelwerte der beiden innerhalb der Serie unterscheidbaren Gewichtsgruppen eine Abnahme bei steigendem Körpergewicht erkennen läßt (Gruppe 1: Kgw. 2200— 2210 g Herzverhältnis 4,2 o/o; Gruppe II: Kgw. 2400— 2850 g Herzverhältnis 3,9 o/o). Für die Weib- chen scheint demnach die von R. Hesse (1921) aufgestellte „Reihenregel" FR. KDHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuwcltaffen 29 Gültigkeit zu besitzen. Ergänzend sei noch erwähnt, daß bei dem trächtigen Weibchen Nr. 120 keine Schwangerschaftshypertrophie des Herzens festzu- stellen ist. Geschlechtsunterschiede im Herzverhältnis. Nach R. Hesse (1921) liegt ein Geschlechtsunterschied im Herzver- hältnis wohl sicher vor, wenn das eine Geschlecht zugleich mit dem höheren Körpergewicht das größere relative Herzgewicht hat, wenn also das Ge- wichtsverhältnis der „Reihenregel" geradezu widerspricht. Nach dem vor- liegenden Zahlenmaterial scheint dieser Tatbestand für die erwachsenen Männchen von Cebus apella L. gegeben zu sein. R. Hesse stellte ent- sprechende Verhältnisse bei den Männchen einiger heimischer Wildsäuger, wie z. B. beim Maulwurf, Fuchs, Iltis und Hermelin, fest. Herzverhäitnis bei Jungtieren. Gefügegesetzliche Untersuchungen an juvenilen Individuen sind der mir vorliegenden Literatur zufolge bisher in geringem Maße nur an heimischen Wildsäugern durchgeführt worden. Die in dieser Richtung gewonnenen Er- gebnisse lassen aber noch kein klares Bild erkennen (vgl. R. Hesse, 1921; E. Buchen rieder, 1949). Wie weit in dieser Beziehung überhaupt bei tropischen Säugern inner- artliche Gesetzmäßigkeiten im Verhalten der Herzproportionen zu erwarten sind, kann infolge des völligen Fehlens geeigneter Vergleichsmöglichkeiten nicht entschieden werden. Da sich die Cebus-Rciha juveniler Stücke — von wenigen Ausnahmen abgesehen — aus Tieren zusammensetzt, die vermutlich bald geschlechtsreif geworden wären (Zustand des Zahnwechsels, Körpermaße), ist das Material für derartige Betrachtungen ungeeignet. Ich gebe daher die ermittelten Herz- gewichte dieser Altersgruppe ohne nähere Besprechung lediglich als Unter- lage für eine etwa später mögliche Bearbeitung dieses Problems in größe- rem Rahmen in der Tabelle 1 an. C. Darm. Die Messung der Darmlänge begegnet großen methodischen Schwierig- keiten, auf die W. Härder (1951) in ausf ührlicher Darstellung hingewiesen hat. Aus ähnlichen Erwägungen heraus wie W. Härder bediente ich mich auch der von ihm und anderen Bearbeitern angewandten Meßweise, die darin besteht, den Darm unter Belassung der Serosa und Vermeidung jeder Deh- nung vom Mesenterium zu lösen und ihn, durch die angefeuchtete Hand gleiten lassend, auf einer nassen Unterlage auszubreiten und dann die Längenbestimmung vorzunehmen. Das Problem der Beziehungen zwischen dem Klima und der Darmlänge kann wohl als für die Säuger noch nicht endgültig gelöst betrachtet werden. 30 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). Für Vögel liegen Untersuchungen von B. R e n s c h (1948) vor, die zeigen, daß bei einigen Arten Vertreter desselben Rassenkreises im kühleren Klima eine relativ bedeutendere Darmlänge haben. Die ungeheure Nord-Süderstreckung des sich über verschiedene Klima- zonen hinziehenden Verbreitungsgebietes von Cehus läßt diese Gattung für ähnliche Untersuchungen nicht ungeeignet erscheinen. Die wenigen, mir noch zur Verfügung stehenden Meßwerte vermögen allein schon wegen der Be- grenzung unseres Forschungsraumes diesen Fragenkomplex für Cehus natür- lich nicht zu klären. Die gemachten Angaben sind daher nur als Unterlagen für spätere Untersuchungen dieser Art anzusehen. Leider befindet sich unter dem mir noch verbliebenen Vermessungs-* material kein Saugjunges oder kurz vorher abgesetztes Jungtier. Für die ver- gleichende Betrachtung stehen daher nur selbständige Individuen verschie- dener Größenordnung zur Verfügung, deren Ernährung nach meinen Magen- und Darmuntersuchungen völlig gleichartig ist. Diese Tatsache ist zur Be- urteilung der angegebenen Werte nicht ohne Bedeutung. Gesamtdarmlänge (Pylorus bis Anus). Männchen : Eine deutlich erkennbare Variabilität der Darmlänge, wie man sie in Serien erwachsener gleichgroßer Individuen mancher heimischer Wildsäuger innerhalb der gleichen Art oftmals feststellen kann, findet sich auch bei der daraufhin untersuchten Reihe geschlechtsreifer Männchen won C ehus apellah,, wie der Vergleich von Nr. 11, 148 und 149 zeigt (Tabelle 3). Die Betrach- tung der Wertefolge gibt daher auf den ersten Bück ein etwas unklares Bil,d des Verhaltens der Darmlänge bei zunehmender KR. Wenn man aber (ähn- lich wie beim Herzgewicht) die vergleichbaren Stücke Nr. 11, 148 und 149- zu einer Gruppe zusammenfaßt und den Durchschnittswert (722,7 %) er- rechnet, zeigt sich eine deutliche Zunahme des Relativwertes der Gesamt-; darmlänge bei steigender KR. Weibchen: Die Weibchen-Reihe zeigt ebenfalls eine zunehmende Tendenz der rela- tiven Darmlängenwerte bei steigender KR. Die untersuchten Männchen- und Weibchen-Serien sind angesichts der Variabilität dieses Organes zahlenmäßig zu gering, um aus dem gleichsinnig gerichteten Verhalten der Relativzahlen eine Regelhaftigkeit ableiten zu können. Geschlechtsunterschiede im Darmverhältnis. Nach B. R e n s c h (1948) sind die Därme der Weibchen mancher Säu- gerarten durchschnittlich etwas länger als die der Männchen. Rensch betont, daß diese Feststellung nur provisorischen Charakter habe und eine endgültige FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuwcitaffcn 31 Entscheidung erst nach Untersuchung eines umfangreicheren Materials mög- lich sei. Bei der untersuchten Cebus-Sevie erreichen die Weibchen durch- schnittlich etwas größere relative Darm-Längenwerte, eine Beobachtung, die in diesem Zusammenhange nicht ohne Interesse ist. Aloutta caraya Humboldt (Schwarzer BrülIafiTe) Umweltverhältnissie. Der Schwarze Brüllaffe scheint nach meinen Beobachtungen in seinem Vorkommen innerhalb unseres Forschungsgebietes auf die feuchten, gewässer- nahen Niederungswälder der Talmulden des Tieflandes beschränkt zu sein. In seinem dortigen Verbreitungsraum tritt er viel seltener als Cebus apella L. in Erscheinung und ist als ebenfalls reines Baumtier den gleichen Umwelt- bedingungen ausgesetzt wie dieser. Deshalb erübrigt sich ein nochmaliges Eingehen auf die schon bei der Behandlung von Cebus ausführlicher darge- stellten Umweltverhältnisse. Nahrung von Alouatta caraya Humboldt. Die Magenuntersuchungen ergaben als Hauptnahrungsbestandteile Blätter (besonders beliebt scheinen die jungen Bambussprosse zu sein), Knospen, Früchte (z.B. von der Palme Arecastnim romanzoffianum Becc), Samen und in geringerem Maße Blüten. J. R. Rengger (1830) gibt an, daß Alouatta caraya auch Insekten nicht verschmähe. Übereinstimmend mit H. Krieg (1928) konnte ich dagegen niemals tierische Reste bei den Ma- gen- und Darminhaltsprüfungen feststellen und bin daher ebenfalls der An- sicht, daß der Schwarze Brüllaffe als reiner Pflanzenfresser anzusehen ist. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, daß an den aufgenommenen Pflanzen- teilen sitzende Insekten ab und zu verschluckt werden. Doch kann man des- halb Alouatta noch nicht als heterovor bezeichnen. Material. Von Alouatta caraya stehen, wie eingangs schon erwähnt wurde, die Maß- angaben von vier Männchen und einem jungen Weibchen zur Verfügung, das aber für die Vergleiche nicht mit herangezogen wird, weil ein jugend- liches Stück keine Schlüsse auf das allgemeine Weibchenverhalten bezüglich der Organproportionen erlaubt. Gefügegesetzliche UntersuchungeiJ. A. Skelett und Körpergewicht, a) W a c h s t u m s a b s c h 1 u ß. Die Umfärbung der Männchen beginnt nach H. Krieg (1928) vermut- lich im Laufe des 2. Lebensjahres mit dem Eintritt der Geschlechtsreife und 32 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). dauert mindestens zwei Jahre. Im Alter von 3 — 4 Jahren dürfte sie nach demselben Autor abgeschlossen sein. J. R. Rengger (1830) nimmt an. daß die Männchen erst im 5. Lebensjahr ihre volle Größe erreichen. Diese Beob- achtungen deuten auf einen langsamen Verlauf des Wachstumsprozesses, worauf auch die Befunde beim Männchen Nr. 13 hinzuweisen scheinen. "Wie bei Cebus, dürfte nach meinen Feststellungen auch bei Alouatta caraya die Verknöcherung der Sutura sphenooccipitalis den Abschluß des Schädel- und wohl auch des Skelettwachstums anzeigen. Das in fortge- schrittener Umfärbung begriffene Männchen hatte demnach (wie auch die Skelettuntersuchung bewies) bei vorhandener vollständiger 2. Dentition das Größenwachstum nicht abgeschlossen (derartige Befunde sind auch von an- deren Säugern schon bekannt). Die relativen Organgewichte des Tieres ent- sprachen teilweise aber schon weitgehend denen der völlig umgefärbten aus- gewachsenen Stücke Nr. 17 und 21. Die Berücksichtigung aller dieser Be- funde — auch bei Vergleich mit den Relativwerten des noch im Zahnwechsel und im Jugendkleid befindlichen Jungmännchens Nr. 18 — läßt die Ver- mutung H. K r i e g ' s (1928) über den Eintritt der Geschlechtsreife während des Farbwechsels als nicht unberechtigt erscheinen. Infolge des Fehlens eige- ner Beobachtungen und entsprechender eindeutiger Hinweise über erfolg- reiche Paarungen noch nicht völlig umgefärbter Männchen in der mir zu- gänglichen Literatur ist eine endgültige Klärung dieser Frage aber augen- blicklich noch nicht möglich. b) V e r h ä 1 1 n i s d e r K R z u r S L. Bei vergleichender Betrachtung des Jungmännchens Nr. 18 mit den er- wachsenen Stücken zeigt die relative Schwanzlänge eine eindeutige Abnahme bei steigender KR. wie sie ja auch im allgemeinen bei den Kapuzineraffen festzustellen war. c) S c h ä d e 1 AS a c h s t u m und Alter. Wie bei Cebus zeigen sich auch die noch im Zahnwechsel befindlichen Jungtiere von Alouatta caraya kurzschädeliger als die erwachsenen Individuen (vgl. Tab. 2), was auch die ergänzende Untersuchung einer Reihe von H. Krieg im Gran Chaco gesammelter Schädel bestätigte. d) Beziehungen zwischen der KR und dem Körpergewicht. Leider ist das Material zahlenmäßig zu gering, um über dieses Problem ausführlichere Angaben machen zu können. Immerhin ist es aber interessant, daß dem geringen Längenunterschied zwischen dem in der Umfärbung be- griffenen Männchen Nr. 18 und dem ausgefärbten Individuum Nr. 17 eine ziemlich erhebliche Gewichtsverschiedenheit entspricht. FR. KDHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 33 B. Organgewicht«. a) Lebergewicht. Mit zunehmendem Körpergewicht sinkt bei der vermessenen Männchen- Serie das relative Lebergewicht. Ähnlich wie bei Cebus, weist dieses Organ auch bei dem jüngsten Brüllaffenmännchen den größten Relativwert auf. b) Nierengewicht. Wie bei Cehus, haben auch bei Alouatta die alten Individuen ein gerin- geres relatives Nierengewicht als das jüngste noch im Zahnwechsel befind- liche Tier Nr. 18. c) Herzgewicht. Bezüglich des Herzverhältnisses zeigen die Männchen von Alouatta eine eindeutig steigende Tendenz bei zunehmendem Körpergewicht. Es muß aber mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß sich bei der Prüfung einer größe- ren Serie ähnliche Unregelmäßigkeiten in den Relativzahlen herausstellen können, wie es bei Cebus der Fall ist. Allerdings gab ja auch dort die An- wendung der von R. Hesse (1921) vorgeschlagenen Methode der Zusam- menfassung von Gewichtsgruppen bei unklaren. Reihen ein Alouatta gleich- Tabelle 3. Darmlängenmaße. Cebus apella L. i u Geschlecht SP,, ^ öp s S ÖD « s KR mm Gesamtdai länge mm 150 3. 6. 38 Zahnw. 250 1050 1850 740,0 57 cf 19. 3. 38 Zahnw. 343 2250 2150 626,8 53 a' 18. 3. 38 375 2510 2520 672,0 11 a" 1. 2. 38 380 2720 2570 676,3 148 31. 5. 38 380 3300 2830 744,7 149 er 2. 6. 38 380 3550 2670 702,6 24 a' 11. 2. 38 420 3080 3150 750,0 155 60 120 9 9 9 9 9 8. 6. 38 24. 3. 38 9. 5. 38 trächtig 27. 1 . 38 laktierend 340 350 360 380 2050 2850 2650 2210 2430 3120 3320 3480 714,7 891,4 922,2 915,8 Alouatta caraya Humboldt. 13 (f 1. 2. 38 Umf ärbung 512 5600 3000 585,9 12 9 1.2.38 422 3110 1670 385,8 *) = Gesamtdarmlänge = Dünndarml. -{- Dickdarml. (Pylorus — Anus). 34 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). sinnig gerichtetes Verhalten des Herzverhältnisses bei zunehmendem Körper- gewicht unter den erwachsenen Männchen. Diese Befunde stehen im Gegen- satz zu der von R. Hesse (1921) für heimische Säuger aufgestellten Größen- regel. Da tropische Säuger aber gleichmäßigeren Umweltbedingungen aus- gesetzt sind, besteht durchaus die Möglichkeit, daß ihre Organproportionen in mancher Beziehung ein andersartiges Verhalten als unsere heimischen Säuge- tiere zeigen. Da mir keine Angaben über die Herzgewichte geschlechtsreifer weib- licher Individuen von Alouatta zur Verfügung stehen, erlauben die Relativ- werte der Männchen keinen Schluß auf etwa geschlechtsgebundene Unter- schiede im Herzverhältnis. C. Darm. Infolge des Verlustes mancher Aufzeichnungen besitze ich nur noch An- gaben über die Gesamtdarmlänge des in der Umfärbung befindlichen Männ- chens Nr. 13 und eines Jungweibchens, das den Zahmvechsel noch nicht ab- geschlossen hatte. Wenn auch diese beiden Stücke wegen der Geschlechts- und Altersverschiedenheiten nicht zu einem einwandfreien Vergleiche geeignet sind, gebe ich die ermittelten Maße trotzdem in der Tabelle 3 an, weil sie als Unterlagen für etwaige spätere Arbeiten auf diesem Gebiete von Interesse sein können. Zusammenfassung und Schlußbemerkung 1. An 25 Individuen von Cebus apella L. und 5 Exemplaren von Alouatta caraya Humboldt aus freier Wiidbahn wurde das Verhalten der Organ- proportionen innerhalb der in den Untersuchungsreihen vertretenen ver- schiedenen Altersgruppen geprüft. 2. Nach Schilderung der angewandten Untersuchungstechnik werden kri- tische Allgemeinbemerkungen zu der vielfach üblichen Arbeitsmethodik bei der Behandlung gefügegesetzlicher Probleme gemacht. 3. Voraussetzung für eine richtige Beurteilung der zwischen den Körper- gewichten bzw. -Maßen und Organgewichten bzw. -Maßen bestehenden Be- ziehungen bei den zur Untersuchung vorliegenden Arten ist die Kenntnis der Umweltverhäitnisse und der Nahrung, auf deren Besonderheiten näher ein- gegangen wird. 4. Die Ergebnisse der Untersuchungen über die Beziehungen zwischen der Kopf -Rumpf länge und dem Körpergewicht deuten für Cebus apella L. bei dem jüngsten, während des ersten Lebcnshalbjahres bezüglich seiner Ent- wicklung beobachteten Männchens das Auftreten eines Wechsels verschiede- ner Wachstumsphasen (Längen- und Breitenphase) und bei den erwachsenen männlichen Stücken das mögliche Vorkommen von Konstitutionstypen an. 5. Erwartungsgemäß sind die jüngsten untersuchten Männchen von Cebus und Alouatta, wie aber auch im allgemeinen die Cebus -Weibchen der mir vorliegenden verschiedenen Altersgruppen, kurzschädeliger als die geschlechts- reifen Männchen. Die Weibchen zeigen bezüglich des Schädelindex, daß sie FR. KCHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 35 in mancher Beziehung dem juvenilen Typus näher stehen als die erwachse- nen männlichen. 6. Jugendliche Männchen von Cebus und Alouatta zeigen ein höheres relatives Leber- und Nierengewicht (bei Cebus °) auch die Weibchen) als die geschlechtsreifen Tiere. Bei Cebus ^) ist für diese kein jahreszeitlicher Ein- fluß auf das Leberverhältnis feststellbar. Die trächtigen und führenden Cebus 'Weibchen weisen ein z. T. erheblich höheres relatives Lebergewicht als die unbelasteten weiblichen Individuen auf. Verständlicherweise zeigt das Leberverhältnis der durch das Fortpflanzungsgeschäft stärker beanspruchten Weibchen im allgemeinen ein uneinheitlicheres Verhalten als das der Männ- chen, bei denen im wesentlichen nur die Umweltverhältnisse und Parasiten- befall als den Organismus möglicherweise beeinflussende Faktoren in Frage kommen. Das im Vergleich zu den erwachsenen Männchen geringfügige über- wiegen der Durchschnittswerte von Leber- und Nierenverhältnis der ge- schlechtsreifen Weibchen von Cebus ermöglicht im Hinblick auf die Kleinheit der Untersuchungsreihen noch keinen sicheren Schluß auf das Vorliegen eines geschlechtsgebundenen Unterschiedes bezüglich dieser Organproportionen. 7. Wie vielfach bei heimischen Säugern, schwankt auch bei den erwach- senen Männchen und Weibchen von Cebus {Alouatta wurde nicht daraufhin geprüft) das relative Milzgewicht, das bei dem jüngsten männlichen Indi- viduum über dem der geschlechtsreifen Stücke liegt. Die ermittelten Relativ- werte lassen kein geschlechtsgebundenes Verhalten dieser Organproportion erkennen. 8. Die relativen Werte des Herzgewichtes ergeben bei Anwendung der von R. Hesse vorgeschlagenen Methode der Errechnung von Durchschnitts- zahlen für die einzelnen Größengruppen bei den erwachsenen Männchen von Cebus und Alouatta interessanterweise eine Zunahme, bei den geschlechts- reifen Weibchen (s. Fußnote ^) dagegen eine Abnahme bei steigendem Kör- pergewicht. Die W eibchen folgen demnach offenbar der von R. Hesse ent- wickelten Größenregel. Ähnlich wie bei manchen heimischen Säugern (z. B. Maulwurf, Fuchs, Iltis und Hermelin) scheinen bei Cebus (s. Fußnote ^) nach dem vorliegenden Zahlenmaterial zu schließen, Geschlechtsunterschiede im Herzverhältnis aufzutreten. 9. Die relative Gesamtdarmlänge zeigt bei der Männchen- und Weibchen- Reihe erwachsener Individuen von Cebus mit zunehmender Kopf-Rumpf- länge eine steigende Tendenz. Dieser Befund bedarf infolge der Kleinheit der geprüften Reihen noch der Bestätigung durch Untersuchung größerer Serien von beiden Geschlechtern. Abschließend soll noch einmal erwähnt werden, daß die vorliegenden Er- gebnisse durch Untersuchung verhältnismäßig kleiner Reihen erzielt wurden, die allerdings zahlenmäßig vielfach oft noch erheblich größer als die von manchen Autoren für die Ableitung von Gefügegesetzlichkeiten als ausreichend erachteten Serien heimischer Säuger sind. Da bisher entsprechende Unter - ^) Die Alouatta-Serie enthält nur ein jugendliches Weibchen. Deshalb ist bei die- ser Art keine vergleichende Darstellung der gefügegesetzlichen Verhältnisse im weib- lichen Geschlecht möglich. ^) Die Männchen-Reihe von Alouatta ist für derartige Vergleiche zahlenmäßig zu klein. 36 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). suchungen an tropischen Säugetieren noch nicht in dem erforderlichen Um- fange durchgefiilirt wurden und somit einwandfreie Vergleichsmöglichkeiten fehlen, kann den für Cehus und Alouatta ermittelten Befunden noch nicht der Charakter eines allgemeingültigen regelhaften Verhaltens zugesprochen werden, obwohl eine Reihe von Ergebnissen offensichtlich vorhandene gesetz- mäßige Tendenzen andeutet. Interessant ist aber die Tatsache, daß verschie- dene bei heimischen Säugern zu beobachtende Regelhaftigkeiten auch für das untersuchte Affenmaterial Gültigkeit zu besitzen scheinen. Wie eingangs betont wurde, stammen die untersuchten Affen aus den Randtropen, einem klimatischen Übergangsgebiet. Es ist daher nicht ausge- schlossen, daß manche der auffallenden Unregelmäßigkeiten in den Organ- proportionen verschiedener Individuen vielleicht weniger ihren Grund in einer für die Art normalen großen Variabilität, als vielmehr in einem sich möglicherweise verschiedenartig auf den Organismus der einzelnen Tiere aus- wirkenden Einfluß des Übergangsklimas haben. Literatur. Buchen rieder, E., 1949. — Herzgewicht und Hochgebirge. — Naturw. Rundsch. 2. Härder, W., 1951. — Studien am Darm von Wild- und Haustieren. — Ztschr. Anat. Entwickluiigsgesch. 116. Hesse, R., 1921. — Die Herzgewichte der Wirbeltiere. — Zool. Jahrb. Physiol. 38. Koppen, W., 1931. — Grundriß der Klimakunde. — Berlin. Kretschmer, E., 1929. — Körperbau und Charakter. — Berlin 1929. Krieg, H., 1928. — Schwarze Brüllaffen {Alouatta caraya Humboldt). — Ztschr. Säugetierk. 2. — , — , 1948. — Zwischen Anden und Atlantik. — München. Kühlhorn, F., 1943a. — Beobachtungen über die Biologie von Cebus apella L. — Zool. 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HERMANN POHLE • BERLIN Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V, 20. BAND 3. AUGUST 1955 HEFT 2-3 170 + IV Selten Text und 5 Tafeln Beiliegend Titel und Anhang zu Band 19 BERLIN 1955 In Kommission beim Verlag Naturkunde, Hannover und Berlin -Zeh lendorf Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955) Titeltafel Dr. Ludwig Freund * 19. 6. 1878 t 5. 11. 1953 Zeitschrift für Säugetierkunde Band 20 Heft 2-3 3*) Die Überwinterung syrischer Goldhamster (Mesocricetus auratus Waterh.) in Norddeutschland"^) Von Konrad H e r t e r (Berlin) und Gerhard Lauterbach (Berlin). Herrn Prof. Dr. Alfred Kühn zum 70. Geburtstag am 22. 4. 1955 gewidmet. (Aus dem Zoologischen Institut der Freien Universität Berlin, Abteilung für Tierphysiologie uaid -psychologie) Mit 10 Abbildungen im Text und auf Tafel IV. Der heute als Laboratoriumstier in den meisten Ländern gehaltene und gezüchtete Goldhamster (Mesocricetus auratus Waterh.) stammt aus Syrien. Nach den Angaben der in den letzten Jahren stark vermehrten Literatur über diesen kleinen Nager (s. z. B. Kittel 1952) hat I. Aharoni 1930 in der Umgebung von Aleppo aus einem 21/9 m tiefen Erdbau ein Goldhamster- weibchen mit 12 Nestjungen ausgegraben, das die Stammutter aller jetzt in Amerika und Europa gehaltenen Goldhamster sein soll. 1931 wurden sie nach England, 1938 nach Amerika und 1945 nach Deutschland eingeführt. Da der Goldhamster ein in der Gefangenschaft leicht zu haltender und zu züchtender, in seinen Ansprüchen an die Pflege äußerst genügsamer Klein- säuger ist, der durch sein ansprechendes Aussehen und seine leichte Zähm- barkeit sich unter den Tierliebhabern schnell viele Freunde erworben hat, ist er ein sehr geeignetes Objekt zur Haltung für Liebhaber und Kinder und wird auch vielfach von Händlern und Züchtern als solches angepriesen. Es ist daher sehr verständlich, daß gelegentlich Goldhamster entweichen und auch, wenn ihre Haltung den Liebhabern Schwierigkeiten macht oder lästig wird, absichtlich ausgesetzt werden. In der Ernährungsweise stimmt der Goldhamster weitgehend mit dem europäischen Hamster ( Cricetus cricetus L.) überein, d. h. er frißt in der Hauptsache Pflanzenstoffe, vor allem Samen, Früchte, Knollen, Wurzeln u. dgl., die er in den Backentaschen in unterirdische „Hamsterlager" transpor- tiert. Außerdem frißt er gelegentlich auch kleine Tiere. Bekanntlich verursachen die europäischen Hamster bei Massenauftreten in manchen Gegenden durch das Verzehren und Verschleppen von Kultur- pflanzen nicht unbeträchtlichen wirtschaftlichen Schaden. Der Goldhamster ist zwar bedeutend kleiner als der europäische Hamster und kann daher auf *) Ein Teil der Untersuchungen wurde mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgeführt. 3 38 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). einmal nicht soviel Nahrung aufnehmen wie dieser. Andererseits dürfte sein Nahrungsbedarf jedoch verhältnismäßig groß sein, da er als kleineres homoio- thermes Tier mit einer relativ großen Oberfläche einen lebhafteren Stoff- wechsel als der größere Europäer haben muß. Daher ist anzunehmen, daß der Schaden, den Goldhamster in Kulturland anrichten können, dem von ihren größeren Unterfamiliengenossen verursachten kaum nachstehen wird. Beachtlich ist ferner, daß in der Fortpflanzungsbiologie des Goldhamsters sehr günstige Umstände für eine Massenvermehrung gegeben sind. Cricetus cricetus (s. P e t z s c h 1950 b) hat eine Tragzeit von 19 bis 20 Tagen. Die Wurfgröße überschreitet selten 12 Junge, von denen wohl meistens in den ersten Tagen einige zugrunde gehen, da das 9 ri^r ^ Zitzen hat und die Schwächlinge von den robusteren Geschwistern von der Milchquelle abge- drängt werden, so daß wohl meist nicht mehr als 8 aufwachsen. Unter opti- malen Bedingungen soll ein Q in einem Jahr bis zu 3 Würfe zur Welt brin- gen können. Demnach könnten theoretisch unter sehr günstigen Umständen in einem Jahr von einem 9 24 Junghamster aufgezogen werden, von denen die 99 des ersten Wurfes — der bei uns etwa zwischen dem 20. 5. und 10. 6. erfolgt — gegen Ende August erstmalig werfen können. Die später geborenen Tiere werden wohl in demselben Jahr kaum noch zur Fortpflanzung gelangen. Bei einem Geschlechtsverhältnis von 1 : 1 könnten also von den 8 Jungen des ersten Wurfes die 4 99 noch in demselben Jahr je 8, d.h. 32 Junge hervor- bringen, so daß die theoretische Höchstzahl der Nachkoromen eines Weib- chens von Cricetus cricetus in einem Jahr 32 + 24 = 56 wäre. Das 9 Mesocricetus auratus trägt nur 16 Tage, die durchschnittliche Wurfgröße ist 8 (6 bis 12) und die Jungen sind im Alter von 6 bis 7 Wochen fortpflan- zungsfähig. In der Gefangenschaft können Goldhamster 7 — 8mal im Jahr werfen (Kittel 1952, p. 30/31). Demnach könnte 1 9 in einem Jahr etwa 60 Junge aufziehen, von denen etwa 30 99 wären. Unter Gefangenschafts- verhältnissen, in denen die Goldhamster das ganze Jahr hindurch fort- pflanzungsfähig sind, wird der größte Teil dieser 99 wegen der kurzen Tragzeit und der frühen Geschlechtsreif e in demselben Jahr ebenfalls werfen; allerdings nicht 7 bis 8 mal. Man darf vielleicht annehmen, daß mit der Hälfte der Höchstzahl von 8, also mit 4 Würfen, d.h. mit 4 mal 8 = 32 Jungen pro 9 zu rechnen ist. Das wären 32 mal 30 = 960 Hamster der zweiten Generation. Da- zu kommen die 60 der ersten und noch eine nicht zu übersehende Anzahl von Jungen der dritten Generation, weil die 99 zweiten Generation in demselben Jahr ebenfalls noch Junge haben können. Theoretisch kann also ein Goldhamsterweibchen in der Gefangenschaft in einem Jahr über 1000 Nachkommen hervorbringen ; Kittel errechnet sogar 3000. Nimmt man an, daß die Goldhamster sich im Freien nur in der warmen Jahreszeit fort- pflanzen, so ergibt sich theoretisch in der Natur eine Fortpflanzungsrate von etwa 500. K. HERTER und G. LAUTERE ACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 39 Derartige Spekulationen haben selbstverständlich nur einen sehr be- dingten Wert. Wir führten sie nur an, um zu zeigen, daß die Vermehrungs- potenz des Goldhamsters bedeutend größer als die des europäischen Hamsters sein muß. Wenn also bei diesem in manchen Gegenden — besonders Mittel- deutschlands — nicht selten Massenvermehrung vorkommt, durch die dem Menschen wirtschaftlicher Schaden erwachsen kann, so könnte dies beim Goldhamster durchaus — vielleicht sogar in noch größerem Maße — eben- falls der Fall sein. Petzsch — unser bester Hamsterkenner — ist der Ansicht, daß der syrische Goldhamster, wenn er sich bei uns im Kulturland eingebürgert hat, leicht zu einem Großschädling werden kann. In mehreren Arbeiten warnt er sehr dringlich davor, Kindern und in der Kleintierhaltung uner- fahrenen Personen, bei denen die Gefahr besteht, daß die Tiere aus Un- achtsamkeit entweichen oder aus Gedankenlosigkeit bewußt ausgesetzt wer- den, Goldhamster in die Hand zu geben. Er schlägt behördliche Maßnahmen über die Haltung und Zucht von Goldhamstern und über den Handel mit ihnen vor, durch die die Gefahr eingeschränkt werden könnte (s. Petzsch 1950a, 1951a, 1951b, 1952a, 1952b; s. auch Mohr 1954, p. 41). In diesen Arbeiten diskutiert Petzsch sehr eingehend den ganzen Problemkomplex und vor allem die Frage, ob der Goldhamster, dessen Hei- mat Syrien ist, also ein Gebiet, das klimatisch in manchen Punkten gegen- über unseren Kulturlandschaften erhebliche Unterschiede aufweist, bei uns im Freien überhaupt existenzfähig ist. Über die Klimaverhältnisse auf der aleppischen Hochebene — der engeren Heimat von Mesocricetus auratus — machen Petzsch (1950 a), E i s e n t r a u t (1952) und Kittel (1952) aus- führliche Angaben (s. auch Herter 1955), auf die wir nur ganz kurz ein- gehen. Das Klima ist ein subtropisches Wüstenklima, das durch heiße, trockene Sommer und kalte, niederschlagsreiche Winter, sowie starke Temperatur- differenzen zwischen Tag und Nacht ausgezeichnet ist. Da die Goldhamster in ihrer Heimat tiefe Erdbaue anlegen, dürften sie sich jedoch den schäd- lichen Einflüssen dieser starken Temperaturschwankungen weitgehend ent- ziehen. Es ist durchaus möglich, daß sie unser nicht so schroffen Schwankun- gen ausgesetztes Klima nicht nur ertragen, sondern daß es für sie sogar günstiger ist als das ihrer syrischen Heimat. Petzsch (1950 a) sagt vom Goldhamster: es „kann gar kein Zweifel mehr bestehen, daß er hervorragend p r ä d e s t i n i e r t i s t , sich wildlebend auch in zusagenden Biotopen Deutschlands festzusetzen und von da aus sich weiter auszubreiten!" Daß Goldhamster in geeigneten Biotopen — etwa in Gärten, Parks, lich- ten Wäldern, auf trockenen Wiesen oder auf verschiedenen landwirtschaft- lichen Kulturländern — sich in Deutschland vom Frühling bis zum Herbst halten und fortpflanzen können, bedarf für Kenner dieser Nager keines Beweises. Dagegen ist es nicht so selbstverständlich, daß sie auch unsere 3= 40 Zeitschrift für Säugetierkunde. Bd. 20, 1952 (1955). Winter im Freien überstehen können. Eickel (1949, p. 23), der nicht an die Gefahr einer Einbürgerung des Goldhamsters bei uns glaubt, und der betont, daß aus Nordamerika, wo diese Tiere schon viel länger als bei uns in großem Maßstab gezüchtet werden, kein einziger Fall ihrer Einbürgerung im Freien bekannt ist, schreibt z.B.: „Abgesehen davon würden sie Nässe und Kälte in unserem Klima noch nicht einmal einen Winter lang über- dauern.'" Um experimentell zu prüfen, „ob und inwieweit syrische Goldhamster tat- sächlich in der Lage sind, in Deutschland ungeschützt „unter freiem Himmel" den Winter zu überdauern", hat Petzsch (1952 b p. 91) Versuche ange- stellt. Im Zoologischen Garten in Halle wurden am 7. 11. 1951 in zwei aus- gemauerte Gruben von 1,50 m Länge, 1,50 m Breite und 1,80 m Tiefe, die 1,35 m tief mit festgestampfter lehmiger Erde gefüllt waren, Goldhamster eingesetzt. In die eine 3 sechswöchige 99; andere 5 halbwüchsige . Es wurde ihnen Nestmaterial (Langstroh und Häcksel) und Futter (Ge- treide und Mohrrüben) beigegeben. Bis zum 18. 11. waren die Gruben mit Frühbeetfenstern, dann mit Drahtdeckeln verschlossen. Bis zum 19. 12. wurde wöchentlich einmal Futter eingeschüttet, das die Hamster in ihre Erdbaue eintrugen. Danach war nichts mehr von den Tieren zu bemerken. Am 2. 3. 1952 wurde in beiden Gruben nachgegraben. In der Grube der QQ fanden sich Erdgänge und gefüllte Vorratskammern, jedoch keine Hamster. (Ein 9 ^var schon am 14. 11. tot und angenagt auf der Oberfläche gefunden w orden.) In der Grube der cT'c/' fand sich eine angenagte Goldhamsterhaut und in einem gut ausgepolsterten unterirdischen Nest ein winterschlafender Hamster, der innerhalb von etwa zwei Stunden völlig erwachte. Da aus dem nicht mehr aufgegrabenen Erdreich bis zum 9. 5. 1952 kein Goldhamster mehr zum Vorschein kam, ist anzunehmen, daß die fehlenden 2 99 und 3 cTo^ zugrunde gegangen und wohl von ihren Genossen aufgefressen waren. Immerhin hat der Versuch ergeben, daß ein Goldhamstermännchen „mehr als 3^2 Monate dem Schnee, Frost und Regen ausgesetzt, in einem richtigen unterirdischen Erdbau in Mitteldeutschland, in Halle an der Saale" einen, allerdings nicht allzu harten Winter winterschlafend überstanden hat (Petzsch 1952b p. 92). Um festzustellen, ob die Ergebnisse Petzschs Allgemeingültigkeit be- anspruchen können, oder ob sie nur auf Zufall beruhten, haben wir uns mit dem Verhalten von Goldhamstern in bezug auf Aktivität und Ruhe, insbeson- dere im Hinblick auf den Winterschlaf, beschäftigt. W. Krischke (1951) hatte schon vor ein paar Jahren A k t o g r a - phen versuche mit Goldhamstern gemacht, die Herr G. Kuhn 1953 in unserem Institut fortgeführt und erweitert hat. Die Tiere lebten einzeln in einem auf Spiralfedern montierten Gitterkäfig von 43 cm Länge, 30 cm Breite und 23 cm Höhe. Er enthielt sonst nur etwas Heu und täglich um etwa 11 Uhr ergänztes oder erneuertes Futter. Die Bewegungen des Käfigs bei Aktivität des Hamsters wurden mittels eines Schreibhebels auf einer senkrecht stehenden Uhrwerktrommel mit 24stündiger Umlaufzeit mit Kymo- graphiontinte aufgezeichnet. Ein Thermo-, ein Hygro- und ein Barograph K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 41 registrierten laufend die Umgebungstemperatur, die Luftfeuchtigkeit und den Luftdruck in der Nähe des Käfigs (Abb. 5, Taf. IV). Die Versuche wurden von Mai bis Dezember 1953 in einem ungeheizten Gewächshaus, in dem die Raum- temperatur nicht unter +2,5^ sank (mit gelegentlichen Unterbrechungen von einigen Tagen), durchgeführt. In Abb. 1 sind die Ergebnisse für ein Gold- Datum 1953 Abb. 1. Aktivitäts- und Ruhezeiten eines Goldhamsters (cT). Oben: Juni 1953. Mitte: Dezember 1953. Unten: Kurven aus den obigen Zahlen. D = Dezemberwerte, J = Juniwerte, M = Mittelwerte aus D und J. Schwarz: Aktivitätszeiten. hamstermännchen für je 8 Tage im Juni und im Dezember wiedergegeben. Da die Aktivitätsrhythmen weder Beziehungen zur Umgebungstemperatur, noch zur Luftfeuchtigkeit, noch zum Luftdruck erkennen ließen, verzichten wir auf die Mitteilung der entsprechenden Daten. Aus Abb. 1 geht hervor, daß der Goldhamster innerhalb des 24-Stundentages sowohl im Sommer als auch im Winter etwa 7 Stunden in Bewegung und 17 Stunden in Ruhe war. Die von Krischke seinerzeit untersuchten Tiere waren weniger aktiv. Versuchsreihen zwischen dem 21. 4. und 16. 5. 1950 ergaben für 2 cfcf" durch- schnittlich 5 Stunden Aktivität und 19 Stunden Ruhe und für 2 99 ^V-z Stunden Bewegung und I81/2 Stunden Ruhe. Die Ruhezeiten, in denen die Tiere wohl meist schlafen, werden immer wieder durch kürzere oder län- gere Aktivitätsperioden unterbrochen, in denen die Hamster fressen, umher- laufen, am Gitter herumklettern oder sich putzen. Die längsten ununter- 42 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). brochenen Ruhezeiten, die sich aus unseren Aktogrammen ablesen ließen, \v'aren 4^/^ Stunden, die längsten kontinuierlichen Aktivitätszeiten 2^0 Stun- den, In den Kurven der Abbildung 1 liegen die häufigsten und längsten Aktivitätszeiten zwischen 17 und 22 Uhr. Danach sinkt die Aktivität deutlich ab, um etwa zwischen 2 und 3 Uhr für kurze Zeit wieder anzustei- Abb. 2. Temperaturgang im Winter 1953/54 in Berlin-Dahlem nach Daten des Meteorologischen Instituts der Freien Universität Berlin. Oben: Lufttemperaturen in 2m Höhe. Unten: Bodentemperaturen um 13 Uhr. gen. Man kann die Goldhamster daher vielleicht als diphasische Tiere an- sehen. Bei den Tieren Krischkes begann die Hauptaktivität etwas früher und die Kurven verliefen in ihr unregelmäßiger. Auch bei ihnen war eine kurze Periode gesteigerter Beweglichkeit in den frühen Morgenstunden (zwi- schen 2 und 6 Uhr) zu beobachten. In den Aktographenversuchen im Gewächshaus sind die Goldhamster niemals in Winterschlaf gefallen, obgleich die Raumtemperaturen von Oktober an nur selten über -f 10° anstiegen und im November und Dezember häufig und für längere Zeit unter + 5° sanken. Andere im gleichen Raum ge- haltene Winterschläfer (europäische Hamster, Siebenschläfer, Gartenschlä- fer und Haselmäuse) waren in den fraglichen Zeiten häufig im Winterschlaf. Am 15. 11. 1953 brachten wir 2 Pärchen Goldhamster zusammen in einen Kaninchenstall, der im Freien an der Ostwand des Tierhauses im Garten des K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 43 Zoologischen Instituts stand (s. Abb. 8). Er bestand aus einer innen z.T. mit Blech ausgeschlagenen Holzkiste von 85 cm Länge, 60 cm Breite und 50 cm Höhe. Die zu öffnende Vorderwand war aus Maschendraht. Der Boden war mit einer etwa 5 cm hohen Schicht von Sägemehl bedeckt, in der die Tiere viel wühlten und die sie meist in einer Ecke zu einem größeren Haufen zu- sammenscharrten, in dem sie in einer Art Nest zusammen schliefen. Den ganzen Winter über (bis zum 1. 4. 1954) ist keines der 4 Tiere winterschla- fend beobachtet worden. Das Futter wurde regelmäßig verschleppt und ge- fressen. Etwa am 5. 3. 1954 warf eines der 99 sogar ein paar Junge, die allerdings nach wenigen Tagen verschwunden (sicher von den Genossen ge- fressen) waren. In Abb. 2 sind die Luft- und Bodentemperaturen für die fragliche Zeit nach den Messungen des Meteorologischen Instituts der Freien Universität Berlin in Kurvenform angegeben*). Dieses Institut ist etwa 550 m vom Zoolo- gischen Institut entfernt, so daß man wohl annehmen kann, daß die klima- tischen Verhältnisse an den beiden Beobachtungsstellen etwa dieselben waren. Allerdings dürften die Tiere in dem Holzkasten mit Sägemehlbelag nicht ganz so tiefen Temperaturen und etwas weniger schroffen Temperatur- schwankungen ausgesetzt gewesen sein als im Freien, zumal sie sich in ihrem gemeinsamen Schlafnest gegenseitig erwärmen konnten. Trotzdem müssen sie längere Zeit in recht tiefen Temperaturen ohne Schädigungen gelebt haben. In einen anderen Kaninchenstall kamen am 15. 11. 1953 fünf Gold- hamster, und zwar jeder einzeln in je einen Blechkasten von 24 cm Länge, 15 cm Breite und 15 cm Höhe mit einem Deckel aus Maschendraht. Jeder Kasten enthielt wenig Sägemehl und Heu. Bis zum 1. 4. 1954 wurden die Hamster täglich kontrolliert. Winterschlafend wurde beobachtet: Nr. 1 am 24. 11. 1953, am 10. 2. 1954, „ 27. 11. 1953, Nr. 2 am 21. 12. 1953, „ 3. 12. 1953, Nr. 3 am 23. 12. 1953, „ 4. 12. 1953, „ 14. 1. 1954, „ 5. 12. 1953, „ 18. 1. 1954, „ 6. 12. 1953, Nr. 4 am 23. 12. 1953, „ 7. 12. 1953, „ 14. 1. 1954, „ 14. 12. 1953, „ 18. 1. 1954. Nr. 1 war am 18. 2. 1954 tot, Nr. 5 am 1. 2. 1954. Dieser letzte Hamster wurde niemals winterschlafend beobachtet; ein sechstes Tier, das dann in seinen Käfig kam, ebenfalls nicht. Die Versuche zeigen, daß syrische Goldhamster unter Bedingungen, in denen sie vor den Temperatureinflüssen der Umgebung nur recht schlecht geschützt waren, einen ziemlich strengen Winter in Berlin im großen und *) Für die Überlassung der Daten danken wir dem Direktor des Meteoro- logischen Instituts, Herrn Prof. Dr. Scherhag. 44 Zeitschrift für Säiigetierkunde. Bd. 20, 1952 (1955). ganzen gut überstanden, und zwar fast ohne von ihrer Fähigkeit zum Winter- schlaf Gebrauch gemacht zu haben. Ein Freilandversuch, in dem den Goldhamstern Gelegenheit geboten wurde, sich Erdbaue anzulegen, wurde in folgender Weise durchgeführt: Ein würfelförmiger Käfig, dessen Wände etwa 80 cm hoch aus festem Maschen- draht (von 0,8 cm Maschenweite) und einem etwa 20 cm hohen Rand aus Zinkblech bestanden, und dessen Boden eine durchlöcherte Blechplattc war, wurde an der Rückwand (Ostseite) des Tierhauses so eingegraben und mit Erde gefüllt, daß der ganze Gitterteil in der Erde war und der Zinkblechteil einen oberirdischen Käfig von 1 m^ Bodenfläche bildete, der durch einen Deckel aus Maschendraht verschlossen werden konnte (Abb. 8). Ein etwa 30 cm breiter Streifen der Erdoberfläche im Käfig war durch das über- stehende Dach des Tierhauses vor direktem Regen- und Schnee-Einfall etwas geschützt. Auf die Erdoberfläche wurde etwas Heu und ein kleiner Haufen trockenen Laubes, sowie Hamsterfutter (Mohrrüben, Sonnenblumenkerne und Getreidekörner) gebracht. Am 28. 10. 1953 setzten wir drei Pärchen diesjähriger erwachsener Goldhamster in den Käfig und schlössen den Deckel. Jeden Morgen wurde kontrolliert und die Lufttemperatur (L) etwa 10 cm über dem Boden an einem am Deckel hängenden Thermometer, die Bodentemperatur (B) an einem etwa 4 cm tief in der Erde steckenden Thermometer abgelesen. Die ermittelten Werte weichen z. T. von denen der Abb. 2 etwas ab. Das liegt daran, daß die Lufttemperaturen im Meteorologischen Institut in 2 m Höhe über dem Boden, in unserem Käfig in etwa 10 cm Höhe über dem Boden ge- messen wurden, und daß die Bodenbeschaffenheit an den beiden Meßstellen wohl etwas verschieden war. Das Futter wurde, wenn es verschwunden oder sehr vermindert war, ergänzt. Ein kurzer Protokollauszug gibt das Verhalten der Tiere wieder: 29. 10. 1953: L: + 11«, B. + 13°: Alle Hamster im Freien unter Laub u. Heu. L: +110, B: +13°: Ein Grabloch vorn links. Kein Tier zu sehen. L: +80, B: +12°: 1 Q unter Heuhaufen. L: +70, B: +10°: Alle Tiere im Freien. L: + 8°, B: + 10°: 1 9 unter Heu, die übrigen Tiere in der Erde. Das Loch ist zugeschüttet. 6. 11. 1953: 2 cTcf draußen. Das Loch ist offen. 1 draußen. 1 c/" draußen. Ein zweites Grabloch vorn rechts. 1 ist tot und angefressen (entfernt). Der Erdboden ist etwas durchwühlt. 13.11.1953: 1 9 ist tot und angefressen (entfernt). 14. IL 1953: (L: +5«, B: + 8°) bis 21.11. (L: +9°, B: +10,5°): Kein Tier zu sehen und kein Futter eingetragen. 22.11.1953: L: + 7^, B: -lO^: Li der Mitte rechts ist ein frischer Erd- haufen aufgeworfen. 24.11.1953: (L: + 1^, B: +5,5») bis 29. 3. 1954: Es war kein Hamster zu sehen, es wurde kein Futter eingetragen und die Erdoberfläche 30. 10. 1953 31. 10. 1953 1. 11. 1953 2. 11. 1953 7. 11. 1953 9. 11. 1953 12. 11. 1953 K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldharnster 45 veränderte sich nicht. Die tiefste Bodentemperatur war in die- ser Zeit (am 2. 2. 1954) — 5^, die tiefste Lufttemperatur (am 1. 2. 1954) — 130. 29. 3.1954: Es war Futter in das Loch vorn rechts eingetragen worden. 30. und 31. 3. 1954: Ebenfalls. 1. 4.1954: Eine Falle im Käfig aufgestellt. 2. 4.1954: Es hat sich ein großes, sehr wohlgenährtes Goldhamsterweib- chen gefangen, das aus dem Käfig entfernt wurde. Bis Mitte Mai ließ sich kein Tier mehr blicken und das ausgelegte Futter blieb unberührt. Die einzige sichtbare Veränderung war, daß aus dem am 22.11. 1953 aufgeworfenen Erdhaufen viele Sonnenblumen und Getreidehalme hervorsproßten (Abb. 7). Am 22. 5. 1954 haben wir die beiden Grablöcher mit flüssigem Gips aus- gegossen (Abb. 8) und nach dem Erstarren des Gipses die ganze Erde aus dem Gitterteii des Käfigs vorsichtig ausgegraben. Wir erhielten zwei Aus- güsse, die sich ganz herausnehmen ließen und die Formen der Erdbaue sehr deutlich zeigten. Das Loch vorn links führte durch einen nur etwa 25 cm langen Gang in eine größere Kammer, in der sich Fell- und Knochenreste eines Goldliamsters (dessen Geschlecht nicht mehr feststellbar war) befanden. Das Loch vorn rechts war der Anfang eines wohlgegliederten Gang- und Kammersystems, dessen Aufbau deutlich auf den Abbildungen (Abb. 3, 4, 9 u. 10) zu erkennen ist. Aus der Skizze (Abb. 3 u. 4) sind die Maße der einzelnen Teile zu entnehmen. Demnach hatte der Goldhamster — es handelt sich sicher um Abb. 3. Grundriß de« ausgegrabenen Goidhamsterbaues. Die Varratskammer (Inhalt 2900 ccm) war zu ^/^ mit Korn gefüllt, was etwa 1,2 kg de« angebotenen Futters entspricht. Maße in cm. 46 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Abb. 4. Profil des ausgegrabenen Goldhamsterbaues. Maße in cm. den Bau eines Tieres, und zwar des am 2. 4. 1954 wiedergefangenen — in der vorderen rechten Ecke des Käfigs einen senkrecht in die Erde führenden Gang gegraben, und zwar so tief, wie er es konnte, nämlich bis auf den Blechboden. Auf dem Boden hat er dann an der rechten Seitenwand des Käfigs entlang einen waagerechten Tunnel gewühlt, bis er auf die hintere Gitterwand stieß. Senkrecht zu diesem waagerechten Stollen grub er einen etwas weiteren horizontal auf dem Boden verlaufenden geraden Gang, der in eine große Vorratskammer führte. Von diesem breiten Gang geht etwa in der Mitte ein kurzer Blindgang (Abort?) nach hinten und ein längerer Tunnel nach vorn waagerecht ab. Der letzte erweitert sich am Ende zu einem rund- lichen Kessel, der wohl sicher die Schlafkammer war. über einen weiteren Fall der Überwinterung eines syrischen Goldhamsters im Freien in Berlin hat Herr H. H. Roth Beobachtungen gemacht, deren Ergebnisse er uns freundlicherweise zur Verfügung stellte. Anfang August 1952 wurde ein 3 Monate altes Goldhamstermännchen, das in einem seit April im Freien stehenden Glaskäfig geboren wai-, in ein Freilandgehege gesetzt. Das etwa 8 x 3 m große Gelände war von einer Ziegelmauer um- geben, die etwa 50 cm tief in die Erde reichte und nach unten durch einen ebenfalls etwa 50 cm tief gehenden Maschendraht verlängert war. Die Höhe der Mauer, deren Krone durch einen 20 cm breiten rechtwinklig an ihr an- gebrachten Blechstreifen gesichert war, betrug etwa 60 cm. Auf dem be- wachsenen Gelände befanden sich Steinhaufen, Baumstümpfe, ein 60 cm tiefer Teich und ein etwa 50 cm hoher Graserdhügel. Der Hamster nahm ein in der halben Höhe des Hügels in einem Winkel von etwa 30° gebohrtes etwa 5 cm weites Loch als Wohnung an. Beim Weitergraben verschloß er die Öffnung mit lockerer Erde. Von nun an holte er jede Nacht Futter aus einem am Röhreneingang stehenden Napf. Um das Verlassen des Baues zu kontrollieren, wurde dessen Ausgang mit einem Blechdeckel verschlossen, der dann auch regelmäßig umgestoßen war. Am Tage wurde der Hamster nur einige Male morgens gegen 6 ühr draußen beobachtet. Ende Oktober, nach dem Eintreten von Bodenfrösten, kam er nur noch alle 3 bis 4 Nächte heraus, lun dann ab November überhaupt nicht mehr zu erscheinen. Erst Ende Februar 1953 bei wärmerem Wetter war eines morgens im Röhrenein- gang wieder frische Erde aufgeworfen und der Blechdeckel war umgestoßen. Von nun an holte sich der Hamster zunächst wieder alle paar Nächte Futter, K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 47 ab April fast regelmäßig jede Nacht. Im Juni wurde er auch einmal sehr früh am Morgen gesehen, wie er in die Höhle flüchtete. Die Einwinterung im Herbst 1953 erfolgte in derselben Weise wie im Vorjahr, jedoch erschien der Hamster im Frühjahr 1954 nicht wieder; die Röhre blieb verschlossen. Die beiden letzten Beobachtungsreihen bestätigen das Ergebnis des P e t z s c h'schen Versuches. Wir halten es ebenfalls für erwiesen, daß syri- sche Goldhamster in Deutschland im Freiland die kalten Jahreszeiten — und zwar auch recht strenge Winter — un- geschädigt überstehen können. Wir stimmen daher Petzschs Meinung, daß eine Einbürgerung des Goldhamsters in Nordeuropa durchaus möglich ist und der menschlichen Wirtschaft dadurch Schaden erwachsen kann, bei. Gegen die Beweiskraft der Ergebnisse aus den P e t z s c h'schen und unseren über winterungs versuchen im Freiland könnte der Einwand erhoben werden, daß von den 8 von Petzsch und den 6 von uns in die Versuche gebrachten Hamstern je nur ein Tier im Frühling wieder wohlbehalten zum Vorschein kam. Der Prozentsatz (etwa 14y2%) der Goldhamster, die den Winter in der Erde überstanden hatten, ist also recht gering. Nimmt man an, daß die zwölf verlorengegangenen Tiere den Witterungseinflüssen erlegen — also „er- froren" — sind, so kommt man zu dem Schluß, daß nur einzelne besonders widerstandsfähige Goldhamster wirklich den Unbilden unserer Winter ge- wachsen sind. Die großen Verluste an Goldhamstern in diesen Versuchen be- ruhen jedoch sicher auf der Unverträglichkeit und den kannibalischen Nei- gungen dieser Nager. Jeder Pfleger weiß, daß es oft sehr schwierig, in manchen Fällen auch unmöglich ist, mehrere Goldhamster in demselben Käfig zu halten. Es gibt fortwährend Beißereien, denen über kurz oder lang ein oder das andere Tier zum Opfer fällt, das dann von seinen Genossen an- oder aufgefressen wird. Zuweilen kann man aber doch mehrere oder viele Goldhamster monatelang zusammen halten, namentlich, wenn man die Jungen bei den Müttern beläßt. Darüber berichtet Petzsch (1951 a) in einer in- teressanten Studie über die „Sippenbildung" der Hamster. Er bemerkt jedoch, daß es in einem solchen sozialen Verband häufig zu Morden kommt, wenn die Tiere im Winter kalt gehalten werden. Nach Petzsch sind die 99? die leichter als die c/'o^ in Winterschlaf fallen sollen, unter diesen Um- ständen besonders gefährdet. „In ungeheizten Räumen verfallen manche 99' trotz der Bewegung im Käfig durch ihre Mitinsassen, doch, wenn der Höhepunkt des Winterschlaf- bedürfnisses erreicht zu sein scheint, in den lethargischen Winterschlafzu- stand, nachdem sie sich tief in den dichten Bodenbelag aus Mist und Einstreu eingegraben haben. Solange sie in der gegrabenen Röhre noch nicht in die Lethargie verfallen sind, weisen Goldhamster-99 manchmal jedes Eindringen eines anderen Exemplares, als auch der sie suchenden Hand des Beobachters, mit „keifenden" Zetertönen, einer ganz eigentümlichen Lautäußerung, zurück. 48 Zeitschrift für Säiigetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Winterschlafen sie dann doch, so werden sie in den meisten Fällen von den wachen andern Hamstern „unbeabsichtigt" wieder beim Durchwühlen des Bodenbelags ausgegraben und in diesem nahezu leblosen, tief unterkühlten und völlig wehrlosen Zustand als Nahrungsmittel betrachtet, also meistens, unter Bevorzugung des Gehirns, stark angefressen, was den Tod nach sich führt." „In einem Behälter, der neun Tiere eines Wurfes — fünf o^c/ und vier 99 — enthielt, blieben bezeichnenderweise nur die fünf nicht winter- schlafenden o^c^ am Leben, die 09 wurden durchweg im lethargischen Zu- stand von ihren Brüdern umgebracht" (Petzsch 1951a p. 238). Wir sind davon überzeugt, daß in unserem Freilandversuch sich ein ähnliches Drama abgespielt hat, bei dem die 6 Goldhamster in dem relativ kleinen Raum (von 1 m^ Bodenfläche und weniger als 1 m^ Erdraum) sich nacheinander gegenseitig umgebracht haben, so daß nur ein Tier übrig blieb. Zwei der Goldhamster wurden ja schon zu Beginn des Versuches (am 12. und 13. 11. 1953) tot an der Oberfläche gefunden. Es ist allerdings anzunehmen, daß diese nicht im Winterschlaf getötet wurden. In einem größeren Raum wäre der Prozentsatz der Tiere, die den Winter lebend überstanden hätten, sicher größer gewesen. In diesem Zusammenhang interessiert ein Versuch, den wir mit drei europäischen Hamstern (Cricetus cricetus) etwa gleichzeitig mit dem Gold- hamsterversuch im Freien ausführten. Die Tiere kamen am 5. 11. 1953 in einen großen Innenkäfig (2,25 x 1,0 x 0,9 m) in dem geheizten Tierhaus, der durch einen Mauerdurchbruch an der Südseite des Hauses mit einem Außen- käfig (3,2 X 1,8 X 2,0 m) mit Naturboden in Verbindung stand. In dem Innen- käfig befanden sich drei hölzerne Schlafkästen mit Heu und Futter. Am nächsten Tage hielt sich ein Tier im Innenkäfig auf, eines im Außenkäfig und das dritte war nicht zu sehen. In einer Ecke des Außenkäfigs war ein Loch in die Erde gegraben. Bis zum 11. 11. hatten die Hamster zwei weitere Löcher gewühlt und nur einer befand sich in einem der Schlaf kästen. Am 14. 11. hatten sich alle drei Tiere in die Erde vergraben und das Futter und Heu zum größten Teil aus dem Innenkäfig in ihre Baue verschleppt. In den folgenden Tagen (bzw. Nächten) wurde regelmäßig das jetzt auch im Außen- käfig ausgelegte Futter in die Erdbaue getragen, an denen die Hamster offensichtlich arbeiteten, denn es entstanden neue Öffnungen, während die alten z. T. verschlossen wurden. Am Tage wurden die Tiere auch manchmal von Loch zu Loch schlüpfend beobachtet. Am 20. 11. fanden wir ein cT" mit einer Bauchwunde tot auf. Futtereintragen und Grabtätigkeit waren bis zum 2. 12. festzustellen. Bis zum 11. 5. 1954 veränderte sich dann nichts mehr. Die Löcher waren geschlossen und das Futter blieb unberührt. An diesem Tage ließen wir die Erde umgraben. Es wurden ein paar Erdgänge fest- gestellt, die z. T. bis an das horizontale Drahtgitter fülirten, das in etwa 80 cm Tiefe eingebaut war und dazu dienen sollte, die Hamster an einem Durchgraben nach außen zu hindern. Es stellte sich jedoch heraus, daß dies K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 49 Gitter an einigen Stellen schadhaft war, so daß wir vermuteten, die Tiere hätten sich unter das Gitter gewühlt und wären dort zugrunde gegangen oder wären nach außen entwichen, da keines von ihnen bis Mitte Mai wieder zum Vorschein gekommen war. Wir ließen den Boden wieder einebnen und setz- ten eine Waschbärfähe in den Käfig. Am 26. 5. wurde in dem Käfig ein Hamster beobachtet, der vor dem ihn verfolgenden Waschbären in ein Erd- loch flüchtete. Der Waschbär wurde entfernt und eine Falle im Käfig auf- gestellt, in der sich in der Nacht zum 4. 6. ein Hamster fing. Der andere Hamster, den wir längst aufgegeben hatten, wurde am Abend des 9. 6. be- obachtet, als er in einem Außenkäfig an der Nordseite des Tierhauses, der durch die ganze Länge des Hauses getrennt, etwa 7 m von dem Käfig der Hamster entfernt war, in einem Loch im Betonboden verschwand. Der Beton- belag war in dem Käfig, der bis dahin drei Biberratten beherbergte, gerade vor ein paar Stunden gelegt worden und noch ziemlich weich, über Nacht ging der Hamster in die gleich aufgestellte Falle. Wir vermuten, daß er schon längere Zeit in dem stark durchwühlten Bodengrund des Nutriakäfigs gehaust und sich nachts von dem Futter seiner Wirte geholt hatte. Wahr- scheinlich hatte er sich — vielleicht schon im Herbst — einen Tunnel (von mindestens 7 m Länge) diagonal unter dem Tierhaus hindurchgegraben. Diese Beobachtung zeigt außer der großen Grabfähigkeit von Cncetus cricetus, daß die europäischen Hamster der Überwinterung in einem geheiz- ten Raum die Überwinterung im Freien in selbstgegrabenen Erdbauen — also unter „natürlichen Verhältnissen" — vorzogen, und daß man auch mehrere Hamster in einem größeren Areal, in dem sie sich gegenseitig ausweichen können, überwintern kann. Unser Gipsausguß (Abb. 9 u. 10) läßt erkennen, daß das Goldhamster-Q in dem Freilandversuch einen Bau angefertigt hatte, der eine deutliche Glie- derung in ein Gangsystem mit einer großen Vorratskammer, einer Schlaf - kammer und zwei Blindgängen, die vielleicht Aborte waren, aufweist (s. p. 46). Ob diese Bauweise für den syrischen Goldhamster typisch ist, läßt sich nicht sagen, weil bisher ja erst dieses eine Beispiel vorliegt und unser Tier offen- sichtlich durch die Enge des Käfigs in seiner Bautätigkeit behindert war. Wahrscheinlich hätte er im unbegrenzten Raum die Eingangsröhre tiefer ge- trieben und vielleicht die Gänge zu der Vorratskammer und dem Schlaf - kessel länger gebaut, wenn ihm die Käfigwände nicht Halt geboten hätten. Es ist auch anzunehmen, daß die waagerechten Gänge ohne die Führung durch den Blechboden nicht so ideal horizontal verlaufen wären. Ein Vergleich mit den Bauen des europäischen Hamsters ist, bis nicht mehr Material vorhegt, verfrüht. Auffällig ist, daß der einzige Eingangsstollen des Goldhamsterbaues genau senkrecht verlief. Ob unser Goldhamster-9 in seinem Erdbau wirklich Winterschlaf gehal- ten hat, oder ob es die ganze Zeit aktiv war und von seinen Vorräten gezehrt 50 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). hat- wissen wir nicht. Es ist jedoch das erste anzunehmen, da das von Petzsch am 2.3.1952 in Halle ausgegrabene fest winterschlafend vor- gefunden wurde (s. p. 40) und die 99 des Goldhamsters nach Petzsch be- deutend mehi" zum Winterschlaf neigen als die cTc/"- ^vas allerdings nach Eisentraut (1952 p. 123) noch nicht bewiesen sein soll. Bemerkenswert ist, daß unsere Goldhamster in dem Freilandversuch ihre oberirdische Tätigkeit an dem ersten Tage mit Bodenfrost (24. 11. 1953), an dem das Thermometer in 2 cm Tiefe auf ±0° gesunken war (s. Abb. 2), ein- stellten, und daß das überlebende 9 erst einige Tage nach dem letzten Bodenfrost (19.3.1954), am 29.3.1954, wieder aufnahm, als die endgültige Frühjahrserwärmung schon ziemlich weit fortgeschritten war. Der Hamster war also etwa 4 Monate ununterbrochen in der Erde geblieben, obgleich in dieser Zeit einige Perioden ohne Bodenfrost lagen, und zwar vom 29. 11. bis 14. 12. 1953, vom 28. bis 29. 12. 1953 vom 16. bis 17. 1. 1954, vom 19. bis 20. 1. 1954 und vom 26. 2. bis 18. 3. 1954. Wie die Kurve der Bodentempera- turen in Im Tiefe zeigt (s. Abb. 2), die niemals unter ±0° gesunken war, dürfte der Hamster in seiner Schlafkammer in etwa 80 cm Tiefe übrigens kaum Frosttemperaturen ausgesetzt gewesen sein. B i c k e 1 (1949 p. 10) schreibt, daß nach amerikanischen Erfahrungen in den Goldhamsterzuchten die Temperatur nicht unter + 4° sinken soll. ,,In Koloniezucht gehaltene Hamster, die sich gegenseitig leichter warm halten, vertragen geringere Temperaturen. Es ist wenig wahrscheinlich, daß Hamster- kolonien selbst bei — 6,5° C in Winterschlaf gehen. Einzeln gehaltene Tiere werden jedoch bei — 1° bis 4- 4° C schläfrig und kommen dann nicht mehr aus ihren Nestern." Petzsch (1950a) hielt zwei Pärchen Goldhamster in Einzelkäfigen während des Winters 1949/50 in einem ungeheizten Raum, in dem die Lufttemperatur in der kältesten Zeit bis auf — 15° absank. Nur in dieser Zeit (am 30. 1. 1950) wurde ein Q iri tiefem Winterschlaf vorgefunden. Von im Winter 1950/51 in einer ungeheizten Garage überwinternden Gold- hamstern gibt Petzsch (1951 a) an, daß nur 92 Winterschlaf fielen, und daß in einer Züchterei ebenfalls nur 99 winterschlafend beobachtet wurden, und zwar in einem Raum mit ^ 20° Lufttemperatur. Daß in dem Freilandversuch von Petzsch ein winterschlafend gefunden wurde, haben wir schon erwähnt (s. p. 40). Eisen traut (1952) hat mit zwei männlichen Goldhamstern systematische Versuche über Winterschlaf ange- stellt. Das eine Tier kam am 3. 11. 1949 in einen Holzkasten mit Moos, Watte u. dgl. in einen ungeheizten Raum. Es hatte bis zum 9. 3. 1950 niemals Winterschlaf gehalten. Der andere Goldhamster wurde am 14. 1. 1950 in einem Glasbehälter, in dem er sich aus Moos u. dgl. ein Nest bauen konnte, in denselben Raum gebracht. Bei ihm wurde vom 20. 1. (Raumtemperatur -f 0,6°) bis zum 12. 3. 1950 mehrfach unterbrochener Winterschlaf beob- achtet. Eisen traut hält es für möglich, daß das Nichtschlaf en des ersten Tieres an den günstigeren Temperaturverhältnissen in dem besser wärme - isolierten Holzkäfig gelegen hat. Der winterschlafende Goldhamster verhielt sich sehr ähnlich wie ein gleichzeitig beobachteter europäischer Hamster. Auch er zeigte einen periodischen Wechsel zwischen einigen Tagen Winter- K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhanister 51 schlaf und ein bis zwei Wachtagen. Beim europäischen Hamster dauern die Winterschlafperioden im Durchschnitt 5 Tage, bei dem untersuchten Gold- hamster waren sie kürzer, die längste erstreckte sich über 4 Tage. Die kri- tische Temperaturstufe, das heißt das Temperaturgebiet, in dem winter- schlafbereite Winterschläfer in Winterschlaf fallen können, liegt nach E i - sentraut bei Cricetus cricetus in der Nähe von + 9°. Die Minimaltempera- tur, auf die sich der Körper des Tieres abkühlen kann, bei + 4 bis h 3o. Der Eisentr a u tsche Goldhamster schlief zu Anfang der Versuche bei Um- gebungstemperaturen unter + 4° ein, später auch bei höheren bis zu t- 9^. Die tiefste bei ihm gemessene Körpertemperatur war + 3,5^. Diese — leider nur an einem Tier durchgeführten — Messungen zeigen, daß die kritische Temperaturstufe von Mesocricetus auratus nicht bei + 4^, wie Eickel an- gibt (s. p. 50), sondern höher liegen muß. Besonderes Interesse beanspruchen Versuche über den Winterschlaf von Goldhamstern von S c h u a und Schnorrenberg (1954) in München, bei denen mehrere Tiere in einem Raum mit einer ziemlich konstanten Temperatur von etwa + 20° (nicht tiefer als -H 180) beobachtet wurden. Leider ist nicht angegeben, wieviele Hamster es waren und ob sie in Einzelhaft oder zu mehreren zusammen gehalten wur- den. Der Raum wurde in unregelmäßigen Zeitabständen künstlich beleuch- tet; zu welchen Zeiten und jeweils wie lange, wird nicht gesagt. „Einige" Tiere fielen im Winter — und zwar nur im Winter — in häufig unter- brochenen Winterschlaf. Sehr beachtlich ist, daß die Autoren schreiben: „Bei Messungen der Körpertemperaturen konnten wir feststellen, daß diese stets um einige Grade unter der der Umgebungsluft lagen." Sie halten es für möglich, daß die in dem Versuchsraum die meiste Zeit herrschende Dunkel- heit bei einigen Tieren die Winterschlaf berei tschaft gefördert hat. Da einmal beobachtet wurde, „daß alle Tiere bei einem Wechsel der vorherrschenden Wetterlage aus ihrem Winterschlaf erwachten", wurden statistische Berech- nungen über die Wetterlage angestellt und mit der Anzahl der jeweils win- terschlafenden Goldhamster in Beziehung gesetzt. Es ergab sich „ein über- zufälliger Anstieg hinsichtlich der Anzahl der schlafenden Tiere vor dem Durchgang von Kaltfronten (KF.), ein geringerer nach Warmfronten (WF.) und tatsächlich ein verstärktes Aufwachen bei und nach dem Durchgang einer KF. Ebenso zeigt sich ein ähnlicher Gipfel vor KF., wenn man die neu in Schlaf gesunkenen Tiere zum Vergleich heranzieht. Beim Durchgang der KF. fallen keine Tiere in Schlaf. Wogegen im Zusammenhang mit WF. nichts festzustellen ist." „Da die Tiere in dem Labor weitgehend den äußeren Wettereinflüssen entzogen waren und praktisch wohl nur der Luftdruck im Raum wirksam war, besteht die Möglichkeit, daß dieser in gewissem Sinn eine Rolle gespielt haben könnte, doch läßt sich eine Korrelation nicht ein- wandfrei sichern." Dies Ergebnis ist besonders bemerkenswert, weil Linde- mann (1951, 1952) kürzlich beobachtet zu haben glaubt, daß das Einschlafen und Erwachen beim Winterschlaf des europäischen Igels (Erinaceus euro- paeus L.) unter gewissen Umständen ebenfalls mit Luftdruckänderungen zu- sammenhängt. Nach diesen kurz wiedergegebenen Beobachtungen der Autoren hat man den Eindruck, daß der syrische Goldhamster relativ leicht in Winterschlaf fallen kann, und zwar schon bei verhältnismäßig hohen Umgebungstempera- turen. Meine (H e r t e r s) Erfahrungen mit den ersten Goldhamstern, die 52 Zeitschrift für Säugetierk;mde, Bd. 20, 1952 (1955). ich von einem Berliner Händler erhielt, sprachen ebenfalls in diesem Sinne. Im Winter 1950/51 fand ich die Tiere an Montagen mehrmals winter- schlafend vor, wenn am Sonntag mein Zimmer im Institut nicht geheizt worden war. Brachte ich aktive Tiere im Winter in einen ungeheizten Raum, so konnte ich mit großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen, sie am nächsten Tage in der für alle winterschlafenden Nager typischen Stellung (Abb. 6) im Winterschlaf vorzufinden, mit Körpertemperaturen, die etwa den Raum- temperaturen entsprachen. Ganz anders verhielten sich die Goldhamster, die wir für die geschilderten Versuche im Winter 1953/54 benutzten. Sie stammten aus einer Sendung von 40 Tieren, die wir im September 1953 von Herrn Dr. H. Behringer aus München erhielten. Die in dem meistens geheizten Tierhaus und in dessen ungeheiztem Bodenraum einzeln oder zu mehreren zusammen gehaltenen Goldhamster fielen niemals in Winterschlaf, über das Verhalten der in Käfigen im Freien gehaltenen Tiere haben wir schon berichtet (s. p. 43). Dabei ist auffällig, daß von den 6 in den Blech- käfigen lebenden Tieren, die weitgehend den zeitw^eilig sehr tiefen Tempera- turen der Umwelt (s. Abb. 2) ausgesetzt waren, zwei überhaupt nicht Win- terschlaf hielten und die restlichen vier nur ganz selten und zu verschiedenen Zeiten winterschlafend angetroffen wurden. Vergleicht man diese Zeiten mit dem Gang der Lufttemperatur, so kommt man zu folgenden Ergebnissen: Hamster 1 schlief erstmalig (am 24. 11. 1953) während eines ziemlich schrof- fen Temperatursturzes (23.11. 13 Uhr: +7°; 24.11. 4 Uhr: + 1»). An dem nächsten Schlaftag (27. 11. 1953) war die Temperatur im Steigen (26. 11. 13 Uhr: ±0°; 27.11. 4 Uhr: ±0°, 13 Uhr: +3«). Die längste Schlafperiode wurde bei Nr. 1 vom 3. bis 7. 12. 1953 zu einer relativ warmen Zeit, in der die Temperatur zuerst anstieg (3. 12. 4 Uhr : + 4^ ; 4. 12. 4 Uhr: + W) und dann ziemlich schroff abfiel (5.12. 4 Uhr: + 7«; 7.12. 4Uhr: + lo) beobachtet. Am nächsten Schlaftag (14. 12. 1953) hatte das Thermometer fallende Ten- denz (13.12. 13 Uhr: +6«; 14.12. 4 Uhr: 4- 2») und am letzten (10.2.1954) ebenfalls (9.2. 13 Uhr: ±0%- 10.2. 4 Uhr: — 2o). Hamster 2 hat nur an einem Tage (21. 12. 1953) geschlafen, an dem die Temperatur etwas an- stieg (20. 12. 13 Uhr: —V; 21.12. 4 Uhr: ±Oo). Nr. 3 wurde an denselben Tagen winterschlafend gefunden wie Nr. 4, und zwar am 23. 12. 1953, an dem die Temperatur etwas gefallen war (22.12. 13 Uhr: +1^; 23.12. 4 Uhr: — 1°), am 14.1.1954 ebenfalls bei fallender Temperatur (13.1. 13 Uhr: +40; 14.1. 4 Uhr: | 1°) und am 18.1.1954, an dem auch Ab- kühlung stattgefunden hatte (17.1. 13 Uhr: H-l^; 18.1. 4 Uhr: ±0°). In der Mehrzahl der wenigen beobachteten Fälle trat also der Winterschlaf bei fal- lender Umgebungstemperatur ein. Auffällig ist, daß in den besonders kalten Zeiten des Winters 1953/54 (30. 12. 1953 bis 12. 1. 1954, 22. 1. bis 13. 2. 1954 und 16. 2. bis 24. 2. 1954) keiner der Goldhamster Winterschlaf hielt. Dies läßt sich vielleicht mit der von anderen Winterschläfern bekannten Erschei- K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 53 nung in Zusammenhang bringen, daß sehr tiefe Umgebungstemperaturen und plötzliche Temperaturstürze weckend oder Winterschlaf hindernd wirken können. Wenn die Umgebungstemperatur so niedrig ist, daß die Tiere ihre Minimaltemperatur nicht aufrecht erhalten können, schalten sie ihre Tem- peraturregulationsmechanismen völlig ein und werden ganz munter. Die Beobachtung unserer Goldhamster im Winter 1953/54 hat in uns den Eindruck erweckt, daß unsere Tiere nur eine sehr geringe Neigung zum Win- terschlaf hatten. Vielleicht kann man annehmen, daß die — wohl haupt- sächlich hormonal bedingte und gesteuerte — Winterschlafbereitschaft bei den syrischen Goldhamstern unter den für sie relativ neuen Domes tikations- einflüssen Änderungen unterworfen ist, so daß sie in den einzelnen Popula- tionen oder Zuchten in verschiedener Stärke auftreten kann. Leider fehlt uns für die Beurteilung des Einflusses der Domestikation auf den Winterschlaf jede Vergleichsmöglichkeit, da bisher als Haus-, Labor- oder Farmtiere noch nie Winterschläfer gedient haben. Zusammenfassung 1. Syrische Goldhamster (Mesocricetus auratus Wäterh.) hatten in Akto- graphenversuchen im Sommer und im Winter einen Aktivitätsrhythmus mit gesteigerter Aktivität zwischen 17 und 22 Uhr und einer schwächeren Aktivitätsperiode zwischen 2 und 3 Uhr. 2. Goldhamster überlebten ungeschädigt einen strengen norddeutschen Winter in Käfigen, in denen sie sich nicht eingraben konnten und in denen sie weitgehend der Kälte ausgesetzt waren, im Freien. Mehrere in einem Käfig zusammengehaltene Tiere fielen nicht in Winterschlaf; einzeln gehaltene nur selten und nur für kurze Zeit. 3. Ein Goldhamster überwinterte im Freien in einem selbstgegrabenen Erd- bau, der eine deutliche Gliederung in ein Gangsystem und Kammern (Vor- ratskammer und Schlafkammer) erkennen ließ. Das Tier hat sich ununter- brochen 4 Monate (vom 24. 11. 1953 bis 29. 3. 1954) in dem Bau in der Erde aufgehalten. 4. Die Versuchsergebnisse bestätigen die Ansicht Petzsch's, daß syrische Goldhamster in Deutschland im Freien ungeschädigt überwintern können, und zwar auch in recht strengen Wintern, so daß ihre Einbürgerung in Deutschland als durchaus möglich anzusehen ist. 5. Die Goldhamster aus den einzelnen Populationen und Zuchten scheinen sich in bezug auf ihre Winterschlafbereitschaft (vielleicht als Folge der Domestikation) verschieden verhalten zu können. 6. Europäische Hamster (Cricetus cricetus L.) zogen Überwinterung im Freien in selbstgegrabenen Erdbauen der Überwinterung in einem geheizten Räume vor. 4 54 Zeitschrift für Säugetierkiinde, Bd. 20, 1952 (1955). Literaturverzeichnis Eickel, E., 1949. — Der syrische Goldhamster, seine Haltung, Pflege und Zucht. — Selbstverlag, München. 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Rechts Mitte: Schlupfloch. Abb. 8. Ausgießen des Goldhamsterbaues der Abb. 7. Rechts: Kaninchenställe. Abb. 9. Gipsausguß des Goldhamsterbaues von oben in natürlicher Lage im Käfig. Abb. 10. Der Gipsausguß außerhalb der Grube. Zeitschrift für Säugeti«rkimde, Bd. 20, 1952 (1955). 55 4.) Allgemeine Gedankengänge über die Dichte- sch wanknngen bei der Erdmans (Microtus agrestis) Von Dennis G h i 1 1 y (Bureau of Animal Population, Oxford) Vortrag gehalten auf der 28. Hauptversammlung am 31. 7. 1954. Mit zwei Abbildungen im Text. Das Problem, das ich hier erörtern will, ist von ziemlich allgemeiner Be- deutung im Tierreich. Es kann nicht nur durch Tatsachen illustriert werden, die die Säugetiere betreffen, sondern auch durch solche, die uns über Vögel und Insekten bekannt sind. Man beobachtet oft, daß eine Population eine be- stimmte Zeit lang zunimmt und Mann vielleicht mehrere Jahre hintereinander im Abnehmen begriffen ist. Dieses Geschehen kann man durch die Kurve (Abb. 1) darstellen. Beim Hasen (Lepus americanus) und bei gewissen In- sekten kann sich die Periode der Populationsabnahme über fünf Jahre er- 3 O Abb. 1 Zeit strecken. Manchmal erklärt sich diese Abnahme zum Teil aus einer reduzier- ten Fruchtbarkeit, aber daneben wird sie gewöhnlich durch eine hinzukom- mende hohe Sterblichkeitsziffer bewirkt. Lassen Sie uns zuallererst einige einfache, aber grundlegende Betrachtun- gen anstellen : Wir beobachten z. B. im Zeitpunkt i (Abb. 2) eine bestimmte Sterblichkeitsziffer (SJ und im Zeitpuakt n eine höhere Ziffer (Sn), ob- gleich die Populationsdichte in beiden Zeitpunkten ähnlich sein mag. Es ist klar, daß die Sterblichkeitsziffer immer das Ergebnis der Wechselwirkung ist, die zwischen den Organismen (O) und den von außen kommenden Todes- ursachen (T) besteht. Nun wollen wir wissen, warum Sn größer ist als Sj. Die erste Hypothese (a), die wir untersuchen müssen, ist die, daß wir es in beiden Zeitpunkten mit Organismen zu tun haben, deren biologische Eigen- schaften identisch sind In diesem Fall müssen wir nach einem Unter- schied zwischen Tj und Tn suchen. Mit anderen Worten, wir erwarten zu fin- den, daß es im Zeitpunkt n mehr tödliche Feinde oder Parasiten oder Krank- 4* 56 Zeitschrift für Säugeti^rkunde, Bd. 20, 1952 (1955). heiten gab, oder daß das Wetter ungünstiger war, oder daß eine Nahrungs- knappheit herrschte. Solche Unterschiede in den Todesursachen sind in der Tat vorgekommen, und einige Populationsveränderungen können gewiß auf diese Weise erklärt werden. Aber andrerseits hat diese Untersuch ungs- methode sehr oft unsere Fragen nicht beantworten können. Lassen Sie uns daher das Problem von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachten. in i n Sf < Sn S( < Sn Oj = On O,' ^ On T,' * Tn T,' = Tn (a) (b) Abb. 2 Stellen wir uns vor, daß die Bedingimgen in der Umgebung der Organis- men zu allen Zeiten die gleichen sind, das heißt, daß T; gleich Tn ist. Dann muß natürlicherweise jede Änderung in der Sterblichkeitsziffer auf einer Änderung der Organismen selbst beruhen, auf einer Änderung, die sie den normalen Sterblichkeitsfaktoren gegenüber weniger widerstandsfähig macht. Zum Beispiel könnten die Tiere während kalten Wetters sterben, das sie in früheren Jahren überlebt haben. Ich weiß nicht, ob diese angenommenen Änderungen wirklich eintreten, aber wenn das zuträfe, so ist es doch höchst- wahrscheinlich, daß eine Kombination beider Hypothesen notwendig ist, um die Freilandbeobachtungen erklären zu können. Ich kann nur sagen, daß die zweite Hypothese sich bei unseren eigenen Studien fruchtbar erwiesen hat, ganz abgesehen davon, ob sie richtig oder falsch ist. Diesen Studien will ich mich nun zuwenden. Die Freilandbeobachtungen, die meine Frau und ich angestellt haben, be- treffen die Erdmaus (Microtus agrestis). Bei dieser Mäuseart dauert ein Populationszyklus im allgemeinen vier Jahre. Was wir herausfinden wollen, ist die Antwort auf die Frage: Tritt eine Veränderung in den biologischen Eigenschaften dieser Tiere ein, und wenn das geschieht, wie geht sie vor sich ? Das im Freiland gewonnene Material deutet auf einen wichtigen Punkt hin: Wenn man die Gewichtsverteilung einer Microfws-Population untersucht, fin- det man auffallende Unterschiede während der verschiedenen Stadien eines Zyklus. In einem Jahr der Populationszunahme ist das Körpergewicht — wenigstens das der männlichen Tiere — folgendermaßen verteilt: Im Hoch- sommer gibt es eine große Zahl von Tieren, die das Muttertier gerade ab- gesetzt hat, einige alte Tiere und eine Gruppe mit mittleren Gewichten, die sich aus den ersten Jungen des Jahres zusammensetzt. In einem Höhepunkts- jahr fehlt dagegen diese mittlere Gewichtsgruppe. Vielleicht wachsen die Tiere nicht in normaler Weise, oder vielleicht sterben sie, worauf unser© D. CHITTY, über die Dichteschwankungen bei der Erdmaus 57 Markierungsversuche hinzuweisen scheinen. Was auch in Wirklichkeit die Ur- sache für das Fehlen dieser Mittelklasse sein mag, die Tatsachen scheinen darauf hinzudeuten, daß in einer gedrängten Population ungünstige Wirkun- gen durch den Kontakt zwischen Individuen hervorgerufen werden. Kurz nachdem diese Ideen im Jahre 1949 festere Formen angenommen hatten, hatte ich das große Glück, einen Studenten, J. R. G 1 a r k e , zu haben, der Forschungen auf demselben Gebiet anstellte und diese ein gutes Stück vorwärtsbrachte. C 1 a r k e fand, daß Erdmäuse, die sich fremd sind, in hohem Maße aggressiv sind und daß besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen werden mußten, damit sie sich nicht sofort gegenseitig töteten. Nachdem es ilim gelungen war, diese Schwierigkeit zu umgehen, konnte er zeigen, daß solche Kämpfe große Veränderungen im Gewicht gewisser Organe verursachen. Die Nebennieren wurden schwerer und der Thymus kleiner, Veränderungen, die nach den physiologischen Theorien Dr. Hans S e 1 y e s über die Wirkun- gen übergroßer Anstrengungen zu erwarten waren. Eine auffallende Verände- rung war jedoch die Gewichtserhöhung der Milz, und diese Veränderung findet sich nicht immer in S e 1 y e s Adaptations-Syndrom. Ich möchte die Bedeutung dieser Gewichtsveränderungen von Organen nicht eingehend erörtern, sondern nur sagen, daß diese Tatsache die Ansicht stützt, daß sich die biologischen Eigenschaften der Organismen verändert haben. Wir haben jedoch keinen Beweis dafür, daß diese Veränderungen größere Sterblichkeit unter den Tieren verursachen. Und in der Tat finden wir, daß in einem Höhepunktsjahr eine gute Zahl ausgewachsener Erdmäuse am Leben bleibt. Auch im Laboratorium beobachten wir, was die Lebens- dauer betrifft, keine bemerkenswerten Wirkungen; natürlich machen die Tiere eine Ausnahme, die im Kampf ernstlich verwundet wurden. In dieser Hinsicht unterscheiden sich meine Ansichten über die Ursachen der Zyklen von denen der meisten anderen Autoren: ich glaube, daß es die Nachkommen dieser kämpfenden Tiere sind, bei denen die wirklichen physiologischen Stö- rungen auftreten. Ich werde später auf diesen Punkt zurückkommen. Lassen Sie uns inzwischen zu den Freilandbeobachtungen zurückkehren. Es wird von Nutzen sein, die drei erwähnten Organe, die Nebennieren, den Thymus und die Milz, in freilebenden Populationen zu studieren. Aber diese Untersuchungen haben erst im Jahre 1952 begonnen, und da die kleinste Zeiteinheit für solche Untersuchungen die vier Jahre eines Zyklus umfaßt, können wir noch nicht wissen, ob sie irgendwelche Ergebnisse zeitigen werden. Es gibt jedoch gewisse andere Faktoren im Zusammenhang mit den Zyklen der Erdmauspopulation, für die wir ziemlich vollständiges Tat- sachenmaterial besitzen. Diese sind: 1. Das Körpergewicht. Eine der charakteristischsten Erscheinun- gen in einer gedrängten Population ist, daß die ausgewachsenen Tiere im Frühling ausnahmsweise schwer sind. 58 Zeitsdirift für Säugetkrkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 2. Die Wurfstärke. Diese kann auch in einem Höhepunkts jähr größer sein als in irgendeinem anderen. Hamilton hat das so in New York gefunden, Bodenheimer und S u 1 m a n in Palästina, und Stein hat Unterschiede zwischen den Wurf stärken seiner primären und sekundären Fundorte beobachtet. Wir selbst finden die größte Anzahl von Embryonen in Höhepunkts jähren, haben aber, wie Sie sehen werden, unsere eigene Erklä- rung für diese Tatsache. 3. Die Dauer der Fortpflanzungszeit. Sehr häufig, wenn auch nicht immer, endet die Fortpflanzungszeit in einem Höhepunktsjahr im August. Frank spricht auch von einem frühen Ende der Brutzeit in einem Höhepunkts j ahr. Hier sind also drei interessante Tatsachen, die erklärt werden müssen, nämlich: das hohe Körpergewicht (das hier nicht erörtert werden soll), die große Zahl der Embryonen und eine kurze Fortpflanzungszeit. Der Versuch, diese Veränderungen experimentell hervorzubringen, scheint der Mühe wert. Eine der Methoden, die wir bei diesen Versuchen angewandt haben, ist die folgende: Wir haben vier Käfige nebeneinander; in jedem von ihnen ist entweder nur eine einzelne Erdmaus oder ein Erdmauspaar. Jeden Tag oder einen Tag um den anderen werden diese vier Käfige für zwei Stunden mit- einander verbunden. Wir tun das, indem wir von einem Käfig zum anderen einen Tunnel legen, durch den die Erdmäuse laufen und sich Besuche ab- statten können. Wir halten gleichzeitig Geschwister aus demselben Wurf un- ter Kontrolle, und diese nehmen nicht an diesen periodischen Besuchszeiten teil. Bei den Experimenten mit gepaarten Tieren haben wir nicht immer auf die Wurfziffer einwirken können, aber in einem Fall wurde eine höchst be- deutsame Änderung erzielt. Wir hatten drei „experimentelle" und drei „kon- trollierte" Paare, und durch einen besonderen Glücksfall hatten sie je sieben Würfe. Eine statistische Analyse ergab diese Resultate: die als Kontrolle ge- haltenen Paare: 4,62 ±0,175; die im Experiment: 5,33 i 0,175. Diese Zahlen sind die durchschnittlichen Wurfstärken. Und nun will ich etwas über die Länge der Fortpflanzungszeit sagen: Im Februar 1950 richtete Dr. G 1 a r k e zwei Erdmauskolonien im Freien ein. Die eine begann mit einem einzelnen Paar, die andere mit fünf Paaren. Jedes Gehege hatte eine Bodenfläche von ungefähr 70 Quadratmetern, und es war immer ein großer Überfluß an Nahrung vorhanden. Zu allererst zeigte sich ein auffallender Unterschied in der Fruchtbarkeit der Weibchen: In der ge- drängten Kolonie betrug diese Fruchtbarkeit ein Achtel von der in der an- deren Kolonie, die mit nur einem Paar angefangen hatte. Dieser Vergleich bezieht sich nur auf die Monate der gleichzeitigen Brutzeit in beiden Kolonien. Zweitens dauerte die Nicht-Brutzeit in der kleineren Kolonie nur etwa drei Monate, während sie in der anderen etwa sechs Monate währte. Auf den ersten Blick mag es vielleicht seltsam scheinen, wenn man D. CHITTY, über die Dichteschwankimgen bei der Erdmaus 59 die große Wurfstärke wie auch die kurze Fortpflanzungsperiode als Glieder ein und derselben Erscheinung zu erklären versucht. Erlauben Sie mir daher, erst eine Stelle aus „The Principles of Animal Ecology" von Prof. Allee und seinen Kollegen anzuführen: „Die Lebensprozesse vollziehen sich schnel- ler und günstiger, wenn die Population sich vermehrt, bis eine Höchstdichte erreicht ist. Jenseits dieser Höchstlinie bewirkt eine weitere Vermehrung die gegenteiKge Entwicklung." (Fig. 139 B, p. 396). Nun ist es möglich, daß sich dasselbe Prinzip auf die Fruchtbarkeit der Erdmaus — und vielleicht auf die mancher Vögel — anwenden läßt, das heißt, daß es ein Höchstmaß der Populationsdichte gibt und daß unterhalb und überhalb desselben die Fruchtbarkeit redusdert ist. Wir wissen noch nicht mit Sicherheit, ob diese Annahme richtig ist, da diese vorläufigen Beobachtungen sich erst bestätigen müssen. Das letzte Experiment, das ich noch erwähnen möchte, unternahmen wir in den Koloniekäfigen unseres Laboratoriums. Diese Käfige bestehen im wesentlichen aus untereinander verbundenen Laufgängen, die übereinander liegen und an einem Ende Abteilungen zum Schlafen und am anderen solche zum Fressen haben. Die ersten Ergebnisse zeigen, daß eine große Anzahl von Tieren zusammenleben kann, ohne sich zu bekämpfen, vorausgesetzt, daß sie gemeinsam aufwachsen. Fremdlinge werden jedoch fast sofort getötet und ebenso Mitglieder der Kolonie, die für einen Tag oder zwei entfernt und dann wieder zurückgebracht wurden. Eine unserer größten technischen Schwierig- keiten ist, Kolonien zu schaffen, in denen die Tiere sich weder so gut kennen, daß sie sich gar nicht zanken, noch sich so gründlich hassen, daß sie sich gegenseitig zerreißen. Die goldene Mitte kann jedoch erreicht werden. Wenn ein Weibchen in einer solchen Gruppe trächtig ist, wird es unmittelbar vor dem Gebären isoliert und kann seine Jungen in Frieden aufziehen. Es darf die Hälfte des Wurfes behalten. Die andere Hälfte wird fortgenommen und durch Junge von einer als Kontrolle gehaltenen Mutter ersetzt. In allen bis- her beobachteten Fällen hatten die Jungen, die von den Experiment-Tieren gesäugt wurden, Untergewicht, als sie abgesetzt wurden; das bedeutet, daß die Milcherzeugung scheinbar ungünstig beeinflußt worden war. Wir haben jedoch kein Material, um zu zeigen, ob auch pränatale Störungen vorkamen. Ich bedaure, in der Tat sagen zu müssen, daß ich im Augenblick noch kein ausreichendes experimentell gewonnenes Beweismaterial besitze, das den umstrittensten Teil der Hypothese stützen würde, nämlich, daß die Nach- kommen, die von im Raum beschränkten Tieren abstammen, anomal seien. Wenn wir auf Abb. 1 zurückgehen, so will ich sagen, daß die im Zeitpunkt n geborenen Tiere wahrscheinlich aus Ursachen starben, die auf Ereignisse vor ihrer Geburt zurückgehen. Es ist eine verbreitete Ansicht bei Geflügelzüchtern, daß der physiologi- sche Zustand der Eltern eine starke Wirkung auf die Lebensfähigkeit der 60 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Küken ausübt. Es ist wohl auch vernünftig, wenn angenommen wird, daß solche Wirkungen durch Störungen im Zustand der nährenden Mutter her- vorgerufen werden. Ich glaube aber, daß bei den freilebenden Säugetieren noch tiefere Vorgänge diese Wirkungen verursachen und nicht allein eine unzureichende Milchbildung. Daß es uns noch nicht gelungen ist. dieses tiefere Etwas experimentell zu erfassen, beweist entweder, daß meine An- sichten darüber ganz falsch sind, oder aber daß wir noch nicht gelernt haben, Fehler in unseren Experimenten zu vermeiden. Wir hoffen, bald herauszu- finden, welche von diesen beiden Alternativen die rechte ist. Zum Schluß möchte ich nur kurz auf eine sehr interessante Tatsache hinweisen, die im Zusammenhang mit unserer gegenwärtigen Ansicht über die Ursachen der Zyklen steht. Neben der Tatsache der auffallenden Sterblich- keit unter den Arten, deren Populationszahl regelmäßigen Schwankungen un- terworfen ist, steht eine zweite Tatsache: Die ökologisch isolierten Populatio- nen zeigen oft Schwankungen in der Zeitübereinstimmung der Zyklen. Eis lassen sich viele Beispiele anführen, die zeigen, daß das nicht immer geschieht. Auf der anderen Seite finden wir so oft Zeitübereinstimmung, daß wir diese nicht einfach als Zufälligkeit hinstellen können. Wir wissen bis jetzt noch nicht, wie diese Übereinstimmung zustande kommt. Doch denke ich, daß man auf das Wetter als koordinierendes Element schließen muß. Wenn das so ist und wir unsere Hypothese auf den Zyklus bei dem nordamerikanischen Hasen anwenden, dann ziehen wir folgenden Schluß: Entweder ist ein völlig un- geahntes Element mit diesem Zyklus verknüpft, oder aber der sogenannte zehnjährige Zyklus ist gar kein zehnjähriger Zyklus. Ich werde die einzelnen Stufen der Beweisführung auslassen und ganz einfach das Endergebnis geben: Tatsachen, die kürzlich von meiner Frau analysiert worden sind, zeigen, daß es seit 1925 drei vollständige Zyklen im östlichen Nordamerika, dagegen nur zwei in Alaska gegeben hat. Seitdem wir uns über den starken Einfluß klar geworden sind, den das Wetter auf die Dauer der biologischen Zyklen aus- übt, haben wir die Entdeckung einer solchen Verschiedenheit erwartet. Nach jetzt vorhandenem Beweismaterial war also die zeitliche Übereinstimmung auf dem ganzen großen Kontinent, die man in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts fand, ein Zufallsergebnis, und die Dauer der Zyklen ist in der Tat in den verschiedenen Regionen eine verschiedene. Diese Feststellung, wie die meisten anderen, die ich heute gemacht habe, ist nur vorläufiger Natur. Und doch hielt ich es für wichtig, Sie mit unseren Ansichten bekannt zu machen und mit den Methoden, die wir anwenden, um sie auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen, selbst wenn wir sie in der nächsten Zukunft beträchtlich modifizieren müssen. Frau R. Hendewerk und Herrn G. Stein habe ich für Hilfe am deutschen Text zu danken. Zeitschrift für Säugetkrlamde, Bd. 20, 1952 (1955). 61 5*) Vorläufige Ergebnisse der Populations- nntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe Von Dr. A. van Wijngaarden (Pflanzenschutzdienst, Wageningen) Vortrag gehalten auf der 28. Hauptversammlung am 31. 7. 1954. Mit 9 Ahbildungen im Text und auf den Tafeln V und VI. Anlaß zu der Untersuchung: Nach ernstlichen Plagen von Feldmäusen (Microtus arvalis Pallas) in den Jahren 1945 und 1949 in den Niederlanden, insbesondere in der Betuwe, hat der Pflanzenschutzdienst mich beauftragt, eine Untersuchung anzustellen über den Verlauf der Entwicklung dieser Plagen und über die sie veranlassenden Verhältnisse. Viele Tierarten zeigen periodisch starke zahlen- mäßige Schwankungen. Auch bei den Feldmäusen in den Niederlanden ist dies der Fall; in den Perioden der größten Populationsdichte, den sog. Maxima, werden sie dem Land- und Gartenbau zur schweren Plage. Meine erste Aufgabe war also, zu prüfen, was mit den Feldmäusepopulationen während einer Plage nun eigentlich geschah und w o diese Plagen auftraten. Verfahren : Wenn wir etwas wissen wollen über den Verlauf einer Plage und über die Zahl der zwischen den Plagen vorhandenen Feldmäuse, so brauchen wir ein geeignetes Verfahren zur Bestimmung ihrer Zahl. Zwei von den möglichen Verfahren haben wir angewandt: Fangen mit Fallen und Zählen der Löcher je Flächeneinheit. A. Bei dem Fallenverfahren setzten wir voraus, daß, wenn auf einem be- stimmten Versuchsfeld eine bestimmte Zeit hindurch eine bestimmte Anzahl Fallen stehen (hier: 20 Stück in einer geraden Linie von beliebiger Richtung durch die Mitte des Versuchsfeldes), die Zahl der in diesen Fallen gefangenen Mäuse einigermaßen einen Eindruck von der Populationsdichte gibt. Das Ver- hältnis zwischen der Zahl der gefangenen Tiere und der Populationsdichte ist bei verschiedenen Dichten natürlich nicht das gleiche. Störend können z. B. auch das Wetter in der Fangnacht und Unterschiede in der oberirdischen Aktivität in den einzelnen Jahreszeiten wirken. B. Als zweites Verfahren wandten wir die Löchermethode an (Abb. 6, Tafel V). Auf 20 Flächen von je einem Quadratmeter, die mit zwei Meter Zwischenraum in einer geraden, durch den Mittelpunkt des Versuchsfeldes laufenden Linie lagen, wurden die vorhandenen Feldmäuselöcher gezählt. 62 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Jedes Loch mit einem Durchmesser unter 3 cm ohne mit dem Finger spür- bares Ende galt als Feldmäuseloch. Durch teilweisen Einsturz eines Ganges entstandene Löcher wurden nicht mitgezählt. Es ist klar, daß gegen dieses Verfahren etwa dieselben Be- denken bestehen wie gegen das Fallenverfahren. Die gefundenen Locher wurden alle mit einem Pfropfen Gras zugestopft und am nächsten Morgen wurde nachgesehen, ob der Pfropfen entfernt war. Dadurch bekonmit man einen Eindruck von der Bewohnungsstärke des Gängesystems. Untersuchte Gegend: Für diese Arbeit wurde die Betuwe (Abb. 1) gewählt, weil sie das Wageningen am nächsten gelegene Gebiet ist, wo eine regelmäßig zur Plage werdende Abb. 1. Geographische Lage der Betuwe. Feldmäusepopulation lebt und weil sie ziemlich gut isoliert liegt zwischen Rijn, Waal, Lek und Merwedekanaal, so daß etwaige große Wanderungen doch nur innerhalb dieses Gebietes stattfinden könnten. Oberfläche ± 1200 km-. A. VAN WIJNGAARDEN, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 63 Versuchsfeldsätze: Es wurden drei Sätze Versuchsfelder mit beiden Verfahren bearbeitet: a) ein Satz Versuchsfelder dicht beieinander in verschiedenen Biotopen, und zwar 10 Wegraine, 5 Grünland-Weidelandflächen, 5 Korbweidenbrüche, 5 Äcker und 2 Obstgärten, zwischen Gulemborg und Geldermal- s e n in einer Gegend mit regelmäßigen Feldmäuseplagen ; b) ein Satz entsprechender Versuchsfelder, auch alle nahe beieinander, und zwar in 10 Wegrainen, 5 Weideflächen, 5 Wäldern, 5 Äckern und 5 Obst- gärten bei Hemmen in einer Gegend ohne Mäuseplagen ; c) ein Satz von 104 Versuchsfeldern durch die ganze Betuwe zerstreut in e i n und demselben Biotop, und zwar Grünland. Diese Grünlandflächen liegen in 10 Reihen (A bis J) in der Richtung Nord — Süd quer durch die Betuwe etwa 7 km auseinander. In diesen Reihen liegen die Versuchs- felder etwa 1 km voneinander. Dieser Satz ist weiterhin als Betuwe-Unter- suchung bezeichnet (Abb. 2). Abb 2. iLage der Grünland-Prüffelder bei der Betuwe-Untersuchung, Enge Schraffierung = Beckenbetonboden. Weite Schraffierung = Flußuferablagerung. • Feldmäuse Herbst 1952 vorhanden, o Feldmäuse fehlen Herbst 1952 Zeit der Untersuchung: Die oben beschriebenen Zählungen finden seit Herbst 1950 jährlich zwei- mal statt: im Frühjahr, wenn wir ein Minimum, und im Herbst, wenn wir ein Maximum der Populationsdichte erwarten. I. Ergebnisse Gulemborg: Im Gebiet der Gulemborg-Untersuchung kommen in der Hauptsache vier Biotope vor: Raine, Weideflächen, Äcker und Korbweidenbrüche. Es sind nun die Änderungen der Populationsdichte in den Jahren 1950 bis heute in jedem dieser Biotope zu besprechen. Wir sehen in den graphischen Darstellungen Abb. 3 und 4 und in den Tabellen 1 bis 3, daß die Raine- Population im Jahre 1950 sehr gering 64 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 450 400 350 300 250 200 150 H 100 50 0 Herb*t 1950 Frühjahr Herbst 1951 1951 Herbst 1954 Abb. 3. Anzahl der auf 100 gefundenen Mauselöchefl*. — Raine - - Grünland Äcker . Korbweidenbrüchc Obstgärten Tab. 1: Gesamtzahl der Löcher je 100 (Gulemborg) Herbst Frühj. Herbst Frühj. Herbst Frühj. Herbst Früh]. Herbst 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 1954 Grünland 1 1 0 143 204 44 0 4 18 Rain 54 80 158 391 390 51 37 17 155 Korbweiden 51 63 41 230 152 51 31 18 148 Ackerland 5 0 8 14 79 27 0 0 19 Obstgarten 0 230 35 0 0 13 war, dann langsam und im Frühjahr 1952 sehr schnell zunahm, wahrschein- lich im Sommer 1952 ihr Maximum erreichte und im Herbst schon wieder etwas abnahm. Im Frühjahr 1953 konnten wir nur mit größter Mühe eine einzige deutliche Spur von Fraß (an einer Distelwurzel) finden, die auf die Anwesenheit von mindestens einer lebenden Feldmaus in den Rainen hinwies. Die Katastrophe in der Mäusewelt hatte sich zum sovielten Mal vollzogen. Im Herbst von 1953 war die Zahl der Löcher noch kleiner und im Frühjahr von 1954 hatte sie sogar wieder abgenommen. Die Löcher ver- schwinden aber nicht sobald aus den Rainen wie die Mäuse. Der Hundertsatz der geöffneten Löcher (Abb. 5) und die Zahlen der gefangenen Feldmäuse (Abb. 4) geben von ihrer Zahl ein besseres Bild. Die ein halbes Jahr später (Herbst 1954) vorgenommenen Zählungen zeigen dann wieder eine starke Zunahme. A. VAN WIJNGAARDEN, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 65 Was geschah nun zu gleicher Zeit in den andern Biotopen? Vom Herbst 1950 bis zum Frühjahr 1952 lebten in den Grünlandflächen, Korb- weidenbrüchen, Obstgärten und Äckern wahrscheinlich keine Feldmäuse. Im Herbst von 1951 wurden zwar welche im Ackerland gefangen, aber diese kamen aus den benachbarten Rainen: Löcher fanden wir nicht. Daß in der genannten Periode dennoch Löcher in den Korbweidenbrüchen gefunden wur- den, ist wahrscheinlich auf die Anwesenheit von 8 (!) andern Arten hier lebender kleiner Säugetiere zurückzuführen. Feldmäuse wurden dort in diesen anderthalb Jahren nicht gefangen. Die Raine begannen bei der starken Be- völkerungsdichte im Frühjahr von 1952 „überzukochen". Es wanderten Mäuse in die weniger günstigen Biotope, die sekundären, aus (plötzliche Zunahme der Zahl der gefundenen Löcher). Diese Erscheinung trat in den Grünland- flächen und den Korbweidenbrüchen etwa gleichzeitig auf. Die Äcker waren erst im Herbst 1952 erheblich besiedelt, d. h. als die Bevölkerung in den drei andern Biotopen schon dicht war. Die Mäuse verschwanden überall fast Herbst Frühjahr Herbst Frühjahr Herbst Frühjahr Herbst Frühjahr Herbst 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 1954 Abb. 4. Anzahl der in je 100 Fallennächten gefangenen Feldmäuse. Bedeutung der Strichelungen siehe Abb .3. Tab. 2: Zahl der gefangenen Feldmäuse je 100 Fallennächte (Gulemborg) Herbst Frühj. Herbst Früh]. Herbst Frühj. Herbst Frühj. Herbst 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 1954 Grünland 0 0 0 4 32 0 0 0 0 Rain 1 0 11 8 54 0 1 0 3 Korbweiden 2 0 0 1 34 0 0 0 0 Ackerland 0 0 6 1 10 0 0 0 0 Obstgarten 0 0 0 0 7 0 0 0 0 66 Zeitschrift für Säugeti^rkunde, Bd. 20, 1952 (1955). gleichzeitig, und zwar im Herbst und Winter 1952. Erst im Herbst 1954 fingen sie wieder an, die Grünländer zu besiedeln. Schon N a u m o V hat auf die „Station of permanent survival" hingewie- sen. Wenn überall die Mäuse in großen Mengen sterben, gibt es bestimmte Stellen, Vorzugsbiotope, wo einige Tiere diese Katastrophen überleben; das sind die Biotope, wo sich die Tiere am besten behaupten können (Stein 1952: primäre Biotope). Wie nach Stein (1952) in Ost-Deutschland, so leben auch hier in den sogenannten Minimumjahren (1950, 1953) nur in den Rainen Feldmäuse, und auch da nur sehr wenige. Stein (1952) folgerte aus seiner Untersuchung bei Fürstenwalde (Ost- Deutschland) in bezug auf die Bevölkerungsschwankungen folgendes: „In den primären Biotopen (Rainen usw.) befinden sich regelmäßig Feldmäuse. Kleine Schwankungen verschiedener Art führen zur Auswanderung in „sekundäre Biotope" (Wiesen, Äcker), wo (besonders unter dem Einfluß der hier vor- handenen großen Nalirungsmengen) die Mäuse plötzlich sehr viele Junge werfen, sich lawinenartig zu einer Plage und „damit" zum vollständigen Zu- sammenbruch entwickeln. Ein deutlicher Unterschied zwischen den Bevölkerungsdichten der einzel- o/o 80 - 60 . 40 . Herbst Frühjahr Herbst i rühjahr Herbst Frühjahr Herbst Frühjahr 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 Abb. 5. Prozentsatz der von Feldmäusen wieder geöffneten Löcher. Tab. 3: Zahl der geöffneten Löcher je 100 m2 (Culemborg) Herbst Früh]. Herbst Früh]. Herbst Früh] . Herbsl Frühj. Herbst 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 1954 Grünland 1 0 0 60 145 2 0 0 0 Rain 8 16 32 83 138 0 4 4 0 Korbweiden 11 11 5 40 62 8 7 1 2 Ackerland 0 0 7 4 28 6 0 0 0 Obstgarten 0 0 65 0 0 0 0 A. VAN WIJNGAARDEN, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 67 nen Biotope tritt in der Culemborg-Untersuchung auch hervor. Im Gegen- satz zu den Folgerungen von Stein aber fanden wir, daß die Bevölkerung der Raine noch viel dichter wurde und viel mehr schwankte als die der Grün- landflächen und Korbweidenbrüche. Genügend Angaben über die Größe der Würfe in den verschiedenen Biotopen haben wir leider noch nicht. Wir wis- sen aber, daß bei sehr dichter Bevölkerung die Zahl und die Größe der Würfe zurückgeht, woraus sich vielleicht der von Stein festgestellte Unter- schied in der Geburtenzahl erklärt. Vor dem Herbst von 1952 hatte die Be- völkerung ihre Höchstzahl wahrscheinlich schon erreicht (Zahl der Löcher im Grünland, in den Weideflächen im Frühjahr 1952: 143; im Herbst 1952: 204 je 100 m^: in den Rainen 391 bzw. 390 und in den Korbweidenbrüchen 230 bzw. 152). Im September 1952 waren nur zwei Prozent der gefangenen erwachsenen Weibchen schwanger. Aus den Fangergebnissen nach dem Zu- sammensturz geht auch wieder hervor, daß nur in den Rainen noch Mäuse übriggeblieben waren. II. Entwicklung der Plage in der Betuwe (siehe Abb. 2). Was geschah nun in derselben Periode in andern Teilen der Betuwe ? Nach der schweren Plage von 1949, über die wir leider keine Zahlen ken- nen, lebten im Herbst 1950 im Grünland nur vereinzelt Feldmäuse (B 3, B 13, 17). Auch fand man praktisch keine Löcher. Im Frühjahr von 1951 war es ebenso. Im Herbst desselben Jahres aber hatten die Mäuse plötzlich das Grünland südlich von Leerdam und Beesd besiedelt (Transsekt A und B südlich von der Linge). Im nächsten Frühjahr war die Bevölkerung dort schon viel größer (1951 im Herbst 6,8 und im Frühjahr 1952 38,4 Löcher je 100 m^). Auch das Grünland nördlich von Geldermalsen und Zoelen wurde nun besiedelt (Trans- sekt B und G nördlich von der Linge), was sich auch bei der Culemborg- Untersuchung zeigte. Im Herbst 1952 war zwar die Bevölkerung im ursprünglichen Zentrum der Plage etwas zurückgegangen (von 38,4 auf 32,6 Löcher je 100 m^), aber nun wurden fast alle Versuchsfelder im ganzen westlichen Teil der Betuwe von Feldmäusen bewohnt. Auch in mehreren Versuchsfeldern in der Mitte und im Osten der Betuwe gab es damals (allerdings nur wenige) Feldmäuse, ebenso wie im Herbst 1951 südKch von Leerdam. Im Frühjahr 1953 war aber nirgends mehr ein Loch im Grünland zu finden, wohl noch alte, verfallene Überbleibsel davon, Spuren von Lauf- pfaden u. dgl. Es kam auch keine einzige Maus mehr in unsere Fallen. In diesem Frühjahr (1954) fing die Geschichte an sich zu wiederholen: Südlich von Leerdam und Beesd wurden wieder die ersten Mäuse im Grünland an- getroffen. Im Herbst 1954 war ihre Anzahl wieder stark gestiegen. Den näch- sten Ausbruch erwarten wir im Jahre 1955. 68 Zeitschrift für Säu^tierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Schlußfolgerungen. A. Gleichzeitiges Verschwinden: Unsere Erwartung, daß die geringe Feldmausbevölkerung in 1952 im Grünland der östlichen Betuwe unabhängig von einem etwaigen Zusammen- bruch im Westen dennoch eine Plage herbeiführen würde, bestätigte sich nicht. Gleichzeitig verschwanden die Mäuse vollständig aus dem Grünland des ganzen Gebietes. B. Zusammenhang zwischen Boden und Plage: Die Grünlandversuchsfelder, auf denen wir im Jahre 1952 Plagen fest- stellten, lagen alle auf sog. Beckentonboden, also eben auf den Böden mit dem höchsten Wasserstand! Das Vermögen einer Feldmäusepopulation, 1952 in der Betuwe sekundäre Biotope (Grünland) zu besiedeln, hing also irgend- wie mit Eigenschaften dieser Beckentonböden zusammen. Auf den Flußufer- ablagerungen nahmen die Rainpopulationen zwar sehr stark zu, aber es kam nicht zum „überkochen'*; es sei denn, daß die ausgewanderten Feldmäuse in den sekundären Biotopen schnell umgekommen sind, was nicht wahrschein- lich ist: Im Grünland der Flußuferablagerungen wurden nirgends Feldmäuse gefangen oder Löcher gefunden. Flußuferablagerungen sind verhältnismäßig (Vs — 1 Meter) hoch liegende, sandige Tonböden, Reste alter Flußbetten. Landschaftlich bezeichnend ist, daß auf diesen Flußuferablagerungen alle Dörfer liegen, und auch viele Wege und Obstgärten. Beckentonböden sind die tieferliegenden Gelände zwischen diesen Rücken. Sie bestehen aus sehr schwerem Ton. Landschaftlich fallen sie auf durch das gänzliche Fehlen von Häusern, Obstgärten usw. Die Böden werden meistens als Grünland, das Zentrum (der tiefste Teil) manchmal zur Korb- weidenkultur benutzt. Ein ausgedehntes Becken findet sich zwischen Gorkum, Heteren, Waardenburg und Beesd: die neuen Autobahnen Gorkum — Tiel und Utrecht — Hertogenbosch durchqueren sie. Wir wissen noch nicht, was die Mäuse veranlaßt, in den sekundären Biotopen die Beckentonböden zu bevorzugen. Es kann die Bodenart sein. Aber es kann auch daran liegen, daß die Raine in den Becken viel weiter von der bewohnten W^elt liegen und somit weniger stark beweidet oder gemäht werden. C. Zusammenhang zwischen der Größe der Becken und der Schwere der Plage: Uns ist auch aufgefallen, daß die Plagen eher und heftiger auf- traten, je größer das Beckentongebiet war. III. Hemmen-Untersuchung : Sobald uns 1953 klar geworden war, daß es einen Zusammenhang zwi- schen Landschaftstypus und Feldmäuseplage gab, haben wir angefangen, die Feldmäuse in einem Gebiet zu untersuchen, wo nie Plagen vorkommen. Dafür A. VAN WIJNGAARDEN, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 69 wurde die Umgebung von Hemmen gewählt, die auf Flußuferablagerungen liegt. Wir haben mit dieser Untersuchung erst im Herbst 1953 angefangen, aber es steht schon fest, daß auch hier Feldmäuse in den Rainen leben. Wir erwarten, daß die Bevölkerung zwar schwanken, aber niemals so dicht werden wird, daß sie „überkocht". Im Grünland bei Hemmen kommen nie Mäuse vor. Künftige Untersuchungen: Jetzt, wo wir etwas über den Gang der Mäusebevölkerung während einer Plage wissen, fragen wir uns natürlich: Welches sind die Ursachen der Ver- änderungen? Die Untersuchung über den Zusammenhang zwischen der Um- welt und dem Auftreten von Feldmäuseplagen wollen wir fortsetzen und außerdem die Mäuse einer bestimmten Population mit Marken versehen, um Daten über Geburtenzahl, Sterblichkeit und Wanderung in der Natur zu sammeln. Es werden dazu im Feld drei Verfahren ausprobiert: a) Fangen, Markieren und Wiederfangen. b) Nestkastenverfahren und Markieren. c) Kennzeichen mit Kobalt 60 und Nachspüren mit einem Geigerzähler. Daneben sollen beim Laboratorium in einem sog. Mäusegarten vier Feld- mäusepopulationen in Abteilungen von 100 bis 120 m^ gehalten werden, wie es John Clark in Oxford und Frank in Oldenburg gemacht haben. Wir sitzen da gleichsam mit der Nase darauf und können sehr genau registrieren., was geschieht. Wir hoffen, daß in diesem Mäusegarten auch Schwankungen auftreten werden und daß wir darin den Zusammenbruch einer altein- gesessenen Population werden beobachten können, die ruhig aus sich selbst heraus eine große Dichte erreicht hat, nicht also einer Population von ein- ander fremden Tieren, die plötzlich in einen kleinen Raum zusammen- gebracht worden sind. Tafelerklärung. Tafel V, Abb. 6. Grünland- Löcher zählmethode. Abb. 7. Korbweidenbruchi bei Culemborg. Tafel VI, Abb. 8. Blick vom Kirchturm von Asperen (Abb. 2, A 7) nach Osten. Übergang von einer Beckentonlandschaft (links) zur Flußufer- ablagerung (reichts). Abb. 9. Typische Beckento^nlandschaft (westlich von C 11, Abb. 2). Aufnahmen: Niederländischer Pflanzenschutzdienst Wageningen. 5 70 Zeitschrift für Säugetie rkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 6.) llntersaebungen über die britischen Formen von Clethrionomys Eine genetische Analyse Von D. M. Steven (Edinburgh) Vortrag gehalten auf der 28. HauptverÄammlung am 31. 7. 1954. Clethrionomys scheint mir insofern von besonderem Interesse, als diese kleinen Nagetiere uns ein ganz besonders günstiges Material für das Studium der Artenbildung höherer Tiere bieten. Sie haben von Natur aus einen hohen Vermehrungsgrad, dabei sind sie klein und leicht zu behandeln. Nach einer Trächtigkeit von nur drei Wochen sind die Jungen reif und können im Alter von wenigen Wochen selbst Junge aufziehen. Die gleichen Vorteile hatte S u m n e r in Amerika erkannt, als er vor vielen Jahren mit Peromyscus zu arbeiten begann. Ich glaube jedoch? die westeuropäische Clethrionomys hat vor Peromyscus gewisse Vorteile. Auf einem — im Vergleich zu Nord- amerika — so kleinen Gebiet, wie es Großbritannien ist, zeigt Clethrionomys eine komplizierte Aufspaltung in verschiedene Formen, deren Analyse mög- lich ist. Von den 72 Clethrionomys -Formen, die Ellerman und Morri- son-Scott aufführen, haben wir nur die folgenden in Großbritannien: C. glareolus britannicus Miller : überall auf der Hauptinsel und auf einigen kleineren Inseln; C. g. erica Barret-Hamilton und H i n t o n : Insel Raasay (innere Hebriden Schottlands) ; C. g. alstoni Barret-Hamilton und H i n t o n : Insel Mull (innere Hebriden Schottlands) ; C. g. skomerensis Barret-Hamilton ; Insel Skomer, Westküste von Wales. Bevor ich von den Ergebnissen meiner genetischen Studien berichte, will ich auf Geschichte und besonders typische Merkmale dieser Formen eingehen. C. g, britannicus wird gewöhnlich als besondere Unterart der mitteleuropäi- schen gewöhnlichen Rötelmaus bezeichnet, denn man hält sie für etwas klei- ner und dunkler im Farbton. Die Inselformen sind zu Anfang dieses Jahr- hunderts von Miller, Barret-Hamilton und H i n t o n an geringem Material beschrieben worden, — ich glaube, nach drei Stücken von Raasaj^ und fünf von Mull. Noch im Jahre 1946 waren diese Exemplare alles, was uns für unsere Forschungen über diese Formen zur Verfügung stand. Es war daher unsere erste Aufgabe, unsere Kenntnis der freilebenden Bestände zu erweitern, indem wir eine reichhaltige Sammlung — ungefähr 40 — 50 — von D. M. STEVEN, über die britischen Formen von Clethrionomys 71 Exemplaren zusammenstellten, die für eine Beschreibung genügend Grund- lage boten. Die Merkmale, nun kurz zusammengefaßt, sind folgende: 1- Die drei Inselformen sind alle größer als britannicus. Der Unterschied be- trägt ungefähr 15 %, was die Länge des Körpers anbetrifft. Eine völlig ausgewachsene DuTchschnittsbritannicus ist ungefähr 90 mm lang, die drei Inselformen 100 bis 110 mm. Im Gewicht handelt es sich um einen Unter- schied von 100 % ; die britannicus wiegt nicht mehr als 16 bis 20 Gramm, ausgewachsene Inselformen dagegen können 30 bis 40 Gramm oder sogar mehr wiegen. Ihre Größe ist aber ungefähr das einzige, was diese britan- nischen Inselformen gemein haben: in anderer Hinsicht weisen sie, unter- einander verglichen, eine Anzahl von Unterschieden auf. 2. Die zwei schottischen Inselformen, erica und alstoni, sind bemerkenswert dunkel im Farbton. Typische Exemplare haben einen tief rotbraunen oder sepiafarbenen Rücken, und der helle, kastanienfarbene Strich, der für Cl. glareolus charakteristisch ist, fehlt ganz und gar. skomerensis auf der anderen Seite ist mit ihrem sandgelben Rücken und dem fast weißen Bauch eine hellfarbene Form. 3. alstoni unterscheidet sich von allen anderen Formen durch einen im Ver- hältnis zur Körperlänge kurzen Schwanz, im Vergleich annähernd 35 % bis 50 o/o. 4. Unterschiede bestehen auch am letzten oberen Molaren in der Häufigkeit der sogenannten Simplex- und Komplex-Formen. Bei britannicus und alstoni zeigen ungefähr 75 % der Exemplare die Simplex-Form, dagegen bei skomerensis und erica nur 25 % und 30 %. Dies also ist ein anderes Merkmal, worin sich die schottischen InseLformen voneinander unter- scheiden. Ich glaube, H i n t o n war der erste, der den Gedanken aufbrachte, daß die britischen Inselformen Reste eines früheren Rötelmaus-Bestandes sein könnten, wie noch heute in Europa die größeren und dunkleren Formen der Berggebiete, nageri aus den Alpen und norvegicus aus Westnorwegen. Er ver- mutete, daß in Britannien der größere Typ dem kleineren glareolus nicht standhalten konnte, infolgedessen wurde er überall vertrieben mit Ausnahme dieser drei Zufluchtsinseln. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, daß dieser Gedanke auf der morphologischen Ähnlichkeit der InseLformen mit der nageri in bezug auf einige willkürlich ausgesuchte Merkmale beruht, und ebenfalls auf einer unvollständigen Kenntnis der Variationsbreite der euro- päischen Clethrionomys. Es war jedoch teilweise der Gedanke, H i n t o n s Hypothese zu untersuchen, der mich dazu trieb, selbst Züchtungsversuche anzustellen; obwohl ich nicht glaube, daß dies der interessanteste Teil meiner Arbeit ist, möchte ich doch meine diesbezüglichen Ergebnisse erwähnen. 5* 72 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). In meinem Laboratorium habe ich fünf verschiedene Stämme gezüchtet; die drei Inselformen, einen Stamm britannicus aus der Umgegend Edin- burghs, und einen skandinavischen g/areo/ws-Stamm, den ich vor drei Jahren in verschiedenen Gebieten Norwegens zwischen Bergen und Lillehammer sam- melte. Wenn H i n t o n s Hypothese richtig wäre, so müßten Unterschiede zwischen den glareolus- und ncgeri-Formen bestehen, die sich entweder in der Leichtigkeit, mit der Mischlinge erreicht werden, bemerkbar machen oder vielleicht in der Fruchtbarkeit der Jungen. Die verschiedenen InseHormen würden sich wahrscheinlich mehr untereinander als mit dem britannicus kreuzen, vielleicht sogar mit den norwegischen Formen. Ich habe festgestellt, daß dies nicht zutrifft. Von den 20 möglichen Mischlingskombinationen habe ich aus meinen Stämmen 11 erhalten, und alle sind jetzt durch zwei oder mehrere Generationen fortgeführt worden. Diese Kreuzungen können wir in folgende drei Kategorien aufteilen: 1. Inselform mit Inselform: 9 alstoni X skomerensis skomerensis X alstoni erica X alstoni erica X skomerensis skomerensis X erica 2. Inselform mit britannicus: alstoni x britannicus erica x britannicus skomerensis x britannicus 3. Beliebige britische Formen mit norwegischen: norvegicus x britannicus norvegicus x skomerensis norvegicus x alstoni Meine bisher erlangten Kreuzungen enthalten beinahe alle möglichen Kombinationen, und ich kann keine Tendenz für oder gegen einen besonde- ren Kombinationstyp finden. Ich zweifle nicht, daß man bei genügender An- zahl von Tieren mit einiger Geduld alle möglichen Mischlingskombinationen erreichen könnte, und daß sie sich als fruchtbar erweisen würden. Hierin unterscheiden sie sich sehr von den beiden Arten C. rutilus und C. rufocanus, die ich auch in Norwegen gesammelt habe. Es sind dies arkti- sche und fernöstliche Formen, deren Westgrenze in Skandinavien liegt, wo sie mit C. glareolus in Berührung kommen. Ich habe C. rutilus besonders häu- fig in denselben Fallen wie die anderen beiden Arten gefangen, eine Kreu- D. M. STEVEN, über die britischen Formen von Clethrionomys 73 zung mit C. glareolus konnte ich aber nicht erzielen. So muß ich vermuten, daß ein wirklicher Unterschied im Temperament, in sexueller Hinsicht, in der Genetik usw. besteht, was beweist, daß diese Formen sich wie getrennte Arten verhalten. Ich möchte noch etwas sagen über die genetischen Unterschiede, wie sie sich in meinen Versuchen zeigen. Soweit die Merkmale studiert worden sind, scheint der Erbgang von Pelzfarbe, Größe, Schwanziänge und Typ des drit- ten Molaren einfach zu sein. Die Anzahl der beteiligten Gene scheint klein; was Schwanzlänge und Zahn anbetrifft, so glaube ich, daß nur ein einzelnes Gen beteiligt ist. Ich werde nun auf je ein Beispiel der drei Kreuzungskate- gorien eingehen: 1. alstoni x skomerensis. Die Größe der drei Inselformen ist gleich; es gibt daran nichts zu untersuchen. Es sind allerdings Unterschiede in der Pelzfarbe und Schwanz- länge sowie im Typus des dritten Molaren vorhanden. Die alstoni X skomerensis-KTeuzung habe ich zweimal vorgenommen; in einer Familie bestand die erste Generation aus nur einem einzelnen Wurf von vier Jungen, in der anderen jedoch aus 20 Fi-Tieren. Es zeigte sich, daß alle Merkmale von skomerensis stark dominierten. Die erste Generation war hellfarbig, hatte lange Schwänze und komplexe Molaren; in der zweiten jedoch war eine große Menge von Veränderlichkeiten offensichtlich. Es er- schienen dunkle sowie helle Tiere, und man kann die 22 Exemplare in eine Folge zunehmender Dunkelheit einreihen, die die ganze Reichweite des Pig- ments vom typischen skomerensis zum typischen alstoni bedeckt. Auch die Schwanzlängen sind unterschiedlich, einige Tiere der Fg -Generation besaßen den sehr kurzen Schwanz von alstoni, aber nicht in allen Fällen die dunklen Exemplare, so daß zwischen diesen beiden Merkmalen anscheinend keine Kopplung besteht. Die Ausbildung des dritten Molaren ist wahrscheinlich durch ein einzel- nes Gen geprägt. Bei einer Kreuzung hatte der männliche Elternteil (alstoni) die Simplex-, der weibliche (skomerensis) die Komplex-Form. Alle vier Tiere der Fi-Generation hatten die Komplex-, in der Fg jedoch waren acht Komplex-, vier Simplex-Formen und vier waren in einem eigentümlichen Zwischenstadium (einige haben auf einer Seite des Kiefers die Simplex-, auf der anderen die Komplex-Form). Bei der Rückkreuzung eines F^- Weibchens mit a/steni-Männchen der Ursprungsgeneration erhielt ich sieben Komplex- und vier Simplex-Formen. Dies sind natürlich verhältnismäßig kleine Zahlen; ich habe jedoch ge- funden, daß der Komplextypus des Molaren sich auch in den Kreuzungen norvegicus x skomerensis, erica x britannicus und skomerensis x hritannicus als dominant erwies. 74 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 2. alstoni x britannicus. In dieser Kreuzung macht sich ein erheblicher Unterschied in der Größe und ein etwas geringerer Unterschied in Farbe und Schwanzlänge bemerkbar. Die meisten von 28 Tieren der Fi waren Zwischenstadien zwischen ihren Eltern in Farbe und Größe, hatten jedoch den kurzen Schwanz von alstoni. Es war dies das genau entgegengesetzte Resultat der alstoni x skomerensis-, Kreuzung, wo der lange Schwanz vorherrschte. In der F2 spalten Größe, Farbe und Schwanzlänge wieder auf, obgleich die Mehrzahl der Exemplare verhältnismäßig dunkel und kurzschwänzig war und erheblich größer wurde als der britannicus -Gr oü\aiteT, Es scheint also, daß eine Dominanz der spezifischen a/«£om -Merkmale über die von britan- nicus vorliegt. 3. norvegicus x skomerensis. Ich kann nicht viel über die Kreuzungen der britischen Formen mit norvegicus sagen, da ich sie erst kürzlich unternommen und noch nicht ge- nügend ausgearbeitet habe. Bei der norvegicus x skomerensis -Kreuzung herrschte wieder in der Fi die helle Farbe von skomerensis und der Komplex- molar vor. Der Größenunterschied ist nicht sehr bemerkenswert, da nor- wegicus meistens größer ist als der Durchschnittsbritannicus, nicht viel klei- ner als skomerensis, Sie haben beide auch lange Schwänze. Obgleich die Anzahl meiner Exemplare klein ist, und noch viel an dem Material gearbeitet werden muß, denke ich, daß sich aus diesen Ergebnissen ein ziemlich klares Bild von der genetischen Grundlage der morphologischen Unterschiede dieser Formen ergibt. Am meisten beeindruckt hat mich die Tatsache, daß verhältnismäßig große phänotypische Unterschiede, die vor 30 oder 40 Jahren von Taxonomisten als genügend angesehen worden waren, um als Art-Kriterien zu gelten, von einer kleinen Anzahl von Genen ver- ursacht werden und bis heute noch zu keiner genetischen Unvereinbarkeit geführt haben. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 75 7.) Beobachtungen über territoriales Verhalten und Brutpflege des Galäpagos- Seelowen Von Irenäus Eibl-Eibesfeldt (Buldern, Westf .) Mit vier Abbildungen auf Tafel VII. Vortrag gehalten auf der 28. Hauptversammlung am 2. 8. 1954. Aus dem Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, Buldern i. Westf. Ergebnisse detr Galapagos-Expedition 1953/54; Leitung Dr. H. Hass. Während meines Aufenthaltes auf den Galäpagos -Inseln im Januar 1954 konnte ich als Angehöriger der Galapagos-Expedition des Institutes für Sub- marine Forschung in Vaduz dank der Unterstützung durch unseren Expedi- tionsleiter Dr. Hans Hass, dem ich auch an dieser Stelle meinen auf- richtigen Dank aussprechen möchte, unter anderem das Verhalten des dort sehr verbreiteten Seelöwen (Zalophus wollebaeki Sivertsen) beobachten. Bis 1953 nahm man allgemein an, daß die Galapagos-Inseln vom südlichen Seelöwen ( Otaria hyronia B 1 a i n v.) bewohnt würden. Elrst E. Sivertsen (Kgl. Norske Vidensk. Selskabs Forhandlinger 26, I-t-3, 1953, und Norske Vidensk. Akad., Oslo, 1954) entdeckte, daß das Schädelmaterial verschiede- ner Museen falsch bestimmt war. Er beschrieb die neue Art Zalophus wolle- baeki, die nach meinen Beobachtungen im ganzen Archipel sehr häufig ist. Außer ihr kommt auf den nördlichen Inseln noch Arctocephalus galapagoensis vor. Diese Art ist seltener. Otaria hyronia fehlt auf den Galapagos-Inseln. Insgesamt verbrachte ich 60 Stunden in Seelöwenkolonien, eine Zeitspanne, die genügte, um eine Reihe neuer Beobachtungen über territoriales Verhal- ten und Brutpflege zu sammeln. Die Beobachtungen wurden nämlich durch die Zahmheit der Tiere sehr erleichtert, und da man von einem günstigen Punkt aus eine große Anzahl von Tieren überblicken konnte, erhielt man ein statistisch gut gesichertes Beobachtungsmaterial, wie man es bei Frei- landbeobachtungen in Europa erst nach sehr langer Zeit zu erhalten pflegt. Bei Tauchabstiegen konnte auch unter Wasser beobachtet werden. Eine aus- führliche Darstellung der Ergebnisse erscheint in der Zeitschrift für Tier- psychologie. Da ich jedoch anläßlich der Tagung der Gesellschaft für Säuge- tierkunde die Ehre hatte, von meinen Seelöwenbeobachtungen zu berichten, sei einiges darüber auch hier veröffentlicht: a) Territoriales Verhalten: "Die Seelöwen bilden zur Paarungszeit große Herden, denen ein Männchen vorsteht, das keinen gleichgeschlechtlichen erwachsenen Artgenossen in sei- nem Gebiet duldet. Es bewohnt mit seinen Weibchen und Jungen einen be- stimmten Küstenstrich, den es territorial verteidigt. Die Abgrenzung des Ge- bietes geschieht durch Rufe. Das Männchen patrouilliert unentwegt fast den ganzen Tag vor der Küste auf und ab. Wird es gestört, etwa durch ein 76 Zeitschrift für Säugetierkimde, Bd. 20, 1952 (1955). landendes Boot, dann schwimmt es rufend an der Oberfläche (Abb. 1). Un- gestört taucht es nur an bestimmten „Markierungsstellen", vor allem an den Reviergrenzen auf, ruft einige Male hintereinander laut und taucht dann wie- der weg, um an anderer Stelle von neuem hochzukommen. Tauchend konnten wir feststellen, daß das Männchen ebenfalls unter Wasser mit geschlossenem Maul ruft. An manchen Stellen steigt es auch ans Ufer und ruft. Dabei nimmt es eine Imponierstellung ein (Abb. 2 u. 3). Die Rufe sind stets zwei- silbig, aber in ihrer Klangfarbe recht variabel. Meist klingt es wie ein heise- res „ou ou ou" oder „oa oa oa". Der nachgeahmte Ruf löst aggressives Ver- halten aus. Greifen die Seelöwenbullen einen am Ufer stehenden Menschen an, so bedienen sie sich dabei einer besonderen Taktik. Ungesehen lassen sie sich von einer besonders hohen Brandungswelle bis unmittelbar vor einem Mnspülen und stehen dann hochaufgerichtet brüllend da. Man kann die Tiere aber an Land meist durch Entgegengehen einschüchtern. Ganz anders ist dies dagegen im Wasser, wo sie ungehemmt angreifen und wir uns mit unseren Harpunen, Stangen mit einer Eisenspitze, wehren mußten. Erst wenn ein Bulle mehrere Schrammen erhalten hatte, begnügte er sich damit, uns drohend zu umschwimmen. Vermutlich schätzen die Bullen ihren Rivalen an seiner Höhe ein (Aufrichten bei der Imponierhaltung), und so erscheint ihnen der aufrecht gehende Mensch überlegen, während der Schwimmer immer viel schmächtiger als ein Seelöwenmann wirkt. Weibchen zeigen ebenfalls territoriales Verhalten, das sich auf die Ver- teidigung ihres jeweils eingenommenen Liegeplatzes beschränkt. Kommen sich zwei Weibchen zu nahe, so bedrohen sie sich mit aufgerissenem Maul (Abb. 4). Sie dulden vor allem keine gegenseitige körperliche Berührung, schlafen aber sonst oft nahe nebeneinander. Jungtiere verteidigen bereits sehr früh ihren Säugeplatz gegen andere Junge, sind aber im übrigen ausgespro- chen sozial veranlagt und bilden im Seichten Spielgemeinschaften. b. Zusammenhalt der Herde durch das Männchen und Brutpflege : Wie wir bei Tauchabstiegen feststellten, treibt das territoriale Männchen Weibchen und Jungtiere, die sich dem Taucher neugierig nähern, wieder ins Seichte zurück. Es verfährt dabei so, daß es zwischen Junge und Taucher schwimmend diesen den Weg zum Tieferen abschneidet und sie dann gegen das Ufer abdrängt. Dies wiederholt es solange, bis alles im Seichten ist. Junge läßt der Bulle, selbst wenn keine direkte Gefahr besteht, nie ins tiefere Wasser, was bei dem Vorhandensein zahlreicher Haie durchaus zweck- mäßig ist. Damit beteiligt sich das Männchen in sehr eindrucksvoller Weise an Her Brutfürsorge, eine Tatsache, die bisher bei Robben noch nicht be- achtet wurde. Bemerkenswert ist ferner, daß das Männchen aufkeimende Aggressi- vität zwischen den Weibchen der Herde unterdrückt. Sobald zwei Herdenmit- 1. EIBL-EIBESFELDT, Territoriales Verhalten und Brutpflege des Seelöwen 77 glieder ernstlich zu streiten beginnen, eilt der Bulle, durch den Kampflä^m herbeigelockt, an Land und drängt sich mit einem bestimmten Grußzere- moniell zwischen die Streiter, diese so beruhigend. Dabei schwenkt das Tier den vorgestreckten Hals nach beiden Seiten und äußert seinen Territorialruf. Er begrüßt in dieser Weise auch seine Weibchen, wenn sie ins Wasser stei- gen. Erst dadurch wird ein so enges Zusammenleben der Herdenmitglieder ermöglicht. (Nähere Angaben werden in der Z. f. Tierpsychologie veröffent- licht.) J. E. Hamilton, 1934. — The southern Sea Lion ( Otaria byronia ). — Discovery Reports 8, p. 269 — 380, erwähnt ähnliches vom südlichen See- löwen. Auf die Brutpflege des Weibchens wollen wir hier nicht näher eingehen. Sie beschränkt sich immer nur auf das eigene Junge, Fremde werden ener- gisch abgewiesen. Die Brutpflege äußert sich in sozialer Hautpflege, Brut- verteidigung, Führen der Jungen und Säugen. Muttertier und Junges kennen sich persönlich, und zwar nicht nur am Geruch, sondern ganz eindeutig auch an der Stimme. Findet ein Junges abends seine Mutter nicht, so beginnt es, täuschend ähnlich einem Jungschaf zu blöken, worauf nur seine Mutter antwor- tet. So wechselseitig ruf end finden die beiden rasch zueinander. Da bereits sehr kleine Junge ihre Mutter erkennen und umgekehrt auch von ihr erkannt werden, dürfte die Prägung auf den Ruf bereits sehr früh stattfinden. Es wäre interessant zu wissen, ob sich Muttertier und Junges bei der Geburt stimmlich begrüßen. Es könnte wohl sein, daß die Prägung in analoger Weise wie bei vielen Anatiden erfolgt. Zoobeobachtungen könnten zur Klärung die- ser Frage viel beitragen. Zusammenfassung: Einige Freilandbeobachtungen am Seelöwen der Galapagos - Inseln werden mitgeteilt. Die Männchen versammeln während der Fortpflan- zungsperiode einen Harem um sich, den sie gegen gleichgeschlecht- liche erwachsene Artgenossen verteidigen. Sie behaupten einen bestimmten Uferstreif als ihr Territorium, das sie durch Rufe markieren. Gegen Men- schen sind die Bullen an Land weniger aggressiv als im Wasser (Zusammen- hang mit der Drohstellung p. 76). Territoriales Verhalten beobachten wir auch bei den Weibchen, die ihren Ruheplatz verteidigen. Junge verteidigen ihren Säugeplatz an der Mutter. Das Männchen treibt Jungtiere und bei Gefahr auch Weibchen ans Ufer. Aufflackernde Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Herde werden vom Männchen „geschlichtet". Weibchen und Junge erkennen einander sowohl am Geruch wie auch an der Stimme. Nur das eigene Junge wird vom Weibchen umsorgt. Tafelerklärung. Tafel VII, Abb. 1, Patrouillierendes" Männchen. Abb. 2. In Imponierstellung rufendes Männchen. Abb. 3. In Imponierstellung rufendes Männchen. Abb. 4. Sich bedrohende Seelöwenweibchen. Sämtliche Photos: Verfasser. 78 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 8.) über Art- und Geschlechtsunterschiede am Becken einheimischer Spitzmäuse (Soricidae) Von Kurt Becker (Berlin-Dahlem) Herrn Professor Dr. Karl Henke (Göttingen) zum 60. Geburtstag gewidmet. Mit 6 Abbildun^eji im Text (Aus dem Bundesgesimdheitsamt, Max von Pettenkofer-IiiÄtitut, Unterabttilimg für hygLenische Zoologie, Berlin-Dahleni.) Meine Untersuchungen über die sekundären Geschlechtsmerkmale am Becken einheimischer Mäuse entsprangen dem Wunsch, die Gewollkunde mehr als bisher für eine ökologisch ausgerichtete Kleinsäugerforschung nutz- bar zu machen. Nachdem der Speisezettel derjenigen Eulenarten, deren Ge- wölle leicht in großer Menge zu finden sind, durch Uttendörfer (1939, 1952) und seine Mitarbeiter weitgehend aufgeklärt wurde und für ihn kaum noch Überraschungen zu erwarten sind, können gerade diese Gewölle für Fragen, welche auf das Beutetier selbst gerichtet sind, hervorragende Dienste leisten. Dabei kann die weitgehende Einförmigkeit in der Nahrungswahl mancher Eulenarten dem Säugetierökologen nur lieb sein, während die Un- tersuchung ihrer Gewölle für den an der Breite des Nahrungsspektrums in- teressierten Ornithologen oft zu einer quälenden Geduldsprobe wird. Kommt es doch nicht selten vor, daß bei größeren Gewöllaufsammlungen eine nach Hunderten zählende Individuenliste zu 99 % aus Feldmäusen besteht. Nachdem nun die Auswertung von Gewöllen der beiden Ohreulen (Wald- und Sumpfohreule) in überzeugender Weise eine Bestätigung der von Frank und Stein beschriebenen Männchenelimination während einer Massenvermehrung bei der Feldmaus erbracht hat (Becker 1954b), lag der Wunsch nahe, auch unsere einheimischen Spitzmäuse in ähnlicher Weise zu untersuchen. Von der Waldspitzmaus (Sorex araneus) sind ebenfalb seit langem Jahre mit großer Populations dichte bekannt, die im auffälligen Gegensatz zu solchen mit dünner Siedlungsdichte stehen (Jäckel, 1867). Dieser Dichtewechsel in den Populatioaen wirkt sich auch auf die Zusam- mensetzung der Eulenbeute aus. Schon Geyr von Schweppenburg (1906) stellte im Verlauf seiner „Untersuchungen über die Nahrung einiger Eulen" fest, daß sich der Spitzmaus antcil unter den Beutetieren der Schleier- eule nach dem mehr oder minder großen Reichtum einer Gegend an Soriciden richtet und demnach von Jahr zu Jahr wechselt. Regelmäßige, über 15 Monate durchgeführte Kontrollen eines Schleiereulenpaares erbrachten z. B. aus dem spitzmausreichen Herbst des Jahres 1904 einen Nahrungsanteil von 67 % Spitzmäusen, der im Laufe des darauffolgenden Jahres auf 47 % ab- sank. Ob diese Bestandsschwankungen mit einem echten Massenwechsel K. BECKER, Ajrt- und Geschlechtsunterschiede am Becken von Spitzmäusen 79 gleichzusetzen sind, wie er von der Feldmaus und den amerikanischen Hasen festgestellt wurde, dürfte allerdings noch unbekannt sein. Gelegenheitsbeob- achtungen sprechen aber dafür, daß im Ablauf eines solchen Zyklus wenig- stens bestimmte Teilgeschehen miteinander vergleichbare Züge aufweisen. So treten wie bei M. arvalis bei übernormaler Siedlungsdichte zwischen den Männchen der Waldspitzmaus Revierkämpfe auf, die zu mehr oder weniger starken Verletzungen führen und dann wohl auch den Tod des einen oder anderen Partners zur Folge haben. Zur Bekräftigung dieser Vermutung sei ein Beispiel von L ö h r 1 (1938) angeführt : „In dem für S. araneus günstigen Gebiet, dem Sumpf, kann man in manchen Jahren geradezu von Überbevölkerung sprechen, wohl infolge von günstiger Witterung und Nahrungsreichtum entsteht eine große Dichte, die in Widerspruch gerät mit der Unverträglichkeit dieser Art, besonders der q^q^. So wiesen von ISq^c/', die ich im April des Jahres 1934 fing, 17 leichtere oder schwerere Verletzungen auf; an den Seiten war die Haut völlig durchgebissen und dick vernarbt, die Ohren waren oft zerfetzt und der Schwanz in den meisten Fällen verkürzt. Da die 99 J^eist unverletzt waren, bildete der verkürzte Schwanz ein beinahe untrügliches Zeichen für die ö^cT« Zu dieser Zeit hörte man im Sumpfgebiet ununterbrochen die Laute der sich balgenden cfcf^." Es fällt auf, daß sich auch bei diesen Tieren die Weibchen friedlicher zu verhalten scheinen und deshalb eine größere Lebenserwartung besitzen als die Männchen. Die Indizien sprechen jedenfalls dafür, daß auch bei der Waldspitzmaus in Jahren starker Vermehrung gleichzeitig eine Verminde- rung des Männchenbestandes zu erwarten ist, wie wir siö von der Feldmaus her kennen. Deshalb glaube ich, daß die Analyse der Gewölle von Schleier- eulen, welche unter allen Eulenarten am meisten Spitzmäuse fangen, über die Populationsbewegungen dieser Tiere einige Aufschlüsse geben kann, sofern die Gewölle in regelmäßigen Abständen über längere Zeit gesammelt werden. Aus diesem Grunde sei hier über die Grundlagen gesprochen, welche die Beantwortung einer derartigen Fragestellung erst ermögKcht. Es muß also zunächst danach gefragt werden, ob und an welchen Skelettelementen der Spitzmäuse Art- und Geschlechtsunterschiede eindeutig erkannt werden kön- nen. Für die Bedürfnisse des Palaeontologen, der diluviale und alluviale Knochenablagerungen zu bearbeiten hat und möglichst auch über die öko- logischen Bedingungen, unter denen die fossil erhaltenen Tiere gelebt haben, Auskunft geben möchte, dürften derartige Untersuchungen ebenfalls von Interesse sein. Aus der vergleichenden Morphologie des Säugerskeletts ist seit langem bekannt, daß sich Geschlechts unterschiede am deutlichsten in der Becken- region manifestieren. Freilich sind bei den Artiodactylen auch an vielen an- deren Skeletteilen — zumindest der geschlechtsreifen Tiere — sekundäre Geschlechtsmerkmale oft schon äußerlich erkennbar in mannigfaltiger Form 82 Zeitschrift für Säugetierkimde, Bd. 20, 1952 (1955). solche Individuen, deren Zähne noch keine oder nur Spuren einer Abkauung aufweisen. Ihr wird die Gruppe „adulter" Tiere gegenübergestellt, deren Mitglieder schon deutliche Abnutzungsspuren an den Zähnen aufweisen. Fer- ner wurde die Länge der Beckenschaufeln unter einer binokularen Lupe auf VioDim genau gemessen. Als Fixpunkte dienten hier, wie auch bei den übri- gen Soriciden, der tiefste Punkt des dorsalen Einschnittes am Rande des Acetabulums und die kaudalste Spitze am Außenrand des Beckens. Die Ver- teilung der gefundenen Beckenlängen innerhalb der beiden Altersgruppen puKus maturus

3mj^ statistisdie Realität gut gesichert Herbst 1950-1952 vor Zusam- menbruch Herbst 1953 nach Zusam- menbrudi 1854 724 36.3 0/0 14>1 % 22.20/0 1.71 5.] 3 D> 3mj^ statistische Realität gut gesidiert Tabelle 7. Prüfung der Schwankungen der Bestandsdichte von Apodemus sylvaticus auf üire statistische Realität. G. STEIN, Die Kleinsäuger astdeutscher Ackerflächen 103 Von 7 % in den Frühjahrsfängen 1951 und 1952 ist der Anteil der Wald- mäuse im Frühjahr 1953 auf 0,4 % heruntergegangen, und im gleichen Herbst finden sich statt der 36,3 % der vorangegangenen Jahre nur 14,1 %. Beide Abweichungen sind signifikant. In einer Fortpflanzungsperiode konnten also die Einbußen nicht wettgemacht werden, aber schon im Herbst 1954, nach zwei Jahren, ist die normale Bestandsdichte wieder da. Die Zahlenunterlagen bringt die Tabelle 8: Laufende Nummer Jahr Fallen- zahl Gefangene Wald- mäuse in o/o Laufende Nummer Jahr Fallen - zahl (iefangene Wald- mäuse in °lo 1 Herbst 1950 805 38 2 Frühjahr 1951 623 6.8 3 Herbst 1951 323 46 4 Frühjahr 1952 343 8.1 5 Herbst 1952 726 30 6 Frühjahr 1953, nach Zusammen- bruch 964 0,4 7 Herbst 1953, nach Zu- sammen- bruch 724 14,1 8 Frühjahr 1954 251 3,2 9 Herbst 1954 265 37,3 Tabelle 8. Schwankungen der Bestandsdichte von Apodemus sylvaticus. So schnell geht das bei der Feldmaus nicht. Für sie scheint — wenigstens bei uns — ein Rhythmus von (3) — 4 — (5) Jahren bezeichnend zu sein mit im Anfange schleppender, ja verzögerter Kumulierung und steiler Aufwärts- bewegung mit explosiver höchster Massenentfaltung erst am Schluß. Von dichtebegrenzenden Faktoren möchte man bei der Waldmaus ihrem Territorialverhalten entscheidende Bedeutung zumessen. Waldmäuse, ebenso Gelbhalsmäuse, auch Hamster, sind ja nicht soziale Tiere, wie kleine Wühl- mäuse, für deren „Verdichtungspotential" (Frank) diese Eigenschaft eine fundamentale Voraussetzung ist, sondern sie leben mehr solitär, während der Fortpflanzung paarweise, mit Reviergrenzen und entsprechendem Revier - verhalten, das höchste Zusammendrängung der Bestände ausschließt. Dabei käme die Vermehrungskapazität der Waldmaus hoher Massenentfaltung durchaus entgegen. Zwar liegt die embryonale Wurfgröße mit einem Maxi- malwerte von 8 (n = 60) weit unter den Leistungen der Feldmaus (max. 12), mit einem Mittelwerte von 5,8 ist sie ihr jedoch ebenbürtig. Diese Höhe wird bei Apodemus sylvaticus wesentlich dadurch mitbestimmt, daß die ersten r* 104 Zeitschrift für Säugeti-erkund-e, Bd. 20, 1952 (1955). Würfe von Jungtieren schon umfangreich sein können (Höchstwerte von 6 und 7E). Die Sterblichkeit wiederum ist in den Ackerpopulationen zeitweilig be- sonders groß. Solche kritische Periode ist der Spätherbst. Dann sind die Felder nahezu kahl bis auf vereinzelte R üb enschläge, und hier haben sich enorme Massen von Waldmäusen zusammengedrängt. Mit der Aberntung dieser letzten Refugien werden sie alle mit einem Schlage obdachlos, und man sieht sie dann bei hereinbrechender Dunkelheit ruhelos die Felder und die Wege entlangeilen, eine leichte Beute für kleine Raubtiere und Eulen. Die erhöhte Mortalität der Waldmäuse zu diesem Zeitpunkte spiegelt sich sehr schön wider in einem Ansteigen der Beuteziffern von Eulen im November. Sowohl eine K a h m a n n sehe Schleiereule (K a h m a n n 1953, Abb. 4) wie auch die Waldohreulen, die K. Zimmermann kontrollierte, zeigen dann einen deutlichen Gipfel, die Waldohreulen jedoch nur in Jahren mäßiger arvalis- Dichte. In Feldmaus jähren halten sie sich dagegen überwiegend an diese Art. Auch die Wintermonate scheinen sich stark bestandsvermindernd auszu- wii-ken. Darauf weisen die großen Unterschiede zmschen den Herbst- und Frühjahrsfängen hin (vgl. Tab. 2 und 3) : Anteil von Apodemus sylvaticus im Herbst 46 %, Anteil von Apodemus sylvaticus im Frühjahr 13,8 %. Besonders kann hohe Schneebedeckung den hüpfenden und springenden Waldmäusen, die sich ohne feste Wechsel freier bewegen, den Zugang zu ihren Nahrungsquellen mehr erschweren als kleinen Wühlmäusen, die noch unter dem Schnee wühlend und scharrend an sie herankommen, gesetzt, daß sich die Schneedecke in lockerer Beschaffenheit befindet! Wenden wir uns zum Schlüsse dieses Abschnittes noch den kausalen Be- ziehungen des gleichzeitigen Feld- und Waldmauszusammenbruches zu! Im Herbst 1952 wiesen die Feldmäuse im Gebiet eine als erträglich zu bezeichnende Dichtekonzentration auf, die erheblich niedriger war als der großartige Feld- mausgipfel des Jahres 1949, und dichteabhängige Faktoren des Zusammen- bruches sind von entscheidender Bedeutung bei diesem Bevölkerungsnieder- gange nicht gewesen. Ich habe nun die Situation von M. arvalis im Frühjahr 1953 unmittelbar nach der Schneeschmelze untersuchen können, und bei jeder Population wurde von neuem deutlich, daß ihre Bestandsverminderung nach Maßgabe des vorhandenen Futterangebotes erfolgt war. Es zeigten sich alle Abstufungen von einer nicht merklichen oder jedenfalls nur unbedeutenden Einbuße auf nahrungsreichen Kleeschlägen (Stein 1953) über verschont gebliebene Einzelin di^iduen auf schütter mit Unkraut und Roggenaufwuchs bestandenen Brachäckern bis zu Totalverlusten auf unkraut- armen Stoppelfeldern. Vergegenwärtigt man sich dazu, daß die vorangegan- G. STEIN, Die Kleinsäuger ostdeutscher Ackerflächen 105 genen Wochen mit mehrfachem schroffem Wechsel von Tauwetter und Frost zu einer schweren Verharschung und Vereisung der Schneedecke ge- führt hatten, so liegt der Schluß nahe, daß hier die Feldmäuse ganz einfach verhungert waren, ebenso auch die Waldmäuse, und augen- scheinlich in der Form, wie es Frank (1954) als allmähliches Wegsterben gekennzeichnet hat. Typisch war auch, daß sich die engere Umgebung der Baue gänzlich abgeweidet vorfand und mit zunehmendem Abstände die Gänge unter dem vereisten Klee immer spärlicher wurden. Offenbar hatten die Tiere nicht weiter vorzudringen vermocht. Diese weniger plötzliche, sozusagen schleichende Form des Zusammenbruches dürfte für ostdeutsche Feldmaus- populationen mit ihren geringeren Möglichkeiten zu extremster Bestandsver- dichtung eher die Regel sein als die schlagartige des Verschwindens innerhalb kürzester Frist. VI. über wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Arten. Hier interessieren nur die Arten mit erheblicher Bestandsdichte, also Microtus arvalis, Apodemus sylvaticus und Talpa europaea. über die Feld- maus, die der Ackerschädling ist, braucht kein Wort verloren zu werden. Die Waldmaus gilt vorwiegend als Samenfresser. Heinrich (1951) be- zeichnet als „Hauptnahrung zumeist Grassämereien und Getreidekörner, daneben die Samen verschiedenster niedrigerer Pflanzen und deren Samen" und fand (in Polen) die unterirdischen Vorratskammern stets mit Getreide- arten, besonders Roggen, vollgestopft. Die Ansprüche der Waldmaus sind hier jedoch wohl zu eng gefaßt, zum mindesten kommt die Abhängigkeit von dem jahreszeitlich wechselnden Angebote nicht zum Ausdruck. Vom Spätsommer an stellen Unkrautsamen den Hauptanteil ihrer Nahrung. Besonders begehrt sind die Früchte des Ackersenfs (Sinapis arvensis), die auch grün gefressen werden und dessen Schoten im Herbst gehäuft die Baueingänge umgeben. K. Zimmermann konnte in aus Eulengewöllen stammenden Schädelresten der Waldmaus die Samen von Chenopodiaceen, von Oenothera biennis und Trifolium arvense nachweisen. Sehr geschätzt sind weiter die Samen der Süßlupine (Lupinus luteus). Auch hier liegen Hülsenreste und angefres- sene Samen gehäuft um die Eingänge der Waldmausbaue herum, die da- durch schon von weitem auffällig werden. Die großen Massen der Wald- mäuse, die sich im Spätherbst in den letzten Rüben- und Kartoffelschlägen zusammengefunden haben, müssen nahezu ausschließlich von den Früchten der hohen Meldearten (Atriplex) leben. Auch diese Samen werden — wohl aus Not — schon in unreifem Zustande verzehrt. Dann klettern die Tiere, um zu ihnen zu gelangen, die Staude empor und beißen Ästchen um Ästchen ab, die Mahlzeit wird jedoch erst unten, unter dem Dache der großen Rüben- blätter, gehalten. Niemals gehen die herbstlichen Scharen der Waldmäuse 106 Zeitschrift für Säu^etierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). in den Rüben- und Kartoff elschlägen die Feldfrüchte an, Schadfraß an Kartof- feln und Rüben rührt stets von der Feldmaus her, deren gehäuftes Auftreten in diesen Schlägen auf höchste Massendichte hinweist und ein Vorbote des nahenden Zusammenbruches ist. In Waldmausbauen fand ich neben Getreide- körnern die Nüßchenfrüchte der Linde (Tilia) und die geflügelten Samen des Ahorns (Acer). Arthropodenreste sind im Sommer regelmäßig, jedoch stets in wenig auffälliger Menge im Mageninhalte enthalten. F. Vater (Biologische Zentralanstalt Klein-Machnow) hat nun heraus- gefunden, daß Waldmäuse auch Kartoffelkäfer fressen. Das ist eine recht bedeutsame Erweiterung ihres Speisezettels. Labortiere verzehrten je Pär- chen täglich und über längere Zeit etwa sechs Käfer, von denen allein die Flügeldecken übrigblieben. Eine frischgefangene Waldmaus nahm ebenfalls ohne weiteres Kartoffelkäfer an, und vor dem Eingang zu einem Waldmaus- bau fand sich ein angefressener Käfer. Lose Flügeldecken von Leptinotarsa — manchmal in auffälliger Anzahl — waren mir an Ackerrainen, gewöhn- Hcli verdeckt von überhängenden Grasbüschen, schon länger aufgefallen, ohne daß ich mir über die Zusammenhänge klar werden konnte. Es ist nun wohl nicht mehr zweifelhaft, daß sie ebenfalls von der Waldmaus herrühr- ten, die damit in die Liste der Kartoffelkäferfeinde einzureihen ist. Der Maulwurf kann durch seine Wühltätigkeit in jungen Rübenschlägen lästig fallen, in Klee- und Luzerneschlägen dagegen, die oft stark von den Engerlingen des Maikäfers befallen sind, dürfte seine Anwesenheit von be- deutendem Nutzen sein. Sonderuntersuchungen über die Nahrung dieser Maulwurfspopulationen fehlen allerdings. VII. Zur Geschichte einiger Ackersäugetiere. Bis auf die Brandmaus sind alle hier behandelten Arten bereits im Pleistozän vorhanden. Apodemus agrarius wird zwar von B r u n n e r für Deutschland mehrfach aus glazialen Ablagerungen angeführt, so in einer Fauna aus dem Altdiluvium und jüngeren Epochen (1949), in einer medi- terranen Riß -Würm-Fauna (1954) und in einer Fauna der Würm-I-Eiszeit (1953). Wo jedoch eine Kennzeichnung gegeben ist, kann sie nicht als be- weiskräftig angesehen werden, so daß das diluviale Vorkommen der Art in Mitteleuropa zweifelhaft ist. Die rezente Verbreitung ist nun recht auffällig, die Britischen Inseln hat die Art nicht mehr erreicht, und in Mitteleuropa liegt üire Westgrenze etwa ami Rhein. Man möchte, wie auch Kratochvil und Rosicky (1954) urteilen, Apodemus agrarius als späten postglazialen Einwanderer aus dem Osten ansehen. B r u n n e r (in litt.) ist heute eben- falls der Ansicht, daß die Art sehr spät bei uns eingezogen ist. Unser Maulwurf ist bereits aus glazialen Ablagerungen bekannt, wo er mit mehreren anderen „TaZpa- Arten" zusammen aufgeführt wird. Man wird G. STEIN, Die Kleinsäuger ostdeutscher Ackerflächen 107 die eiszeitlichen Maulwürfe einer besonders kritischen Betrachtung unter- ziehen müssen. Nach der Fülle der Artbeschreibungen wäre ein Formenreich- tum vorhanden gewesen, wie er von der rezenten Verbreitung der Talpiden aus gänzlich unverständlich ist. Allein aus einer Schicht (oberpliozän) werden drei Arten erwähnt, Talpa episcopalis, Talpa praeglacialis und Talpa gracilis (K o r m o s 1930). Ebenso beschreibt B r u n n e r (1951) aus der Kl. Teufels- höhle eine Talpa n. spec, die die Größe von Talpa gracilis K o r m o s gehabt hätte und gibt dazu an, „die Art lebte gleichzeitig mit der großen und klei- nen Talpa euTopaea sowie der nachstehend beschriebenen Talpa spec". Hier sollen sich sogar vier Arten vorgefunden haben! Im eurasischen Räume kommt rezent jeweils nur eine Talpa-Form vor (Stein 1950). Wo keine geographische Trennung vorliegt, ist sie wenigstens ökologisch streng gewahrt. Das zeigt sehr schön die Entdeckung von Talpa caeca in der Tatra (H a n z a k und Rosicky 1949). Talpa caeca, der Zwergmaulwurf, ist dort auf das Hochgebirge beschränkt, wohin ihm T. europaea nicht zu folgen vermochte. Auch für eiszeitliche Maulwürfe ist es nicht wahrscheinlich, daß mehrere Arten — wenigstens über einen längerer Zeitraum — miteinander gelebt haben sollten, weil Raum- und Nahrungswettbewerb bald zum Verschwinden der schwächeren hätte führen müssen. Hält man sich nun die enorme Grö- ßenvariabilität des Maulwurfes vor Augen und bedenkt dazu, daß bei Fossil- material auch der einschneidende Größendimorphismus der Geschlechter niemals erkennbar ist, so möchte man annehmen, daß ein beträchtlicher Teil der Beschreibungen auf solche Größenunterschiede im Bereiche einer Art zurückgeht. So scheinen die Dinge jedenfalls für die von Woldrich (1883) beschriebenen T. pygmaea und T. magna zu liegen, die neben T. europaea vorkommen. Für die eiszeitliche Fauna von Merkenstein, in der sich Reste dieser drei „Arten" fanden, betont Wett, stein (1938), daß er morphologische Unterschiede zwischen ihnen nicht ent- decken konnte und entscheidet, daß T. pygmaea noch gut in did Variationsbreite von T, europaea fällt. In diesem Falle ist es völlig sicher, daß die in jeder Maulwurfspopulation von T. europaea vorhandenen kleinsten Varianten der sowieso kleinerwüchsigen 99 eigene Art beschrie- ben worden waren. Die große Art wird von Wettstein dagegen noch auf- rechterhalten auf Grund der Erwägung, man begegne in rezentem Material nie so großen Dimensionen, wie sie T. magna zukonmien. Die folgende Tabelle bringt die Maße fossiler und rezenter Talpa europaea und dazu die von T. magna. Die Zahlen für fossile europaea sind B r u n n e r (1951 und 1954) entnommen, die für die T. magna stammen von Wettstein, und ihnen ist gegenübergestellt das größte meiner Sammlung: Nr. 1406, 25.3.1952, Güldendorf bei Frankfurt (Oder). Mit seiner Gondylobasallänge von 38,5 mm ist es ein Unikum (n = 3201), das den für die Art sonst bekannten Maximal- wert (38,2) beträchtlich übersteigt. 108 Zeitschrift für Säugetierkimde, Bd. 20, 1952 (1955). Maße in mm Talpa magna Talpa europaea, fossil Talpa europaea, rezent Condylobasallänge — — 38,5 Mandibellänge bis zum Hinterrande des Processus angularis ±27 (vermutlich geschätzt) 24,1 25,0 Alveolarlänge der gesamten Mandibularzahnreihe 14.8 14.1 14,2 Alveolarlänge der oberen Zahnreihe — 15.8 16.0 Alveolarlänge der 3 Molaren, unten 7.4 — 7,3 Alveolarlänge der Maxillarzahnreihe vom Vorderrande des bis zum Hinterrande von p^ 8.0 — 7,5 Kronenlänge 2.9 2,8 nxo Kronenlänge 3.0 — — ci Höhe 3,1 — 3,0 mg — pi — 12.8 12,3 mg — pi — 10.6 10.1 mj — pi 8.0 7,6 mo — mg 4.9 4.8 Tabelle 9: Maße von Talpa magna und von fossilen und rezenten Talpa europaea. Die Maße der eiszeitlichen Talpa europaea unterscheiden sich kaum von denen des größten rezenten Stückes, die von T. magna liegen so geringfügig höher, daß sie ohne Bedenken ebenfalls noch als Extremwert dieser Art aufzufassen sind. So lassen sich also die nur auf Größenabweichungen be- ruhenden Unterschiede bei gleichzeitig und miteinander vorkom- menden glazialen Maulwurfsformen schon als Ausdruck hoher Größenvariabi- lität einer Art deuten. Ebenso ist das Nacheinander, also die zeitliche Folge von nur in der Größe verschiedenen Maulwürfen nicht ohne weiteres als Art- verschiedenheit aufzufassen. Es könnte sich um ein zeitliches Pendeln der G. STEIN, Die Kkinsäuger ostdeutscher Ackerflächen 109 Extremwerte handeln, um zeitliche Größenschwankungen ein und derselben Art, wie sie bei den streng klimaabhängigen Maulwürfen in einer so bewegten erdgeschichtlichen Epoche nicht nur zu erwarten, sondern geradezu zu fordern sind. Ich habe solche Gedankengänge bereits früher vorgetragen (Stein 1951). Sie beanspruchen nicht, auf alle pleistozänen Maulwürfe zu passen, also der einzige Weg zur Beseitigung des verworrenen Zustandes ihrer Systematik zu sein. Aber sie werden zu einer wesentlichen Vereinfachung führen, indem sie die starre statische Auffassung ersetzen zugunsten einer dynamischen. Bei der Feldmaus kommt man nicht recht davon los, ihre ökologischen Ansprüche an der Bestandsdichte zu messen, die sie in bestimmten Lebens- räumen erreichen kann. Höchste Massenentfaltung hat nun aber auch radi- kale Vernichtung zur Folge, und Biotope, in denen die Bestände nach einem solchen Zusammenbruche nahezu, ja gänzlich erloschen sind, kann man nur als pessimale ansehen (Stein 1952). Ähnliche Gedankengänge hat Polja- kov bereits 1950 ausgesprochen. Optimal werden von ihm die Lebens- stätten genannt, in denen es in kritischen Jahren nicht zum totalen Absterben der Populationen kommt. Wenn sich die Zahl der Feldmäuse auf den Äckern unter den normalen Bedingungen im Laufe eines Jahres um das 70 — lOOfache vermehrt, verändert sie sich in den optimalen nur um das 2 — 3fache. Solche optimalen Biotope sind nach Poljakov Brachen und landwirtschaftlich nicht nutzbare Flächen, und hier leben die Tiere „in gedrücktem Zustande" und sind nicht in der Lage, sich schnell zu vermehren. Dennoch stellen gerade diese Räume die Reservoire der kleinen Nager dar. Das Kennzeichnende der Poljakov sehen optimalen örtlichkeiten ist nun Kurzrasigkeit, Lichtoffen- heit und vor allem Trockenheit, sie decken sich auch sachlich mit meinen primären Biotopen (1952), für die Trockenheit ebenso bezeichnend ist. Vielleicht kann auch die Geschichte unserer Feldmäuse, soweit sie sich überhaupt rekonstruieren läßt, Anhaltspunkte für ihre ökologischen An- sprüche geben. Microtus arvalis war bereits im Pleistozän in Mitteleuropa vorhanden. In der Bearbeitung fossiler Microtinen wird sie jedoch gewöhn- lich mit der Erdmaus als aTvalis-a^Testis-kntQ\\ zusammengefaßt, so daß vorläufig für keine der beiden Arten auswertbare Grundlagen vorhanden sind, über das sicher sehr wechselhafte Schicksal der Feldmaus im frühen Postglazial vermögen wir ebenso nichts auszusagen. Als waldfeindlichem Tiere muß ihr der Lebensraum denn immer mehr eingeschränkt worden sein. Mit dem „durchgreifenden Klima- und Vegetationswandel" (Firbas), wie er sich von der frühen Wärmezeit (Präboreal) bis zur älteren Wärmezeit (Subatlantikum) vollzog, ist Mitteleuropa schließlich ein geschlossenes Wald- gebiet geworden, „und das Vorkommen größerer, waldloser oder waldarmer Gebiete ließ sich bisher mit Hilfe der Nadelbaumpollen nirgends nachweisen. 110 Zweitschrift für Säugetierkimde, Bd. 20, 1952 (1955). Deren Werte sinken schon in der Vorwärmezeit zur Größenordnung wald- bedeckter Landschaften herab" (Charakterisierung des Subatlantikums, F i r - bas). Bereits das Präboreal wies (wieder nach Firbas) ähnliche Verhält- nisse auf: „Wir dürfen, wenn überhaupt, nur in den heute niederschlags- ärmsten Landschaften mit Niederschlägen unter 500 mm größere, durch Trockenheit bedingte Lücken in der Waldbedeckung erwarten, die das Aus- sehen von Wiesensteppen gehabt haben könnten. Keinesfalls dürfen die hohen Haselwerte als Beweis für eine von Steppeninseln durchsetzte Parklandschaf t gelten." Es ist anzunehmen, „daß ein großer Teil der Wälder und Gebüsche den Charakter von Steppenheidewäldern besaß, die infolge ihrer Zusammen- setzung aus Lichtholzarten licht waren, und daß auch die an flachgründige, trockene Böden gebundenen Steppenheiden (Waldlücken) um sehr viel häufi- ger waren, als sie dies heute unter natürlichen Bedingungen sein könnten." Gerade in diesen trockenen Wiesensteppen und Steppenheidewäldern wird die waldfremde Feldmaus die Wälderzeit Mitteleuropas überdauert haben, und ihre Trockenrasengesellschaften stellen das dar, was ich als primäre Biotope bezeichnet habe. Niemals ist dabei von mir an eine Kontinuität sol- cher Lebensstätten bis auf den heutigen Tag gedacht worden. Es genügt, daß von Menschenhand geschaffene örtlichkeiten diesen eigentlichen, natürlichen Lebensräumen entsprechen, und ihre Ausmaße sind dabei von keiner Be- deutung. Ein erhöhter Grabenauswurf, die trockene Böschung eines niedrigen Dammes sind dafür ausreichend, daß kleinste Populationen der Feldmaus hier pessimale Wintersituationen überstehen und ihre frühe Entwicklung durchmachen, während die Lawine explosiver Massenentfaltung erst in den sekundären Lebensstätten losbricht. Ähnliche Betrachtungen in Hinsicht auf die Geschichte der Feldmaus stellt auch Naumov (1954) an: „Die Dynamik der Bevölkerung von Wal- dungen zeigt relative Beständigkeit in der Anzahl. Die Feldmaus ist eine Art, die sich in der Waldsteppenzone (von mir gesperrt) entwickelt hat, und einer Existenz in einer Landschaft mit Elementen der Wieseii- und Waldpflanzenwelt angepaßt ist. Wiesen mit Sträuchern, Lichtungen und lichte Wälder entsprechen im stärksten Maße jenen Ausgangswohnplätzen, in denen die Wühlmäuse in der Periode vor einer Agrarkultur lebten." Es scheint kein Zufall zu sein, daß gerade für die kontinentalen Areale diese VorKebe der Feldmaus für trockenere Lebensräume hervorgehoben wird, wie auch die schroffen Unterschiede zwischen den primären und sekundären Biotopen hier schärfer gesehen werden als in den mehr ozeanischen am West- rande ihres Verbreitungsgebietes. Aber auch dort ist die Erhaltung der Feld- maus, das überstehen pessimaler Umweltsituationen (Wetter, Grundwasser- stand) gebunden an das Vorhandensein solcher Trockenrefugien, und seien es auch nur kleinste vom Menschen immer wieder neu geschaffene örtlichkeiten. G. STEIN, Die Kkinsäuger ostdeutscher Ackerflächen III Zusammenfassung. 1. Untersucht wurden brandenburgische Ackerflächen der Umgebung von Fürstenwalde/Spree. Herangezogen wurden Herbst- und Frühjahrsfänge au5 vier Jahren (n = 2521). 2. Dauerbewohner im Untersuchungsgebiete sind nur Maulwurf, Talpa europaea, Feldmaus, Microtus arvalisy und Waldmaus, Apodemus sylvaticus. Auf die letzten beiden Arten entfallen 92 % des Materials. 3. Autochthone Ährenmaus-, Brandmaus- und Waldspitzmausbestände gibt es auf den Äckern des Untersuchungsgebietes nicht. Die beiden ersten Arten sind nur temporäre Besiedler den Sommer über und in geringer Be- standsdichte. Die Waldspitzmaus ist ein sehr gelegentlicher Einwanderer oder Durchwanderer. 4. Gelbhalsmaus, Apodemus flavicollis, Erd- und Zwergmaus, Microtus agrestis und Micromys minutus, Nordische Wühlmaus, Microtus oeconomus, sind Irrgäste. Die Zwergmaus, für die sonst auch Getreidefelder als Lebens- raum angegeben werden, wurde in einem einzigen Stück erbeutet. 5. Ährenmäuse, Mus m. musculus, des Untersuchungsgebietes wandern im Frühjahr und sehr vereinzelt in die Felder ein. Der größte Teil lebt das ganze Jahr über als Kommensale des Menschen. Im Herbst finden sich kleinste Gemeinschaften mit sehr großen Zwischenräumen über die Äcker verteilt, und bereits Ende Oktober sind sie wieder abgewandert. Als Ursache der geringen Kopfstärke wird Raumkonkurrenz mit der stärkeren Waldmaus vermutet. 6. Bei der Brandmaus, Apodemus agrarius, sind es ihre komplexen ökologischen Ansprüche, die einer dauernden Besiedlung der Äcker und hoher Bestands dichte dort entgegenstehen. Als neuer Faktor wird herausge- stellt das Bedürfnis nach hoher Deckung. 7. Bei der Waldspitzmaus, Sorex araneus, wurde 1952, in einem Jahre hoher Feldmaus dichte, ein invasionsartiges Eindringen in die Felder ver- zeichnet. Entgegen der theoretischen Erwartung nahmen überwiegend — wohl ausschließlich — adulte, also Vor jähr stiere daran teil. 8. Von unseren Microtinen ist nur die Feldmaus auf den Äckern zu- gelassen. Sie hat die geringste absolute Größe und vermag so noch mit be- scheidener Deckung zu existieren. 9. Die Waldmaus ist das konstanteste Element der Kleinsäugerfauna ost- deutscher Ackerflächen. Herbstliche Abwanderung in Dörfer und Städte, wie sie für Westdeutschland ein bekannter Vorgang ist, fehlt bei den branden- burgischen Populationen östlich der Oder und wohl auch bei westpreußischen. 112 Zeitschrift für Säugetier künde, Bd. 20, 1952 (1955). 10. Das Charaktertier der Solle ist die Nordische Wühlmaus. Genetische Differenzierung dieser räumlich relativ gut isolierten Populationen ließ sich bisher nicht nachweisen. Neomys Jodiens, Wasserspitzmaus und Sorex minutus, Zwergspitzmaus, fehlen den Sollen. 11. Sorex minutus bewohnt auch die Feldhecken. In zwei untersuchten fand sich — bei allgemein niedriger Feldmausdichte — auch Microtus arvalis in geringer Anzahl. 12. Die Waldmäuse des Untersuchungsgebietes haben den Feldmauszu- sanmienbruch des Winters 1952/53 mitgemacht. Die Zahlen dafür sind sta- tistisch real. Übereinstimmung mit dem Feldmausrhythmus besteht je- doch nicht. 13. Der Feldmauszusammenbruch des Winters 1952/53 ist nach Maß- gabe des vorhandenen Futterangebotes vor sich gegangen. Die Feldmäuse sind ganz einfach verhungert, wobei bei geringstem Nahrungsangebote die ganze Population zugrunde gegangen ist, in günstigeren Lebensstätten Einzelindi- viduen sich hielten und auf nahrungsreichen Kleeschlägen die Bestände intakt blieben. 14. Schadfraß an Rüben und Kartoffeln rührt niemals von der Wald- maus her. Der Urheber ist die Feldmaus. 15. Waldmäuse fressen regelmäßig Kartoffelkäfer (F. Vater, Biol. Zentralanstalt Kl. -Machnow). 16. Apodemus agrarius ist für das Pleistozän Mitteleuropas nicht nach- gewiesen. Sie dürfte ein spätpostglazialer Einwanderer aus dem Osten sein. 17. Talpa magna und Talpa pygmaea (Woldrich 1883), die durch Größenunterschiede von rezenten Talpa europaea abweichen sollen, fallen noch in die Variationsbreite dieser Art. Die nur auf Größenabweichungen beruhenden Unterschiede bei gleichzeitig und miteinander vorkommenden glazialen Maulwurfsformen können sich so als Ausdruck hoher Größenvaria- bilität einer Art deuten lassen. Auch das Nacheinander, also die zeitliche Folge von nur der Größe nach verschiedenen Maulwürfen braucht nicht ohne weiteres Artverschiedenheit sein. Es könnte sich hier um zeitliche Größen- schwankungen einer Art handeln. 18. Die postglaziale Wälderzeit (Präboreal bis Subatlantikum) dürfte die waldfremde Feldmaus in den Steppenheiden und Steppenheidewäldern über- standen haben. Solche Trockenformationen entsprechen ihrer Vorliebe für trocknere, lichtoffene Standorte und sind das, was ich als primäre Biotope bezeichnet habe, wobei an eine Kontinuität dieser Lebensstätten bis auf den heutigen Tag niemals gedacht wurde. Es genügt, daß von Menschenhand ge- schaffene örtlichkeiten diesen eigentlichen, natürlichen Lebensräumen ent- sprechen, und ihre Ausmaße sind dabei von keiner Bedeutung. G. STEIN, Die Kteinsäuger ostdeutscher Ackerflächen 113 Literatur : Balsac, H. de, 1951. — Colonisation de l'habitat rural par rongeurs agrestes, con&equences meconnues. — Bull. Ac. Agric. Bernard, J., 1953. — Etudes sux les rongeurs II. — Bull. Inst. Agron. 21. Berts ch, K., 1949. — Geschichte des deutschen Waldes, 2. Aufl. — Jena. 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Z a 1 e s k y , K., 1948. — Die Waldspitzmaus, Sorex araneus, in ihren Beziehungen zur Form tetragonurus in Nord- und Mitteleuropa. — Sitz. Ber. ' österr. Akad. Wiss. Math.-Nat. Kl. 157. Zimmermann, K., 1949. — Zur Kenntnis der mitteleuropäischen Hausmäuse. — Zool. Jahrb. (Syst.) 78, 3. — , 1955. — Körpergröße und Bestand«dichte bei Feldmäusen (Microtus arvalis). — Zs. Säugetierk. 20. 114 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 10.) Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmänsen (Microtus arvalis) Von Klaus Zimmermann (Berlin) Mit zwei Abbildungen im Text. D. Chitty (1952, Mortality among voles (Microtus agrestis) at Lake Vyrnwy, Montgomeryshire in 1936 — 9. — Phil. Trans. Roy. Soc. London Ser. B No. 638, Vol. 236) hat gezeigt, daß bei der Erdmaus ( M. agrestis ) ein Zusammenbruch sich noch nach einem Jahre im geringeren Mittelwert für Körpergewichte bemerkbar machte; bei der für Wühlmäuse bekannten Schnelligkeit von Wachstum und Generationsfolge ein unerwarteter Zusam- menhang! Es sei untersucht, ob der Ghitty'sche Befund auch für die Feld- maus gilt, und ob hier eine Gesetzmäßigkeit vorliegt. Das zugrunde liegende Material besteht aus Schädelteilen von etwa 8000 Feldmäusen, die in den letzten sechs Wintern von Waldohreulen bei Pots- dam-Rehbrücke erbeutet wurden. Jagdrevier der Eulen war die Feldmark von Rehbrücke, Äcker und Wiesen auf Sandboden. Zwei Tagesruhe-Gebiete der Eulen wurden auf Gewölle in etwa 14tägigen Abständen kontrolliert: im Kiefernwald am Ravensberge durch O. Schnurre, dem ich für seine unermüdliche Mitarbeit herzlich danke, und in einem Kiefernwäldchen dicht bei Rehbrücke durch mich. Als sich herausstellte, daß zeitweise die gleichen Eulen beide Tagesruh -Wälder abwechselnd benutzten (das Jagd- revier liegt zwischen diesen beiden) wurden die Gewölle beider Plätze ge- meinsam ausgewertet. Als Index der Körpergröße wurde die Mandibel-Länge benutzt und das Materialauf die 5 um je 1mm steigenden Längenklassen I-V verteilt (Tab. 2). In die Beobachtungszeit von 1949 bis 1955 fallen zwei Zusammenbrüche: 1949/50 und 1952/53. Direkte Beobachtungen des Zusammenbruches konnten nur in den letzten Januar -Tagen 1953 gemacht werden: Bei Rehbrücke ent- hielten die Gewölle neben nur acht anderen Beutetieren 242 Feldmäuse, von denen mehrere unverdaut geblieben waren, halbe Feldmäuse lagen neben den Gewöllen unter dem Tagesruhe-Baum, und das gleiche fand Schnurre an denselben Tagen am Ravensberge. Indirekt kennzeichneten sich beide Zusammenbrüche der Beobachtungszeit durch Absinken des Feldmaus-An- teiles der Gesamtbeute von 80 — 90 % auf etwa 60 % und durch Ansteigen des Spitzmaus -Anteiles von 0—1% auf 10— 13 o/q (Tab. 1). Vor einem Vergleich der Größenverteilung für die gesamten Feldmäuse der sechs Beobachtungswinter sei auf jene Verschiebung der Klassen-Anteile hingewiesen, die sich vom Herbst bis zum nächsten Frühjahr in jedem Win- ter gleichlaufend abspielt. Abb. 1 zeigt die jeweiligen Unterschiede zwischen den Monaten Sept./Okt. einerseits, Febr. /März andererseits. (Für Frühjahr K. ZIMMERMANN, Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmäusen 115 Tabelle 1. Prozente der Gesamtbeute 49/50 Zusam 50/51 51/52 52/53 Zusam 53/54 54/55 3 ä> 3 a> Feldmaus 84 53 D- C 63 81 91 nbrucb 60 71 Spitzmaus 1 Ci 10 0 0 13 2 50/51 51/52 52/53 53/54 54 55 Abb. 1. 1955 stehen statt der Febr./März- die Januarwerte, weshalb für den Winter 1954/55 die Differenz Herbst-Frühjahr nicht voll erfaßt ist.) Kennzeichnend sind jedesmal die Verluste in den Flügelklassen und die Konzentration auf die mittleren. Die Fortpflanzung setzt über Winter aus, der Anfangsbestand der niedrigsten Klasse rückt durch Wachstum in die nächst höheren auf. Der Anfangsbestand der höchsten Größenklasse ver- schwindet durch Alterstod. Da das Winterwachstum für einen Übergang in die höchste Klasse nicht ausreicht, ist Klasse V bei Winterende unbesetzt. Klasse II wächst einschließlich des aus I erhaltenen Zuwachses bis auf 116 Zeitschrift für Säu^tierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). wenige (3 — 4) Prozente in Klasse III hinüber. In den Klassen III und IV ist der Zuwachs größer als die Abgabe in höhere Klassen; beide erhöhen über Winter ihre Anteile. So vollzieht sich die winterliche Bestandsumwand- lung durch Wachstum und Absterben in den „gewöhnlichen" und interessan- terweise auch in einem der beiden Nachzusammenbruchswinter. 1950/51 geht die Population, wie nach dem Zusammenbruch 1950 zu erwarten war, kleinwüchsig, d. h. mit einem hohen Anteil an Jungtieren, in den Winter. Das winterliche Wachstum muß aber diesmal ungewöhnlich hoch gewesen sein, denn im März 1951 ist genau die gleiche Größenverteilung erreicht wie im März 1953 (vgl. Tab. 2). Ganz anders der nächste Nachzusammenbruchswinter 1953/54: Hier zeigt sich in vollem Umfang der G h i 1 1 y - Befund. Im Herbst 1953 ist die Population auffallend kleinwüchsig, das winterliche Wachstum ist sehr gering. Nur die niederen Klassen I — III zeigen, daß überhaupt Wachstum statt- findet. Klasse IV, deren Anteil in den drei vorigen Wintern auf das ly^fache bis Doppelte des Herbstbestandes stieg, verliert über Winter die Hälfte. Ich habe vom Errechnen der Größenmittelwerte für ganze Zeit- abschnitte abgesehen, weil in diesem Falle nichts Biologisches in solchen Werten steckt. Zur Kennzeichnung der Sonderstellung dieses Winters aber folgender Hinweis: In den drei vorhergehenden Wintern und im darauf- folgenden steigt von Herbst bis Frühling die mittlere Mandibel-Länge um 0,1 — 0,6 mm. 1953/54 sinkt sie um 0,4 mm. Die Population ist also über Winter kleiner an Wuchs geworden und zeigt deutlich das von D. G h i 1 1 y bei M. agrestis Beobachtete. Ob es sich dabei um eine gesetzmäßige Nach- wirkung des Zusammenbruchs an sich handelt, erscheint fraglich, da im Winter nach dem Zusammenbruch 1949/50 die Population keine negative Beeinflussung des Körperwachstums zeigte. Anscheinend sind die auf einen 70 o/o öOO/o 50 o/o T 40 o/o 30 o/o 20 o/o - 100/0 - 00/0 Winter I II III IV V 49/50 I II III IV V 50/51 I ti MI IV y 51/52 I 1! III IV V 52/53 1 I II III IV V 53.' 54 1! III IV V 54/55 60 0/0^ 50% • 400/0 30%- -200/0 - 100/0 ^ 00/0 , Abb. 2. K. ZIMMERMANN, Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmäusen 117 Tabelle 2. Größenverteilung der Feldmäuse auf die Wintermonate. Größenklassen I II III IV V ItA i> Ii d t Uko 14^m 15^m 1^ Hl Hl 13 mm l f\ mm XII 1950 8 28 48 15 1 101 50/51 I 1951 4 30 54 12 0 133 II 1 16 tro 58 25 0 93 III 0 4 60 36 0 28 IX 12 16 21 32 19 138 X 17 24 22 26 11 169 51/52 XI 8 12 33 29 18 124 XII 4 6 48 30 12 274 I 1952 0 4 48 42 6 376 TT (\ 11 U 3 53 41 o 3 125 IX 5 16 51 18 10 149 X 2 5 58 26 9 215 XI 0 7 62 24 7 206 52/5o "VTT r» All 0 7 62 25 6 342 1 195o 0 o 8 CO 68 24 0 445 II 0 3 65 31 \ 437 III 0 4 60 36 0 50 IX— X 11 26 42 21 0 110 XI 9 50 37 4 0 108 53/54 XII 2 37 56 5 0 120 I— II 1954 1 42 51 6 0 120 III 0 24 66 10 0 163 IX 1954 24 20 37 16 3 101 54/55 X— XII 9 50 30 11 0 68 I 1955 0 20 67 12 1 70 I— V = Anteil in Prozenten. — n = Zahl der Tiere. Zusammenbruch folgenden Witterungsverhältnisse entscheidend für das Tempo des Wiederaufbaues von Bestandsdichte und normaler Körpergröße. Tab. 2 und Abb. 2 geben die Größenverteilung aller in den fünf Wintern 1949— 1954 erbeuteten Feldmäuse. Ohne Berücksichtigung der nur bis Januar vorlie- genden Werte für 1954/55 zeigen sich für die einem Zusammenbruch folgen- den Winter 1950/51 und 1953/54 kennzeichnenden Besonderheiten: Anteil der beiden niedrigsten Größenklassen ist hoch : 24 und 38 % gegen 3,6 und 11% in den drei anderen Wintern: Anteil der beiden höchsten Größen- klassen mit 18 und 9 % gering gegen 53, 49 und 33 %. Die sich hier andeutende Gesetzmäßigkeit — je höher die Siedlungsdichte, um so größer die mittlere Körperlänge — wird verständlich, wenn wir an- nehmen, daß die gleichen Außenfaktoren, die zum Anwachsen der Siedlungs- dichte führen, auch dem Einzeltier optimale Wachstumsmöglichkeit geben. Vom Versuch einer Zuordnung der Größenklassen zu Altersstufen wurde abgesehen, obwohl für 1500 Feldmäuse mit bekanntem Alter aus Zuchten in Oldenburg und Rehbrücke die Maße für Schädel- und Mandibel-Längen vorliegen (Frank, Zimmermann, Arch. Nat. Gesch. im Druck). 8 118 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Die hier aufgezeigten jährlichen Schwankungen im Anteil von Größen- klassen sind nicht ausschließlich Schwankungen im Anteil von Altersklassen, sie sind zum Teil auch bedingt durch Schwankungen im Wachstumstempo. Folgende Befunde deuten auf Unterschiede im Wuchstempo: 1. Extreme Ausbildung der Knochenleiste im Interorbitalraum ist ein Kenn- zeichen „alter" Feldmäuse; an etwa 7000 Oberschädeln des Gewöll- materials konnte der Anteil dieses Altersmerkmals in den einzelnen Jahren protokolliert werden, er erwies sich als relativ konstant (2 — 3% Schädel mit extremer Leiste), während doch der Jahresanteil der höchsten Größenklasse zwischen 0 und 10 % schwankt. 2. Abb. 1 zeigt, daß die im Herbst vorhandenen Tiere der höchsten Größen- klasse im folgenden Frühjahr verschwunden sind, was mit unseren Vor- stellungen vom Alterstod übereinstimmt. Im Herbst 1953 fehlt die höchste Größenklasse ganz, aber dennoch ist der Alterstod über Winter erkennbar, nur diesmal bei den Tieren der zweithöchsten Größenklasse IV, die in den drei vorhergehenden Wintern ihren Anteil erheblich steigert. Tabelle 3. Größenverteilung der Feldmäuse in 6 Wintern. Größenklassen I II III IV V bis bis bis bis bis Winter 12 mm 13 mm 14 mm 15 mm 16,4 mm n 49/50 0 3 44 44 9 250 50/51 3 21 58 18 0 615 51/52 3 8 40 39 10 2280 52/53 0 6 61 29 4 4004 53/54 4 34 53 9 0 700 54/55 12 28 45 13 2 229 8078 I — V = Anteil in Prozenten. — n = Zahl der Tiere. Zusammenfassung. Für die Jahre 1949 — 1955 werden die Schwankungen der Körperlänge von Feldmäusen aus Waldohreulen-Gewöllen von Potsdam-Rehbrücke gezeigt, wobei Mandibel-Länge als Index der Körperlänge dient. Wechsel im An- teil der Größenklassen im Herbst und Frühjahr ist bedingt durch winterliche Vermehrungspause und durch winterlichen Alterstod. Außerdem wechselt die mittlere Körpergröße der Population im Zusammenhang mit deren Dichte: Je höher die Siedlungsdichte, um so größer die mittlere Körperlänge, weil beide durch dieselben Außenfaktoren gefördert werden. Kurz nach einem Zusammenbruch ist die mittlere Körpergröße am geringsten; ebenso wie das Tempo der Siedlungsverdichtung scheint das Tempo des individuellen Wachs- tums von Außenfaktoren abhängig zu sein. ^^^^^^ Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. G BERLIN W 30, Budapester Straße 26 Fernsprecher: 2416 60 Postscheckkonto: Berlin-West Nr. 615 20 !•) 28. Hauptvers^ammlung unserer Gesellschaft vom 30. Juli bis 4. August 1954 iu München Von Kurt Becker (Berlin) A. Einladung vom 31. Mai 1954, verändert gemäß dem tatsächlichen Ablauf. Die diesjährige Hauptversammlung unserer Gesellschaft wurde vom Vor- stande auf die Zeit vom 30. Juli bis 2. (4.) August festgelegt. Als Ort hatte die letzte Hauptversammlung München bestimmt. Sie wird hier in den RäumeöJ des Zoologischen Institutes der Universität München, Luisenstr. 14, abgehalten werden. Wir geben anschließend das endgültige Programm bekannt und laden unsere Mitglieder und Freunde auf das herzlichste ein, an der Versammlung) teilzunehmen. Die Verhältnisse zwingen uns, diesmal eine Teilnehmergebühr von DM- West 1, — zu erheben, die vorher mit der (beiliegenden) Amnelde- karte in Briefmarken an den Geschäftsführer einzusenden ist. Die Teilnehmer- karten werden dann auf dem Begrüßungsabend bzw. bei der Eröffnung über- reicht (wenn Porto mit eingeschickt wird, auch vorher zugesandt). Auslän- dische Teilnehmer sind von der Vorauszahlung befreit. Programm Freitag, 30. Juli 1954 19.00 Uhr: Begrüßimgsabend. Gemütliches Beisammensein im Hotel Wolf f, Arnulfstr. 4, am Hauptbahnhof. Sonnabend, 31. Juli 1954 9.00 Uhr: Eröffnung der Tagung im Gr. Hörsaal des Zool. Inst. Be- grüßungsansprachen. Geschäftliche Mitteilungen. Anschließend 1. wissenschaftliche Sitzung. Thema: Populationsforschung. Referat: Fritz Frank (Oldenburg), Ergebnisse und Probleme neuer populationsdynamischer Untersuchungen an deutschen Klein- säugern (Micro tinae) . Vorträge Chitty, Stein, Zimmermann, v. Wijngaarden, v. Eibl- Eibesfeld; s. u. 13.00 Uhr: Photographische Aufnahme der Teilnehmer vor dem Zoolo- gischen Institut. 13.15 Uhr: Gemeinsames Mittagessen im Hotel Wolff, Arnulfstr. 4, am Hauptbahnhof. Essen nach der Karte. 8* 120 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 15.00 Uhr: 2. wissenschaftliche Sitzung. Thema: Morphologie. Vorträge Teile, Steven, Becker, Dathe; s. u. 16.30 Uhr: Gemeinsame Fahrt nach Hellabrunn. 17.00 Uhr: Führung durch den Tiergarten Hellabrunn durch Direktor Heinz Heck. Anschließend Begrüßung durch den Vertreter der Stadt München im Tiergartenrestaurant. Sonntag, 1. August 1954 8.30 Uhr : 3. wissenschaftliche Sitzung. Thema : Ökologie und Physiologie. Referat: Konrad Herter (Berlin-Dahlem), über den Winter- schlaf der Säugetiere. Vorträge Mehl, v. Wettstein, v. Vietinghoff, Leyhausen, Eisen- traut; s. u. 13.00 Uhr: Gemeinsames Mittages&en im Hotel Wolff, Arnulf str. 4, am Hauptbahnhof. Essen nach der Karte. 15.00 Uhr: 4. wissenschaftliche Sitzung. Vorträge Kühlhorn, MüUer-Using, Kleinschmidt, Stammer, Ryberg; s. u. 17.00 Uhr: Gemeinsame Fahrt nach Nymphenburg. Besichtigung der Zoolog. Staatssammlung, insbesondere ihrer Säugetierabteilung. 20.00 Uhr: Gemütliches Beisammensein. Ort wird vorher bekanntgegeben. Montag, 2. August 1954 8.30 Uhr: 5. wissenschaftliche Sitzung. Ohne zusammenfassendes Thema. Vorträge v. Eibl-Eibesfeld, Frank, Teile, Pohle; s.u. 10.00 Uhr : Geschäftssitzung im Gr. Hörsaal des Zool. Instituts. Nur für Mitglieder. Tagesordnung: 1. Geschäfts- und Kassenbericht. 2. Entlastung des Geschäftsführers und des Schatzmeisters. 3. Wahl des nächstjährigen Tagungsortes. 4. Festsetzung der Jahresbeiträge für 1953 bis 1955. 5. Beschlußfassung über Satzungsänderung; s. u. 6. Neuwahl des Geschäftsführers für die Zeit vom 1. 1. 1955 bis 31. 12. 1956. 12.00 Uhr: Schluß der offiziellen Tagung. Anschließend gemeinsames Mittagessen im Hotel Wolff, Arnulfstr. 4, am Hauptbahnhof. 13.10 Uhr: Abfahrt des Zuges nach Salzburg. Fahrtkosten hin und zu- rück: Einzelfahrt DM 24—, bei 12—24 Teilnehmern DM 16,—, bei 25 Teilnehmern oder mehr DM 12, — . 15.32 Uhr: Ankunft in Salzburg. Besuch des Hauses der Natur; Führung durch seinen Direktor Prof. Dr. Tratz. Anschließend Logisvertei- lung. Am Abend ist Gelegenheit, einer Vorstellung der Salzburger Festspiele beizuwohnen. Die Karten müssen aber umgehend vor- bestellt werden. Dienstag, 3. August 1954 9.00 Uhr: Abfahrt von Salzburg mit Kleinautobus zum Schloß Blühn- bach. Wanderung zu den Teufelshömern. Beobachtungsmöglichkeit auf Steinböcke, Schneehasen, Schneehühner, Alpendohlen, Kolk- raben, Steinadler u. a. Nachmittags Rückkehr nach Salzburg. Abends gemütliches Beisammensein. K. BECKER, Niederschrift der 28. Hauptversammlung. 121 Mittwoch, 4. August 1954 9.00 Uhr: Besichtigung von Salzburg: Baudenkmäler, Nonnberg-Kloster, Hohensalzburg, Stadtmuseum. 13.00 Uhr: Gemeinsames Mittagessen. 14.00 Uhr: Besichtigung der freilebenden Gemmen auf dem Kapuziner- berg. 18.32 Uhr: Rückfahrt mit Eisenbahn nach München. Für die einzelnen Vorträge stehen je 20 Minuten zur Verfügung. Für die Referate sind 60 Minuten Redezeit vorgesehen. An Vorträgen sind gemeldet: 1. K. Becker (Berlin-Dahlem): über Art- und Geschlechtsmerkmale am Becken einheimischer Insectivoren. 2. G. Brunner (Nürnberg): Die diluviale Kleinsäugerwelt. 3. D. Chitty (Oxford): Recent work on fluctuations in numbers of mammals and birds. 4. H. Dathe (Leipzig): Bau und Funktion des Kopulationsorganes männlicher hystricomorpher Nagetiere. 5. H. Ebhardt (Hannover): Die Bedeutung der rezenten und paläontologischen Forschung am Pferd. 6. M. Eisentraut (Stuttgart): Vorläufiger Bericht über säugetierkundlich© Untersuchungen am Kamerunberg. 7. F. Frank (Oldenburg): Vorführung von Farbdias der Lrebensräume heimi- scher Kleinsäuger. 8. B. Grzimek (Frankfurtmain): Beobachtungen an Säugetieren im Belgi- schen Kongo. 9. A. Kleinschmidt (Braunschweig): Die Speed -Ebhardt'sche Pferdetypen- lehre und ihre praktische Anwendung auf die Beurteilung von neuen Fun- den aus dem Palaeolithikum von Salzgitter-Lebensstedt. 10. F. Kühlhorn (München): Tierische Lebensräume in Süd-Mattogrosso. 11. P. Leyhausen (Göttingen): Die wissenschaftliche Film-Enzyklopädie. 12. S. Mehl (München): Das Gaumendach einheimischer Kleinsäuger. 13. D. Müller-Using (Hann. -Münden): Zur Verbreitungsgeschichte und Öko- logie der Marmota marmota L. 14. H. Pohle (Berlin-Schöneberg): über den Status des Schomburgkhirsches. 15. G. H. W. Stein (Berlin): Populationsanalysen am Maulwurf. 16. D. M. Stevens (Edinburgh) : A genetical analysis of the island forms of Clethrionomys in Britain. 17. H. J. Teile (Klein-Machnow) : Zur Territorialität der Wanderratte. 18. 0. V. Wettstein (Wien): Was ist Gapra dorcas Reichenow? 19. A. V. Vietinghoff-Riesch (Hann. -Münden): Siebenschläfermarkierungen im Deister. 20. A. V. Wijngaarden (Wageningen): Populationsdynamik der Feldmaus, Mi- crotus arvalis Pallas, in der Betuwe. Die Nrn. 2, 5, 8 fielen aus: Dafür wurden nachträglich gemeldet: 21. I. Eibl-Eibesfeld (Buldern): Vorführung des Filmes „Biologie des Hamsters". 22. I. Eibl-Eibesfeld (Buldern): Beobachtungen über territoriales Verhal- ten und Brutpflege des Galapagos-Seelöwen. 122 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 23. O. Ryberg (Älnarp) : über die Lebensweise der Fledermäuse in Schweden. 24. H. J. Stammer (Erlangen): über Parasiten der deutschen Kleinsäuger. 25. H. J. Teile (Hannover): Vorführung des Aufklärungsfihnes „über Bio- logie und Bekämpfung der Wanderratte". 26. K. Zimmermann (Berlin): Körpergroße und Bestandsdichte bei Feld- mäusen. Wünsche wegen etwa benötigter optischer und anderer Apparate und Instrumente bitten wir an das Zoologische Institut der Universität München, Luisenstr. 14, zu richten. Zur Tagesordnung der Geschäftssitzung ist folgender Satzimgsänderungs- antrag von den Mitgliedern Becker, Herter, Mohr, Nachtsheim, Stein und Zimmermann eingegangen: Die Hauptversammlung wolle beschließen, daß der § 12 un&erer Satzung folgende Fassung erhalte: „§ 12 Rechte und Pflichten des Vorstandes. Der 1. Vorsitzende vertritt die Gesellschaft nach innen. Die anderen Vor- sitzenden sind seine berufenen Vertreter. Der Geschäftsführer vertritt im Ein- vernehmen mit den übrigen Vorstandsmitgliedern die Gesellschaft nach außen und erledigt die laufenden Geschäfte. * Der Schriftführer hat über jede Ver- sammlung und Sitzung der Gesellschaft sowie über jede Vorstandssitzung eine Niederschrift herzustellen, die nach Genehmigung durch die betreffende oder die nächste gleichartige Versammlimg von ihm und dem Vorsitzenden der Versammlung zu vollziehen ist. Der Schatzmeister zieht die Beiträge ein, führt die Kasse und verwaltet das Vermögen der Gesellschaft. Die Gesellschaft gibt die Zeitschrift für Säugetierkunde heraus. Der Vor- stand beruft ein Herausgeberkollegium. Dieses besteht aus dem Herausgeber und vier Mitgliedern, deren Arbeitsgebiete möglichst verschiedene Richtungen der Säugetierforschung umfassen sollen. Die fünf Mitglieder des Kollegiums gestalten gemeinsam die Zeitschrift, in Zweifelsfällen entscheidet die einfache Mehrheit. Nach Neuwahl des Vorstandes bedürfen die Mitglieder des Heraus- geberkollegiums einer Bestätigung durch den neuen Vorstand.'' Die neue Fassung unterscheidet sich dadurch von der alten, daß bei * folgender Satz: ,, insbesondere ist er der Herausgeber der Vereinszeitschrift" fortgelassen und daß der zweite Absatz zugesetzt wurde. Nun fällt unsere Tagung gerade in den Anfang der Festspielzeit. Damit wir überhaupt Unterkimft bekommen können, müssen die Zimmer sofort fest bestellt werden. Wir bitten daher, die zweite Anmeldekarte lungehend, d. h. bis zum 25. 6., an Herrn Prof. Dr. E. P. Tratz, abzuschicken. Für die Reise nach Salzburg ist kein besonderes Visum nötig. Es genügt, wenn jeder Teilnehmer seinen Paß oder seine Kennkarte mit sich führt. Das gilt auch für Bewohner der Sowjetzone, die von München aus an der Exkur- sion teilnehmen. Wegen der Logisbeschaffung in München wende man sich an unser Mit- glied Dr. Th. Haltenorth, München 38, Menzinger Straße 67, Zool. Staatsslg., Telefon 62 260. Wir bitten die Teilnehmer im eigenen Interesse, Mitteilun- gen möglichst umgehend abzusenden. Der erste Vorsitzende Der Geschäftsführer Prof. Dr. H. Nachtsheim, Prof. Dr. H. Pohle, Berlin-Dahlem, Ehrenbergstr. 26, 28. Berlin W 30, Bamberger Straße 32. K. BECKER, NiecLer&chrift der 28. Hauptversammlung. 123 B. Anwesenheitsliste. Mitglieder : Bauer, Neusiedl am See (Österreich); Becker, Berlin; v. Boetticher, Co- burg; Burckhardt, Sempach (Schweiz); Dathe, Leipzig; Eibl-Eibesfeld, Buldern; Eisentraut, Stuttgart; Feiten, Frankfurt a. M. ; Fehringer, Hecken- dorf; Frank, Oldenburg; Freye, Halle (Saale); Gaffrey, Dresden; Gerber, Leipzig; Gerlach, Hannover; Haltenorth, München; Hai trieb, Greif swald; Haring, Göttingen; Herold, Berlin; Herre, Kiel; Herter, Berlin; Issel, Gar- misch-Partenkirchen; Zool. Institut, Erlangen (Stammer); Kleinschmidt, Braunschweig; Klemm, Berlin; Walter Koch, München; v. Lehmann, Ersdorf; Leyhausen, Göttingen; Mohr, Hamburg; Müller-Using, Hann.-Münden; Nachtsheim, Berlin; Hans Petzsch, Halle (Saale); Hertha Petzsch, Halle (Saale); Piechocki, Halle (Saale); Charlotte Pohle, Berlin; Hermann Pohle, Berlin; Priemel, Frankfurt a. M.; Reinig, Stuttgart; v. Roy, Berlin; Ryberg, Alnarp (Schweden); Stein, Fürstenwalde; Steinbacher, Augsburg; Teile, Han- nover; Tembrock, Berlin; Tenius, Hannover; Tratz, Salzburg (Österreich); V. Wettstein, Wien (Österreich); Wolf, Bonn; Zieske, Passau; Zimmermann, BerHn. Gäste : Dieter Backhaus, Mühlheim (Ruhr); Dr. A. C. V. van Bemmel, Utrecht (Holland); Bisetzki, München; Dr. J. Boessneck, München; Dr. F. W.. Braestrup, Kopenhagen (Dänemark); Hans Buchner, München; Dr. Dennis Chitty, Oxford (England); Helen Chitty, Oxford (England); Frl. Nora Croin-Michielsen, Leiden (Holland); Dr. Richard Dehm, München; Dr. H. Erhard, Adelholzen; Fr. Erhard, Adelholzen; Fr. W. Fehringer, Heckendorf; Gerrit Friese, Greifswald; Dr. R. Ginzinger, München; 0. Göllner, München; Renate Graf, München; Dr. Grau, München; Dr. Griesinger, München; Dr. R. W. Grünwaldt, München; Fr. E. Grünwald t, München; Frl. Dr. Ruth Gruhn, Göttingen; Gstindler, München; Frl. Dr. Brigitte Hagen, Bonn; Fr. Charlotte Haltenorth, München; Hehnuth Haltenorth, München; Dr. Henze, Garmisch- Partenkirchen; Heinz Heck, sen., München; Heinz Heck, jun., München; Fr. Margarete Herter, Berlin; Fr. Dr. Brigitte Issel, Garmisch-Partenkirchen; R. Jander, München; Karin Kärst, Bremen; Konrad Klemmer, Frankfurt a. M.; Dr. Koller, München; Dr. Helmut Kraft, München; Fr. Kraft, Mün- chen; Dr. H. E. Krampitz, Frankfurt a. M.; Dr. Friedrich Kühlhorn, Mün- chen; Hans Georg Kuhn, Heidelberg; Dr. Bernhard Lange, Oldenburg; Dr. PhiKpp Lehrs, München; Frl. Antonie Lochbrunner, München; G. A. v. May- dell, Stuttgart; Dr. Siegbert Mehl, München; Dr. H. Mendheim, München; Meuser, Unterpfaffendorf; Dr. Raimond Neseni, Rostock; Fr. Neufang, Salz- burg; Th. Oettingen, München; Hubert Oldiges, München; Kurt Ostermann, München; Johann Popp, München; Dr. G. Piekarski, München; Dr. Wal- ter Rieck, Hann. -Münden; Fr. Rieck, Hann.-Münden; Dr. Manfred Röhrs, Kiel; Wolf gang Rohr, München; Ernst Rühmekorf, Frankfurt a. M.; Otmar Schäuf feien, Ulm; Thomas Schelkopf, München; Otto Silier, München; Dr. David M. Steven, Edinburgh (Schottland); Fr. M.-L. Tembrock, Berlin; Fr. 124 Zeitschrift für Säiigetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Renate Tenius, Hannover; M. Tohmey, München; Dr. A. Freiherr v. Vieting- hoff-Riesch, Hann. -Münden; Dr. Hugo Weigold, Krailling; Frl. Weiß, Greifs- wald; Dr. A. van Wijngaarden, Wageningen (Holland); Fr. Zieske, Passau; Alfred Zoll, München; 2 unleserliche Namen. Insgesamt: 123 Teilnehmer. C. Verlauf des ersten Tages, Freitag, 30. 7. 1954. 18 Uhr 15 bis 19 Uhr 15 Vorbesprechung. Anwesende: Becker, Haltenorth, W. Koch, Nachts heim, Pohle, Stein und Zimmermann. Vor Eröffnung des Begrüßungsabends traf der Vorstand der Gesellschaft unter dem Vorsitz von Herrn Nachtsheim mit dem Ortsausschuß zu einer kurzen Sitzung im Hotel Wolff zusammen, um das Programm endgültig fest- zulegen. Es wurde außerdem beschlossen, vorzuschlagen, Herrn Schwangart, der aus gesundheitlichen Gründen der Versammlung fernbleiben mußte, als dem derzeitig ältesten Mitglied der Gesellschaft ein Grußtelegramm zu über- mitteln. Die Eröffnungssitzung beschloß ein solches Telegramm. Es hatte fol- genden Wortlaut: „Die in München und Salzburg tagende Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde hat mich beauftragt, Ihnen herzliche Grüße und beste Glück- wünsche für Ihr Wohlergehen im neunten Jahrzehnt zu übermitteln. Dr. Hermann Pohle." Herr Schwangart dankte der Gesellschaft mit folgendem Schreiben: Gräfelfing, den 6. 8. 1954 An die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde, zu Händen von Herrn Prof. Dr. H. Pohle Berlin W SO, Budapester Straße 36 Sehr geehrter Herr Kollege, bitte, übermitteln Sie der Gesellschaft meinen herzlichen Dank für das freundliche Begrüßungstelegramm und die guten Wünsche von der München- Salzburger Tagung. Ich habe um so mehr bedauert, ihr fernbleiben zu müs- sen, nachdem ich durch meinen vormaligen Schüler Dr. Petzsch von dem besonders erfolgreichen Verlauf erfahren hatte bei seinem Besuch in meiner Wohnung. Mit herzlichen Grüßen der Gesellschaft und Ihnen persönlich Ihr ergebener F. Schwangart. 19 Uhr 15 bis 24 Uhr 00 Begrüßungsabend. Zu dem Begrüßungsabend, der ebenfalls im Hotel Wolff stattfand, er- schienen 40 Mitglieder und 28 Gäste. Wie immer, wenn sich nach langer Zeit alte oder neue Freunde und Bekannte begegnen, sich Fremde mit Namen, die bisher nur aus der Literatur oder über den Briefwechsel vertraut waren, ge- genseitig vorstellen, so gab es auch hier ein nicht endenwollendes Gespräch in freundschaftlicher Atmosphäre. Nur schwer war die Versammlung dazu zu bewegen, in dem inzwischen viel zu eng gewordenen Raum Platz zu nehmen. Dadurch war den Herren 'Nachtsheim und Pohle Gelegenheit ge- geben, einige geschäftliche Mitteilungen zu machen. U. a. gab Herr Nachts- K. BECKER, Niederschrift der 28. Hauptversammlung. 125 beim den Anwesenden die endgültige Vortragsfolge an den wissenschaftlichen Sitzungen bekannt und Herr Pöble verteilte die Teilnehmerkarten, zwei neu erschienene Hefte der Zeitschrift an die Mitglieder (Band 19, Heft 1/2, Band 20, Heft 1) u. a. D. Eröffnung der Tagung, Sonnabend, 31. 7. 1954. Anwesende: 40 Mitglieder, 28 Gäste. Vorsitz: Herr Nachtsheim. Als 1. Vorsitzender der Gesellschaft eröffnete Herr Nachtsheim 9.20 Uhr die 28. Hauptversammlung 1954 im Großen Hörsaal des Zool. Instituts der Uni- versität München. In seinen Begrüßungsworten dankte er dem Hausherrn, Prof. IC. V. Frisch, für die Gastfreundschaft, welche die Versammlung in seinem Institut genießt. Ebenso gedachte er in herzlichen Worten Prof. H. Krieg, der leider auch an der Teilnahme der Versammlung verhindert war. Anschließend überbrachte Herr v. Wettstein die Grüße des österreichischen Arbeitskreises für Wildtierforschung in Graz. Herr Haltenorth begrüßte die Versammlung als Vertreter des Ortsausschusses der Gesellschaft in München und wünschte der Tagung einen harmonischen Verlauf. Zur Tagung der 28. Hauptversammlung erhielt die Gesellschaft folgende Glückwunschadressen : a) Zur 28. Hauptversammlung in München sende ich der Deutschen Ge- sellschaft für Säugetierkunde die herzlichsten Grüße! Eberhard Jany, Mam- malogist of the Museum Zoologicum Bogoriense. — b) Ich wünsche der Ta- gung einen erfolgreichen Verlauf in der Hoffnung, mich an der nächsten Hauptversammlung beteiligen zu können. Mit dem Ausdruck meiner vorzüg- lichsten Hochachtung verbleibe ich Ilir sehr ergebener Dr. Dr. A. Kiessel- bach, Regensburg. — c) Wegen Erkrankung verhindert wünscht der Tagung guten Erfolg. Grzimek, Frankfurt. (Telegramm). — d) Ich wünsche Ihrer Tagung einen guten Verlauf. Prof. Dr. H. Liebmann, München 22, Bayerische Biologische Versuchsanstalt. — e) Ich wünsche Ihnen besten Verlauf der Tagung und grüße herzHeh Ihr ergebenster P. Kassner. Als Vertreter ausländischer Gesellschaften meldeten sich der österrei- chische Arbeitskreis für Wildtierforschung, Graz, und der Verein für Säuge- tierkunde und Säugetierschutz in den Niederlanden mit folgenden Schrei- ben an: a) An die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde, Berlin. Wegen Un- abkömmlichkeit des Vorstandes der Geschäftsführung, Dr. Rudolf Amon, Graz, wird aller Voraussicht nach den österr. Arbeitskreis für Wildtierfor- schung, Sitz Graz, Herr Pd. Dr. Otto Wettstein-Westersheim, Wien III, Löwengasse 25, bei der 28. Hauptversammlung in München vertreten. Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung Dr. Amon, Vorstand der Geschäfts- führung, österreichischer Arbeitskreis für Wildtierforschung, Sitz Graz. Ge- schäftsführung: Graz, Ballhausgasse 3/2. b) Ich nehme an der Tagung in München vom 30. Juli 1954 bis 2. August 1954 teil. Dr. A. G. V. van Bemmel, Vertreter des Vereins für Säugetier- kunde und Säugetierschutz in den Niederlanden. Vor Eröffnung der ersten wissenschaftlichen Sitzung machte Herr Pohle noch einige geschäftliche Mitteilungen. 126 Zeitschrift für SäugetLerkunde, Bd. 20, 1952 (1955). E. 1. wissenschaftliche Sitzung. Sonnabend, 31. Juli 1954, 9 Uhr 33 bis 13 Uhr 22. Vorsitz: H. Nachts- heim. Anwesende: 38 Mitglieder, 35 Gäste. Herr Nachtsheim eröffnet die erste wissenschaftliche Sitzung und erteilt Herrn F. Frank (Oldenburg) das Wort zu seinem Referat über „Ergeb- nisse und Probleme neuer populationsdynamischer Un- tersuchungen an deutschen Kleinsäugern (Microtinae/% das er wie folgt referierte: Zyklische Massenvermehrungen von Nagetieren sind als weitverbreitetes Phänomen Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in vielen Ländern der Erde gewesen. Da sich diese Arbeiten aber meist auf eine rein statistische Erfassung und Deutung der Phänologie beschränkten und sich kaum mit der Beobachtung und Aufklärung der den Zyklen zugrundeliegenden populations- dynamischen Vorgänge befaßten, blieben die Lösungsversuche durchweg im Stadium der Spekulation stecken. Erst seit den Jahren 1949/50 wird auch in Deutschland an diesem Problem gearbeitet. Nach den vor allem an Micro- tinen und unter diesen in erster Linie an der Feldmaus (M. arvalis) durch- geführten Untersuchungen von Frank und Stein sowie Becker und Maercks ergibt sich nunmehr folgende Auffassung: Die durch zyklischen Massenwechsel ausgezeichneten Arten verfügen über ein hohes „Fortpflan- zungspotential", das aus starken Würfen, schneller Wurffolge, früher Ge- schlechtsreife und einer relativ ausgedehnten Fortpflanzungsperiode resul- tiert. Dieses Potential kann in optimalen Lebensräumen (Plagegebieten) tat- sächlich realisiert werden. Als beeinflussende ökologische Faktoren sind vor allem Nahrung, Deckung, Grundwasserstand, Sonnenlicht, überwinterungs- möglichkeiten und Landschaftsstruktur anzusehen, die unter dem Sammel- begriff „Raumpotential" zusammengefaßt werden. Das Ausmaß der durch Zusammenspiel von Fortpflanzungs- und Raumpotential ausgelösten Massen- vermehrung hängt entscheidend vom „Verdichtungspotential" der betreffen- den Art ab, das durch eine Reihe von sozialen Verhaltensmechanismen geför- dert wird (Revierverkleinerungsvermögen, GroßfamiUen und Rudel, Winter- gemeinschaften, Nestgemeinschaften der Weibchen, Männchenelimination). — Die Dichteregulation erfolgt normalerweise durch Abwanderung und Sterb- lichkeit (vor allem Wintersterblichkeit). Feinde spielen in den eigentlichen Plagegebieten keine wesentliche Rolle. Haben Fortpflanzungs-, Raum- und Verdichtungspotential extreme Populationsverdichtung hervorgerufen, werden weitere Regulationsmechanismen wirksam, zuerst die Einschränkung der Fort- pflanzung und verstärkte Abwanderung und schließlich der Populationszu- sammenbruch, der durch psychische und physische Belastungen vorbereitet und durch ungünstige Witterungsperioden synchron ausgelöst wird. Es existiert eine „autonome", im Zeitmaß festliegende Periodizitätsrhythmik, die durch das Fortpflanzungs- und Verdichtungspotential der betreffenden Art und das Raumpotential ihrer Umwelt bestimmt wird, aber nur in ausgeglichenen Kli- mabereichen ungestört in Erscheinung treten kann. Extreme Abweichungen im Wettergeschehen können die Periodizität von Fall zu Fall ändern und die Periodizität voneinander isolierter Populationen synchronisieren. — Die Nage- tier-Zyklen lassen sich also ohne Zuhilfenahme kosmischer oder anderer hypothetischer Außeneinflüsse durch Zusammenwirken von innerartiichen biologischen Mechanismen mit der Umwelt erklären. Ihr äußerst komplexes K. BECKER, Niederschrift der 28. Hauptversammlung. 127 Gefüge ist allerdings nur durch gründliche und schrittweise Analyse der zahl- reichen eng miteinander verflochtenen und aufeinander einwirkenden Kausal- faktoren freizulegen. (Der Wortlaut des Referates erscheint unter dem Titel „Frank, F., Die Kausalität der Nagetier-Zyklen im Lichte neuer popula- tionsdynamischer Untersuchungen an deutschen Microtinen" in der Zeit- schrift für Morphologie und Ökologie der Tiere 43, 1954, p. 321—356.) An der Diskussion beteiligten sich: Stein: 1. Der Terminus „Rudel" sollte beschränkt werden auf die Gemeinschaften von Huftieren und be- stimmten Garnivoren. Er schließt unausgesprochen den Begriff des Leit- oder Führertieres ein. Die sozialen Verbände kleiner Nager lassen es nicht zu, von einem Leit- bzw. führendem Einzeltiere zu sprechen. 2. Auch bei Feldunter- suchungen findet es sich, daß senile Weibchen nur noch Würfe geringen Umf an- ges produzieren. Aber von draußen bedarf es eines wesentlich noch umfang- reicheren Materials, da im Freileben die Weibchen in überwiegender Zahl vor Erreichen des Höchstalters wegsterben. Mir liegen bisher nur zwei senile Weibchen vor, die eine Wurf große von zwei und drei haben. — Frank.— Teile: Auf die von Stein angeschnittene Frage, ob der Terminus Rudel für Feldmäuse und allgemein auch für Kleinsäuger anzuwenden ist, wird auf Wanderratten hingewiesen, die wohl sicher einen starken Bock als Rudel- führer besitzen. — v. Vietinghoff : Hinweis auf die Bedeutung der Aus- führungen für die große Politik (Menschliche Populationsschwankungen, Reizbarkeit, Kriege bei Populationsdruck). — v. Wettstein weist darauf hin, daß im pontischen, ebenen Gebiet von Nordösterreich früher von Zeit zu Zeit katastrophale Feldmausvermehrungen aufgetreten sind, die in den gün- stigen Jahren 1947 und 1951 nicht auftraten und glaubt, daß die immer wei- tergehende und allgemeine Verwendung von Kunstdünger daran »chuld ist. — Zimmermann: Feldmaus = Steppentier? Nein, aber Vorkommen auch auf Hochmoor ist nicht entscheidend (siehe Formica uralensis). Vergleich Hamster — Feldmaus. Hamster keine zyklischen Schwankungen, obgleich hohes Vermehrungspotential, aber kein Verdichtungspotential! — Müller- U s i n g : Die künstliche Begründung von Hecken, die der Vortragende als landschaftssanierende Maßnahme auch im Hinblick auf Feldmausplagen er- wähnte, wird von den Jägern gemeinhin als ein Faktor betrachtet, der der Populationserhöhung des Feldhasen u. a. Niederwildarten förderlich ist. M. E. ist gerade das Gegenteil der Fall, worin mich der wohl erlaubte Rückschluß auf die Verhältnisse bei den Arvicoliden bestärkt. — Auf großer Fläche glei- chen sich beim Hasen Populationsschwankungen in etwa aus. — Die Wild- katze dürfte ein Beispiel für eine Tierart mit außerordentlich geringem Ver- dichtungspotential sein, wie ihre Ausbreitung nach dem Populationszuwachs im Harz zeigt: im Norden bis nach Dannenberg (Unterelbe), im Süden bis nach Leipzig. — Frank. 10 Uhr 55 bi,s 11 Uhr 20: Vortrag D. Ghitty (Oxford): Reccnt work on fluctuations in numbers of mammals and birds. In deutscher Sprache gehalten; s. p. 55 dieses Bandes. Diskussion :Frank. — Zimmermann: Gibt es bei den täglichen Be- suchen immer wieder Kämpf e, auch unter sich bekannten Tieren? — C h i 1 1 y: Ja. — Mendheim: Das Absinken der optimalen Lebensbedingungen nach überschreiten einer bestimmten Populationsdichte kann beim Reh- und auch beim Rotwild erklärt werden durch vermehrte Übertragungsmöglichkeit von Parasiten und Seuchenerregern. — Müller-Using. 128 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 11 Uhr 27 bis 11 Uhr 49: Vortrag G. H. W. Stein (Berlin): Popula- tionsanalysen am Maulwurf. Maulwürfe sind nicht Einzelgänger, sie leben vielmehr in Gemeinschaf- ten. In Trockenbiotopen finden sich kleinwüchsige, in feuchten Lebens- räumen großwüchsige Sippen. Die Unterschiede in den Schädellängen beider sind statistisch real und beruhen auf genetischen Grundlagen. Großwüchsige Populationen zeigen — ein paradoxer Befund — hohe, kleinwüchsige geringe Siedlungsdichte. Schließt man von der Molarenabtragung auf das Lebensalter der Tiere, so ergibt sich, daß in zwergwüchsigen Populationen der Anteil ältester Tiere höher liegt als in großwüchsigen. Es ist dies ein Ausdruck intraspezifischer Konkurrenz, die sich, da große Sippen ja dichter siedeln, bei ihnen schärfer auswirkt. — Ohne Diskussion. — Lüftungspause. 11 Uhr 57 bis 12 Uhr 08: Vortrag K. Zimmermann (Berlin)} Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmäusen. Die von C h i 1 1 y für die Erdmaus, Microtus agrestis, untersuchte Frage nach den Beziehungen zwischen Körpergröße und Bestandsdichte wurde für Feldmäuse, Microtus arvalis, behandelt. Aus Gewöllen bei Potsdam-Rehbrücke überwinternder Waldohreulen wurden in den fünf Jahren 1949 — 1954 etwa 8000 Feldmaus -Schädel entnommen, als Index der Körpergröße die Man- dibel-Länge gemessen. 1949 und 1953 erfolgten im Gebiet Zusammenbrüche von Massen-Entwicklungen, im untersuchten Material sank in den beiden Wintern nach einem Zusammenbruch der Feldmaus -Anteil an der gesamten Eulenbeute von 80 — 90 o/o auf 60 %, der Spitzmaus -Anteil stieg von 0 — 1 % auf 10 — 13 %. In beiden Wintern nach einem Zusammenbruch war bei ge- ringer Siedlungsdichte die Feldmaus-Population an Körpergröße im Mittel kleiner als in den übrigen Wintern (mittlere Mandibel-Länge 13,6 und 13,9 mm gegenüber 14,3, 14,5 und 14,6 mm). Die Geschwindigkeit des An- wachsens der mittleren Körpergröße war in beiden Wintern nach Zusam- menbruch verschieden. Im Winter 1950/51 erfolgte schnelles Wachstum, im Winter 1953/54 nicht. Während sonst von November bis März die mittlere Körpergröße steigt, sank sie im entsprechenden Zeitraum 1953/54. Außen- faktoren sind wahrscheinlich für solche Wachstums-Differenzen verant- wortlich. Diskussion : Stein: Nach dem Zusammenbruche 1952/53 waren die Mittelwerte der Wurfgröße (Embryonenzahlen) statistisch niedriger als im Frühjahr 1952 und 1954. Es könnte vermutet werden, daß die Feldmaus- weibchen durch den Zusammenbruch auch physiologisch geschädigt sind, was sich in Erniedrigung der Wurfgröße andeutet. — Frank. — v. Vieting- h o f f : Zu dem Diskussionsbeitrag von Herrn Stein, daß Feldmäuse nach einem Jahr des Zusammenbruches zahlenmäßig sehr schwache Würfe hervor- brachten, wird vor Verallgemeinerung gewarnt, da bei Siebenschläfern gerade nach einem Populationssturz im folgenden Jahr erheblich stärkere Wurf- zahlen beobachtet wurden. 12 Uhr 13 bis 12 Uhr 34: Vortrag A. v. Wijngaarden (Wagenin- gen) : Population sdynamik der Feldmaus ( Microtus arvalis Pal- las) in der Betuwe. (Siehe p. 61 dieses Bandes.) Diskussion : Zimmermann: Feldmaus in Korbweiden-Pflanzungen ? W. : Ja. — Zi. : Für Deutschland nichts ähnliches bekannt. — Hagen. — Stein: Gefragt wird nach Größe der Korbweidenbestände; es wird vermutet, daß es K. BECKER, Niederschrift der 28. Hauptversammlung, 129 sich um nicht ständige Bewohner handeln könnte. Bei der von v. Wijngaarden angegebenen Größe der Bestände sollten es jedoch stationäre Feldmaus- bestände sein, und es liegen dann Verhältnisse vor, wie sie in Deutschland unbekannt sind. — Frank. — v. Lehmann: Stationäre Feldmausbestände in Korbweidenanpflanzungen sind überall dort durchaus möglich, wo die Weiden oft genutzt werden und daher ein üppiges Gras wuchert bzw. keine Beschattung vorliegt. Außerdem dann, wenn die Streifen relativ schmal sind. — Gaffrey: Zu der ungewöhnlichen und dichten Besiedlung von Korb- weidenanpflanzungen des holländischen Niederungsgebietes (in denen man eher Erdmäuse erwartet hätte) durch Feldmäuse wird auf die große Plastizi- tät mancher Nager in bezug auf die Gewinnung neuer Lebensräume bzw. An- passung an neue Umweltbedingungen hingewiesen. Als Beispiel wird die Haus- ratte erwähnt, die im Gebiet von Dresden nach der Zerstörung der Altstadt die Trümmerfelder, unterirdische Kühlräume, Kellergänge und dgl. bewohnt, nach dem zweiten Weltkriege an Zahl sehr stark zugenommen hat, die Wanderratte stellenweise übertrifft und elbaufwärts bis in die GSR vor- gedrungen ist. 12 Uhr 43 bis 13 Uhr 20: Vortrag mit Film: L E i b 1 - E i b e s f e 1 d (Buldern) :Biologiedes Hamsters. Der aus einer Zusammenarbeit des Verfassers mit Heinz Sielmann in Buldern entstandene zweiteilige Film behandelt das Verhalten des Hamsters im jahreszeitlichen Ablauf. Wir beobachten im ersten Teil das vollständige Paarungsvorspiel. Das Männchen dringt in das Territorium des Weibchens ein, nimmt es durch Duftmarkieren in seinen Besitz und nähert sich, be- stimmte Treiblaute äußernd, dem Weibchen, das zunächst abweisend ist. Erst durch längeres Werben wird dessen Kontaktscheu überwunden. Nachdem das Weibchen durch Belecken zur Paarungsbereitschaft stimuliert wurde, vollzieht sich im unterirdischen Bau die Paarung, Das Verhalten der blinden und sehenden Jungen, Brutpflege (Zubereitung von feinem Nestmaterial, Jungentransport, Zutragen von Beikost, Zudecken der Jungen, Führen u.a.m.), Auseinandersetzungen mit Artgenossen und artfremden Feinden und das Eintragen von Nahrungsvorräten wird in beiden Filmen genau dargestellt. Das unterirdische Leben des Hamsters wurde in einem Kunstbau, der Wohn- kammer, Vorratskammer und Gänge im Schnitt zeigte, aufgenommen. Eine ausführliche Darstellung der Ethologie des Hamsters erschien 1953 in der Zeitschrift für Tierpsychologie 10, p. 504 — 554. Auf sie sei zur weiteren Orientierung über den Film verwiesen. Diskussion : Zimmermann: Versteht Hamster Zieselruf ? — E. : Weiß nicht. — Frank. — Kleinschmidt: 1, Sind die strahlenförmig von Brut- kesseln ausgehenden Röhren der jungen heranwachsenden Hamster als Flucht- röhren vor dem langsam wiederauftretenden Solitär- Verhalten der Mutter zu deuten? — 2. Planmäßige Beobachtungen an ohne gegenseitige Sichtmöglich- keit getrennt gehaltenen Goldhamster-Männchen und -Weibchen zeigten, daß diese sich während der Zeit der Copulations- (Aufnahme-) Bereitschaft des Weibchens mit einem merkwürdigen leisen Ruflaut unaufhörlich gegenseitig lockten. Treiben und Besprung erfolgt wie beim Feldhamster, nur bleibt im Gegensatz zu den gezeigten Bildern vom Feldhamster, das Goldhamster- weibchen hierbei während einer ganzen Serie von Besprüngen unbeweglich mit aufgestelltem Schwanz und leicht angehobenem Hinterteil an ein und demselben Ort sitzen. 130 Zeitschrift für Säugeti«rkuiMk, Bd. 20, 1952 (1955). 13 Uhr 22 Photographische Aufnahme der Versammlungsteilnehmer vor dem Portal des Zoologischen Instituts. 13 Uhr 35 bis 15 Uhr 05 Mittagspause. F. 2. wissenschaftliche Sitzung. Sonnabend, 31. Juli 1954, 15 Uhr 05 bis 16 Uhr 45. Vorsitz: W.Herold. Anwesende: 31 Mitglieder, 28 Gäste. 15 Uhr 05 bis 15 Uhr 20: Film mit Vortrag H. J. Teile (Hannover): Auf klär ungsfilm über Biologie und Bekämpfung der Wander- ratte. Ohne Diskussion. 15 Uhr 22 bis 15 Uhr 48: Vortrag D. M. Steven (Edinburgh): A genetical analysis of theisland forms of Glethrionomys in Britain. In deutscher Sprache gehalten; s. p. 70 dieses Bandes. Diskussion: Zimmermann: Ob die Inselformen Reste älterer Siedlung oder neue Kombinationen aus C. g. britannicus sind, ist nicht zu entscheiden durch genetische Analyse. — Siehe orcadensis-arvalis-Beis]^ieh — Frank. — Steven. 15 Uhr 57 bis 16 Uhr 13: Vortrag K. Becker (Berlin): über Art- und Geschlechtsmerkmale am Becken einheimischer Spitzmäuse ( Soricidae ). An projizierten Bildern wurde gezeigt, daß die Beckenknochen von Sorex, Neomys und Crocidura gattungsspezifisch ausgebildet sind. Innerhalb der Gattungen lassen sich die Becken der einzelnen Arten nur der Größe nach unterscheiden, sofern deutliche Größendifferenzen bei ihnen anzutreffen sind, wie z. B. bei Sorex araneus und S. minutus. — Mit dem Einsetzen der Ge- schlechtsreife werden am Becken männlicher Spitzmäuse sekundäre Ge- schlechtsmerkmale angelegt. Die Becken jugendlicher Spitzmäuse und die der Weibchen sind formgleich. — Durch Analyse von Eulengewölle verschie- dener Herkunft wurde aufgezeigt, daß in gewissen Populationen von S. araneus das Geschlechtsverhältnis zugunsten der Weibchen verschoben sein kann. Es ist wahrscheinlich, daß die Männchen während einer Übervermeh- rung durch innerartliche Revierkämpfe eliminiert werden, wie dies von Mi- crotus arvalis bei hoher Bevölkerungsdichte bekannt ist. Diskussion : Herold : Anfrage, ob Herr Becker auch in Gewöllen die Zusammengehörigkeit von Gebiß und Becken zu finden gesucht hat. — B.: Das ist nicht immer möglich. — Stein: Dichteschwankungen bei Sorex araneus sind augenscheinlich nicht vorhanden. Sicher scheint mir auch zu sein, daß der Rhythmus der Bestandsdichteabweichungen nichts mit denen der Feldmaus zu tun hat. — Frank. — Becker. — Frank. 16 Uhr 20 bis 16 Uhr 42: Vortrag H. Dathe (Leipzig): Bau und Funktion des K o p u 1 a t i o n s o r g a n s männlicher hystrico- morpher Nagetiere. Es wurden Untersuchungen zur Morphologie und Anatomie der Penes von Dasyprocta, Hydrochoerus, Hystrix, Caviella, Octadon, Capromys, Pla- giodontia, Myocastor und Proechimys vorgetragen, wobei einige Bemerkun- gen zur Systematik und Funktion gemacht werden konnten. Das Material wird an anderer Stelle ausführlich dargestellt und veröffentlicht, so daß hier auf weitere Ausführungen verzichtet werden kann. — Keine Diskussion. K. BECKER, Nieichtesch wankungen bei der Erdmaus 55—60 Dathe. H. 130 Eibl-Eibesfeld 129, 143 Beobachtungen über territoriales Ver- halten und Brutpflege des Galapagos- Seelöwen 75 — 77 Eichler, W. Buchbesprechung 195 ELisentraut. M. Vorläufiger Bericht über saugetier- kundliche Untersuchungen am Kame- runberg 138 Frank. F. 143 Ergebnisse und Probleme neuer popu- lationsdynamischer Untersuchungen an deutschen Microtinen 126 — 127 Freve. H.-A. Prof. Dr. Lud%v-ig Freund 7 180—182 Fritsche. K. Wildkatze bed Bremerhaven 183 Gaffrey. G. Zur Biologie der Hausratte 183 Goethe, F. Buchbesprechung 192 — 193 Grzimek, B. Wissenschaftl. Arbeitsplätze mi Frank- furter Zoologischen Garten 184 Heinroth. K. Neue interessante Beobachtungen an Zoo- Saugetieren 152 Herold, W. Zahnverschmelzung bei einer Gelbhals- maus 184—186 Herter, K. 133, 150, 151 Die Überwinterung syrischer Gold- hamster in Norddeutschland 37 — 54 Hofer, H. 151 Johnke, I. Eingänge für die Bücherei 1939 bis 1954 154—177 Kleinschmidt. A. Die Anwendung der Speed-Ebhardt- schen Pferdetypen lehre auf die Beurtei- lung von neuen Funden aus dem Pa- laeolithikum von Salzgitter-Lebenstedt 141—142 Kühlhorn, F. Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 13—36 Tierische Lebensräume in Süd-Matto- grosso 138—140 Kühlhorn, J. Der Auerochs von 1595 186 Kühne. W. 151 Lange, R. In Gebäuden eines Erzgebirgsdorfes über-sv-internde Klednsäuger 187 — 189 Lauterbach, G. 153 Die Überwinterung syrischer Goldham- ster in Norddeutschland 37 — 54 Leyhausen. P. Die zoologische Film-Enzvklopädie 135—137 ^ Mehl, S. Das Gaumendach einheimischer Klein- säuger 131—132 MüUer-Using, D. 140 Nachtsheim, H. 152 Pohle. H. 150, 152 über den Status des Schomburgk- hirsches 145 Niederschrift der Exkursion nach Salz- burg 147—149 Mitgliederverzeichnis (Nachtraa;) 178—179 Buchbesprecfaimgen 193 — 195. 197 — 200 202 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Ryberg, O. 143 Schnurre, O. 152 Schwangart, F. Übersicht und Beschreibung der Haus- katzenrassen 1 — 12 Stein, G. Die Kleinsäuger ostdeuLscber Acker- flächen 89—113 Populationsanalysen am Maulwurf 128 Stengel 153 Steven, D. M. 130 Untersuchungen über die britischen Formen von Clethrionomys 70 — 74 Teile, H. 130 Zur Territorialität der Wanderratte 144—145 V. Vietinghoff-Riesch, A. SiebenschläfermarkLerung^n im Deister 134—135 V. Wijngaarden, A. 128 Vorläufige Ergebnisse der Populations- untersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 61—69 V. Wettstein, O. Was ist Capra dorcas Reiohenow 132 Zimmermann, K. 128, 152 Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmäusen 114—118 Zur Fauna Afghanistans 189 — 191 Buchbesprechungen 19 2«) Index der Säugetiernamen aegagrus, Capra 132 agrestis, Microtus 55—60, 91, 92, 97, 98, III, 114, 128, 131, 143 agrarius, Apodemus 91, 92, 94, 97, 101, 106, III, 131, 152 Ailuropoda 150 alexandrinus, Rattus 190 Allactaga 133 Alouatta 139 — caraya 13 — 36 alstoni, Clethrionomys 70 — 74 Alticola 189 — roylei montosa 191 americanus, Lepus 55 apella, Cebus 13 — 36 Apodemus agrarius 91, 92, 94, 97, 101, 106, III, 131, 151 — flavicollis 91, 92, III, 131, 143, 184, 185, 190 — sylvaticus 83, 91, 92, 98, 99, 101, 103, 104, 106, III, 113, 131, 143, 185, 187—190 araneus, Sorex 78—80, 82, 83, 88, 91, 92, 96, 97, 99, 101, III, 113, 130, 187—189 Arctocephalus galapagoensis 75 arctos, Ursus 134 arianus, Apodemus sylvaticus 190 arvalis, Microtus 61—69, 79, 89, 91, 92, 97, 101, 104, 109—111, 114—118, 126, 128, 130, 131, 143, 187 Arvicola 131, 187 auratus, Mesocricetus 37 — 54, 129, 133, 134 auritus, Hemiechinus 189 auropunctatus, Herpestes 190 azarae, Dasyprocta 17 bactrianus, Mus musculus 190 hailwardi, Calomyscus 191 bancanus, Tarsius 195 Bison bonasus 186 Blastoceros campestris 140 böhmi, Equus 152 Bonobo 149 Bos primigenius 186 — taurus 184, 186 britannicus, Clethrionomys 70 — 74, 130 byronia, Otaria 75 caballus, Equus 141, 150, 184 caeca, Talpa 107 californianus, Zalophus 143 Calomyscus bailwardi mustersi 191 campestris (Blastoceros) 140 Canis 143 — familiaris 184 — lupus 136 capaccinii, Myotis 199 Capra 132, 147 — aegagrus 132 — dorcas 132, 133 — hircus 132 — ibex 148 — jourensis 132 — prisca 132 capucinus, Cebus 14, 17 caraya, Alouatta 13 — 36 carbonarius, Tarsius 195 catus. Felis 1—12, 187 Cavia 139 Caviella 130 Cebus 139 — apella 13—36 — capucinus 14, 17 Anhang 203 Cervus duvauceli 145 — schomburgki 145 Chionomys 131 Chrysocyon 140 Citellus 131, 133 — elegans 196 — richardsoni 196 Clethrionomys 70—74, 130, 131 — glareolus 101 — aZsfoni 70—74 — britannicus 70—74, 130 — erica 70—74 — nagerz 71, 72 — norvegicus 71, 73, 74 — rufocanus 72 — rutilus 72 — skomerensis 70 — 74 Cricetulus 133 Cricetus cricetus 37, 38, 49, 53, 127, 129, 131, 133 Crocidura 80, 130 — leucodon 85—87, 99, 187—189 — mjmi/?a 86, 187—189 — russuZfl 27, 85—87 Ctenomys 140 Cynomys 133 Dasypus sexcinctus 139, 140 Dasyprocta 130, 139 — azarae 17 dentatus, Tarsius 195 dichrurus, Apodemus sylvaticus 190 133 domesticus, Felis 1 — , Mm5 musculus 99 dorcas, Capra 132, 133 dugong, Halicore 180 duvaucelif Rucervus 145 Dyromys 131 Elephas 151 — indicus 184 Eliomys quercinus 131, 189 episcopalis, Talpa 107 Equus böhmi 152 — caballus 141, 150, 184 — germanicus 141, 142 — hartmannae 152 — przewalskii 143 — taubachensis 141, 142 elegans, Citellus 196 erica, Clethrionomys 70 — 74 Erinaceus europaeus 51, 131, 133, 151 erminea, Mustela 192 erytrourus, Meriones libycus 191 europaea, Talpa 91, 92, 105, 107, 108, III, 112 europaeus, Erinaceus 51, 131, 133, 151 Eutamias 133 familiaris, Canis 184 flavicollis, Apodemus 91, 92, III, 131, 143, 184, 185, 190 Feifs cafMs 1—12, 137 — domesticus 1 — ocreata 1 — Serval 137 — silvestris 1, 183 fodiens, Neomys 84, 87, 100, 112, 187 fraterculus, Tarsius 195 galapagoensis, Arctocephalus 75 germanicus, Equus 141, 142 glareolus, Clethrionomys 70 — 74, 101, 130, 131 GZ/5 131—135 gracilis, Talpa 107 Halicore dugong 180 hartmannae, Equus 152 Hemiechinus 151, 189 — auritus 189 — megalotis 189 Herpestes auropunctatus pallipes 190 Hesperomys 139 hircus, Capra 132 huttoni, Nesokia indica 191 Hydrochoerus 130, 139 Hystrix 130 /6ea;, Capra 148 indica, Nesokia 191 indicus, Elephas 184 jourensis, Capra 132 leporinus, Noctilio 139 Lepus americanus 55 — timidus varronis 198 leschenaulti , Rousettus 200 leucodon, Crocidura 85—87, 99, 187—189 libycus, Meriones 191 lupus, Canis 136 Lufra 139 Macrotarsius 195 magna, M^a 107, 108, 112 Manis tricuspis 138 maritimus, Ursus 133 Marmota marmota 133, 140, 141, 198 Hartes martes 134 Mazama 139 megalotis, Hemiechinus 189 MeZes 133 Meriones libycus erytrourus 191 Mesocricetus auratus 37 — 54, 129, 133, 134 Micromys minutus 91, 92, III, 131 Microtus 126 — agresiis 55—60, 91, 92, 97, 98, III, 114, 128, 131, 143 — arvaZis 61—69, 79, 89, 91, 92, 97, 101, 104, 109—111, 114—118, 126, 128, 130, 131, 143, 187 204 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955) MicTotus oeconomus 91, 92, 98, 100, III — orcadensis 130 milleri, Neomys 84, 187 mimula, Crocidura 86, 187—189 Miniopterus schreibersii 200 minutus, Micromys 91, 92, III, 131 — , Sorex 81, 87, 100, 101, 112, 130 montosa, Alticola roylei 191 Mus musculus bactrianus 190 musculus 91, 92, 99, III, 131, 183, 187—189 — — domesticus 99 Muscardinus 131 Mustela erminea 192 — nivalis 192, 193 mustersi, Calomyscus bailwardi 191 Myocastor 130, 151, 187 Myotis capaccinii 199 — myotis 199 nageri, Clethrionomys 71, 72 Nasalis 150 Nasua 140 natunensis, Tarsius 195 Neomys 80, 130 — fodiens 84, 87, 100, 112, 187 — milleri 84, 187 Nesokia indica huttoni 191 nivalis, Mustela 192, 193 Noctilio leporinus 139 noTVegicus, Clethrionomys 71, 73, 74 — , i?a«M« 130, 131, 144, 151, 152, 183, 187 Ochotona 134 — Tufescens 190 ocreata. Felis 1 Octadon 130 oeconomus, Microtus 91, 92, 100, III onca, Panthera 137 Ondatra 131 orcadensis, Microtus 130 Oryctolagus 132 Otaria byronia 75 Ov?« 184 pallipes, Herpestes auropunctatus 190 Panthera onca 137 Paromomys 195 pelengensis, Tarsius 195 Peromyscus 70 F/zoca vitulina 152, 196 Pitymys subterraneus 95, 131 Plagiodontia 130 praeglacialis, Talpa 107 primigenius, Bos 186 prisca, Capra 132 Procyon 133, 151 Proechimys 130 przewalskiis Equus 142 pumilus, Tarsius 195 Putorius putorius 150, 151, 192 pygmaea, Talpa 107, 112 quercinus, Eliomys 131, 189 Rattus alexandrinus 190 — norvegicM« 130, 131, 144, 151, 152, 183, 187 — ra«iM 131, 183, 190 Rhinolophus rouxii 200 richardsoni, Citellus 196 roj'Zj, Alticola 191 Rousettus leschenaulti seminudus 200 rouxii, Rhinolophus 200 Rucervus duvauceli 145 — schomburgki 145 rufescens, Ochotona 190 rufocanus, Clethrionomys 72 Rupicapra 133, 148, 149, 198 russula, Crocidura 27, 85 — 87 rutilus, Clethrionomys 72 sangirensis, Tarsius 195 schreibersii, Miniopterus 200 Sciuropterus 133 Sciurus 131 Scotophilus temmincki 200 seminudus, Rousettus 200 Serval, Felis 137 sexcinctus, Dasypus 139, 140 Sicista 133 silvestris, Felis 1, 183 skomerensis, Clethrionomys 70 — 74 Sorex 78—88, 115, 130 — araneus 78—80, 82, 83, 88, 91, 92, 96, 97, 99. 101, III, 113, 130, 187— 189 — minutus 81, 87, 100, 101, 112, 130 — tetragonurus 113 Spectrum, Tarsius 195 subterraneus, Pitymys 113 Sylvaemus s. Apodemus sylvaticus, Apodemus 83, 91, 92, 98, 99, 101, 103, 104, 106, III, 113, 131, 143, 185, 187—190 syrichta, Tarsius 195 ToZ/)a 106, 107, 128, 131 — caeca 107 — episcopalis 107 — europaea 91, 92, 105, 107, 108, III, 112 — gracilis 107 — magna 107, 108, 112 — praeglazialis 107 — pygmaea 107, 112 Tamandua 140 Tamms 133 TflpzruÄ 139, 140 Anhang 205 Tarsius 194—196 ' — bancanus bancanus 195 — — borneanus 195 natunensis 195 saltator 195 — Spectrum dentatus 195 pelengensis 195 — — pumilus 195 — — sangirensis 195 Spectrum 195 — syrichta carbonarius 195 fraterculus 195 syrichta 195 taubachensis, Equus 141, 142 fauru5, ßo« 184, 186 temmeincki, Scotophilus 200 tetragonurus, Sorex 113 timidus, Lepus 198 Thaocervus 145 tricuspis, Monis 138 t/rÄM« arcfos 133, 134, 150 — maritimus 133 varronis, Lepus tlmidus 198 vitulina, Phoca 152, 196 wardi, Apodemus 190 wollebaeki, Zalophus 75 — 77 Zalophus californianus 143 — wollebaeki 75—77 3.) Index der Mitgliedernamen Siehe das Verzeichnis in Band 19, p. 33 — 37, und den Nachtrag in diesem Bande p. 178—179. Ackerknecht 154 Amon 125 Antonius 154 Arndt 154—167, 169—171, 173—176 V. Bachofen-Echt 154 Banzer 150—153 Bauer 123 de Beaux 154, 174 Becker 78—88, 119—147, 150—153 van Benimel 125 Beninde 155 Bluntschli 155 V. Boetticlier 123, 132, 155—156, 158 Brandes 156 V. d. Brink 157 Burckhardt 123 Coolidge jr. 157 Curio 150—153 Dathe 120, 121, 130, 133, 137, 146, 153, 158 Döderlein 158 Ebhardt 121, 141, 142 Ehik 158 Eibl-Eibesfeld 75—77, 119 —121, 129, 143 Eisentraut 39, 50, 54, 120, 121, 123, 133, 138, 158 Fechner 146 Fehringer 123, 200 Feiten 123, 133 Ferdinand, König von Bul- garien 133 Frank 58, 69, 78, 102, 103, 105, 113, 117, 11:, —121, 123, 126—130, 143, 146 Freudenberg 159 Freund 152, 180—182 Freye 123, 162, 180—182 Pritsche, Herbert 159 — , Karl 183 Gaffrey 123, 129, 151— 153, 159, 183 Geipel 150, 152, 153 Gerber 123, 159 Gerlach 123, 159 Gewalt 150, 153 Geyr v. Schweppenb. 78, 87 Goethe 159, 192, 193 Grimpe 159 Grote 159 Grzymek 121, 125, 184 Hagen 128, 165 Hall 160 Haltenorth 122—125, 138, 141, 143, 160 Haltrich 123 Haring 123 Heck, Heinz 120, 131 — Ludwig 131 — Lutz 186 Hediger 139 Heinroth, Katharina 150, 152, 153 — Oskar 160 Heptner 160 Herold 102,123,130, 150, 152, 153, 161, 184—186 Herre 123, 132, 142, 146 Herter 37—54, 120, 122, 123, 133, 146, 150—152, 161 Hilzheimer 133, 154, 161, 184 Hinton 71 Hoffmann 152 Hübner 162 Issel 123, 162 Jany 125 Johnke 150—152, 154—177 Kabmann 104, 113 Kassner 125, 153 Kleinschmidt, Adolf 120, 121, 129, 134, 141—143, 151, 162 — , H. 153 — , Otto 84, 88, 151, 152, 153 Klemm 123, 152, 153, 163 Koch, Tankred 150 — , Walter 123, 124 Krieg 13, 31, 32, 36, 125, 139, 163 Kühlhorn, Friedrich 13— 36, 120, 121, 138—140, 163 — , Johannes 163, 186 Kummerloewe 166 Lange 99, 187—189 Leche 81, 88, 164 V. Lehmann 123, 129 Ley hausen 120, 121, 123, 135—137 Löhrl 79, 88 Lönnberg 164 Lyon 164 206 Zeitschrift für Säugetierkunde. Bd. 20, 1952 (1955) Matschic 154, 164, 165 Mehl 120, 121, 131, 132, 165 Meise 150, 151, 153 Meixner 165 Mohr 20. 36, 39, 91, 113, 122, 123. 131, 143, 146. 165. 166, 183 Morrison-Scott 193 Mosler 166 Müller-Using 120, 121, 123. 127, 133, 140. 141, 145—147, 166, 196—198 Nachtsheim 122—126, 132, 143, 146, 148, 150— 153, 186 Neseni 153 Neumann 167 Nowack 150—152 Ognew 152 Ohnesorge 150. 151, 153, 167 Petzsch, Hans 38—40,47, 48, 50, 53, 54, 123, 124, 167, 168 — Hertha 123 Piechocki 123 Piepenborn 152 Pohle, Charlotte 123, 150—152 — , Hermann 120—125, 131, 133. 137, 138, 145 — 154, 169, 171, 177, 179, 193—200 Polzin 150—153 Prell 169 Priemel 123, 141, 169 Priesner 157, 162, 174 Raethel 151, 153 Reichstein 94 R einberger 169 Reinig 123 Reinwaldt 169, 170 Rhumbler 169 Richter 170, 187, 188 Rieck 197 Riemer. Charlotte 150 Röder 170 V. Roy 123. 152, 153 Rudioff 152, 153 Ryberg 123, 133, 143 Scheunert 171 Schlott 171 Schmid 171 Schmidt-Hoensdorf 171 Schneider 172, 173 Schnurre 87, 114, 120, 122, 150, 152 Schoenichen 173 Schöps 173 Schröder, Werner 152. 173 Schwangart 1 — 12, 124, 174 Spiegel 152 Stahl 150, 153 Staminer 120, 122, 142, 146 Stein 58. 60, 67, 78, 81, 87. 89—113, 119—121, 123. 124, 127, 128, 150, 152. 153, 170 Steinbacher 123. 138, 149 Steinfatt 170 Steiniger 183 Steinmetz 153 Stichel 170 Strauch 170 Streck 152 Ströse 171 Stromer von Reichen- bach 171 Teile 93. 121—123, 127, 130, 144. 145, 150. 151 Tembrock 123, 150, 153 Tenius 123 Tratz 120, 122, 123, 148, 174 Uttendörfer 78, 88. 152. 170, 174 Vinogradow 174 V. Wettstein 107. 113, 120, 121, 123, 125, 127, 132, 137, 141, 146, 147, 149 Westenhöfer 175 Wiesel 175 Wolf, Heinrich 123, 175 Zahn 175 V. Zedtmtz 176 Zieske 123, 152 Zimmermann, Klaus, 87, 93. 99, 102, 104, 105. 113—119, 122—124. 127 — 130. 132, 146, 150, 152, 153, 171, 176, 187, 189—191, 196, 197 Zukowsky 176, 177 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955) Tafel IV. Abb. 9 Abb. lU Zu K. Herter und G. Lauterbach, Die Überwinterung: syrisdier Goldhamster in Deutsdiland. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955) Tafel V. ' " I fl ttiiiiHiiilirili ililiiif Abb. 7 Zui A. van Wijiigaarclen, Populationsunterstichtingen an Feldmäusen der Betuwe. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955) Tafel VI. Abb. 8 Abb. 9 Zu A. van Wijngaartlen, PopulationsunLersLichungen an Feldmäusen der Betuwe. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955) Tafel VIL Abb. 3 Abb. 4 Zu I. Eibl-Eibesfeldt, Beobachtungen über Galapagos-Seelöwen. Zeitschrift für Säugeüerkunde, Bd. 19, 1951 (1954). 181 V. Anhang 1.) Berichtigungen und Zusätze Band 18 p. 174: Die 1. Textzeile muß heißen: Erstmalig für Sachsen nachgewiesen: Tharandt, 23. November 1952 p. 176: Die letzten sechs Zeilen des Textes sind zu streichen; sie stehen an richtiger Stelle auf p. 177 als erste sechs Zeilen. p. 179: Die Überschrift der Tabelle 8 muß lauten: Tabelle 8. Gewicht und Körpermaße mittelsächsischer leucodon. p. 181: Die neunte Zeile des Textes muß heißen: den konnte. Im Gegensatz dazu enthält die Sammlung des Zoologischen p. 188: In den 9. und 11. Zeilen ist zu ändern: mesopotamia in mesopotamica. p. 189: Die 13. Zeile muß verbessert werden in: reichliche Behaarung, grauweiße Farbe an Wangen, Kinn und Kehle und p. 189: An die letzte Zeile ist anzuhängen: , indem er auf p. 46 das oben erwähnte Bild als Equus böhmi bezeichnet und ihm auf p. 47 ein typisches Bild von Equus chapmani gegenüber- stellt. Allerdings verschweigt er bei böhmi den Fundort, nach dem das Tier ein chapmani sein müßte (vgl. dazu Kattinger, Z. f. S. 17, p. 115 — 122). Band 19 p. 17. Die 10. Zeile des Textes muß lauten: 5. Herr Pohle: über die Herpestiden-Gattungen Bdeogale und Galeriscus. p. 20: Die Überschriften müssen geändert werden in: 12. ) Niederschriften der wissensch. Sitzungen 1942 bis 1944 und 13. ) Niederschriften der wissensch. Sitzungen 1945 bis 1950. Es haben nämlich auch 1944 noch Halbjahressitzungen stattgefunden, me sich leider erst nach Fertigstellung des Heftes 1 — 2 herausstellte. Es sind daher an 12.) anzuhängen: E. 1. Halbjahrssitzung^ 1944 am Sonntag, 2. April 1944, 10.15 Uhr bis 11.45 Uhr im Hörsaal des Zoologischen Museums BerUn gemeinsam mit der Deutschen Ornithologi- schen Gesellschaft. Anwesend: die Mitglieder O. Heinroth, K. Kaestner, Lemm, Ohne- sorge, H. Pohle, W. Schulz und 17 Mitglieder der D.O.G. und Gäste. Tagesordnung: Vorlage von Literatur. F. 2. Halbjahrssitzung 1944 am Dienstag, 14. November 1944, nicht im Zoologischen Museum Berlin. Alle weiteren Unterlagen über diese Sitzung sind mit dem Zimmer des Geschäftsführers durch Bombeneinschlag vernichtet worden. 182 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 19, 1951 (1954). p. 39, 1. Absatz: Herr Prof. Nachtsheim bittet Um Aufnahme folgender Berichtigung: Herr Dr. v. Boetticher macht mich darauf aufmerksam, daß mir in meinem kurzen Nachruf auf Exkönig Ferdinand von BuU garien insofern ein Irrtum unterlaufen ist, als er Zar Fei^dinand nicht auf einer Reise nach Erythraea begleitet hat, sondern auf einer Reis© nach Kenialand, Uganda und Nord-Tanganyika (ehem. Deutsch-Ost- Afrika). Der Bericht v. Boetticher's über diese Reise findet sich im J. f. O. 1930. p. 40: Die Fortsetzung von Nr. 11 bilden die sechs Zeilen, die auf p. 42 an Nr. 27 angehängt worden sind. p. 59: Zwischen die vorletzte und die vorvorletzte Zeile ist einzuschalten: sehen Museum tätig war, und erwarb damit eine Helferin, ohne die das p. 69: In der 5. Zeile von unten ist zwischen „geben." und „Unter" einzu- schieben: Für letztere suchte er selbst auch noch einen Nachfolger; er fand ihn in dem heutigen Herausgeber dieser Sammlung. p. 159: Die sechstletzte Zeile (Überschrift) muß verbessert werden in: Erklärnng der Abb. auf Tafel VI. p. 164: Die 5. Zeile muß anfangen: durch die Brunst erfolgen kann. p. 168: Die 5. Zeile gehört zwischen die zweite und die dritte Zeile. Allen Mitgliedern der Gesellsschaft, die mich auf Druckfehler aufmerk- sam machten, sei auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Der Herausgeber. Seitenzahlen ohne Titelauj Amoroso 29 Bäte, Dorothea M.A. Nachruf 83 Becker 12, 14, 22 Bickerich 26 Büsing 7 Eigener, Wilhelm Bergtapire 178—180 Findeisen 17 Gandert 28 Grimm 24 2.) Autorenregister )e beziehen sich auf von dem Autor gehaltene Vorträge. Heinroth, Oskar 7, 181 Nachruf 57—65 Heinroth, Katharina 12, 24 Herold, W. 15, 22 Beobachtungen über den Witterungsein- fluß auf den Ma&senwechsel der Feld- maus 87—107 Herter 12, 14, 23 Hilzheimer, Max Nachruf 66—82 Hübner 7 Haltenorth, Th. Niederschrift der wisis. Sitzungen 1939 15—18 Haring 14 Ziele und Wege der Tierzucht 117—151 Heck, Ludwig Nachruf 48—56 Johnke, Inge Niederschrift der 25. Hauptversamm- lung 8—13 Niederschrift der 26. Hauptversamm- lung 13—15 Niederschrift der wiss. Sitzungen 1951 21—23 Niederschrift der wiss. Sitzungen 1952 23—25 Anhang 183 Niederschrift der wiss. Sitzungen 1953 25—28 Niederschrift sonstiger Veranstaltungen 28—29 Keil 7 Kemper 26 Kleinschmidt, A. 12 Krieg 16 Krumbiegel 19 Kühlhorn, Johannes Der Gang des Gibbons 180 Mangold 12 Mohr 21, 22 Müller-Using 16 Beiträge zur Oekologie der Marmutä m. marmota (L) 166 — 177 Nachtsheim, H. 11, 15, 19, 27, 29 Aufruf 1—4 Die Toten der Säugetiergesellschaft 38—44, 182 Neseni, R. 14 über den Einfluß von FoUikelhormon auf den Tierkörper 160 — 165 Ohnesorge, Kurt 17, 29 Ludwig Heck f 48 — 56 Ognew, Sergej I. Nachruf 83—85 Pasemann, Inge Niederschrift der 13. Hauptversamm- lung 5 Niederschrift der 14. Hauptversamm- lung 6 Niederschrift der 16. Hauptversamm- lung 7—8 Niederschrift der wiss. Sitzungen 1939 15—18 Niederschrift der wi^. Sitzungen 1940 18—19 Niederschrift der wiss. Sitzungen 1941 19—20 Peus 21, 22, 26 Pohle, Hermann 5, 7, 11, 16, 17, 18, 19, 20, 27. 28, 29 Aufruf 1—4 Niederschrift der wiss. Sitzungen 1942, 1943, 1944 20, 181 Mitgliederverzeichnis 33 — 37 Max Hilzheimer f 66—82 Prell, Heinrich 12, 15 Gehörnte Esel, gehörnte Schweine und gehörnte Hyänen im klassischen Altertum 108—116 V. Pusch 18 Raethel 25 Schmidt-Hoensdorf 14, 24, 25 Schneider, Karl Max 29 Oskar Heinroth f 57—65 Schreuder, Antje Nachruf 85 Schröder, Werner 29 Die Toten des ,, Triton" 45—47 Schröder, Wilhelm 16 Stein 12, 21, 23, 26 Tembrock, Günter 12, 14, 28 Rotfuchs und Wolf, ein Verhaltens- vergleich 152—159 Westenhöfer 19 Zahn 6, 18 Zarapkin 7 Zimmermann, Klaus 7, 12, 14, 20, 23, 27, 28 Bäte - Ognew - Schreuder f 83—85 3.) Index der Säugetiernamen aeliani, Phacochoeriis 112, 113, 115 agrarius, Apodemus 92, 95, 104 agrestis, Microtus 93, 104, 105 Ahes III Antilope cervicapra 109, 115 Apodemus agrarius 92, 95, 104 — flavicollis 95, 104 — sylvaticus 95, 104 aries, Ovis 117—151 arvalis, Microtus 22, 23, 86—107 Arvicola terrestris 92, 104 Ateles 18 Australopithecus 25 Babirusa babyrusa III — celebensis III bairdi, Tapirella 178, 179, 180 Bdeogale er. crassicauda 17, 18, 181 — omnivora 17 — puisa 17 — tenuis 17 böhmi, Equus 181 Bos primigenius 109 — taurus 28, 117—151, 163, 164 caballus, Equus 108, 117—151, 163 Caeciliolemur 24 Canis familiaris 175 — lupus 152—159, 175 Capra hircus 163, 164 Capreolus 174 Castor 174 catus, Felis 26 Cebus 18 184 Zeitschrift für Säugetierloinde, Bd. 19, 1951 (1954). celebensis, Babirusa III cervicapra, Antilope 109, 115 chapmani, Equus 181 Chionomys 167 Citellus citellus 22 Cervus 109 Clethrionomys glareolus 95 crassicauda, Bdeogale 17, 18 cristatus, Sus III domesticus, Sus 117 — 151 Elephas 109, 110 Equus böhmi 181 — caballus 108, 117—151. 163 — chapmani 181 erminea, Mustela 175 europaeus, Lepus 108 familiaris, Canis 175 FeZis cflfus 26 flavicollis, Sylvaemus 95, 104 Galeriscus n. nigripes 17, 18, 181 — jacksoni 17 glareolus, Clethrionomys 95 Halicore 17 hamadryas, Papio 24 hircus, Capra 163, 164 Homo primigenius 25 Hyelaphus porcinus 114, 115 Hyaena hyaena 110 Hylobates 180 jacksoni, Galeriscus 17 ind/cws, Tfl^irus 178, 179, 180 Lej^w« 172, 173, 174 — europaeus 108 — timidus III ZupüÄ, Cani« 152—159, 175 L^yna: iyna; 175 Marmota m. marmota 166 — 177 — monax 171 Maries martes 23 Megachiromyoides 24 meminna, Tragulus 114 » mesopotamica, Dama 181 Micromys minutus 92, 104 Microtus agrestis 93, 104, 105 — arvaZis 22, 23, 86—107 — socialis 95 minutus, Micromys 92, 104 Monodon 108 monax, Marmota 171 Muntiacus muntjac 114 A/w* musculus 104, 173 Mustela erminea 175 — nivalis 90 nigripes, Galeriscus 17, 18 nivalis, Mustela 90 norvegicus, Rattus 104, 173 omnivora, Bdeogale 17 OrjcfoZagu« 23, 27, 149, 163, 172 Orja: 20 Ovis aries 109, 117—151 Pan 19, 180 Phacochoerus aeliani 112, 113, 115 Panthera tigris III Pa^io hamadryas 24 Perameles 19 Pithecanthropus 25 Poephagus 109 porcinus, Hyelaphus 114, 115 primigenius, Bos 109 — Homo 25 puisa, Bdeogale 17 Putorius 172 Rattus norvegicus 104, 173 — ra«u« 22 Rhinoceros sondaicus 110 — unicornis 109, 110, 115 roulini, Tapirus 178—180 Rupicapra 167, 170 /?wsfl unicolor 115 Sciwrws 172, 173 Sinanthropus 25 socialis, Microtus 95 sondaicus, Rhinoceros 110 Sms cristatus III — domesticus 117 — 151 Sylvaemus flavicollis 95, 104 — sylvaticus 95, 104 TflZpa 21 Tapirella bairdi 178, 179, 180 Tfl^/rus indicuÄ 178, 179, 180 — rouZinj 178, 179, 180 — terrestris 178, 179, 180 fflurus, Bos 28, 117—151, 163, 164 Taurotragus 20 tenuis, Bdeogale 17 terrestris, Arvicola 92, 104 — Tfl^irus 178, 179, 180 tigris, Panthera III timidus, Lepus III Tragulus meminna 114 unicolor Rusa 115 unicornis, Rhinoceros 109, 110, 115 r«Zpes v«Z/>e« 28, 90, 152-159, 176 Anhang 185 4.) Index der Mitgliedernamen Siehe auch das Verzeichnis auf p. 33 — 37 Abel 39 Ahl 39, 47 Antonius 39 Arnold 11, 21, 22, 26, 27 Arndt 16, 20, 39, 65 Bachofen-Echt 40, 168, 176 Banz 5, 8, 9, 11, 13, 16, 19, 23, 24 Banzer 11, 13, 23—28 Baumann 166, 169, 172, 176 de Beaux 11 Bechthold 11 Beeker 8, 9, 11—13, 14 21—28 Beninde 5, 40 Berger 40 Berckhemer 11 Bickerich 25 Boback 11 Böker 5, 40 V. Boetticlier 11, 182 Bogen 7 Brandenburg 16 Brandes 7, 16, 18, 19, 40 Curio 8, 11, 13, 14, 21—29 Dathe 11 Döderlein 66 Duerst 40, 125 Dulier 40 Eckstein 5, 16 Eibl-Eibesfeldt 173, 174 Eigener 178—180 Eisentraut 16, 19 Ellis 40 Fechner 16, 17, 20 Feiten 13, 14 Ferdinand, König von Bul- garien, 8, 38, 182 Fick 5, 38 Frank 89 Freundenberg 41 Freund 13, 14, 15, 28 Friedrich 18 Pritsche, Herbert 16, 18 Frölich 130, 146 Gaffrey 13, 15, 23, 26, 27 Gandert 13, 14, 24, 25, 27, 28 Geipel 24—27 Gerriets 11, 13 Gewalt 11, 22—26 Grabert 22, 23, 28 Gude 41 Gummert 6, 16, 20 Haagen 13, 21—24, 28 Hagenbeck 180 Hahn 8, 15, 16, 18, 28 Haltenorth 7, 13, 15—18, 20 Haring 117—151 Hecht 9, 11, 21, 22 Heck, Ludwig 2, 9, 11, 16. 17, 19, 29, 41, 46, 48—56, 61, 73, 74, 166, 169, 176 — , Lutz 16, 19 Hediger 166, 176 Heinroth, Käthe 9, 11, 13, 14, 21—29, 60, 61 — , Oskar 5, 7, 8, 16—20, 29, 41, 45, 46, 52, 57—65, 181 Hellwig 41 Herold 9, 13, 14, 21—28, 86—107 Herter 7—9, 11—13, 19— 24 26 29 Hilzheimer 2, 29, 41, 52 66—82 Hofer 13, 28 Honstetter 16 Hübner 7, 41 Issel 11 Jacobi, Arnold 41 — , Fritz 5—7, 17—20 Jaeckel 9, 13 Jany 9, 11, 13, 21—25 Johnke 8—15, 21—28 Kaestner 16, 181 Kassner 12 Kattinger 181 Keil 7, 20 Kempcke 9, 22 Kemper 11, 21—23, 25, 26, 29 Kleinschmidt, Adolf 11, 12 — , Otto 9, 11, 52, 54 Klemm 13, 23—29 Koblitz 8, 16, 17, 20 Koch, Tankred 13, 15, 25 27 — , Walter 11, 163 Kollau 8, 16, 41 Krause 41 Krieg 16, 19, 20 Krug 41 Kühlhorn, Friedrich 11 — , Johannes 178—180 Kuhk 11 Kühnemann, Arnold 6, 41 Langbein 7 Lemm 42, 181 Lips 11, 13, 21, 23—29 Loewe 5, 42 Lyon 42 Mangold 7—9, 11, 12, 16, 23, 28 Mann-Fischer 15—17 Matschie, Franziska 42 — , Paul 6, 52, 73 Mehlhardt 8, 9, 13, 21 Meise 8, 9, 11, 21—23, 25—29 Moesges 16 Mohr, 9, 11, 21, 22, 28, 167, 169, 177 Mosler 5 Müller, R. J, 48 MüUer-Using 9, 16, 166—177 Naehtsheim, 1—4, 5, 7—21. 23— 29, 38-44, 45, 125, 182 Neseni 14, 15, 160—165 Neumann, Oscar 16, 42 Ohnesorge 2, 5—17, 19—28. 48—56, 181 Ognew 83—85 Pasemann 5—8, 15—20 Peters, N. 6, 42 Petzsch 11—15, 23 Peus 8, 9, 21—25 Pölz 20 Pohle, Charlotte 5, 8, 9, 11, 13, 15—18, 20—28 — , Hermann 1 — 4, 5 — 19, 20, 21—29, 66—82, 181—182 Polzin 11, 13, 22—28 Prell 9, 12. 15, 86, 107, 108—116 Priemel 46, 65 Priesner 19 Raethel 13, 21, 22, 24— 28 Revilliod 43 Rhumbler 5, 42 Rieck 15, 16, 19, 20 Riemer, Charlotte 11, 22, 27 186 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 19, 1951 (1954). Riejner, Hedwig 5, 7, 16, 17, 19, 20, 43 —, Julius 5, 7—9, 11—14, 17—20, 22, 23, 25 Roosen 7, 43 V. Roy 6, 11, 20—22, 24—29 Rudioff 5—9, 11, 21—25, 28 Rümmler 9, 11, 13, 17 Schertz 43 Scheunert 23 Schiller 9 Schlichting 11, 22 Schmidtgen 5 Schmidt-Hoensdorf 14, 24, 25 Schneider 28, 29, 57—65 Schnurre 8, 9, 11, 20—25, 27, 28 Schönbrodt 44 Schöps 21 Schreuder 85 Schröder, Gerhard 16, 43 — , Werner 8, 9, 11—14, 21, 22, 24, 28, 29, 45—47 Schröder, Wilhelm 5. 8, 15, 16, 44 Schüz 11 Schulz 5, 6, 15—20, 181 Schwangart 11 Schwerin 15 Siewert 43 Soergel 43 Spatz 16, 43 Spiegel 11 Staffe 19 Stahl 13, 14, 22, 24, 28 Stang 20 Steenberg 43 Stein 8, 9, 11, 12, 17, 21—28, 88—90, 100, 103, 107 Steinhaus 22, 28 Steiniger 173, 177 Steinmetz 7, 11, 20 Stoetzner-Lund 43 Tauchert 5, 17, 44 Teile 25—28 Tembrock 11—14, 21—27. 152—159 Thäter 44 Tobien 11 Tratz 16, 169 Uttendörfer 11, 175, 177 Versluys 5, 44 Virchow 6, 44 Voß 7, 20, 44 Wehrli 166, 177 Weigelt 44 Weiß 16, 18 Westenhöfer 16, 18, 19 Woker 15, 17—20 Wolf, Benno 44 Wolffhügel 9, 11 Zahn 5, 6, 16—19 Zehle 6, 44 Zieske 6, 18, 20 Zimmer 44 Zimmermann. Klaus 7 — 9, 11—14, 16, 19—26, 83—85. 100, 103 — , Rudolf 44 ZEITSCHRIFT FÜR SÄUGETIERKUNDE Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e. V. Verantwortlich für den Inhalt K. BECKER K. HERTER H. NACHTSHEIM Berlin Berlin Berlin D. STARCK K. ZIMMERMANN Frankfurt/Main Berlin 21. BAND BERLIN 1956 In Kommission beim Verlag Naturkunde, Hannover — Berlin Es sind erschienen Heft 1—2 12. 7. 1956 Heft 3—4 28.2. 1957 Druck: Buchdruckerei Wilhelm Möller KG., Berlin -Waidmannslust Scbriftleitung: Dr. Kurt Becker. Berlin-Dahlem, Corrensplatzl III INHALT Seite I. Originalarbeiten Boessneck, J.: Zur Große des mitteleuropäischen Rehes (Capreolus capreolush.) in aluvial-vorgeschichtlicher und früher historischer Zeit 121 Eibl-Eibesfeldt, I.: Einige Bemerkungen über den Ursprung von Ausdrucksbewegungen bei Säugetieren 29 Eibl-Eibesfeldt, I.: über die ontogenetische Entwicklung der Tech- nik des Nüsseöffnens vom Eichhörnchen (Sciurus vulgaris L.) 132 Eibl-Eibesfeldt, I.: Angeborenes und Erworbenes in der Technik des Beutetötens (Versuche am Iltis, Putorius putorius L.) 135 Eisentraut, M.: Temperaturschwankungen bei niederen Säugetieren 49 Frank, F.: Das Duftmarkieren der Großen Wühlmaus, Arvicola terrestris (L.) 172 Frank, F.: Das Fortpflanzungspotential der Feldmaus, Microtus arvalis (Pallas) — eine Spitzenleistung unter den Säugetieren 176 Frank, F. und Zimmermann, K.: Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus (Microtus oeconomus stemmingi Ne bring) 58 Fr eye, H.-A. : Zur deutschsprachigen Nomenklatur der Säugetiere 53 Gerber, R.: Zum Vorkommen der Fledermäuse in Nordwestsachsen 142 Gewalt, W.: über das „Waschen" von Procyon lotor L. 149 Grzimek, B.: Maße und Gewichte von Flachland-Gorillas 192 Hagen, B. : Altersbestimmung an einigen Muriden-Arten 39 Hediger, H.: Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 1 Herter,K. u. Rauch, H.-G.: Haltung und Aufzucht chinesischer Zwerg- hamster (Cricetulus barabensis griseus A. Milne-Edwards 1867) 161 Keilbach, R.: Das knorplige Nasenskelett einiger Säugergruppen 44 Ortmann, R.: über die Musterbildung von Duftdrüsen in der Sohlen- haut der weißen Hausmaus (Mus musculus alba) 138 Rauch, H.-G.: siehe unter Herter, K. Reichstein, H.: Zur Dynamik der Sexualproportion bei der Feldmaus, Microtus arvalis (Pallas) . :. 184 Schneider, R.: Morphologische Untersuchungen am Gehirn der Chiroptera 182 IV Seite Stein, G. H. W.: Natürliche Auslese bei der Rotelmaus 84 Stein, G. H. W.: Sippenbildung bei der Feldmaus, Microtus arvalis (Pallas) . 156 Zimmermann, K.: siehe unter Frank, F. //. Kleine Mitteilungen Müller-Using, D.: Eine wenig bekannte Murmeltierkolonie in den Bayerischen Alpen 197 Richter, H.: Die Alpenfledermaus bisher nicht für Deutschland nach- gewiesen 195 Zimmermann, K.: Fledermäuse aus Afghanistan 195 ///. Buchbesprechungen B a e r e n d s , G. P. : Aufbau des tierischen Verhaltens. (Handb. d. Zool.) (F. Frank) 203 van den Brink, F. H.: Die Säugetiere Europas. (K. Becker) 217 Burns, M.: The genetics of the Dog. (G. Gaffrey) . 221 Dalimier, P.: Le Buffles du Congo Beige. (K. Zimmermann) . 110 Dobberstein, J. u. T. Koch: Lehrbuch der vergleichenden Anotomie der Haustiere. (H. Pohle) 112 Döderlein, L.: Bestimmungsbuch für deutsche Land- und Süßwasser- tiere: Wirbeltiere. (K. Becker) .102 Dur eil, G. M.: Tiere, Tänze, Trommeln. (K. Zimmermann) , 101 Eisentraut, M.: Der Winterschlaf mit seinen ökologischen und physio- logischen Begleiterscheinungen. (H. Schierer) 207 Fischel, W.: Haushunde. (Handb. d. Zool.) (W. Koch) 200 Fortschritte der Zoologie: Band 10. (K. Becker) 206 Frick, H.: Morphologie des Herzens. (Handb. d. Zool.) (J. Boessneck) 204 Gerlach, R.: Die Vierfüßler. (K. Becker) 105 Hartmann, M.: Die Sexualität. (H. Nachtsheim) 205 Hayek, H. V.: Die Lunge. (Handb. d. ZooL) (M. H. Fischer) 201 V Seite Heck, L.: Der Rothirsch. (E. v. Lehmann) 216 Heidermann s, CL: Physiologie der Exkretion. (Handb. d. Zool.) (K. Urich) 202 Heptner, W. G., L. G. M o r o s o w a - T uro w a u. W. I. Zalkin: Die Säugetiere in der Schutzwaldzone. (K. Herter) 212 Herre, W.: Das Ren als Haustier. (Gandert) 107 Herre, W.: Rentiere. (W.Gewalt) 221 Herter, K.: Winterschlaf. (Handb. d. Zool.) (M. Eisentraut) 198 Kahlke, H. D.: Die Cervidenreste aus den altpleistozänen Ilmkiesen von Süßenborn bei Weimar: Teil I u. U. (G. Hahn) 209 Koch, T.; siehe unter Dobberstein, J. Koller, G. : Die wildlebenden Säugetiere Mitteleuropas. (K. Becket) 113 Landwirtschaftliches Zentralblatt: Abteilung Tierzucht — Tierernährung. (G. Godglück) 114 Lehmann, A.: Tiere als Artisten. (I. Eibl-Eibesfeldt) 105 Lehmann, G.: Das Gesetz der Stoff Wechselreduktion und seine Be- deutung. (Handb. d. Zool). (K. Urich) 199 Lengerken, H. v.: Ur, Hausrind und Mensch. (G. H. W. Stein) 114 Leyhausen, P.: Das Verhalten der Katzen (Felidac). (Handb. d. Zool.) (W. Koch) 204 Leyhausen, P.: Verhaltensstudien an Katzen. (E. Mohr) 217 Lhoste, J.: Les rongeurs domestiques nuisibles. (K. Becker) 208 Meli, R.: Wochend am Wendekreis. (K. Zimmermann) 101 Meyer-Holzapfel, M.: Das Spiel bei Säugetieren. (Handb. d. Zool.) (K. Zimmermann) 200 Mies, H.: Physiologie des Herzens und des Kreislaufes. (Handb. d. Zool.) (M. H. Fischer) 201 Mohr, E.: Das Verhalten der Pinnipedier. (Handb. d. Zool.) (K.Zimmer- mann) 200 Mohr, E.: Ungarische Hirtenhunde. (G. Gaffrey) 220 Morosowa-Turowa, L. G.: siehe unter Heptner, W. G. Nüßlein, F.: Die formelmäßige Bewertung der europäischen Jagd- trophäen. (H. Pohle) 109 VI Seite 0 1 1 o w , B. : Biologische Anatomie der Genitalorgane und der Fort- pflanzung bei Säugetieren. (W. Koch) 102 Raesfeld, F. v.: Das Rehwild. (K. Becker) 215 Remane, A.: Die Grundlagen des natürlichen Systems, der verglei- chenden Anatomie und der Phylogenetik. (W. Koch) 211 Sanderson, LT.: Knaurs Tierbuch in Farben: Säugetiere. (K.Becker) 210 Schoedel, W.: Die Atmung. (Handb. d. Zool.) (M. H. Fischer) 201 Spannhof, L.: Sinnesorgane bei Tieren. (G. Tembrock) 107 Stresemann, E.: Exkursionsfauna von Deutschland: Wirbeltiere. (K. Herter) III Tischendorf, F.: Milz. (Handb. d. Zool.) (M.H.Fischer) 202 Tischler, W. : Synökologie der Landtiere. (K. Becker) 104 Ueckermann, E.: Das Damwild. (K. Zimmermann) 103 Verheyen, R. : Monographie Ethologique de l'Hippopotame (Hippopo- tamus amphibius Linne). (K. Zimmermann) 213 Voß, H. E.: Der Einfluß endokriner Drüsen auf den Stoffwechsel der Säugetiere. (Handb. d. Zool.) (W. Koch) 202 Wäscha-kwonnesin: Kleiner Bruder. (K. Zimmermann) 103 Wurmbach, H.: Lehrbuch der Zoologie. I. Band: Allgemeine Zoologie und Ökologie. (K. Günther) 218 Zalkin, W. L: siehe unter Heptner, W. G. IV. Berichtigungen Herold, W. : Zahnverschmelzung bei einer Gelbhalsmaus ( Apodemus flavicollis Melch.) 115 Kühlhorn, J.: Kleine Irrtümer 115 V. Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde Bericht über die 29. Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde vom 3. bis 9. August 1955 in Bonn. (K. Becker) 120 Wissenschaftliche Sitzungen der Deutschen Gesellschaft für Säugetier- kunde in den Jahren 1955 und 1956 223 ZEITSCHRIFT FÜR SÄUGETIERKUNDE Herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e. V. Verantwortlich für den Inhalt K.BECKER K. HERTER H. NACHTSHEIM Berlin Berlin Berlin D. STARCK K. ZIMMERMANN Frankfurt/Main Berlin 21. BAND HEFTl-2 B E R L I N 1 956 In Kommission beim Verlag Naturkunde, Hannover — Berlin INHALT 1. H. H e d i g e r , Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 1 — 28 2. 1. Eibl-Eibesfeldt, Einige Bemerkungen über den Ursprung von Ausdrucksbewegungen bei Säugetieren 29 — 38 3. B. H a g e n , Altersbestimmung an einigen Muriden- Arten 39 — 43 4. R. K e i 1 b a c h , Das knorplige Nasenskelett einiger Säugergruppen 44 — 48 5. M. Eisentraut, Temperaturschwankungen bei nie- deren Säugetieren .. 49 — 52 6. H. - A. F r e y e , Zur deutschsprachigen Nomenklatur der Säuger 53 — 57 7. F. Frank und K. Zimmermann, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 58 — 83 8. G. H. W. Stein, Natürliche Auslese bei der Rötel- maus Cleihrionomys gl. glareolus Sehr. 84 — 100 9. Buchbesprechungen 101 — 115 10. Berichtigungen 115 11. Bericht über die 29. Hauptversammlung in Bonn 116 — 120 Druck: Buchdruckerei Wilhelm Möller KG., B e r 1 i n - Wa 1 d m a u n s 1 u s t Schriftleitung: Dr. Kurt Becker, Berlin-Dahlem, Corrensplatzl Zeitsdhrift für Säugetierkunde Band 21 1956 Heft 1-2 Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung Von H. H e d i g e r (Zürich) Mit Unterstützung durch den schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Hierzu Abb. 1 bis 11 auf Tafel I bis IV^ Wenn man die Schaffung der Haustiere und der Kulturpflanzen als das älteste und in seinen Ausmaßen grandioseste Beispiel experimentell-biolo- gischer Betätigung des Menschen darstellt, wie das Berthold Klatt 1927 mit Recht getan hat, dann müssen wir in der Schaffung der Zoologischen Gärten wohl das Zweitälteste und zweitgrößte biologische Experiment der Menschheit, also eine Erscheinung von gewaltiger Bedeutung sehen. — Zoologische Gärten sind nicht nur vereinzelte Einrichtungen in be- stimmten Städten, sondern sie sind darüber hinaus in ihrer Gesamtheit der Ausdruck eines erdumfassenden Phänomens, das uns einleitend beschäftigen soll. Allzulange pflegte man die Tiergärten lediglich als lokale Angelegen- heiten, wesentlich als lokale Unterhaltungsstätten zu betrachten. In Wirk- lichkeit sind hier Faktoren von ganz anderer Größenordnung mit im Spiel. Yo^T allem ist auch hier — wie bei der Domestikation — der Mensch nicht nur ausführender Experimentator, sondern er wird selber in das expe- rimentelle Geschehen mit einbezogen. — Da alle Haustierwerdung von ein- facher Gefangenhaltung ausgegangen ist, läßt sich zwischen Domestikation und Gefangenschaftswirkung nicht immer ohne weiteres scharf trennen, viel- mehr gibt es da weite Berührungs- und Überschneidungsflächen. Im Rah- men der Sammelwerke über Zivilisationsschäden am Menschen hat Hans Nachtsheim 1948 einen klassischen Beitrag zu diesem Thema geliefert unter dem Titel „Gefangenschaftsveränderungen beim Tier — Parallel- erscheinungen zu den Zivilisationsschäden am Menschen". — „Wie wir bei Mensch und Tier gleichlaufende Veränderungen der Erbbeschaffenheit im Zustande der Domestikation feststellen können, so läßt sich auch eine Parallele ziehen zwischen den beim Naturmenschen zu beobachtenden Schä- den, wenn er der Zivilisation begegnet und den Veränderungen, die das Wildtier erfährt, wenn es in Gefangenschaft gehalten wird", führt Nachts heim darin aus. Diese Gedankengänge sind seither durch zahlreiche Untersuchungen er- gänzt und vertieft worden, und ich möchte ihnen hier nichts hinzufügen aus den Gebieten der Morphologie, der Konstitutionslehre, der Pathologie oder der Erbbiologie. — Die Haltung von Wildtieren in Gefangenschaft, mit der sich heute die Tiergartenbiologie (H e d i g e r , 1950) beschäftigt, 1 •2 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 bietet noch andere Aspekte, vor allem den ökologischen und den etholo- gischen, die ich hier kurz umschreiben darf. Es läßt sich geradezu als eine Gesetzmäßigkeit darstellen, daß die Zoologischen Gärten auf dem ganzen Erdball um so zahlreicher werden, je stärker die ursprünglichen, natürlichen Lebensgebiete der Wildtiere zusam- menschrumpfen. Immer deutlicher zeigt sich der paradoxe Tatbestand, daß das von der unaufhaltsam vordringenden Technik in die Enge getriebene Großtier um so zahlreicher in Erscheinung tritt in den Zivilisationszentren, in den Zoologischen Gärten der Großstädte aller Kontinente, je intensiver es in der sogenannten „goldenen Freiheit" bedrängt wird. Eine Umkehr der Raumverteilung, der Biotope, zeichnet sich ab : Im ehe- maligen Raum z. B. des afrikanischen Großwildes erstrecken sich heute menschliche Großstädte, Minen, industrielle Anlagen, Verkehrsknotenpunkte und vor allem unabsehbare Flächen von Kulturland und Weiden für domestizie^rte Tiere, aus denen das Wildtier vertrieben ist. In beschei- denen, z. T. bedenklich engen Rückzugsgebieten sucht sich das Wildtier noch zu halten; an vielen Orten ist ihm das nicht mehr gelungen. Hinge- gen nehmen die immer zahlreicher werdenden Zoologischen Gärten eine wachsende Zahl von Wildtieren aus aller Welt auf. Viele pflanzen sich in diesem künstlichen Milieu fort; es wird ihnen zum sekundären Biotop, zum Paratop. Wenn man in Gedanken das lebende Inventar aller heute bestehenden vier- oder fünfhundert Tiergärten zusammenrechnet, so ergibt das eine Fauna von imponierendem Reichtum, die sich vom primären Normalbestand der Wildtiere vor allem durch ihre Evakuierung aus dem natürlichen Biotop in Ausschnitte sekundärer Natur, in Paratope, unterscheidet. Diese Paratope und Parareale, d. h. diese künstliche Verbreitung der Tiere in Zoologischen Gärten, stellen eine Fülle lockender Probleme, vor allem ökologischer Probleme. So viel ich weiß, ist jedoch noch niemals ein Zoo von diesem Blickpunkt aus wissenschaftlich untersucht worden, wie es ja leider immer noch keinen einzigen rein wissenschaftlichen Zoo gibt, obgleich der schon 1938 von Karl Max Schneider mit Recht ge- fordert wurde. Bei der begonnenen Betrachtung der Gesamtheit der Zoologischen Gär- ten geht es mir zunächst gar nicht um ökologische Einzelheiten, sondern um die Darstellung gewisser Wesenszüge, welche sich dem Biologen aufdrängen. — Der auffälligste und trotzdem vielleicht am hartnäckigsten übersehene Zug ist der, daß die Zoologischen Gärten am besten in den größten Städten gedeihen. Das ist gewiß nicht nur finanztechnisch bedingt, sondern viel- mehr auch dadurch, daß das Bedürfnis nach Zoos in den Groß- und Größtstädten am schreiendsten ist. Zoologische Gärten entsprechen einem Bedürfnis des modernen Groß- H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 3 Städters und ausgerechnet in den größten Metropolen entfalten sich die Wildtieranlagen am üppigsten. Deshalb ist es nicht abwegig zu behaupten, daß die Zoos heute — zusammen mit den Parks und Grünflächen, deren Volks- und städtehygienische Notwendigkeit längst erkannt wurden, ge- radezu zum Biotop des modernen Menschen gehören. Der Mensch ist primär nicht für ein termitenhaftes Dasein in Wolken- kratzern und Betonschluchten, in künstlichem Klima unter elektrischen Liclhtquellen geschaffen, sondern er lebte — noch vor gar nicht langer Zeit — in einem Stück echter Natur. Wer diesen Naturkontakt verloren hat, empfindet einen Naturhunger, der um so stärker zu sein pflegt, je höher der Grad der Naturentfremdung steigt. Es ist gewiß kein Zufall, daß es z. B. in New York allein nicht weni- ger als vier große Zoologische Gärten gibt. Drei davon sind rein städtische Betriebe und der vierte, der größte von allen, gleichzeitig der größte Zoo überhaupt, genießt ganz bedeutende Unterstützung aus öffentlichen Mitteln. Dazu wird jetzt noch mit einem Kostenaufwand von 10 Millionen Dollar ein Aquarium gebaut, das alle bisherigen in bezug auf Größe und Reichtum weit überragen wird. — In Chicago gibt es zwei Zoologische Gärten, dazu das z. Zt. größte Aquarium der Welt, das Shedd-Aquarium. Auch Detroit besitzt zwei Zoologische Gärten. London, welches außerhalb der Stadt den riesig dimensionierten Whipsnade Zoo hat, baut seinen alten Zoo im Re- gent Park aufs modernste — nämlich zweistöckig — aus. Paris kann seit 1934 auf drei Tiergärten hinweisen. In Berlin wurde soeben (1955) ein zweiter Zoo eröffnet. — In Japan gibt es heute etwa 30 Zoologische Gär- ten, ebenso viele in der Sowjet-Union. Wohin man sieht — überall werden neue Zoos gegründet, die vorhande- nen erweitert, und überall nimmt die Besucherzahl zu. Das ist gewiß nicht nur eine Sache des Zufalls oder der Mode, sondern zweifellos Ausdruck eines starken Bedürfnisses nach Naturkontakt, einer naturgerichteten Appetenz im Sinne von Konrad Lorenz, die sich um so weniger in der primären Natur befriedigen läßt, je stärker diese vom Menschen zerstört und zer- stückelt worden ist. Die wachsende Zahl der Aquarien-, Terrarien- und Kleintierliebhaber in den Städten ist ein weiteres, auffälliges Symptom die- ses Bedürfnisses. — Der moderne Großstadtmensch muß sich einen adäqua- ten Biotop schaffen; Zoologische Gärten als Ausschnitte sekundärer Natur spielen darin eine nicht geringe Rolle. Es ist begreiflich, daß ein derart motiviertes Bedürfnis nach Zoolo- gischen Gärten, ihre Funktion als Ort der Stillung des menschlichen Natur- hungers, verhältnismäßig jung ist und erst mit der Zusammenballung großer Menschenmassen in Millionenstädten einsetzte. Eine unerhörte Beschleuni- gung erfährt aber diese Entwicklung in unseren Tagen; sicher ist das Wach- sen der Zoologischen Gärten weitgehend als eine Kompensation der explo- 1* 4 2!eitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 siv sich entwickelnden Technik, der um uns wachsenden Maschinen auf- zufassen. Noch unsere Urgroßeltern lebten ein unvergleichlich viel natürlicheres Leben, als wir es heute in der Stadt zu führen gezwungen sind, oder gar als es unsere Nachkommen werden führen müssen. — Schon heute bilden die Zoologischen Gärten — jedenfalls für die Besucher — eine Art Inseln in einem brausenden Meer von Maschinen und technischen Einrichtungen, von rasenden Verkehrsmitteln, tausenderlei Motoren und einem Gewirr von elektrischen Leitungen. Die Wellen dieses Maschinenmeeres rauschen nicht nur durch die Großstädte, durch die Straßen und Höfe, sondern sie schlagen bis ins Innerste unserer Wohnhäuser in Gestalt des Maschinen- lärms, der elektrischen Lichter, des Telefons, der Heizungen und Signal- anlagen, der Küchenhilfsgeräte, der Staubsauger, der Fernseh- und Radio- apparate, der elektrischen Herde und Boiler usw. Mit dem Brennholz, welches früher Herd und Ofen wärmte, mit dem im Lande gewonnenen öl, welches in der Nacht die stillen Räume erhellte und mit dem Wasser, das man aus der Erde pumpte, kam früher noch ein echtes Stück Natur in unsere Häuser. Das Zerkleinern eines gefällten, vielleicht von Spechthöhlen durchsetzten Stammes im nahen Wald oder im Garten mit der eigenen Körperkraft war eine gesunde und natürliche Be- tätigung — die heute bezeichnenderweise etwa als psychotherapeutische Maßnahme empfohlen wird. Auch das Abladen des Holzes vom Pferdefuhr- werk, das gemächliche Aufschichten der Scheite vor dem Hause waren Tätigkeiten mit unmittelbarem Naturkontakt. Hinzu kam die Nähe der Haus- tiere, und die nächste Umgebung barg einen heute kaum mehr vorstellbaren. Reichtum an Wildtieren. — Zur Zeit Konrad Gesners (1516 — 1565) brauchte es in Zürich noch keinen Zoo, eine vielgestaltige Tierwelt war damals überall vorhanden. Die kleine Stadt war von Wildnis umgeben. Heute aber gibt es viele Zürcher Kinder, die noch nie einen Storch, ja nicht einmal ein Kaninchen gesehen haben. — See und Flüsse wimmelten damals noch von Fischen, aber auch von Fischottern und Bibern. Die bewaldeten Hügel waren bewohnt von Kolk- rabe, Hirsch, Reh, Wildschwein, Luchs und Wildkatze, Fuchs und Dachs. In der weiteren Umgebung lebten auch Wolf und Waldrapp, der heute völlig von unserem Kontinent verdrängt ist. Erst 1565, im Todesjahr K o n r a d Gesners, wurde bei Zürich der letzte Bär erlegt. (Volmar, 1940 S. 53). Mit diesen von der Säugetierkunde scheinbar fernliegenden Tatbeständen wollte ich gleich zu Beginn klar machen, daß Zoologische Gärten nicht nur vom Menschen geschaffene zoologische Einrichtungen sind, sondern weit darüber hinaus auch Bestandteile des menschlichen Lebensraumes von be- stimmter biologischer Motivierung und daher Erscheinungen von anthropo- logischer Bedeutung. H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 5 Während wir in den Metropolen der zivilisierten Welt eine zuneh- mende Entfaltung exotischer Faunen im Paratop erleben, wirkt sich diese Vertauschung der Lebensräume in den ursprünglichen Tierbiotopen verar- mend und entleerend aus. Auch das ist nicht ohne Einfluß auf die farbigen Völker jener Gegenden geblieben, deren Tierwelt die schlimmsten Zerstö- rungen aufweist. Zu den krassen Veränderungen der ökologischen Verhält- nisse im weitesten Sinne kommen auch tiefgreifende Umgestaltungen auf dem Gebiete der menschlichen Ethologie hinzu. Wir wollen, um uns davon zu überzeugen, nur einen raschen Blick werfen auf die Ethnologie der afrikanischen Naturvölker südlich der Sahara, etwa an Hand der ausgezeichneten Darstellung, welche Helmut Straube vom Frobenius-Institut in Frankfurt a. M. 1955 über die Tierverkleidungen gegeben hat. Viele Wildtiere, namentlich die großen Katzen — Löwe und Leopard — aber auch Affen, Antilopen, Hyänen und Krokodile spielen dort eine hervorragende Rolle in den Initiationszeremonien, in den Geheimbün- den und als Attribute des Königtums. In fast allen wichtigen Lebenslagen, bei Geburt, Reife, Hochzeit, Krankheit, Tod usw. werden von zahlreichen Stämmen Zeremonialjagden veranstaltet, die nichts mit der materiellen Lebensmittelbeschaffung zu tun haben, sondern in denen die für uns Europäer so schwer verständliche absolute Identifikation zwischen dem betreffenden Wildtier und dem Jäger, d.h. Kultteihiehmer zustande kommt. Den Fellen und oft auch anderen Körperteilen der erlegten Zeremonialtiere kam entscheidende Bedeutung zu; in nicht wenigen Fällen mußten bestimmte Wildtiere lebend gefangen und nach strengem Ritus getötet werden, ja da und dort kam es zur rein kultischen Haltung von allerlei Wildtieren. überall da, wo es wegen des Rückganges der Wildtierfauna unmöglich geworden ist, die erforderlichen primären Zeremonialtiere zu beschaffen, muß als dürftiger Ersatz sekundär das Haustier einspringen. Sein Fell, seine Hufe, seine Hörner usw. müssen die Bestandteile der ehemals verwendeten Wildtiere ersetzen. Da gibt es z. B. Initiationszeremonien, die früher mit einer Zeremonialjagd auf Leoparden aufs engste verflochten waren. In Er- mangelung von Leoparden werden aber heute den Initianden Ziegen oder Schafe in die Seklusion gebracht, die dann freigelassen werden und eine dürftige Ersatzbeute für die Zeremonialjagd bilden. Vergleichend-ethologisch scheint mir der von Straube immer wie- der betonte Tatbestand, daß z. B. beim Ausfall der Leoparden, dieses Zere- monialtieres par excellence, nicht das ganze Zeremoniell verloren geht, sondern im Gegenteil mit Hilfe neuer Objekte (eben Haustiere) unter Beibe- haltung aller Einzelheiten weiter persistiert. — Diese Situation erinnert den Verhaltensforscher unwillkürlich an den Lorenz' sehen Satz „Die Zeremonie ist stets älter als ihr Organ". Im Hinblick auf dieses ethnologische 6 Zeitschrift für Säugetierkaiide, Bd. 21, 1956 Geschehen müßte der Sachverhalt vergleichend-ethologisch vielleicht so abgewandelt werden: ,.Die Zeremonie kann viel älter sein als ihr Objekt, oder das Verhalten ist konstanter als das Material". — Auch dafür könnte man im Tierreich zahlreiche Beispiele finden, etwa das Nisten von Eich- hörnchen an menschlichen Kunstbauten, die Vorliebe der Hausmarder für Estrichböden. Die Würger haben auch nicht immer Stacheldraht benützen können usw. Mit Säugetierkunde hat das, was bis jetzt ausgeführt wurde, insofern zu* tun, als auch der Mensch ein Geschöpf ist, das sich Lebensräume er- schließt und in bestimmter Weise gestaltet. Zoologische Gärten lassen sich heute, wie wir gehört haben, als Bestandteil des menschlichen Großstadt- biotopes charakterisieren. Weit auffälliger sind die gleichzeitig erfolgenden Eingriffe des Menschen in den tierlichen Raum, die Transplantation ganzer Tierpopulationen in die Paratope, wie sie die Tiergärten darstellen. Mit ihnen hat sich die Tiergartenbiologie zu beschäftigen. Was ist nun eigentlich diese Tiergartenbiologie? Theoretisch läßt sich die Tiergartenbiologie umschreiben als diejenige Wissenschaft, die sich mit allen jenen Phänomenen beschäftigt, welche in den Zoologischen Gärten auf- treten und — im weitesten Sinne — von biologischer Bedeutung sind. Damit charakterisiert sich diese Wissenschaft sogleich nicht nur als ein Grenzgebiet, sondern als ein ausgesprochenes Mischgebiet, welches in Ausschnitten z. B. die folgenden Disziplinen umfaßt und zu einer Einheit zu synthetisieren sucht. Die unerläßliche Grundlage bildet selbstverständlich die Zoologie mit verschiedenen Sonderdisziplinen. So gibt uns die Systematik die Möglichkeit, eine Tierart überhaupt zu identifizieren, was allem anderen vorgeht; umge- kehrt hat die Systematik vom Zoo her — es sei nur auf die vielen Erst- importe hingewiesen — eine wesentliche Befruchtung erfahren. Ähnlich ver- hält es sich mit der Zoogeographie: mit dem richtigen Namen muß dem Zoo- besucher auch die genaue Heimat eines jeden ausgestellten Tieres anschau- lich vermittelt werden, ebenso wie die wesentlichen Züge seiner Lebensweise. Technisch muß dieser Teil der Zoologie in zweckmäßigen, gepflegten An- schriften (Namenschildern) zum Ausdruck kommen, nicht nur im Tierbe- standsregister, dem sozusagen die Rolle des Zentralnervensystems im Zoo zukommt. Die Anschrift ist ebenso wichtig wie das ausgestellte Tier selber; denn die Schaustellung eines unbekannten Tieres, zu dem der Besucher keinerlei Bezie- hung gewinnt, von dem er gar keinen konkreten Eindruck mitnehmen kann, ist völlig sinnlos. Daher habe ich Jahre darauf verwendet, ein zweckmäßiges Modell eines Namenschildes zu finden. Das ist weit schwieriger als man glauben möchte; denn es gilt nicht nur ein Material zu wählen, welches den mannigfaltigen Insulten des Publikums, sondern auch den extremen Ein- H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 7 flüssen der Sommer- und Winter- Witterung auf die Dauer standzuhalten vermag. In knappster Form muß alles das auf dem Namenschild enthalten sein, was der Besucher wissen möchte und wissen sollte. Das ganze muß leicht auswechselbar und ansprechend sein und die Vielsprachigkeit des Zoo-Publi- kums berücksichtigen. — Das im Zürcher Zoo verwendete Namenschild-Mo- dell hat sich bewährt und wurde — mehr oder weniger abgewandelt — be- reits von verschiedenen Tiergärten übernommen. Es besteht grundsätzlich aus einem wasserdichten, rostfreien Gehäuse von 2 cm Dicke, 35 cm Höhe und 24 cm Breite (Abb. 1). Die Gesamtfläche, hinter Glas, ist in 4 Felder eingeteilt: das erste enthält neben der wissen- schaftlichen lateinischen Bezeichnung den Namen des Tieres in deutscher, französischer und englischer Sprache. Ferner werden Schenkungen oder Ge- burtsdaten auf einschiebbaren Streifen, gleichfalls in gedruckter Schrift, vermerkt. Links unten folgt ein Bild des Tieres, und zwar wenn möglich» nicht einfach ein Porträt, sondern die Darstellung des Tieres in einer Situa- tion, wie sie der Besucher normalerweise nicht zu sehen bekommt, also z. B. das Bild eines Neugeborenen, eines freilebenden oder eines auf dem Trans- port befindlidhen Tieres. Genaue Paßbilder verwende ich nur dort, wo sie zur Identifikation unerläßlidh sind, wenn mehrere Arten im gleichen Raum gehalten werden. Fotos oder lichtechte farbige Darstellungen finden je nach Umständen Verwendung. Ein weiteres Feld — neben dem Bild — enthält einen maschinengei- schriebenen Text mit biographischen Angaben über die ausgestellten Indi- viduen oder allgemeine Daten über die betreffende Art. Dieser Text kann vom durchschnittlichen Besucher ohne weiteres übergangen werden und ist in erster Linie für ernsthaftere Interessenten, besonders für Schüler, Stu- denten und Lehrer bestimmt, die hier wesentliche Angaben für Lektionen usw. finden. — Das vierte unterste Feld des Namenschildes enthält eine kleine Weltkarte, auf der die Heimat des Tieres rot eingetragen und somit auf den ersten Blick in allen Sprachen verständlich dargestellt ist. Das saubere, zweckmäßige Namenschild ist aber erst sozusagen der Buch- stabe A im Alphabet der Tiergartenbiologie; es nimmt unmittelbar Bezug auf Zoologie, Systematik, Tiergeographie und Ethologie. Der Ethologie bzw-' der Tierpsychologie kommt im Rahmen der Tiergartenbiologie eine sehr große Bedeutung zu, weil sie sozusagen alle Sparten der Tierhaltung durch- dringen: den Transport ebenso wie die Fütterung, die Unterbringung, di^ Organisation, das Bauen usw. Noch immer werden viele Zootiere das Opfer vermeidbarer tierpsycho- logischer Rechnungsfehler. Ein falsches Manöver des Wärterpersonals in einem Huftiergehege, bei dem die Gesetze des Fluchtverhaltens nicht ge- nügend Berücksichtigung finden, kann den Tod des Tieres durch Genick- 8 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 bmc'h zur Folge haben. Oder es ist — um nur ein einziges Beispiel zu er- wähnen — tierpsychologisch grundfalsch, neu angekommene Tiere durch Klopfen an die Rückwand des Transportkastens oder durch Stoßen mit Stöcken und dergleichen gewaltsam in den neuen Raum zu treiben. Denn es ist ein tierpsychologisches bzw. tiergartenbiologisches Gesetz, daß fremder Raum unheimlicher Raum ist. Auch der schönste, neueste, größte Käfig ist für das frische Tier zunächst unheimlich; das einzig richtige ist daher, daß man ihm Zeit läßt, vom engen aber vertrauten offenstehenden Transport- käfig ganz allmählich schrittweise den neuen, zunächst negativen Raum zu erkunden und sich freiwillig einzuleben. Die Anwendungsmöglichkeiten der Tierpsychologie im Zoo sind unge- zählt und andererseits empfängt diese Wissenschaft aus dem Zoo eine Fülle von Material und Anregungen, ja die Zoologischen Gärten haben wesentlich zur Förderung der Verhaltensforschung, besonders auch zur Tiersoziologie beigetragen, wie das N. T i n b e r g e n 1953 hervorgehoben hat. Es sei in diesem Zusammenhang an die Pioniere und Förderer der modernen Tier- psychologie erinnert, die in Zoologischen Gärten gearbeitet haben wie Oskar und Katharina Heinroth, J. A. Bierens de Haan, A. F. J. Por- tielje, Karl Max Schneider, Erna Mohr, Monika Meyer- Holzapfel, Alfred Seitz, Bernhard Grzimek und viele andere. Einen weiten Raum nimmt die Ökologie innerhalb der Tiergartenbiologie ein. Es gehört zu den wesentlichsten, an anderer Stelle aufgezählten indi- rekten Wirkungen der Raumbeschränkung (H e d i g e r , 1950 S. 31), daß die Tiere optimale Lokalitäten (z. B. nach Licht, Wärme, Feuchtigkeit) nicht beliebig auswählen können. Das hat zur Folge, daß sie oft nicht verwöhnt, sondern im Gegenteil geradezu unbiologischen Extremen ausgesetzt werden. Innerhalb und außerhalb des geheizten Innenraumes eines Tierhauses sind die Temperaturen oft extrem verschieden. Mit dem vor genau hundert Jahren namentlich in Frankreich aufgekom- menen Schlagwort der Akklimatisation (Loisel 1912, Bd. 3 S. 92) ist in der Wildtierhaltung im Zoo zweifellos sehr viel Positives erreicht, aber auch viel Unheil angerichtet worden, und es herrschen hier noch allerlei Unklar- heit und gegensätzliche Auffassungen. Exakte Untersuchungen, eine eigent- liche Tiergarten-Ökologie, wie sie heute teilweise für Großaquarien vor- liegt (z. B. C a t h a r i n a Honig, 1933) gibt es für den Gesamtzoo leider noch nicht. Im Basler Zoologischen Garten werden die Malayenbären im Winter in geheizten Innenräumen gehalten, in Zürich, wo es bestimmt kälter wird, steht den Bären keinerlei Heizung zur Verfügung, ohne daß irgendwelche gesundheitliche Benachteiligungen festzustellen wären. — Die Basler Eis- bären wollen, sobald es im Herbst kühl wird, nicht mehr ins Wasser gehen, dafür liegen sie im Hochsommer selbst über die Mittagszeit mit Vorliebe H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 9 in der Sonne, und zwar so, daß auch die Bauchseite stark erwärmt wird. Die Zürcher Eisbären hingegen schwimmen besonders gern zwischen den dicken Eisschollen herum und im Winter 1954/55 ist es sogar passiert, daß einer zwischen zusammengeschobenen und verkeilten Eisklötzen nur noch den Kopf aus dem Wasser strecken konnte. Mit dem übrigen Körper blieb er — wahrscheinlich die ganze Nacht über — im Wasser, bis wir ihn am Morgen befreiten. Er hat sich dabei nicht im geringsten erkältet; das Wasser war ja auch erheblich wärmer als die Luft. Im Zürcher Zoo, der mit seiner Lage in ca 600 m über Meer wahr- scheinlich der höchstgelegene Europas und im Winter besonders stark der Bise ausgesetzt ist, lassen sich in bezug auf Akklimatisation mancherlei Beobachtungen anstellen. Von unseren beiden schwarzen Nashörnern, (Dice- ros bicornis) kann man sagen, daß sie sich auch im Schnee wohlfühlen; sie wälzen sich gerne darin usw. (Abb. 2). Aber in der zweiten Hälfte des Winters 1953/54 während einer Biseperiode ereignete es sich doch, daß sich beide die Ohrränder und die Schwanzspitzen (etwa 20 cm) abfroren. Zur gleichen Zeit verlor von einem Oryx heisa-Paar das kleinere zentral- afrikanische Weibchen die Ohrspitzen, während das größere südafrikanische Männchen keinen Schaden erlitt. — Diese beiden Beispiele stellen anschau- liche Illustrationen der Bergmannschen Regel dar. — Meines Wissens haben in Europa geborene indische Hirschziegen-Antilopen (Antilope cervicapra) kürzere Ohren als importierte Exemplare. Bei der ganzen Akklimatisationsfrage im Zoo wird — glaube ich — zu wenig unterschieden zwischen den Temperaturen, welche die Tiere gerade noch ertragen können und derjenigen, bei der sie sich optimal oder weitgehend wohlfühlen. Ich bin überzeugt, daß viele tropische Homoiotherme niedrige Temperaturen zwar aushalten können, daß sie dabei aber doch allgemein reduziert werden und speziell in bezug auf ihr Fortpflanzungsverhalten. — Eine Gegenüberstellung der Zuchterfolge von tropischen Tieren in Zoolo- gischen Gärten mit subtropischem und mitteleuropäischem Klima würde diese These wahrscheinlich in augenfälliger Weise stützen. Es ist bei uns immer wieder überraschend, wie sehr viele tropische Pfleglinge in unserem kurzen Sommer förmlich aufblühen. ökologische Erfahrungen dieser Art hängen zuweilen aufs engste zu- sammen mit einem weiteren Kapitel der Tiergartenbiologie, nämlich mit dem Bauen für Tiere. Die Bautechnik im Zoo muß vielfach als außerordentlich konservativ bezeichnet werden, auch wenn die geniale Einführung offener Freianlagen um die Jahrhundertwende durch Carl Hagenbeck nicht dankbar genug gewürdigt werden kann. In nicht wenigen Zoologischen Gärten unserer Klimazone ist es beispiels- weise noch üblich, gewisse Tiere im Sommer und Winter in verschiedenen,. 10 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 nicht unmittelbar aneinander anschließenden Räumen oder Häusern unter- zubringen, also zweimal im Jahr — im Frühling und Herbst — umzusetzen. Das ist grundsätzlich unbiologisch. Wohl macht das bei den vom Raum weit- gehend emanzipierten Haustieren nicht viel aus; aber bei den mit ihrem Raum so eng verwachsenen Wildtieren bildet jede derartige Umsetzung ein mehr oder minder schweres Trauma, das wohl in jedem Zoo schon zahlreiche Todesopfer gefordert hat. — Ganz abgesehen vom Raumtrauma wird bei diesen oft nach dem Kalender und nicht nach der Witterung bestimmten saisonalen Umsetzungen dem Tier zuweilen auch noch ein erheblicher Tem- peraturschock zugemutet, den es durch den allmählich verlaufenden Hä- rungsprozeß nicht immer aufzufangen vermag. Selbstverständlich sind in bezug auf Raumwechsel nicht alle Tierarten gleich empfindlich: manche Antilopen und Gerviden wären hier in erster Linie zu nennen. Wenn ich ein Beispiel aus dem Reich der Vögel erwähnen dürfte, müßte ich den Nandu (Rhea americana) nennen, während z. B. Störche, Reiher, Kraniche, Flamingos usw. in dieser Hinsicht viel weniger heikel sind. Diese Flugvögel bzw. Zugvögel erinnern sich im Frühjahr, wenn sie aus dem Winterquartier wieder ins Sommergehege entlassen werden, ganz offensichtlich an diese örtlichkeiten und suchen sogleich wieder ihre Lieblingsstellen auf. Beim Nandu, einem sehr ortstreuen nichtfliegenden Bodenvogel, ist das nicht der Fall. Jede Umsetzung bedeutet für ihn eine lebensgefährliche Re- volution des Raumes. Aus seiner Erfahrung mit der künstlichen Aufzucht von Nandus hat He t mann Junker (1950, S. 186) bezeichnenderweise folgendes festgehalten: „Jeder Wechsel im Umweltbild ist Anlaß zu hoch- gradiger Erregung, die sich in nicht enden wollendem und ziellosem Rennen äußert. In 3 Fällen liefen die Tiere beim Umsetzen so lange in höchster Er- regung herum, bis sie ermattet hinsanken, und an Herzschlag eingingen." — Im gleichen Zeitraum, d. h, von 1938 — 1943 verlor Junker noch 2 weitere Nandus beim Umset^zen dadurch, daß sie sich in der maßlosen Aufregung gegenseitig tottrampelten. Ähnliches könnte aus manchem Zoo berichtet werden. Im Zürcher Zoo z. B. verloren wir im Frühjahr 1954 und 1955 je einen ausgewachsenen Nandu beim Umsetzen vom Winter- ins Sommerquartier. — Angesichts die- ser allgemeinen Erfahrung zieht nun Junker merkwürdigerweise den fol- genden Schluß (S. 187) : „Es ist zu empfehlen, immer wieder einmal das Umweltbild zu ändern, sie (die Nandus) also nicht allzulange abgesperrt zu lassen." Dieser Schluß ist typisch für das in Tiergärten noch weit verbreitete an- throprozentrische Denken. Im Zoo gilt es aber nicht anthroprozentrisch^ sondern zoozentrisch, d. h. biologisch zu denken. Dieser gewiß berechtigten und logischen Forderung auf allen Gebieten der Wildtierhaltung Nachachtung H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 11 zu verschaffen, ist eine der grundsätzlichen und dringendsten Aufgaben der Tiergartenbiologie. Hier — wie in zahllosen anderen Fällen — geht es nicht darum, das Tier dem Raum, sondern umgekehrt den Raum dem Tier anzupassen unter möglichst weitgehender Berücksichtigung seiner biologischen Eigenarten. Bei solchen Tieren, die in unserem Klima den Sommer über im Freien ge- halten werden können, im Winter aber eines geheizten Innenraumes be- dürfen, müssejn die/se beiden Abteilungen so aneinander gebaut werden, daß sie nicht nur teichnisch-baulich, sondeirn auch für das Tier subjektiv eine Einheit bilden. Das Tier ist und bleibt dann dauernd mit dem ganzen Raum vertraut, auch wenn einzelne Teile davon vorübergehend nicht zugänglich sind. Diese Anordnung bietet den zusätzlichen Vorteil, daß die Tiere nicht nur im Sommer, sondern auch an milden Herbst-, Winter- und Frühlings- tagen vorübergehend ins Freie gelassen werden können. Für manche Tiere empfiehlt es sich, zwischen beide Abteilungen noch einen verandaartigen mittleren Raum einzubauen, wie es sich z. B. bei der Giraffenhaltung außer- orde,ntlich bewährt hat (vgl. Hediger, 1953 a S. 42). Dadurch kann das übertriebene ökologische Gefälle vom allseits geschützten Innenraum und dom völlig ungeschützten Außenraum, das schon so viele Opfer gefordert hat, wohltuend gemildert werden. Das alle^ mag furchtbar banal erscheinen: indessen ist es eine Tatsache, daß in vielen Tiergärten der Welt viele Tiere zu Grunde gerichtet werden durch primitivste Verstöße gegen eigentlich selbstverständliche tiergarten- biologische Einsichten. Dahe'r hat die Tiergartenbiologie vor allem die un- dankbare Aufgabe, aus banalen Alltagserfahrungen allgemein geltende Re- geln und Gesetze zu formulieren, wie das für jede andere angewandte Wis- senschaft längst eine Selbstverständlichkeit ist. In der Chirurgie beispielsweise braucht man nicht zu betonen, daß bei Laparotomien keine Pinzetten, Scheren und andere Instrumente in den Bauchhöhlen der Patienten zurückgelassen werden sollen — aber in der Tiergartenpraxis muß man heute noch darauf insistieren, daß handwerkliche Arbeiten im Gehege erst dann beendet sind, wenn auch die letzten Blech- abschnitte, Nägel, Drahtstücke usw. aufs sorgfältigste entfernt worden sind. Weil das heute noch nicht überall als unumstößliche Regel durchgeführt wird und weil man immer noch Agraffen verwendet und Drahtgeflechte ver- rosten und zerbröckeln läßt, kommt es — ich muß wohl sagen — in jedem Zoo zu schweren Verlusten durch Fremdkörper. Im Basler Zoo traf ich so viele Verluste durch Fremdkörper, namentlich bei fischfressenden Vögeln und bei Wiederkäuern, daß ich ein besonderes Plakat zur inte,rnen Verwendung als Mahnung an die Wärter und Zoo-Hand- we^rker in allen Diensträumen aufhängen ließ (Abb. 3). Es bleiben dann immef noch genug gefährliche Fremdkörper, die vom Publikum stammen, 12 Zeitschrift für Säugetierkiinde, Bd. 21, 1956 wie z. B. Heftklammern von Zeichnern oder Ansteckabzeichen usw. Ein Gorilla verschluckte einen 14 cm langen metallenen Kugelschreiber, der operativ entfernt werden mußte (Hediger, 1953b). — Im ersten Jahr meiner Tätigkeit im Zürcher Zoo verlor ich eine ßisonkuh an einem 7 cm langen Drahtstück des verrosteten Zaunes. Der Fremdkörper (Abb. 4) war durch den Magen bis in den Herzbeutel vorgedrungen. — Ein Kaiman starb an einem verschluckten Gummizapfen usw. Wollte, man alle die in Zoologischen Gärten an Fremdkörpern unnötiger- weise eingegangenen Tiere zusammenreihen, dann würden sich erschreckend große Rudel und Herden ergeben, und diese Tatsache allein rechtfertigt schon die Formulierung der erwähnten Regeln, auch wenn sie noch so trivial klingen mögen. — Wer dasselbe ^"erhängnis in mehreren Tiergärten in stereotyper Wiederholung mitangesehen hat. fühlt sich dazu — auch als Tierfreund — geradezu verpflichtet. Darf ich den grotesken Vergleich mit der Praxis der Chirurgie im In- teresse der Anschaulichkeit noch um ein Bild erweitern? Es braucht heute in den Lehrbüchern der Medizin z. B. nicht mehr besonders betont zu wer- den, daß Operationsräume nicht mit dicken Teppichen und Vorhängen ver- sehen sein sollen. Aber in wie vielen Tiergärten werden heute noch Unter- lagen verwendet, die ganz entsprechend unhygienisch, schwer zu reinigen und demnach gefährlich sind, etwa weicher Naturboden für Huftiere. Na- turboden läßt sich nicht reinigen und bildet ein ideales Milieu für die Ent- wicklung parasitischer Würmer: außerdem ist er für die gegenüber dem Freileben herabgesetzte Aktivität der Tiere sehr oft zu weich, so daß es zur Schuhbildung, d. h. zur übermäßigen Verlängerung der Hufe durch zu ge- ringe Abnützung kommt. Wie viele Huftiere sind durch solche Umstände un- nötigerweise ums Leben gebracht worden! Trockener, verhältnismäßig har- ter Boden läßt sich gut reinigen, ist ungünstig für die Parasiten und erhält die Flufe in guter Form. Wir sprachen vorher beim Betrachten der getrennten Sommer- und Winterquartiere vom unbiologischen, falschen Bauen im Zoo, wodurch viele Tiere durch übermäßige Aufregung beim Umsetzen den Tod finden. Es handelt sich also um Tod durch Verhalten, dem übrigens auch das Ver- schlucken von Fremdkörpern in gewissem Sinne zuzurechnen ist. Nicht alle Tierarten sind dafür in gleicher Weise disponiert, und es ist Sache der Tier- gartenbiologie, die besonders gefährdeten zu bezeichnen und in biologische Gruppen zusammenzufassen. Tod durch Verhalten ist im Zoo viel häufiger, als gewöhnlich angenom- men wird: denn traumatisch bedingte Todesfälle gelangen sehr oft nicht zum Pathologen. Herbert L. Ratcliffe veröffentlicht alljährlich seine sorg- fältigen, wertvollen Erhebungen über die Todesursachen im Philadelphia Zoo. Immer wieder (1950 — 1954) erweisen sich Unfälle und Verletzungen — H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 13 zumeist durch Artgenossen zugefügte — als die häufigsten Todesursachen. 1953 machten sie bei den eingegangenen Säugern die Hälfte, bei den Vögeln ein Drittel aus. Im gleichen Jahr starb der berühmte, während 50 Jahren gepflegte Schnabeligel (Tachyglossus aculeatus) an einer Verletzung, die er sich bei einer Fernsehsendung auf der Flucht vor dem grellen Licht der Scheinwerfer zugezogen hatte. Zahlreich sind z. B. die Fälle des Forkeins bei geweih- und gehörntragenden Huftieren. Um so leichter kommt es zu dieser Tötung durch Artgenossen, je ungünstiger die soziale Zusammenset- zung, aber auch je ungünstiger der Grundriß der betreffenden Gehege ist. Hier greift also die Technik des Bauens wieder direkt in die Lebensaus- sichten der Tiere ein. Spitze Winkel im Grundriß von Tierräumen erweisen sich hier als be- sonders verhängnisvoll. In ihnen kann ein verfolgter Partner — meist ein sozial unterlegenes Individuum oder ein stark erregendes brünftiges Weib- chen — vom Verfolger leicht „fixiert" und ohne Gegenwehr abgestochen oder sonstwie getötet werden. — Auch der Pathologe des Londoner Zoos, W. C. Osman Hill, unterstreicht in seinem Jahresbericht 1953 die große Bedeutung der gegenseitigen Verletzungen und Tötungen von Zoo- Tieren sehr oft von Artgenossen unter sich. Sehr gefährlich sind zuweilen die ,Bninftaufregungen bei Säugern und Vögeln. In ihrem Bericht für 1954 stellen Achille Urbain und seine Mit- arbeiter (1955) fest, daß auch diesmal wieder traumatische Einwirkungen und Unfälle die meisten Todesfälle unter den Säugetieren des Zoos in Paris-Vincennes verursacht haben. So kam es zu tödlichen Kämpfen bei Babuin, Mufflon, Schopfantilope, Wapitihirsch, Fuchs u. a. Unfälle beim Einfangen gab es bei Seelöwe und Sumpfhirsch. Auf der Flucht — ausge- löst durch verschiedene Umstände — verunglückten Nilgau-Antilope, Mäh- nenschaf, indische Gazelle, junge Giraffe und Sumpfhirsche. Um Ihnen einen Begriff von der Bedeutung dieser Todesursache — Tod durch Verhalten — zu vermitteln, verweise ich auf die von Dr. E. Inhelder fußenden Erhebungen aus den Wochenberichten des Zürcher Zoos von 1930 bis 1954. In diesem Zeitraum von 25 Jahren wurden 737 Tiere durch andere getötet, davon 286 durch ihre eigenen Artgenossen. Geforkelt wurden 24 Huftiere, nämlich 1 Edelhirsch 1 Sikahirsch 2 Axishirsche 4 Wapitis 5 Damhirsche 1 Bleßbock 3 Wasserböcke 7 Hirschziegenantilopen 14 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Bei 2 Hirschziegenantilopen ist das Geschlecht nicht angegeben; bei den übrigen 22 Tieren handelt es sich um 16, also 75 o/o weibliche und 6, also rund 25 o/o männliche. — Wohl in jedem Zoo haben sich ähnliche Verluste ereignet. Durch geeigneteres Bauen, vor allem durch die strikte Vermeidung spitzer Winkel, lassen sich die Verlustziffern sicherlich herabsetzen, ebenso durch selektive Unterteilung. Vielfach sind auch zu enge Innenräume verantwortlich für Forkelungen, weil sie den verfolgten Tieren zu wenig Flucht- oder Ausweichmöglichkeiten lassen. Eine Tür ist oft zu wenig; sie verschließt, wenn der Verfolger darin erscheint, dem im Innern überraschten Tier den letzten Ausweg. 1954 wurde im engen Bisonstall des Zürcher Zoos eine Bisonkuh vom Stier so zwischen die Rippen gestochen, daß die Därme herausquollen. Es gelang, die Schlin- gen zu reponieren, die Wunde zu vernähen und das Tier zu retten. — Es erweist sich als angezeigt, in Huftierställen mindestens zwei Türen an- zubringen. Bei Raubtieren kommt es gleichfalls zu zahlreichen Tötungen durch Art- genossen, vor allem werden Neugeborene durch die eigene Mutter umgebracht. Das kann ganz verschiedene Ursachen haben, vor allem Stoffwechselstörun- gen im Sinne ungenügender Hormonproduktion oder Vitaminversorgung; aber es sind sehr oft auch Raumverhältnisse entscheidend. Diese können gerade guten Müttern, die physiologisch vollkommen in Ordnung sind, zum Verhängnis werden, nämlich dann, wenn den Tieren nicht genügend Deckung zur Verfügung steht, wenn es an der nötigen Abschirmung und Geborgenheit der Wochenstube fehlt. Gerade die guten Mütter sind dann eifrig bestrebt, ihre Jungen an einen sicheren, dämmerigen Ort zu bringen und schleppen sie in wachsender Erregung unter Umständen so lange hin und her, bis Verletzungen — oft im Nacken — Blutaustritt zur Folge haben und damit nicht selten den äußeren Anlaß zum Auffressen der eigenen Jungen bilden. Die Tiergartenbiologie hat die Aufgabe, an einem großen Material den ganz verschiedenen Ursachen des Tötens der Jungen durch die eigene Mut- ter nachzugehen, ebenso wie sie die Ursachen der gegenseitigen Tötung von erwachsenen Artgenossen analysieren muß. Diese Aufgaben sind lösbar, wenn sie auch vom Standpunkt der Verhaltensforschung aus angegriffen werden. Erste Versuche einer solchen Analyse habe ich an anderer Stelle (1950 S. 100) unternommen. Um Ihnen auch hier wieder einen anschaulichen Begriff zu vermitteln, nenne ich auf Grund der von Dr. E. Inhelder vorgenommenen Bearbei- tung der Aufzeichnungen von 25 Jahren (1930 — 1954) aus dem Zürcher Zoo als Beispiele die folgenden Zahlen. Es wurden in diesem Zeitraum durch die eigene Mutter getötet und zuweilen aufgefressen u. a. H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 15 Dingos Agutis Leoparden Löwen Tiger Pumas Braunbären 7 mal 8 mal 5 mal 3 mal 4 mal 3 mal 4 mal Das sind nur einige Beispiele. Einige mögen damit zusammenhängen, daß in dem sonst recht hübschen Raubtierhaus des Zürcher Zoos vom Publi- kum getrennte, ruhige Wurfzeilen fehlen (ebenso wie Krankenkäfige). Heute hilft man sich so, daß mit Brettern einzelne Käfige als Wurfzellen abge- schirmt werden so gut es geht. — Sicher läßt sich aber du,rch geeignete Bauweise über eine günstige Beeinflussung des mütterlichen Verhaltens die Verlustziffer senken. Und das betrifft nicht nur Raubtiere. Im Freien haben praktisch alle höheren Tiere eine ausgesprochene Tendenz, sich zur Geburt in die Abge- schiedenheit und Heimlichkeit zurückzuziehen. Das gilt für die Gemse und den Löwen ebenso wie für den Elefanten; aber in den Tiergärten wird — unter dem Druck des unersättlichen Schaubedürfnisses des Publikums — gerade der Deckung, selbst in der kritischen Zeit des Gebärens, oft noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obgleich uns die Wildökologen wie Aldo Leopold (1939) schon seit bald zwanzig Jahren lehren, daß die Deckung als ökologischer Faktor an Wichtigkeit hinter dem Futter kaum nachsteht. — Daß man im Zoo einen tragbaren Kompromiß finden muß zwi- schen den Bedürfnissen des Tieres und den Ansprüchen des Publikums, ist selbstverständlich. Das ist übrigens ein Punkt, in dem der Zoo gegenüber der Tierhaltung aus Liebhaberei wesentlich benachteiligt ist. Der Liebhaber braucht nur auf das Tier und nicht auf das Publikum Rücksicht zu nehmen. Je nach der Lage eines Zoologischen Gartens im Stadtplan erwachsen seinem Tierbestand unter Umständen erjiebliche Gefa,hren durch Raub- tiere, welche von außen eindringen. Außerhalb gelegene Tiergärten sind in dieser Hinsicht weit mejir gefährdet als im Stadtinnern gelegene; ent- sprechend sind verschiedene bauliche Maßnahmen angezeigt, um auch diese Kategorie von Todesfällen durch Verhalten unter Kontrolle zu bringen. Einen klassischen Fall dieser Art stellt der in freiem Gelände gele- gene Whipsnade Zoo außerhalb Londons dar. Bei der Eröffnung dieses rie- sigen Parkes von 500 acres im Jahre 1931 wurde er mit einem hohen Drahtzaun versehen mit nach innen gerichtetem Überhang. Dadurch sollte ein Entweichen der Tiere vermieden werden; aber niemand entwich aus den großen Gehegen. Statt dessen drangen viele Füchse von außen ein, angelockt durch das zahlreiche exotische Parkgeflügel, unter dem beträcht- 16 Zeitschrift für Säugetierkiinde, Bd. 21, 1956 liehe Schäden angerichtet wurden. Nach einigen Jahren entschloß man sich daher, den Überhang außen anzubringen, um die Füchse fernzuhalten. — Viele amerikanische Tiergärten haben unter eindringenden Coyoten, Füchsen, Waschbären usw. zu leiden. Der Zürcher Zoo, oben am bewaldeten Zürichberg gelegen, ist sehr stark den Füchsen exponiert. Auch darüber hat Dr. Ernst Inhelder auf Grund der Wochenberichte meines Vorgängers, Felix Hofmann, statistische Erhebungen angestellt, die sich auf die Jahre 1931 — 1954 beziehen. In diesen 24 Jahren verschwanden u. a. : 15 meist brütende Truthennen 21 meist brütende Pfauen 9 Kraniche verschiedener Art 8 Flamingos 2 Tschajas 21 Gänse verschiedener Art 3 Schwarzschwäne 1 Schwarzhalsschwan 1 Marabu ferner zahlreiche Enten, Möwen, Reiher und Kormorane. Das macht allein schon Beträge von vielen tausend Franken aus. Das spezifische Mittel ge- gen diese Fuchsüberfälle besteht in einer neuen Umzäunung von 2,5 m Höhe und 50 cm Überhang gegen außen mit solidem, nicht untergrabbarem Beton- sockel. Diese Art des Fuchsschutzes wäre natürlich schon beim Bau ange- zeigt gewesen; aber das gehört ebenso zu den heute noch oft anzutreffen- den tiergartenbiologischen Kuriositäten, wie der Umstand, daß Tierhäuser, Futtermagazine, Remisen usw. meist nicht von Anfang an mause- und ratten- tiergartenbiologischen Grundregeln gesündigt, so daß man von Mäusen und Ratten bereits dicht besiedelte Gebäude nachträglich mühsam von diesen Schädlingen befreien und gegen weitere Invasionen schützen muß (vgl. Hediger 1955). Die jahreszeitliche Verteilung der 190 untersuchten Fuchsüberfälle im Zürcher Zoo ist übrigens von biologischem Interesse. Es zeigen sich in der Frequenz deutlich zwei Spitzen, nämlich eine im Juni und eine im November (Abb. 5). Diejenige im Juni ist zweifellos bedingt durch den größeren Futter- bedarf der Füchse während der Aufzucht ihrer Welpen. Die Spitze im No- vember ist bedingt durch die Schwierigkeiten der Nahrungsbeschaffung bei Frost und Schnee. — Eigentlich sollte man ein Ansteigen der Kurve in der Wintermitte erwarten. Der tatsächlich festgestellte Abfall ist jedoch darauf zurückzuführen, daß viele Zoo-Vögel erst im Dezember in die sicheren, aber engen Winterräume umgesetzt werden, wo sie den Zugriffen der Füchse entzogen sind. Die Konstruktion der Umzäunung war ein weiteres Beispiel für unmittel- H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 17 bare Zusammenhänge zwischen Bauen und Todesursachen im Zoo. Die ge- samte Bautechnik im Zoo scheint mir dringend einer Biologisierung zu be- dürfen. Hier liegt eine weitere, wichtige Aufgabe der Tiergartenbiologie. Sie muß dem Architekten die erforderlichen biologischen, speziell ökologischen und ethologischen Unterlagen liefern, die er selber niemals besitzen kann. Andererseits ist der Zoologe selbstverständlich auf den Architekten ange- wiesen. Zum richtigen Bauen im Zoo bedarf es einer eigentlichen Symbiose zwischen Architekt und Zoologe. Seit mehr als einem halben Jahrhundert stehen alle Tiergärten Euro- pas unter dem Damoklesschwert der Maul- und Klauenseuche. In der Schweiz sind alle drei Tiergärten durch sie mehrfach sehr schwer geschädigt worden. Aber es ist mir nicht bekannt, daß man dieser außerordentlichen Gefahr jemals durch bauliche Maßnahmen Rechnung getragen hätte. In den Ausbau- Projekten des Zürcher Zoos ist vorgesehen, alle MKS-anfälligen Tiere in einem besonderen, vom übrigen Zoo leicht zu isolierenden Teil unterzubrin- gen, um weitere Katastrophen dieser Art zu vermeiden. Allgemein läßt sich feststellen, daß man in bezug auf das Bauen für Wildtiere im Zoo viel zu konservativ gewesen ist, und das ist auch heute noch sehr oft der Fall. Jahrzehntelang wurde sozusagen im Kreis herumge- baut, wie ich das 1944 am Beispiel von Antilopenhäusern in europäischen und amerikanischen Tiergärten gezeigt habe. Viele Jahrzehnte lang wurden diese Häuser vom sogenannten Sektortyp, der nichts als Nachteile bietet, einander stereotyp nachgebaut und von einem Zoo in den anderen übernom- men. Die berüchtigten Fasanerien, aus Reihen von Gitterkuben bestehend, sind ein weiteres Beispiel jahrhundertealter, steriler Bauweise im Zoo. Es ist für den Biologen z. B. nicht einzusehen, weshalb immer noch so viele Tiere im Zoo — nicht nur die Aquariumfische — in mehr oder weniger abstrakten Raumkerben leben müssen. Es müßte endlich einmal ernst ge- macht werden mit der tiergartenbiolog'schen Parole „Los vom Kubus", weil der Kubus, dieser abstrakte Raumausschnitt, so unbiologisch ist wie die gerade Linie. Beispielsweise habe ich noch in keinem Zoo einen adaequaten Käfig für Gibbone angetroffen, sondern man pflegt diese herrlichen Primaten in die- selben Käfige zu stecken wie etwa Schimpansen oder andere Affen, obgleich der Gibbon sich durch eine ganz andere Fortbewegungsweise auszeichnet. Die sorgfältigen Freilandbeobachtungen von C. R. Carpenter (1940) an Hylobates lar haben ergeben, daß sich diese eleganten Baumbewohner zu 90 o/o durch die sogenannte Brachiation fortbewegen, d. h. durch Schwingen von Ast zu Ast. Das Schreiten auf der Unterlage macht nur etwa 10 o/o der Fortbewegung aus. Bevor wir auf die Biologisierung der Raumgestaltung zurückkommen, darf ich an einem einzigen Beispiel zeigen, daß die Tiergartenbiologie 2 18 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 nicht nur für das Bauen von Tierhäusern, sondern auch für den Gartenbau feste Regeln aufstellen muß, die zwar ebenso banal und selbstverständlich anmuten wie die vorher erwähnten Beispiele, jedoch in der Praxis immer noch nicht genügend Beachtung finden. Es handelt sich um das Anpflanzen giftiger Gewächse im Zoogelände, namentlich um die Eibe (Taxus haccata). Bisher traf ich merkwürdigerweise noch in jedem Tiergarten, den ich zu übernehmen hatte (Bern, Basel, Zürich) mehr oder weniger ausgedehnte Eiben-Pflanzungen, und ich weiß auch, daß es deswegen schon zu schweren Unfällen, z. B. zum Tod von Pferden von Lieferantenfuhrwerken gekommen ist. Da bei empfindlichen Arten schon das Fressen weniger Nadeln dieses gefährlichen Gewächses genügt, um selbst ein Großtier zu töten, ist der Nachweis einer Eibenvergiftung bei der Sektion gar nicht immer leicht zu erbringen, und ich möchte daher annehmen, daß die Vergiftungen in Wirk- lichkeit wesentlich zahlreicher sind, als allgemein angenommen wird. Jedenfalls kann ich keinen einzigen vernünftigen Grund für die Anpflan- zung von Eiben ausgerechnet in Zoologischen Gärten finden, wo sie nur eine Gefahr bilden können. Es sollte daher gleichfalls zum ABC der Tiergarten- biologie gehören, daß Eiben von Zoologischen Gärten strikte ausgeschlossen sind. Sie können nicht nur Einhufern, besonders Pferden, Ponys, Mauleseln, wahrscheinlich auch Zebras gefährlich werden, sondern — wie A. Stählin 1944 ausführt — auch Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen, Hunden, Ka- ninchen, Enten, Hühnern und namentlich Fasanen. Es ist mit großer Wahr- scheinlichkeit anzunehmen, daß die Liste der gefährdeten Tiere noch we- sentliche Ergänzungen erfahren wird. Der oft gehörte Hinweis, daß ja die Eiben nicht in den Gehegen selber angepflanzt seien, bildet keine hinreichende Entschuldigung, weil z. B. Ponys sich gelegentlich auch außerhalb der Gehege aufhalten, etwa beim Ziehen von kleinen Wagen, und vor allem, weil viele Zoobesucher nur zu rasch be-< reit sind, irgendwo etwas Grünes abzureißen, um es einem Tier zuzustecken. Die tiergartenbiologische Betrachtung der Eibe als mögliche Todes- ursache für Zootiere hat uns bereits an das Gebiet der Pathologie und der Veterinärmedizin herangeführt. Wie verschieden die Behandlung von Haus- tieren und Wildtieren zuweilen ist, weiß jeder, der schon mit kranken Ver- tretern dieser beiden Gruppen und mit Tierärzten zu tun hatte, die nur am Haustier ausgebildet waren, wie das begreiflicherweise für die meisten Tierärzte zutrifft. Die wachsende Zahl der Zoologischen Gärten und die Intensivierung der Tierpflege wird eine Vermehrung von Veterinären mit Wildtiererfahrung, also von Zootierärzten notwendig machen. Wie der Ar- chitekt, so ist auch der Veterinär im Zoo auf die Unterstützung durch den Zoologen angewiesen. Die Wildtiermedizin stellt daher einen wesentlichen Teil der Tiergartenbiologie dar. Das gilt auch für alle ihre Spezialgebiete, H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 19 ganz besonders für die Parasitologie, von der gleich noch die Rede sein wird. Johannes Dobber stein hat 1951 die Wichtigkeit der Befunde am Tier, besonders auch am Wildtier, für die vergleichende Pathologie unter- strichen. Die Unzahl der von den Pathologen festgestellten Todesursachen enthalten mehr als den Pathologen interessiert. Sie enthalten nämlich eine noch kaum andeutungsweise ausgewertete Fülle von Tatsachen, die auch tier- gartenbiologisch von größter Tragweite sind. Deshalb ist es verfehlt, wenn manche Pathologen die Auffassung vertreten, daß die Veröffentlichung der Todesursachen einzelner Individuen sinnlos sei; es gehe im Zoo vielmehr darum, durch Verbesserung der Ernährung und durch Fernhalten von In- fektionskrankheiten die Lebensaussichten des gesamten Tierbestandes zu erhöhen. Das ist schon deswegen eine verfehlte Auffassung, weil — wie wir ge- hört haben — schwere Verletzungen, also Tod durch Verhalten, eine der an erster Stelle stehenden Todesursachen sind. Ein Beispiel wird den gemeinten Sachverhalt illustrieren. Herbert Fox, der ehemalige Pathologe der Zoologischen Gesellschaft von Philadelphia, hat 1923 das umfassendste Werk — 668 Seiten — über die Krankheiten von Wildsäugern und -vögein in Ge- fangenschaft herausgegeben. Im Abschnitt über die Verletzungen des Ske- lettes (S. 343 ff.) stellt er auf Grund des riesigen, ihm vorliegenden Materials fest, daß es unter den Säugetieren besonders die Cerviden, Boviden und Cameliden sind, welche die zahlreichsten Frakturen aufweisen, wenn sie sich gegenseitig verfolgen und auf dem schlüpfrigen Boden hinstürzen. Fox er- wähnt auch Fälle von Beckenbrüchen durch Vergrätschung der Hinterextre- mitäten bei Antilopen. Als Pathologe zieht er aus seiner reichen Erfahrung bezeichnenderweise wörtlich den Schluß, „daß langbeinige Tiere, welche dazu eine Tendenz haben sich gegenseitig zu jagen, am meisten zu Frakturen neigen . . .". Der Tiergartenbiologe pflichtet dem durchaus bei, geht aber in seiner Schlußfolgerung viel weiter. Er benützt die statistischen Ergebnisse der Pa- thologen zur Prophylaxe und wird sich bemühen, die gefährdeten langbeini- gen Huftiere dadurch zu schützen, daß er ihnen eine Unterlage zur Verfü- gung stellt, auf der sie genügend Halt finden und nicht ausgleiten. Wohl je- der Tiergarten hat schon solche Huftiere durch Vergrätschung und Bein- frakturen verloren; aber nicht überall wurde die dem Tiergartenbiologen sich aufdrängende Konsequenz daraus gezogen und ein zweckmäßiger Boden eingebaut. Sehr oft verunglücken neugeborene Huftiere schon bei den ersten Auf Stehversuchen, wenn ihre Hinterbeine auf schlüpfriger Unterlage aus- einander gleiten. — Nicht bei allen Tieren aber ist die Unterlage schuld an Beinfrakturen: es gibt auch ganz anders bedingte Fälle, z. B. bei einem Raubtier, dem Serval. 2* 20 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 In mehreren Zoologischen Gärten sind mir bei dieser hübschen afrikanischen Katze auffällig zahlreiche Beinfrakturen bekannt geworden, die sich da- durch ereigneten, daß diese Bodenkatzen in Gefangenschaft an hohen Gittern emporklettern und dann herunterfallen. Durch Ausschalten solcher Kletter- möglichkeiten, lassen sich derartige Frakturen vermeiden. Das Beispiel der Frakturen genügt wohl um anzudeuten, wie viel äußerst wertvolle Fingerzeige die Tiergartenbiologie allein schon aus dem statistischen Material des Pathologen beziehen kann. Es können gar nicht genug Sektionsbefunde und Todesursachen veröffentlicht werden, und jeder Zoo sollte sich das eigentlich zur Pflicht machen, den Beispielen von Paris, London und Philadelphia zu folgen. Erst recht wertvoll für die klare For- mulierung tiergartenbiologischer Regeln sind natürlich größere Zusammen- fassungen, wie sie Fox inauguriert hat und von Patricia O'Connor, der Leiterin vom Staten Island Zoo, 1955 weitergeführt worden sind. Große tiergartenbiologische Aufgaben harren innerhalb der Wildtier- medizin, wie bereits angedeutet, auch der Parasitologie. Ich lasse wiederum nur ein einziges Beispiel zur Veranschaulichung folgen. Im Dezember 1954 und Januar 1955 verlor der Zürcher Zoo je eine Massai-Giraffe an einem 1951 aus Afrika mitgebrachten parasitischen Wurm — Monodontella giraffae — , der in den Gallengängen sitzt, dessen Entwick- lungszyklus noch völlig unbekannt ist und gegen dessen Befall es noch kei- nerlei Therapie gibt. Eine nahe verwandte Art — Monodontella okapiae — ist gleich unerforscht und hat im Jahre 1949 das Basler Okapi zu Grunde ge- richtet, dazu wahrscheinlich den größten Teil der Okapis, die man zu im- portieren versucht hat und die dutzendweise eingegangen sind (vgl. die Okapi- Sondernummer der Acta Tropica 1950, eingeleitet von H. He d ig er). In der Parasitologie der Wildtiere, die innerhalb der Tiergartenbiologie eine her- vorragende Rolle spielt, gibt es noch sehr viele Lücken zu schließen. — Es ist indessen ein Irrtum zu glauben, daß ein Zoo lediglich eine zoologische und eine tierpsychologische Angelegenheit sei. An Beispielen wurde bereits angedeutet, wie auch die Veterinärmedizin, die Bautechnik usw. in das Gebiet der Tiergartenbiologie hineinragen. Es wären noch viele weitere Sektoren aufzuzählen, etwa die Zooreklame (denn auch sie hat ihre biologische Grundlage), ferner die dem Zoo zukommenden Aufgaben des Tier- und Naturschutzes, der Lehr- und Forschungstätigkeit usw. Hier kann das unmöglich auch nur andeutungsweise behandelt werden, ebensowenig das Gebiet, welches in Amerika als als „Vandalism" bezeichnet wird, das sich mit all dem Unfug und den Schäden beschäftigt, die von böswilligen oder krankhaften Besuchern im Zoo angerichtet werden. Kein Zoo der Welt ist frei von solchen unerwünschten, oft sehr gefährlichen Elementen, deren Charakterisierung ich an anderer Stelle (H e d i g e r , 1950 S. 173 ff.) ver- sucht habe. — Hier nur wieder ein Beispiel: im Mai 1955 fanden wir im H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 21 Käfig eines von der Stadt St. Gallen im Zürcher Zoo eingestellten Löwen- Paares einen mit besonderem Raffinement hergestellten Gegenstand, näm- lich eine Korkscheibe, in deren Rand zahlreiche Stecknadeln senkrecht ein- gesteckt waren (Abb. 6). Der wahrscheinlich sadistisch veranlagte Täter hat wohl erwartet, daß die Tiere auf dieses gefährliche Ding treten und sich dabei verletzen würden. Glücklicherweise konnte es jedoch dank der Auf- merksamkeit des Wärters entfernt werden, bevor Schaden entstand. Was bis dahin ausgeführt bzw. eher nur angedeutet worden ist, mag zur ersten lockeren Umschreibung der vielseitigen Tiergartenbiologie genügen. Zum Schluß darf ich lediglich noch auf einen ihrer Sektoren zu sprechen kommen, den ich für besonders reizvoll halte, nämlich die Geschichte des Tiergartenwesens. Daraus möchte ich allerdings lediglich zwei Themen herausgreifen, die gleichzeitig geeignet sind, uns die nächsten Schritte in der Entwicklung der Tiergartenbiologie zu zeigen; ich meine damit die beiden Gegenstände, die man mit den Stichworten „Geschichte des Gitters" und „Vom Zwinger zum Territorium" überschreiben könnte. Der älteste Käfig, in dem Säugetiere von Menschen gehalten wurden, ist die Grube, wie sie uns heute noch gelegentlich in der Form des so- genannten Bärengrabens entgegentritt. Dem Typus nach ist aber dieser Bä- rengraben noch durchaus die Urform eines Wildtierraumes, also eine Grube im Sinne einer möglichst glattwandigen Vertiefung in die Erde. Aktuell ist diese Primitivform auch heute noch beim Tierfang in Gestalt der Fallgrube, in der etwa alle Okapis oder Panzernashörner gefangen werden, die in un- serer Zeit in Tiergärten gelangen. Der Graben, sehr oft ein Stück eines nicht mehr zur Verteidigung ver- wendeten Stadtgrabens, ist eine viel spätere und evoluiertere Form der Tier- haltung. Der typische Graben umschließt das Tier nur auf den beiden Längsseiten des Grundrisses durch gemauerte Erdwände, die Schmalseiten abei sind bereits durch ein neues, entscheidendes Element der Absperrung, die Urform des Gitters, abgeriegelt, nämlich durch Palisaden, d. h. dicke, oben oft zugespitzte Holzbalken. In vielen Schweizerstädten (z. B. Bern, Lu- zern, Zürich) erinnert die Straßenbezeichnung „Hirschengraben" noch an diese Zweitälteste Form der Groß- Säugetierhaltung. Der nächste entscheidende Schritt bestand darin, daß das Tier im buch- stäblichen wie im übertragenen Sinne aus der Versenkung herausgeholt und auf derselben Ebene wie der Mensch gehalten wurde. Das bedingte eine viel ausgedehntere Anwendung der Palisaden, welche das Tier nun auf allen Sei- ten umgeben mußte. Solche Palisadengehege finden heute noch Anwendung bei der Eingewöhnung von Großtieren in Fanglagern (z. B. Okapi, Gorilla) oder in Gestalt der großen Kraale beim Elefantenfang in Indien. In den 22 Zeitschrift für Säugetierkuude, Bd. 21, 1956 Tiergärten sind sie heute fast ganz verschwunden; 1945 waren sie noch ausgiebig vorhanden, z. B. im Tierpark Lange Erlen in Basel (Klein-Basel). Mit der Haltung des Tieres auf der Ebene des Menschen fiel die Mög- lichkeit des Herabsehens auf die Tiere von oben weg, wie sie noch bei Grube und Graben bestanden hatte. Für den Besucher gab es nun keine andere Möglichkeit mehr, als durch die engen Lücken der Palisaden hindurchzu- blicken. Ganz neue Aussichten bot dann die Verdrängung des relativ wei-. chen Holzwerkes durch solide Eisenstäbe, die wegen ihrer viel größeren Festigkeit entsprechend dünn sein konnten und das Betrachten der Tiere optisch sehr erleichterten. — Aus dem schweren Eisengitter entwickelte sich dann das optisch noch viel weniger störende zähe Drahtgeflecht bis zum extrem dünnen, für Kleinvögel fast haardünnen, Stahldrahtgeflecht in festen Rahmen. Je durchsichtiger das Material wurde, desto mehr wuchs die Ge- fahr, daß das frisch gefangene oder in anderen Räumen gehaltene Tier, das Absperrungsmittel gar nicht mehr wahrnahm und unter Umständen mit voller Wucht hineinraste. Deswegen müssen ganz feine Absperrungs- mittel, ebenso wie Glasscheiben für das Tier am Anfang oft mit breiten Papierstreifen auffällig gemacht werden, um ein lebensgefährliches Anrennen zu vermeiden. Noch während der Blütezeit des Eisenstabgitters setzte zu Beginn un- seres Jahrhunderts eine divergente Entwicklung ein auf Grund der genialen Hagenbeck sehen Konzeption der sogenannten Freianlagen, an deren er- ster Verwirklichung der Zürcher Bildhauer und Tierfreund Urs Eggen- sch w i 1 e r (1849 — 1923) wesentlichen Anteil hatte. Es entstand ein neuer, nach Genese und Funktion vom alten vollkommen verschiedener Graben, nämlich der Absperrgraben im Gegensatz zum Wohngraben. Den Absperrgra- ben gibt es in zwei Varianten, nämlich als Trocken- und als Wassergraben. In keinem Fall soll das Tier in ihm wohnen, sondern dieser neue Graben- typus dient lediglich der Trennung zwischen Tier und Mensch. Das Tier wohnt auf einer Plattform, die gegenüber dem Beschauer gerne etwas er- höht wird, um das Tier mächtiger und imposanter erscheinen zu lassen. Bei leistungsfähigen Springern, aber, z. B. Großkatzen, wird die Plattform etwas niedriger gehalten, um das überspringen des Grabens zu erschweren. Daß bei der Konstruktion solcher Absperrgräben auch heute noch be- dauerliche tiergartenbiologische Fejhler gemacht werden, zeigt der tragische Tod des New Yorker Gorillas Makoko — des einzigen bis heute in Gefangen- schaft geschleohtsreif gewordenen Gorillamannes — der 1951 im Bronx Zoo im wassergefüllten Absperrgraben ertrank. — Man hatte nicht berücksich- tigt, daß kein Menschenaffe angeborenermaßen schwimmen kann. — Das Beispiel zeigt, daß wir auf dem Gebiet der Tiergartenbiologie noch viel zu lernen und zu suchen haben. Als neues Absperrmittel für bestimmte Vogelarten in kleinen Räumen H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 23 wurde kurz vor 1950 in einigen Tiergärten die Lichtschranke angewandt und 1930 führte der St. Louis Zoo (Missouri) die Absperrung großer Vogel- räume auf Grund eines starken ökologischen Gefälles zwischen Tier- und Publikumsraum ein. Philadelphia übernahm dieses gefällige System im Jahre 1949 und im August 1954 wurde der erste offene Flugraum dieser Art im Zürcher Zoo in Betrieb genommen. — Das war in Zeitrafferdarstellung die Entwicklungsgeschichte des Gitters seit den Anfängen der Wildtierhaltung, wenigstens ein Gerüst, in dem z. B. auch die Verwendung des Glases in seinen verschiedenen Qualitäten einzu- fügen wäre. Eine Einzelheit der Eisenpalisaden muß aber doch noch kurz angeführt werden; sie bezieht sich auf die Spitzen. Bis vor wenigen Jahr- zehnten und Jahren hat man oft an solchen Eisenkäfigen die Spitzen gegen innen, also gegen das Tier umgebogen und dadurch das Unheimliche und Unbiologische solcher Zwinger noch gesteigert; hunderte von Spitzen sind gegen das Tier gerichtet. Heute ist man glücklicherweise von dieser ebenso unästhetischen wie unbiologischen Bauweise abgekommen. Man hat den Tierräumen das genom- men, was buchstäblich eine Spitze gegen das Tier hatte, selbst an den Rän- dern der Elefantenplattformen, wo ganze Felder kurzer Spitzen die Tiere am Weglaufen hindern sollten (Abb. 7), hat man sie fast überall abgebaut, weil sie für die Tiere — vom Publikum immer wieder zu den riskiertesten Gewichtsverlagerungskünsten verlockt — viel zu gefährlich waren. Es kam zu zahlreichen schweren Verletzungen und sogar zu einzelnen Todesfällen. Auch im Zürcher Zoo sind diese verhängnisvollen Eisenzacken schon vor Jah- ren verschwunden bis auf einen stachelbesetzten Eisenbalken zum Absperren des Badebassins — und an ihm hat sich im Frühjahr 1955 die Elefantenkuh Valaya schwer verletzt bei einem Versuch, ihn zu übersteigen. Die Bauch- haut war an mehreren Stellen perforiert und erforderte eine monatelange Behandlung. Die Eisenspitzen waren eines der bezeichnendsten und im buchstäblichen Sinne hervorragendsten Attribute jener Kategorie von Tierräumen, die mit Recht „Zwinger" genannt wurden. Es waren keine Wohnungen, sondern be- denkliche, meist auch sehr enge Gefängnisse. In der letzten Zeit mehren sich, z. T. auf Grund fruchtbarer Impulse aus der Verhaltensforschung, die Bemühungen, den Tieren im Zoo statt Zwinger, Territorien zur Verfügung zu stellen. Das hat u. a. zur Folge, daß die Bewegungsstereotypien seltener und die Zuchterfolge häufiger geworden sind. — Vom Standpunkt der Tiergartenbiologie aus wäre es im höchsten Grade wünschenswert gewesen, wenn einer der älteren Zoos, etwa Wien- Schönbrunn oder der Jardin des Plantes in Paris sich hätte entschließen können, einen besonders typischen Teil aus der alten Zeit gewissermaßen, als Zoo-Museum zu konservieren (ohne darin Tiere zu halten). Für mich 24 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 besteht kein Zweifel, daß eine derartige historische Ausstellung mit jedem Jahr an Schauwert gewinnen würde. Da, wie an anderer Stelle ausgeführt (Hediger, 1950), im Zoo die Tiere mit Futter versorgt werden und nicht Selbstversorger zu sein brau- chen, können sie mit erstaunlich kleinen Räumen auskommen, die vielleicht 1000 oder 10 000 mal kleiner sind als ihre Territorien im Freien. Angesichts dieser gewaltigen Diskrepanz hat man sich im Zoo lange darauf be- schränkt, nach Überwindung des Zeitalters der Zwinger dem Tier lediglich eine größere Raumquantität zur Verfügung zu steilem und darüber wurde vielfach übersehen, daß es dem Tier weniger auf die Raumquantität als auf die Raumqualität ankommt, also auf die Inneneinrichtung des Territoriums. Hier liegt aber der wesentliche Unterschied zwischen Käfig im alten Sinne und biologischem Tierwohnraum, in dem sich das Tier wie ein Grund- besitzer in einem zwar verkleinerten, aber alle wesentlichen Elemente ent- haltenden Territorium fühlen soll. Das sogenannte Nest bzw. die Schlafkiste, der Liege- oder Kletterast und das Bad sind die drei klassischen Einrichtun- gen, mit denen allenfalls ein Käfig ausgerüstet wurde. Der Kratzbalken bei Großkatzen und ein Wühlwinkel für Grabtiere kamen gelegentlich hinzu, mancherorts auch Fegebäume für Hirsche usw. Aber von einer wirklich biologischen Ausstattung der an sich kahlen Räume zu künstlichen Territorien im Zoo sind wir noch weit entfernt. So wird selten geeignetes Material zum Markieren, also zum Anbringen von Duftmarken, kleinen Sekretportionen aus verschiedenen Hautdrüsen ge- boten, etwa in der Gestalt von Zweigen oder Ästen. Man kann beispielsweise immer noch Rudel von Hirschziegenantilopen sehen, die keinerlei Möglichkeit haben, ihr Antorbitaldrüsensekret als Besitzmarke anzubringen. Auf meiner letzten Afrikareise 1948 ist es mir im Kongo aufgefallen, eine wie hervorragende Bedeutung Termitenstöcke für die Hautpflege ver- schiedener Großtiere haben, so bei Zebras, Büffeln, Antilopen, Elefanten usw. Ein erster Versuch mit einem künstlichen Termitenstock in einem Gehege mit Grantzebras hat sich glänzend bewährt. Die Tigerpferde benützten diese willkommene Bereicherung ihres Wohnraumes tatsächlich vom ersten Tag an, genau wie im Freien. Auch im Gehege findet man am Fuße der Termiten- burg massenhaft die abgescheuerten Haare. Daß auch indische Elefanten ganz entsprechend wie die afrikanischen sehr gerne Termitenstöcke benützen, um sich ausgiebig daran zu scheuern, hat sich soeben im Zürcher Zoo gezeigt, wo die beiden großen Tiere ihre künstliche Termitenburg vom ersten Tag an in Gebrauch genommen ha- ben (Abb. 8). Was den erwähnten Kratzbaum bzw. Kratzbalken für Großkatzen anbe- trifft, so wird er teils als liegender Baumstamm, teils als Kletterbaum, teils H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 25 als an die Käfigwand montierter Abschnitt dargeboten. Im Freien spielen solche Kratzbäume, als wichtige Bestandteile der Inneneinrichtung, eine her- vorragende Rolle. Nur im Freien finden wir die vom Tier optimal ausge- wählten Bäume, die uns als Muster für die Nachbildung möglichst günsti- ger Verhältnisse in Gefangenschaft dienen können. Im Außenkäfig der Tiger im Zürcher Zoo wählten die Tiere ganz ent- sprechend wie im Freien unter zwei anscheinend gleichen Bäumen einen aus; Nur diesen benützten sie zum Kratzen (Abb. 9), der andere wird seit Jahren, also seit seinem Einbau in den Käfig, nie benützt. Die höchsten Kratzspuren finden sich in einer Höhe von 235 cm über dem Boden, die niedersten in 115 cm Höhe, das Maximum in 180 cm Höhe. Bei den Leoparden ergeben sich andere Zahlen: Höchste Spuren in 155 cm Höhe Zahlreichste Spuren in 120 cm Höhe Niedrigste Spuren in 50 cm Höhe Was bei diesem, dem äußeren Verlauf nach scheinbar so bekannten Kratzen — meist verbunden mit Sichstrecken — bei den Großkatzen im einzelnen an den Krallen geschieht, wird vielleicht noch etwas unterschätzt. Eis werden nämlich durch das aktive Vorziehen der Krallen und das Einhaken ins Holz bei starkem Zug mit den Vorderextremitäten unter Umständen Krallensplitter von 3 — 4 cm Größe von den Seiten der Krallen abgerissen (Abb. 10, 11), oft samt der faserig gewordenen Spitze, so daß aus diesem Verhalten tatsächlich eine überraschende Wetz- und Spitzwirkung resultiert. — Am Fuße der Kratzbäume von Großkatzen sammeln sich oft ansehnliche Häufchen solcher Krallensplitter an. Hat das Tier in Gefangenschaft keine oder nur ungenügend Gelegenheit zu dieser natürlichen Krallenpflege, so kann es — ähnlich wie bei den Hufen der Huftiere — zu übertriebener V erlängerung kommen. Im Gegensatz zu den Hufen aber wachsen die Krallen im Bogen in die Ballen hinein, wo sie nicht nur zu Schmerzen, sondern auch zu gefährlichen Infektionen Anlaß geben kön- nen. Dann gibt es nur noch die künstliche Entfernung mit der Zange, die sehr oft mit allerlei Umständen und Risiken verbunden ist. — Die Schau- stellung operativ entkrallter Raubtiere, wie sie von einzelnen Tierhandlun- gen empfohlen wird, ist als unbiologisch zurückzuweisen. Andere Tiere brauchen ebenso dringend morsches Holz zum Nestbau, Kieselsteine von bestimmter Größe als Verdauungshilfe, Fasermaterial zum Herrichten eines Lagers, einen aufragenden Stein als Warte oder noch hundert andere Dinge, die sie in ihrem natürlichen Territorium finden, die ihnen aber in Gefangenschaft fehlen. — Das sind nur wenige Beispiele- um anzudeuten, daß wir im Zoo nie ruhen dürfen, nach weiteren Elementen zu forschen, deren das Tier bedarf, um sich zuhause zu fühlen. 26 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Viele Tiere brauchen ein Heim, ein Schlupfloch, in welches sie sich zu- rückziehen und sich verbergen können. Das ist dann fatal, wenn dieser Rück- zug aus dem Gesichtsfeld der Besucher sich am Tage abspielt. Mit Rücksicht auf das Publikum wird dann zuweilen ein solches Heim verweigert. Versuche im Zürcher Zoo mit etwa katzengroßen Säugetieren, wie z. B. Katzenfrett (Bassariscus astutus), haben zu einem Kompromiß geführt, der sich für alle Beteiligten bisher zu bewähren scheint. Es werden nämlich Schlafkästen mit indirektem Eingang verwendet, d. h. das Tier kann nur durch einen der Schmalseite entlangführenden kurzen Gang das Innere erreichen und nicht direkt durch eine Öffnung. Nun kann die den Beschauern zugekehrte Holz- wand der künstlichen Höhle mit einer Plexiglasscheibe ausgetauscht werden^ so daß die im Innern ruhenden Tiere das Gefühl der Geborgenheit behalten und für den Besucher doch sichtbar sind. — Bei empfindlichen Tieren kann die Plexiglasscheibe zunächst mit Papier beklebt sein, das dann allmählich stückweise entfernt wird. — Zusammenfassend darf ich festhalten, daß es mir hier vor allen Dingen darum ging zu zeigen, daß auf dem Gebiete der Wildtierhaltung im Zoo noch ein gewaltiges biologisches Material brachliegt und der sytematischen Bearbeitung und Einordnung harrt. Zoologische Gärten sind heute noch sehr heterogen in bezug auf Entstehung, Organisation, Zielsetzung, wissenschaft- liche Tätigkeit usw. Es fehlt noch die Intensität der Aufzeichnung, des Er- fahrungs- und Gedankenaustausches, die notwendig ist, damit die Tierhal- tung im Zoo, die noch mancherlei altertümliche Züge trägt, diejenige um- fassende Geschlossenheit auf wissenschaftlicher Grundlage erreicht, wie sie die Tiergartenbiologie anstrebt. Es wird noch zu viel nach Einzelrezepten, ja sogar nach Geheimrezepten gearbeitet, anstatt nach allgemein geltenden Grundsätzen. Ist es nicht im höchsten Grade eigenartig, daß es zwar ein kaum mehr zu überschauendes Schrifttum über Haustiere, ihre Herkunft, Haltung, Zucht, Verwendung usw. gibt, aber noch immer kein umfassendes Werk über Tier- gartentechnik bzw. Tiergartenbiologie? Eine überaus reiche und wertvolle Materialquelle bilden hier zusammen mit seinen zahlreichen eigenen Bei- trägen die von Karl Max Schneider seit Jahrzehnten betreute und aufs umsichtigste geleitete Zeitschrift „Der Zoologische Garten". — Wohl stellt die Tiergartenbiologie nur einen kleinen, aber im Hinblick auf das Tier als lebendiges, empfindendes, unnachahmliches Wesen berech- tigten, verpflichtenden Teil der angewandten Biologie dar. — Trotz ihrer Kleinheit bedarf die Tiergartenbiologie wegen ihrer Vielseitigkeit zahl- reicher Stützen. Unter diesen nimmt die Verhaltensforschung, wie sie ge- rade auch aus dem Kreise der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde so entscheidend gefördert wird, eine Stellung von besonderer Dringlichkeit und Fruchtbarkeit ein. H. HEDIGER, Tiergartenbiologie und vergleichende Verhaltensforschung 27 Zusammenfassung 1. Die Tiergärten werden dargestellt als Bestandteile des modernen Großstadt- Biotopes des Menschen einerseits und als in einem Parareal gelegene Para- tope des Tieres andererseits. 2. Die Tiergartenbiologie — als ein neuer Zweig der angewandten Biologie — beschäftigt sich grundsätzlich mit allen bei der Wildtierhaltung auftre- tenden Phänomenen von biologischer Bedeutung. Sie synthetisiert aus vie- len Einzeldisziplinen die für den Zoo bedeutsamen Elemente und formu- liert durch die Zusammenfassung — oft banaler — Alltagserfahrung Re- geln und Gesetze, mit deren Hilfe und aus denen sich die wissenschaft- lichen Fundamente für die Wildtierhaltung im Zoo aufbauen lassen. 3. Besondere Wichtigkeit kommt im Rahmen der Tiergartenbiologie der Verhaltensforschung bzw. der Tierpsychologie zu. „Tod durch Verhalten" steht an erster oder zweiter Stelle unter den heute für die Wildtiere im Zoo verantwortlichen Todesursachen. 4. Eine durchgreifende Biologisierung, d. h. eine Ausrichtung entsprechend den Anforderungen der Tiergartenbiologie tut vor allem auch der Bau- technik im Zoo not, erst recht was die bisher oft zu wenig beachtete Inneneinrichtung der Tierräume anbetrifft. Diese sollen im Prinzip nicht abstrakte Kuben, sondern künstliche, verkleinerte, aber mit allen wesent- lichen Elementen versehene Territorien sein. Literatur: Carpenter, CR., (1940). — A Field Study in Siam of the Behavior and Social Relations of the Gibbon (Hylobates lar). — Comp. Psych. Monogr. 16, Nr. 5 Ser. 84. D ob berstein, J., (1951). — Wesen und Aufgaben einer vergleichenden Patho- logie. — Sitzber. deut. Akad. Wiss. Berlin. Fox, H., (1923). — Disease in captive wild mammals and birds. — Philadelphia. H e d i g e r , H., (1944). — Biologische und psychologische Tiergartenprobleme. ^ Vierteljahressch. Naturf. Ges. Zürich, 89, 92—108. Hediger, H., (1959). — Wild Animals in Captivity. 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Wir unter- scheiden sie dadurch von allen jenen Verhaltensweisen, die als reine Epi- phänomene einen Erregungszustand begleiten, wie diverse übersprunghe- wegungen oder vegetative Erscheinungen (Erröten, Harnen, Koten, Zittern, Erbrechen u. a. m.) die zwar ebenfalls eine bestimmte Erregungslage charak- terisieren können, aber nicht eigens im Dienste dieser Signalfunktion zu „Auslösern" ^) differenziert wurden und die wir als undifferenzierte Ausdrucksformen bezeichnen. Sie können im Laufe der Stammesge- schichte eine Ausdrucksfunktion erhalten. Die Ausdrucksbewegungen zeigen alle Merkmale echter Instinkthand- lungen, nämlich weitgehend erfahrungsunabhängiges Heranreifen im Laufe der Jugendentwicklung, Spontaneität, Auslösung durch spezifische Schlüssel- reize und Formkonstanz des Bewegungsablaufes 3), wodurch sie eine be- stimmte systematische Einheit (Art, Gattung, Familie usw.) kennzeichnen. Dem Kriterium der Formkonstanz widerspricht die häufig beobachtete Viel- falt tierischen Ausdruckes nur scheinbar. Lorenz (1952) zeigte, daß Über- lagerung sehr weniger Instinktbewegungen bereits eine sehr große Variabili- tät des Ausdruckes ergibt, die dennoch nur auf der quantitativen Veränder- lichkeit im übrigen invarianter Verhaltensweisen beruht, überlagern sich z. B. die beiden Bewegungen der Kampf- und der Fluchtintention in der Hunde- mimik, so ergibt dies bei jeweils drei Intensitätsstufen bereits neun verschie- dene Möglichkeiten des Gesichtsausdruckes. Hand in Hand mit der Ausbildung von Ausdrucksbewegungen geht meist auch die Differenzierung einer entsprechenden Empfangsapparatur beim Art- genossen, der auf Grund dieses „angeborenen auslösenden Mechanismus" 1) Vorgetragen auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft f. Säugetierkunde in Bonn am 4. August 1955. 2"» Auslöser sind sowohl morphologisiche Strukturen als auch Verhaltensweisen mit Signalfunktion. 3) über die Begriffe der vergleichenden Verhaltensforschung s. Lorenz (1952), und Eibl-Eibesfeldt (1956). 30 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 (vgl. Fußnote S. 29) auch ohne vorangegangene Erfahrungen in arterhaltend sinnvoller Weise auf die adäquate Reizsituation reagieren kann. Das muß allerdings nicht immer so sein. Nach Antonius (1939) verstehen Urwild- pferdstuten die Drohmimik des Hengstes erst nach einigen negativen Er- fahrungen. Die Phylogenie der Ausdruckshewegungen können wir durch verglei- chende Beobachtungen rekonstruieren. Während wir von den Vögeln in dieser Hinsicht bereits ein reiches Tatsachen wissen haben, sind unsere Kenntnisse bei Säugern noch recht lückenhaft, immerhin sind wir heute bereits in der Lage, einige Hinweise zu geben. 1. Von Instinktbewegnngen abgeleitete Aiisdriicksbewegungen Instinktbewegungen kennzeichnen sehr oft die Stimmungslage eines Tieres. Sie wurden daher wiederholt zu Ausdrucksbewegungen umgebildet. Hautpflege z.B. drückt stets soziale Kontaktbereitschaft aus; einander feind- liche Tiere putzen sich nie gegenseitig. Daher wurden diese Bewegungen des Fellkämmens und -Beleckens wiederholt zu Grußgebärden, so bei Hunden oder Dachsen (Eibl-Eibesfeldt, 1950 a). Verschiedene solitäre Nager, die sich normalerweise nie putzen, tun dies bei der Balz. Männchen über- winden so die Kontaktscheu des Weibchens (Eibl-Eibesfeldt, 1953, 1951). Weitgehend ritualisiert ist die Geste beim Mongoz-Maki (Lemur mon- goz ) der nach Lorenz (mündlich) zur Begrüßung die Bewegung des Fell- Kämmens und -Beleckens mit vorgeschobenem Unterkiefer in die Luft macht. — Aus echter Flucht wurde die symbolisierte Flucht verschiedener Säugerweibchen („Sprödigkeitsverhaltea") mit der neuen Funktion, das Nach- folgen des Männchens auszulösen (Antonius, 1939 u. Eibl-Eibes- feldt, 1951 a, 1953). Bisweilen werden jugendliche Verhaltensweisen zu Ausdrucksbewegungen sozialer Kontaktbereitschaft. Das werbende Hamster- männchen ruft täuschend ähnlich einem Jungtier, wenn es einem Weibchen folgt. Viele Ausdrucksbewegungen entstanden aus „I n t e n t i o n s b e w e ^ g u n g e n", das sind schwache Ausbildungsgrade von Instinkthandlungen, die deren vollem Ablauf vorangehen. So ist Sich-Ducken bei vielen Raubtieren ein Bestandteil des Angriffsverhaltens. Bei niederer Intensität oder auch, wenn entgegenwirkende Impulse hemmen, bleibt es bei dieser Intention. Sie deutet an, was das Tier unternehmen will. Ranghohe Wölfe schüchtern durch solche „Überfallsdrohung'* (Schenkel, 1947) Rangniedere ein. Bei Arten, die sich zum Angriffssprung aufrichten, wurde entsprechend Sich- Auf richten zur Drohstellung, so bei Hamstern (Cricetus cricetus L.) deren auffälliges bauchseitiges Zeichnungsmuster, das nach P e t z s c h (1951) an einen offenen Rachen erinnert, möglicherweise eine im Dienste der Reiz- 1. EIBL-EIBESFELDT, Ursprung von Ausdrucksbewegungen bei Säugetieren 31 Sendung differenzierte morphologische Struktur ist. In ähnlicher Weise wurden aus Zubeißintentionen die Drohgesten des Zähnefletschens. Manche Drohgesten lassen sich aufeinander widerstreitende Lokomotionsintentionen des Angreifens und Flüchtens zurückführen, so z. B. die ritualisierten Schein- angriffe des Iltis (Putorius putorius L.), der den Gegner anspringt, unmittel- bar vor ihm aber in mimisch übertriebener Weise scharf abbremst („Im- ponierbremsen"), wobei er den schrillen Drohlaut äußert und die Anal- drüsen entleert. Das „Imponierlaufen" der Eichhörnchen {Sciurus vulgaris L.) setzt sich, wie andernorts ausgeführt (1951 a), aus einer ganzen Reihe solcher plötzlich abgebremster und stark übertriebener Einzelsprünge zu- sammen, die durch rhythmische Schwanzbewegungen und Lautäußerungen in auffälliger Weise unterstrichen werden. Nähert sich das drohende Eich- hörnchen einem Widersacher, so werden mit der zunehmend stärker akti- vierten Fluchtintention die Einzelsprünge immer kürzer, bis das Tier schließ- lich auf der Stelle läuft. Man beobachtet dieses Verhalten auch in spon- tanem „Leerlauf", was auf eine endogene Erregungsproduktion für diese weitgehend ritualisierte Bewegung hinweist. In manchen Konfliktsituationen treten Bewegungen auf, die nichts mit den der Stimmungslage des Tieres normalerweise entsprechenden Bewegungen zu tun haben. Kämpfende Hähne picken z. B. zwischen den Kampfrunden wie bei der Nahrungsaufnahme, allerdings ohne zu fressen, gegen den Boden. Da diese „Übersprungbewegungen" in bestimmten Konfliktsituationen ziemlich regelmäßig ablaufen, können sie ebenfalls zu Ausdrucksbewegungen werden, was zahlreiche Untersucher (u. a. Lorenz 1941 und Tinbergen 1952) bei Vögeln feststellten. Nur wenig entsprechendes ist bei Säugern be- kannt. Das Zähnewetzen vieler Nager (Drohgeste) ist wohl ein ühersprung- Nagen ins Leere (Eibl-Eibesfeldt, 1953). Bei Pavianen wurde ein übersprunggähnen zur Drohgeste, ein Zusammenhang, den bereits Darwin (1887) sah. Leyhausen (mündlich) berichtete mir, daß das als Über- sprungbewegung unter den Katzen so weit verbreitete Krallenschärfen bei einigen Arten zur Drohgeste wurde. 2. Primäre Ausdrucksbewegungen Eine Reihe von Ausdrucksbewegungen lassen sich nicht auf andere Erb- koordinationen zurückführen, sie sind primär im Dienste der sozialen Kom- munikation neu entstanden. Das gilt z. B. für die Demonstrationsbewegungen (Tinbergen 1952) die nicht auf präexistenten Erbkoordinationen aufge- baut sind, sondern die sich entwickelten, um eine Struktur mit vorhandener auslösender Reizwirkung besonders auffällig darzubieten. So stellt z. B. das Stichlingsweibchen seinen mit Laich geschwollenen Bauch durch eine be- sondere Bewegung auffällig zur Schau. Dem vergleichbar wären die Präsenz 32 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 tierbewegungen verschiedener brünstiger Säugerweibchen. Auch vegetatives Ausdrucksverhalten gab häufig Anstoß zur Entwicklung besonderer präsen- tierender Ausdrucksbewegungen. 3. V»n vegetativen Epiphänomenen der Erregung abgeleitetes Ausdrucksverhalten Nicht nur Instinktbewegungen können im Laufe der Stammesgeschichte zu Ausdrucksbewegungen werden, wie dies besonders auf dem Umwege über Intentionsbewegungen und Übersprungbewegungen häufig geschieht. Schlech- terdings jedes Epiphänomen eines Erregungszustandes, das für den Artge- nossen wahrnehmbare Reize aussendet (Haarsträuben, Harnen, Koten, Er- röten, Zittern, verstärkte Drüsensekretion usw.) kann in analoger Weise eine Ausdrucksfunktion entwickeln, vorausgesetzt, daß es den betreffenden Ge- samtvorgang genügend regelmäßig begleitet und eindeutig charakterisiert. Die Farbwechselreaktionen vieler Fische (die verschiedenen Farbkleider sind Auslöser), Weinen, Erröten und Erblassen, sind Beispiele für solch ein ve- getatives Ausdrucksverhalten. Selbst Pupillenreaktionen können zu Auslösern differenziert werden, wie König (1951) bei der Bartmeise sah : das balzende Männchen verengt die Pupille rasch, so daß die gelbe Iris wie ein Leuchtsignal aufblitzt. Auch bei diesen nicht aus anderen Bewegungs- koordinationen entstehenden Ausdrucksformen erfolgt die Differenzierung im Sinne der Vergrößerung ihrer Signalwirkung, häufig auch durch unter- stützende morphologische Merkmalsbildung. Dort wo Haare maximal ge- sträubt werden, bildeten sich häufig Mähnen aus. Erröten mag häufig Anlaß zur Ausbildung von nackten, stark vascularisierten Körperstellen (Paviane u. a.) und Schwellkörpern gewesen sein, und starke Drüsen- sekretion oder Harnen und Koten führte zur Ausbildung von Duftdrüsen beziehungsweise speziellen Verhaltensweisen des Duftmarkierens mit Kot und Harn. Viele erregte Affen harnen und benässen dabei ihre Hände. Kapuzineraffen (Cehus) und Halbaffen (Galago, Nycticebus, Loris) harnen gezielt in die Hände und verteilen den Harn auf die Fußflächen. Beim Klettern hinterlassen sie dann deutliche Duftmarkierungen (Eibl- E i - besfeldt, 1953b). Auch zufällige unkoordinierte Bewegungsweisen, wie allgemeines Zittern, können durch „Ritualisierung" zu neuen Erbkoordi- nationen werden. Bei vielen erregten Nagern beobachten wir ein fein- schlägiges Schwanzzittern, ohne jede Signalfunktion. Bei der Hausmaus ist diese Bewegung bereits eine Drohgeste; die seitlichen Schwanzaus- schläge sind verstärkt und durch schnelles Streifen über die Unterlage ent- steht ein rasselndes Geräusch. Eine formal gleiche und wahrscheinlich ganz ähnlich entstandene Bewegung hat das Stachelschwein (Hystrix). Bei ihm schlagen die Stacheln laut rasselnd aneinander, was an das konvergent ent- L EIBL-EIBESFELDT, Ursprung von Ausdrucksbewegungen bei Säugetieren 33 standene Schwanzrasseln verschiedener Crotaliden erinnert. Beim Eich- hörnchen ist eine entsprechende Schwanzbewegung auf optische Wirksamkeit differenziert (näheres s. Eibl-Eibesfeldt, 1951 a, b, 1950). Es ist sehr merkwürdig, daß diese Verhaltensweisen, die ursprünglich durchaus keine Instinktbewegungen waren, durch „Ritualisierung" zu solchen werden. Der physiologische Prozeß, der dabei stattfindet, ist uns völlig unbekannt. Daß viele Drohlaute ebenfalls von vegetativen Epiphänomenen der Er- regung abzuleiten sind, führte ich an anderer Stelle (1953) aus. Jedes er- regte Tier atmet schneller (gesteigerter Stoffwechsel). Das sprichwörtliche „Wutschnauben" ist also zunächst ein reines Beiprodukt. Es kann aber über- trieben und ein regelmäßiger Bestandteil des Drohgehabens werden. Beim drohenden Hamster wechselt Inspirations- und Exspirationslaut im Atem- rhythmus, ebenso bei vielen anderen. Fauchende Drohlaute wurden konver- gent in verschiedenen Wirbeltiergruppen entwickelt (Säuger, Vögel, Repti- lien), da überall die gleiche physiologische Grundlage gegeben war. Eine Ausdrucksbewegung kann im Laufe der Stammesentwicklung eine neue Funktion übernehmen und dabei ihre alte Aufgabe ganz oder zum Teil verlieren. So wurden Ausdrucksbewegungen des weiblichen Paarungsver- haltens bei vielen Affen zur Gruß- und Demutsgebärde umgewandelt. Weib- liche Paviane wenden dem Artgenossen ihr während der Brunft oft auffällig verändertes Hinterteil zu. Das gleiche tun aber auch Paviane beiderlei Ge- schlechtes als Unterwürfigkeitsgebärde jedem Ranghohen gegenüber. Rhesus- Affen grüßen und fordern so auch zur Hautpflege auf (W ö r n e r 1940). In einer neueren Arbeit von B o p p (1954) wird bezweifelt, daß dieses Ver- halten von sexuellem abzuleiten sei, biete sioh doch das brünstige Weibchen auch dem gleichgeschlechtlichen Artgenossen an. Solches tun aber sehr viele Säugerweibchen in eindeutig sexueller Stimmung. Außerdem ist das Präsen- tieren der Analregion eine so weit verbreitete Geste der Paarungsaufforde- rung, daß man bei vergleichender Betrachtung an ihrer ursprünglichen Be- deutung kaum zweifeln kann. Hamstermännchen (Cricetus cricetus L.) machen die weibliche Präsen- tierbewegung, wenn sie von einem Weibchen bedrängt werden, als Geste der Unterwerfung. Einmal differenzierte Ausdrucksbewegungen gehen unter Umständen ziemlich konservativ durch die Stammesgeschichte. So droht nach Antonius (1939) der Muntjak (Muntiacus muntjak), eine in manchen Punkten, z.B. durch den Besitz hauerartiger oberer Eckzähne, primitive Hirschart, indem er augenrollend und zähneknirschend die dolchförmig hervorragenden Eck- zähne zeigt. Diese Drohgeste wurde konservativ auch von jenen Hirschen beibehalten (Rusa-Hirsche, Dybowski-Hirsch), die nicht mehr wie der Munt- jak mit den Zähnen kämpfen. Die Erbkoordination hat die Reduktion des ursprünglich gezeigten Organes überdauert. s 34 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Außer den bisher besprochenen angeborenen Ausdrucksbewegungen gibt es auch erlernte. Zootiere stellen z. B. durch bestimmte Bettelgebärden den Kontakt mit dem Pfleger her. Wir gehen darauf an anderer Stelle ausführ- licher ein. Nach ihrer Funktion können wir vier größere Gruppen von Aus- drucksbewegungen unterscheiden, a) Das Droh- und Imponiergehaben. b) De- mutsgebärden, c) Ausdrucksbewegungen sozialer Kontaktbereitschaft (Werbe- und Grußzeremonielle) d) Alarmsignale e) Ausdrucksbewegungen für den in- terartliöhen Verkehr. Auch sie werden an anderer Stelle ausführlich be- sprochen (Eibl-Eibesfeldt, i. Druck). Es seien zum Abschluß nur einige Bemerkungen über die Ausdrucksbewegungen des Menschen gestattet. 4. Die Ausdrucksbewegjungen des Menschen Bei den menschlichen Ausdrucksbewegungen ist eine Scheidung von An- geborenem und Erworbenen, da beides innig miteinander verschränkt ist, äußerst schwierig. In einzelnen Fällen ist es jedoch möglich, und hier können wir dann erkennen, daß auch die Entwicklung der menschlichen Ausdrucks- bewegungen prinzipiell nach den gleichen Gesetzen verläuft Avie die der anderen Säuger. In unserer Mimik ist wohl vieles angeboren, das zeigt schon die vergleichende Betrachtung verschiedener Völker. Nachgewiesen wurde es für das Lächeln, eine Instinktbewegung, die bereits der Säugling zeigt (Koehler, 1954 a u. b). Ahrens (1953) untersuchte die Schlüsselreize, die diese Bewegung auslösen. — Manche menschliche Ausdrucksbewegung kann man sehr leicht als formalisierte Intentionsbewegungen der Abkehr oder der Zuwendung erkennen. Der Hochmütige drückt seine Einstellung zum verachteten Artgenossen dadurch aus, daß er den Kopf in Rückwärtsbewe- gung hochnimmt, die Augenlider senkt, die Nasenflügel einzieht und kräftig durch die Nase ausatmet, als wolle er alle vom anderen kommenden Sinnes- reize abwehren (Lorenz, 1942). Die Gebärde des Mutes dagegen ist eine Intention zur Vorwärtsbewegung. Der Körper wird vorgebeugt, die Mund- spalte geschlossen und die Augen werden von den sich runzelnden Augen- brauen beschattet als fixierten sie ein fernes Ziel. Auch beim Menschen wurden zu den Ausdrucksbewegungen die entsprechenden angeborenen Aus- lösemechanismen (S. 29) differenziert, die ein primäres Verständnis ermög- lichen (Lorenz, 1942). Dieses angeborene Verstehen ist in vieler Hinsicht unbelehrbar, überall, wo uns sehr einfache Attrappen jener Ausdrucksbe- wegungen begegnen, sprechen wir gefühlsmäßig an. Der Adler ist für uns stets das Sinnbild des edlen Mutes, was er allein dem nach vorne gerichteten Blick und den überdachten Augenhöhlen verdankt. In ganz analoger Weise finden wir das Kamel hochmütig, weil es immer den Kopf über die Waag- rechte erhoben trägt und die Mundwinkel herabzieht. Das Wissen darum, daß dieser „Ausdruck" wirklich nichts mit der wahren Stimmungslage des I- EIBL-EIBESFELDT, Ursprung von Ausdrucksbewegungen bei Säugetieren 35 Tieres zu tun hat, belehrt uns nur schwer eines besseren. „Freundlich" aus- sehende Tiere sind uns immer noch sympathischer, auch wenn sie es in Wirklichkeit durchaus nicht sind. Von den menschlichen Gesten ist ebenfalls vieles angeboren, so eine Drohstellung, bei der die Arme vom vorgeneigten Körper abgehoben und einwärts rotiert werden, während sich gleichzeitig die Haaraufrichter an der Außenseite der Arme und des Oberrückens sträuben (daher „überläuft" es einen). Da wir keinen Pelz besitzen, ist dieses Verhalten sinnlos. Beim Schim- pansen, der die formal gleiche Verhaltensweise zeigt, bewirkt das Haare- sträuben dagegen eine auffällige Vergrößerung seines Umrisses. Das ent- sprechende Drohgehaben des Menschen ist also offenbar altes Erbgut. Es wird jedoch nach örtlich verschiedenen Bräuchen modifiziert. Federkronen, Helmbüsche, eine bunte Tracht und dergleichen machen den Träger größer und auffälliger. Dazu lärmt man (Trommeln, Brüllen) und tanzt bisweilen. Ein sehr ähnliches Verhalten sehen wir jedoch bereits bei Schimpansen. Drohende Schimpansen schlagen gegen resonierende Objekte. Armstrong (1947) beschreibt, daß ein Schimpanse des Londoner Zoos sich durch Trom- meln gegen eine Blechtüre in Kampfstimmung versetzte und dann gegen die Zuschauer vorsprang. Beim Trommeln tanzte er einen „Kriegstanz" mit einem komplizierten Rhythmus. Im Freien trommeln Schimpansen gegen hohle Bäume ihres Revieres und markieren so ihr Territorium (G r z i m e k , 1954). Da die ältesten Musikinstrumente des Menschen die lärmerzeugenden, nämlich Trommel und Rassel, sind, liegt es nahe, anzunehmen, daß sie ur- sprünglich auch die gleiche Aufgabe erfüllten, wie der Trommelbaum des Schimpansen, beider Verhalten also auf einer gemeinsamen ererbten Grund- lage basiert. Man könnte das Trommeln als formalisierte Intentionsbewegung des Zuschlagens und Angreifens auffassen. Hocherregt schlägt auch der Mit- teleuropäer auf den Tisch, wobei er sich meist in Angriffsintention erhebt („empört"). Auch das zornige Aufstampfen mit dem Fuß, das bereits das Kleinkind zeigt, ist wohl nichts anderes als die formalisierte Intentions- bewegung, dem Gegner entgegenzutreten (vgl. S. 30). Sehr verschieden sind die Demutsgebärden und Grußgebärden des Men- schen. Das Prinzip ist jedoch überall gleich. Man gibt auf irgendeine Weise seine friedliche Absicht und Ergebenheit kund. Man legt die Waffen ab, nimmt den Hut (früher den Helm) vom Kopf, demonstriert mit offenen Händen die Waffenlosigkeit oder präsentiert die Waffen. Daß man sich bei der demütigen „Unterwerfung" verkleinert, ist so allgemein verbreitet (Ver- beugung, Kniefall oder Fußfall), daß hier wohl Angeborenes enthalten ist, wenn auch sehr stark von Erlerntem abgewandelt. Selbst in den höchsten menschlichen Ausdrucksleistungen (Sprache, Musik) ist es nachweisbar. So ist nach K o e h 1 e r (1952) die Sprachmotorik angeboren. Auf eine Wurzel der Musik, das Trommeln, wiesen wir hin. Daß andere tiefe Töne, wie das 3* 36 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Grollen des Donners, so unmittelbar furchteinflößend wirken, rührt vielleicht daher, daß viele der großen Tiere, die für uns als Freßfeinde in Betracht kommen (Bär, Löwe), tiefe Stimmen haben. Man kann sie nachahmen und zum Drohen verwenden. Die „zärtlichen", „klagenden" oder „schluchzenden" Weisen dürften uns ebenfalls auf Grund besonderer angeborener Auslöse- mechanismen verständlich sein. Die Melodie in der Sprache drückt sehr deutlich die jeweilige Stimmung (Trauer, Zärtlichkeit, Furcht usw.) aus. Es scheint so, als würden manche Tonfolgen spezifische auslösende Reize für bestimmte Emotionen sein. Der Musiker verwendet diese Schlüsselreize in- tuitiv, um im Hörer die verschiedensten Gefühle zu erwecken. Damit sei nicht gesagt, daß er allein auf diese Attrappenwirkung hinziele. Sicher stellt dies jedoch die nach merkantilen Gesichtspunkten produzierte Unterhaltungs- musik in den Vordergrund. Aber auch die hohe Kunst ist keineswegs frei davon. Sie versteht es vielmehr durch das künstlerisch verschlüsselte Setzen der auslösenden Reize das Erleben zu steigern. Spannungen werden erzeugt und wieder aufgelöst und die Höhen und Tiefen des Gefühlslebens werden in einem Wechsel ausgesprochen, wie er im normalen Leben kaum erreicht wird. Und darin, in der Erlebnissteigerung, liegt wohl der besondere Reiz dieses kultivierten Genusses. Erst manche moderne Künstler glaubten sich davon lösen und „frei" produzieren zu können. Ihre Kunst wurde aber damit auch „nichts-sagend" in des Wortes wahrster Bedeutung, da sie nicht mehr an unsere Gefühle apelliert. S u m m a r y : Expression movements can derive their phylogenetic origin not only from instinctive movements but from practically all noticable phenomena accompanying certain internal states of excitation, provided they do so with sufficient regularity. As these types of expression may undergo similar diffe- rentiations as those derived from instinctive movements, it is necessary to distinguish between their original epiphenomenal State and their derived form. This differentiations always tend to increase the effect of the expression as Signals. Frequently this is attained by the help of special morphological structures (development of a mane in regions where the hair is raised, development of scent glands and special behaviour patterns of territory marking with urine or feces, vascularisation of hairless body areas etc.). Accidental uncoordinated movements as trcmbling movements can give rise to new instinctive movements through the process of ritualisation. The tail shaking movement of many rodents is an example. The hissing sounds pro- duced in defensive threat by so many lung breathing vertebrates probably originated by a ritualised "mimic exaggeration" of breathing movements whose increase in depth and frequency is primarily an unritualised epiphe- nomenon of high excitation. I EIBL-EIBESFELDT, Ursprung von Ausdrucksbewegungen bei Säugetieren 37 Expression movements from displacement activities and autochthonous instinctive movements are also frequent in mammals. From the latter often Intention movements (threatening posture in hamsters, etc.) but also whole instinet actions are ritualised e. g. flight in the prelude to copulation or social preening in greeting ceremonies. Infantile behaviour patterns often occur as expression movements during courtship, showing the readiness for social contact. In human gestures and mimic we find many inborn elements (Lorenz, K o e h 1 e r , A h r e n s) . Even the highest human achievements as regard expression (speech and music) seem not to he totally free from it. Literatur : Ahrens, R., (1953). — Beitrag zur Entwicklung des Physiognomie- und Mimik- erkennens, Teil L — Z. f. exper. u. angew. Psychol. 2, 412 — 454. Teil II: ibid. 2, 599—633. 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Eibl-Eibesfeldt, I., (1951a). — Beobachtungen zur Fortpflanzungsbiologie und Jugendentwicklung des Eichhörnchens (Sciurus vulgaris L.). — Z. f. Tierpsychol. 8, 370-400. Eibl-Eibesfeldt, I., (1951b). — Gefangenschaftsbeobachtungen an der persi- schen Wüstenmaus (Meriones persicus persicus B 1 a n f .). Ein Beitrag zur ver- gleichenden Ethologie der Nager. — Z. f. Tierpsychol. 8, 400—423. Eibl-Eibesfeldt, I., (1953a). — Zur Ethologie des Hamsters (Cricetus cricetus L.). — Z. f. Tierpsychol. 10, 204—254. — (S. auch Hochschulunterrichtsfilm C. 646 u. 647, Biologie des Hamsters I u. II, Göttingen, 1954.) Eibl-Eibesfeldt, I., (1953b). — über eine besondere Form des Duftmarkierens beim Riesengalago (Galago crassicaudatus G e o f f r.). — Säueetierkundl. Mitt. 1, 171—173. ^ Eibl-Eibesfeldt, I., (1955a). — Ethologische Studien am Galapagos-Seelöwen, Zalophus wollebaeki (Ergebnisse der Galapagos-Expedition 1953/54 des Institutes f. Submarine Forschung Vaduz). — Z. f. Tierpsychol. 12, 286—303. 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Es galt ein Merkmal zu finden, das vom Alter allein bestimmt wird, un- abhängig von anderen Einflüssen. Das stetige Wachstum der Epiphysen an den Schwanzwirbelenden scheint diese Voraussetzung zu erfüllen. Angeregt durch das „Bone-age'* der wissenschaftlich arbeitenden Ärzte Amerikas verfolgte ich den Gedanken der langsamen Epiphysenverknöche- rung als Anhaltspunkt zunehmenden Alters. Im übrigen verweise ich auf die in den Bonner Zoologischen Beiträgen erschienene Arbeit: Eine neue Me- thode der Altersbestimmung von Kleinsäugern; durchgeführt an Microtus ' arvalis (Hagen , 1955). Bevor ich Ergänzungen zu dieser Veröffentlichung bringe, möchte ich noch einmal ganz kurz das Prinzip dieser Methode er- klären. Die Schwanzwirbel der Kleinsäuger zeigen im durchscheinenden Licht deutlich die voneinander abgesetzten Knochen- und Knorpelanteile. Das Wachstum der Schwanzwirbel erfolgt wie das der anderen Wirbel, haupt- sächlich vom Knochenkern ausgehend. Zwischen zwei aneinander grenzenden Wirbelkörpern liegt die Zwischenwirbelscheibe (Abb. 1). An der Grenze des mehr und mehr verknöchernden Wirbelkörpers und der knorpeligen Zwi- schenwirbelscheibe liegt die Epiphyse. Sie ist die Wachstumszone des Wir- belkörpers, und so lange der Wirbel wächst, bleibt sie knorpelig, um erst nach abgeschlossenem Wachstum zur Epiphysenlinie zu verknöchern. Das Wachstum des Wirbels erfolgt also im wesentlichen durch Streckung an seinen beiden Enden. Dickenwachstum des Wirbelkörpers und Knorpelwachs- tum der Zwischenwirbelscheibe sind zu minimal, um eine entscheidende Rolle zu spielen. Die Knochenzone des Wirbels streckt sich also erheblich, während der Knorpelanteil nahezu gleich bleibt. Dadurch verschiebt sich das Verhältnis von Knorpel zu Knochen langsam aber stetig zu Gunsten des Knochenanteiles. So läßt sich das Alter des Tieres am Grad der Verknöche- rung ablesen: Man mißt die Länge des verknöcherten und die des knorpe- ligen Anteiles; das Verhältnis der beiden Werte ergibt die Altersdiagnose. Um die Ungenauigkeiten beim Messen dieser relativ kleinen Werte zu verringern, werden immer zwei nebeneinander liegende Wirbel gemessen. 40 Zeilschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 (Abb. 1). Der zu messende Knorpelanteil liegt zwischen diesen beiden Wir- beln. Er besteht aus der Zwischenwirbelscheibe Mnd den sie umgebenden Epiphysen. Bei den kurzschwänzigen Wühlmäusen wurden der 8. und 9. Wir- bel gewählt, die vom Schwanzende aus zu zählen sind. Sie liegen bei den w Abb. 1. Achter und neunter Schwanzwirbel einer ca. 2 Monate (1) und einer ca. 12 Monate (2) alten Feldmaus. Ch = Chordarest, Z = Zwischenwirbelscheibe, E = Epi- physe, W = Wirbelkörper. Feldmäusen ungefähr in der Mitte. Bei den Langschwanzmäusen sind die entsprechenden der 15. und 16. Wirbel. Am besten arbeitet man mit Lupe bei durchfallendem Licht. Bei jungen Tieren sind die Wachstumszonen breit und meist stark durchblutet. Bei ausgesprochen alten Tieren sind sie oft nur mehr als feine Striche zu erkennen. Dividiert man nun die Länge beider Wirbelkörper durch die Länge des dazwischenliegenden Knorpelanteiles, so erhält man eine Verhältniszahl, die bei jungen Tieren sehr niedrig ist, mit zunehmendem Alter der Tiere aber ständig wächst. Z.B.: Ein Tier mit 2 Monaten 5,5mm :l,Omm= 5,5 1 mit 6 Monaten 5,2 mm: 0,7 mm = 7.4 > (Index) mit 9 Monaten 6,1 mm : 0,6 mm = 10,1 J An Hand eines Materials von über 300 Feldmäusen zeigt sich eindeutig, daß die absoluten Maße unwesentlich sind, andererseits aber, daß das Ver- hältnis von Knochen zu Knorpel dem Alter entsprechend festgelegt ist. Das- selbe gilt für Untersuchungen an Langschwanzmäusen. Abbildung 2 zeigt bei weißen Hausmäusen vergleichsweise die Durchschnittswerte von KR- Länge, Gewicht, Schädellänge und der Schwanzwirbel-Indices, und zwar jeweils von 10 Exemplaren pro Monat. Mit der punktförmigen Angabe der Einzelw^erte wird die Streuung vom durchschnittlichen Schwanzwirbel-Index gekennzeichnet. KR und Gewicht weisen die übliche parabolische Wachs- BRIGITTE HAGEN, Altersbestimmung an einigen Muriden-Arten 41 tumskurve auf, ebenso die Kurve der Schädellängenmaße. Mit dieser wird ein absolutes Knochenwachstum dem relativen Wachstumsverhältnis zwi- schen Knochen und Knorpel bei den Schwanzwirbeln gegenübergestellt. Die Kurve der Schädellängen nimmt zunächst bis ca. 4 Monate rasch zu, um mit 6 Monaten nach nurmehr geringem Wachstum dieses abzuschließen. Nach anfänglich guten Differenzierungsmöglichkeiten wird es später unmöglich, danach genauere Altersangaben zu machen. Der Index der Schwanzwirbel steigt dagegen langsam aber stetig an. Er zeigt also nicht die Tendenz der allgemeinen Wachstumskurven, sich zu Beginn durch schnellen Anstieg zu wölben, um dann auf annähernd gleicher Höhe zu bleiben, sondern bildet eine stetig ansteigenden Linie. So ergibt sich eine gleichmäßig fortlaufende Meßskala zur Bestimmung des Alters. Die absoluten Indexzahlen liegen hier etwas höher als bei den Feldmäusen, was vermutlich auf die absolut größe- ren Schwanzwirbel zurückzuführen ist. JKd. cteL 0 KR 6c w. I 1 I I I i X 3 H § Alter in Monaten. Abb. 2. Durcbschnittswerte von Kopfrumpf- und Schädellänge sowie Gewicht und Schwanzwirbel-Indices bei weißen Hausmäusen. 42 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 ScJ7W.|]fa(>nw. 3rtdLcx- Gew. A3— ;5r i-f — ca. Kopfham. 5-^ pf -Länge HS 5r-6 6-8 Monate Abb. 3. Altersbestimmung von Rötelmäusen nach Zahnwurzellänge und Schwanzwirbel-Index. Abbildung 3 zeigt den Versuch, Freilandtiere entsprechend zu unter- suchen. Dieser Aufstellung liegen 180 Rötelmäuse zugrunde, die bei Ersdorf, in der Nähe Bonns, im Laufe von ca. 2 Jahren gesammelt wurden. Außer den Maßen von Gewicht, KR- und Schädellänge wurde bei diesen Rötel- mäusen das Alter nach zwei Methoden bestimmt, einmal nach der Methode von Wasilewski (1952) nach der Zahnwurzellänge und das andere Mal nach dem Schwanzwirbelindex, der von den Feldmäusen ühernommen wurde. Es zeigt sich zunächst, daß die beiden Methoden im großen und ganzen ubereinstimmen, z. T. sich aber überschneiden oder von unterschiedlicher Ge- nauigkeit sind. Um sie miteinander vergleichen zu können, sind dieser Kurve die KR-Längen der Rötelmäuse zugrunde gelegt. Ich bin mir dabei bewußt, daß diese Zusammenstellung Mängel hat, weil z. T. Tiere in einer Gruppe zusammengefaßt werden, die altersmäßig auseinander liegen. Aber die Gewichte der Tiere schwanken zu sehr und die Schädellängenmaße verwischen sich mit zunehmendem Alter. Gewicht und Schädellänge zeigen die typische Wachstumskurve, allerdings nimmt das Gewicht auch später BRIGITTE HAGEN, Altersbestimmung an einigen Muriden-Arten 43 noch ständig zu. Die Schwanzwirbelwerte verlaufen jedoch annähernd grad- lini^g, wenigstens bis zu 10, 11 Monaten, bzw. bis zu einer KR-Länge von 100 mm. Die Kurve der Zahnwurzellängen ist unausgeglichener. Am Anfang, wo die Wurzelbildung erst beginnt, erscheint die Kurve flach, die Alters- bestimmung dementsprechend etwas ungenau, zumal die Einstufung zum Teil ip ziemlich großen Gruppen erfolgt, z. B. werden 4 — 8 Monate alte Tiere zusammengefaßt. In höherem Alter dagegen wird sie wesentlich ge- nauer, da das Wurzelwachstum nicht begrenzt ist. Im ganzen gesehen zeigt sich einerseits das kontinuierliche Ansteigen der Schwanzwirbel- Indices und andererseits das erst zögernde und dann aber rapide Zunehmen der Zahnwurzellängen. Bei Rötelmäusen können also jüngere und mittelalte Tiere, ungefähr bis zu 8 Monaten, altersmäßig ziemlich genau nach der Methode der Schwanzwirbel-Indices eingestuft werden, die alten Tiere je- doch besser nach der Methode der Zahnwurzellänge. Knochen- und Knorpelanteil der Schwanzwirbel stehen also je nach dem Alter in einem ganz bestimmten Verhältnis zueinander. Durch Wachstum und Verknöcherung verschiebt sich dieses mit zunehmendem Alter zu Gunsten des Knochenanteiles. Durch diese gleichmäßig fortlaufende Ver- schiebung läßt sich das Alter des betreffenden Tieres auf 1 bis 2 Monate genau bestimmen. Literatur : Hagen, B., 1955. — Eine neue Methode der Altersbestimmung von Kleinsäugern. — Bonn. Zool. Beitr. 6, 1 — 7. (Hier weitere Literatur.) Wasilewski, W., 1952. — Untersuchungen über die Morphologie der Rötelmaus. — Ann. Univ. Mariae Curie-Sklodowska, Lublin, See. C, 8. 44 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Das knorplige Nasenskelett einiger Säugergrappen Von Rolf Keilbach (Greifswald) Im Gegensatz zu den zahlreichen Arbeiten über das Primordialcranium der Säuger und einzelner seiner speziell interessierenden Anteile liegen über das Knorpelgerüst der Nase geborener Säuger nur sehr wenige Dar- stellungen vor. Von ihnen seien nur die von Spurgat. Freund, Sturm und im „Ellenberger-Bau m" genannt. Zur Ausfüllung dieser Lücke habe ich aus den Gruppen der Ungulata, der Carnivora und der Rodentia einzelne Vertreter daraufhin untersucht. Das Material verdanke ich dem Zoologischen Garten Halle über Vermittlung des Zoologischen Instituts der Universität Halle. Einige der Ergebnisse seien in Kürze vorgetragen. Wie bekannt, ist die Nase am Primordialschädel der Säuger im Sta- dium Optimum als doppelläufiges kompaktes Knorpelrohr angelegt, welches später verschiedenartigen Um- und Rückbildungen unterworfen wird. Inner- halb der 3 von mir untersuchten Gruppen erweist sich der Knorpelanteil der Nase des geborenen Tieres am besten erhalten bei den Carnivora fissi- pedia. Insbesondere sind es hier die ausgesprochenen Schnüffler und Wüh- ler innerhalb der Arctoidea, welche großflächige, relativ geschlossene Na- senknorpelkapseln aufweisen. Von diesen bearbeitete ich Caiiis familiaris, Tremarctos thibetanus und Meies meles. Ihre Nase weist eine Tendenz zur Rüsselbildung auf. Das äußert sich in einer starken Verlängerung der Knorpelnase über das Os incisivum hin- aus nach oral, in der stets vorhandenen Verbreiterung des Oralrandes des Septum cartilagineum und in der Ausbildung eines großen Processus late- ralis ventralis. Die Folge der Nasenverlängerung ist ein guter Schutz der Dentition vor der Berührung mit dem beschnüffelten bzw. durchwühlten Substrat bei gleichzeitiger Annäherung der äußeren Nasenöffnungen an das- selbe. Die starken Knorpel der Nasenkuppel verhindern ein passives Zu- sammendrücken der vordersten Teile der Nasengänge. Im Gegensatz zu diesen der Nase eine gewisse Starrheit gebenden Bildungen steht eine ge- ringe Beweglichkeit des gesamten Knorpelrohres. Es fehlt ihm jegliche direkte feste Verankerung in Einschnitten des Os incisivum oder an der Apertura pyriformis. Es übernehmen hier bindegewebige Zwischenpartien die Verbindung mit dem Knochenschädel. Nur das Septum cartilagineum zieht in denselben hinein und sitzt den Ossa nasafia und 3er Vomerrinne fest an. Aber auch das Knorpelseptum bildet keine Sperre, da es in der Gegend des oralen Endes der Ossa nasalia bis auf einen schmalen ventralen ROLF KEILBACH, Das knorplige Nasenskelett einiger Säugergruppen 45 Knorpelstreif bindegewebig unterbrochen ist. Die Beweglichkeit der Arc- toidennase zeigt sich deutlich beim Wittern, Knochenbenagefn und Fletschen der Zähne. Die gute Ausbildung der Nasenkapsel steht in direktem Zu- sammenhang mit der guten Ausbildung des flächigen Planum nasale, welches im Extrem beim Dachs geradezu eine Rüsselscheibe bildet, wenn auch je- derseits ein deutlicher Sulcus vorhanden ist. Von den Herpestoidea bearbeitete ich nur einige Felidae, Felis leo. Felis tigris und Puma concolor. Was deren Nasenkapsel insbesondere von der der Arctoidea unterscheidet, ist der Mangel irgendeiner Verlängerung über das Incisivum hinaus. Die Nasenkapsel ist zwar auch relativ geschlossen, es fehlt aber die starke Betonung der Nasenkuppefl. Die Processus alaras superiores sind feine hammerförmige Gebilde im Gegensatz zu den flächen- haften bei den Arctoidea. Die Beweglichkeit der Nasenkapsel ist dadurch geringer, daß sie am aboralen Ende etwas in die Apertura pyriformis hin- einzieht und das Septum cutaneum nur sehr schmal, zum Teil durch dünnen Knorpel vertreten ist. Es fehlt allerdings auch hier nie, wenn es auch von Freund übersehen wurde. Es bildet ein gruppenkonstantes Merkmal der Carnivora. Das Jacobsonsche Organ ist bei den Arctoidea und Herpestoidea von einer Cartilago paraseptalis eingeschlossen, welche in die Fissura pala- tina hineinzieht. Die Cartilago ductus nasopalatini aber zieht nur ein kurzes Stück in die Fissura palatina hinein, dann läuft der Ductus nasopalatinus- frei neben dem Ausführgang des Jacobsonschen Organes her, welcher halb- seits von einer Knorpelhülle umgeben ist. Warum Freund die Cartilago paraseptalis der Felidae ebenfalls übersehen hat, ist schwer zu sagen, viel- leicht hat er die Knorpelanteile der Nase zu grob aus den Schädeln heraus- geschnitten. Eine dritte Angabe Freunds, die zu Zweifeln Anlaß gab, konnte ebenfalls geklärt werden. Freund nahm für den von der Nasenkapsel getrennten Processus alaris superior bei Thalassarctos, Canis und Sus einen anderen Abgliederungsweg an als bei Felis, Bovis und Cervus. Dadurch wurde Sturm verleitet, bei Thalassarctos von Processus alares inferiores zu sprechen. Beide kannten den Primordialschädel von Canis familiaris nicht und haben nicht auf die Lage des Ductus nasolacrimalis geachtet. Aus der Arbeit Olmsteads von 1911 geht klar hervor, daß es sich beim Hund um einen Vorsprung des Pariesrandes ohne Zusammenhang mit dem Pro- cessus lateralis ventralis handelt. Im übrigen zieht bei den drei in Rede stehenden Arten der Ductus nasolacrimalis unterhalb des Processus alaris superior hindurch. Die Nasenkapsel des einzigen von mir untersuchten Vertreters der Car- nivora pinnipedia, des Otariiden Zalophus californianus weicht völlig von der 46 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 der Carnivora fissipedia ab. Zwar überragt das Septum cartilagineum oral das Os incisivum ebenfalls, und eine kleine Pars cutanea ist in dasselbe eingeschaltet. Die Nase ist aber fest in die knöcherne Schädelöffnung ein- gefügt, der Paries cartilagineus ist ganz schmal und ein knorpliger Nasen- bodenanteil fehlt überhaupt. Die Nase wird entsprechend auch nicht in der Art der Arctoidea benutzt. Es ist aber ein Verschluß der schmalen äußeren Nasenöffnungen besonders gut möglich, weil keine starreren Teile ihn be- hindern. Die Gartilago paraseptalis ist ausgebildet und beinhaltet im Gegen- satz zu Phoca ein Jacobsonsches Organ. Unter den Ungulaten haben die Artiodactyla in der Familie der Suidae, wie aus Sturms Untersuchungen hervorgeht, eine Knorpelnase ausge- bildet, die stark an die der Carnivora fissipedia erinnert. In Übereinstim- mung damit gehört das Schwein ja ebenfalls zu den Wühlern und Schnüff- lern. Jedoch ist hier das Nasenrohr fest am Knochenschädel verankert, und die Pars cutanea im Septum fehlt. Die Selenodontier zeigen alle möglichen Übergänge von einer suiden- artigen geschlossenen Nasenknorpelkapsel bis zu weitgehenden Rückbil- dungen. Der von mir untersuchte Bovide Bison americanus zeigt eine recht vollständige Knorpelnase mit deutlichen ventralen und dorsalen Cupu- laresten. Die Fenestra lateralis ist relativ klein und aboral geschlossen. Der kräftige Processus alaris superior ähnelt dem von Sus scrofa und den Pelidae. Eine gut ausgebildete Gartilago paraseptalis enthält ein stark entwickeltes Organon jacobsoni, welches nahe der Papilla incisiva im Ductus nasopala- tinus ausmündet. Dieser liegt in einem kompakten Knorpelschutz. Das von Sturm untersuchte Hausrind zeigt etwas stärkere Auflösungserscheinungen des Paries cartilagineus im Bereich der Fenestra lateralis, weist aber sonst gleichen Bau auf. Dementsprechend ist die Nase der Rinder stark, praktisch unbeweglich, ein Freilegen des Oberkiefers nur schwer möglich und bei der Ernährungsweise der Rinder auch nicht nötig. Bei Ovis aries tritt der dorsale Teil der Knorpelnase stark gegen den Bodenteil zurück, der mit dem Os incisivum ein ganzes Stück nach oral her- vorragt. Daraus ergibt sich ein fliehendes Nasenprofil ähnlich dem der Tylo- poden. Oral ist das Septum cartilagineum ein kurzes Stück häutig ver- längert. Ein Processus lateralis ventralis fehlt ganz. Der Paries ist aus sehr dünnem Knorpel gebildet, das Tectum cartilagineum nur schmal. Die äuße- ren Nasenlöcher liegen schräg nach lateral gerichtet. Die ganze Nase ist relativ weich. Die Gervidennase weist im Gegensatz dazu wieder Anklänge an die Bo- vidae auf, mit Ausbildung einer Gupula und eines Processus lateralis ven- tralis. Der vordere Nasenteil macht einen etwas aufgeblasenen Eindruck. ROLF KEILBACH, Das knorplige Nasenskelett einiger Säugergruppen 47 Den höchsten Grad der Rückbildung innerhalb der artiodactylen Ungu- laten fand ich bei den Tylopoda. Die Oralkante des Septum cartilagineum flieht stark von seiner Verankerung am Vorderrande des Os incisivum gegen das sehr sehmale Tectum cartilagineum hin, der Paries ist überhaupt nicht verknorpelt, die Lamina transversalis anterior schmiegt sich eng dem Inci- sivum an und endet blind. Die Gartilago paraseptalis enthält ein gut ent- wickeltes Jacobsonsches Organ, welches beim Kamel im Meatus inferior am Beginn des Ductus nasopalatinus mündet. Der Ductus ist gegen die Mund- höhle verschlossen, obwohl seine Mündungsstellen auf der Papilla incisiva deutlich markiert sind. Bei Lama glama dagegen fand ich ihn offen. Infolge der geschilderten Ausbildung ist die Nase des Kamels sehr weich und wie auch die Lippen sehr beweglich, welche durch einen tiefen Mittelspalt ge- teilt sind. Die nach lateral gerichteten Nasenlöcher kann das Tier weit öff- nen und verschließen, der Nasenvorhof ist mit langen Haaren ausgekleidet. Hierdurch ist eine Schulzeinrichtung gegen das Eindringen von Staubteilen gebildet. Die Perissodactyla zeigen die extremste Knorpelrückbildung. Das Pferd weist nach Ellen berger- Baum vom knorpligen Dach- und Wand- gerüst nur mehr Spuren auf. Die Nüstern werden von langen schmalen Processus alares superiores gestützt. Hier sind ja das Spiel der Nüstern und die Weichheit und Beweglichkeit der Schnauze bereits volkstümlich bekannt. Unter den Rodentia wurden nur je ein Vertreter der Castoridae und der Capromyidae bearbeitet. Castor fiber und Myocastor coypus, die Nutria, zeigen eine gut ausgebildete Gupula, und breite Processus laterales der Nasenscheide- wand. Die ganze Nasenkapsel ist aber sehr kurz und schaut nicht über das Os incisivum heraus. Die sehr starken Ossa nasalia machen die Ausbildung einer knöchernen Lamina perpendicularis überflüssig. Ein sehr kleines häuti- ges Fensterchen durchsetzt das Septum cartilagineum am Oralrand. Processus alares fehlen ganz. Die seitlich liegenden Nasenöffnungen sind verschließbar. Die Gartilago paraseptalis ist gut ausgebildet. Die Mündung des Jacobson- schen Organs liegt weit oral vom nach causal verlagerten, eines Knorpei- schutzes entbehrenden Ductus nasopalatinus. Zusammenfassung Bei der Betrachtung des Baues der Nasenknorpel einiger Säugergruppen zeigt sich der Zusammenhang zwischen Bau und Funktion der Teile sehr klar. Wenn auch die Ungulata, die Carnivora und die Rodentia viele gruppen- konstante Merkmale zeigen, so weisen doch die einzelnen Vertreter dieser drei Gruppen deutliche spezielle Abwandlungen der Nasenwurzel auf, die jeweils mit ihrer speziellen Lebensweise in Zusammenhang zu bringen sind. 48 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Literatur : (Eingebundene Literaturamgaben und Abbildunigen siehe Keilbach 1953/54.') Ellenb erger-Baum. — Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere. — Berlin 1943. Freund, L., (1911). — Zur Morphologie des Najsenknorpels. — Passow-Schaefer, Beiträge zur Anat. Phys. Path. Ther. Ohr. Nase. Hals. 4, 414—438. Herzfeld, P. (1889). — über das Jacobsonsche Organ des Menschen und der Säugetiere. — Zool. Jb. Anat. 3, 551 — 574. K e i 1 b a c h , R. (1953/54). — Vergleichend — anatomische Studien über die Säuger- nase mit besonderer Berücksichtigung des Knorpelskelettes. — Wiss. Z. Univ. Greifswald 3, Math.-nat. Reihe 4/5, 201—244. Olmstead, M., (1911). — Das Primordialcranium des Hundes. — Anat. Hefte I. 130 (Bd. 43, H. 2), 335—375. S p u r g a t , F., (1896). — Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Nasen- und Schnauzenknorpel des Menschen und der Tiere. — Morpholog. Arb. 5, 555 — 612. Sturm, H,, (1937), — Die Entwicklung des präcerebralen Nasenskeletts beim Schwein und beim Rind. — Z. wiss. Zool. 149, 161—220. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 49 Temperaturschwankungen bei niederen Säugetieren Von M. Eisentraut (Stuttgart) Die Warmblütigkeit der Vögel und Säugetiere wird durch drei Entvvick- lungsf ortschritte bestimmt. Diese sind: 1. erhöhter Stoffwechsel und damit vermehrte Wärmeproduktion. 2. verbesserte Wärmeisolierung und damit Verminderung der Wärmeabgabe, 3. regulatorische Einrichtungen, die beide, Wärmeproduktion und Wärme- abgabe, in einem bestimmten Gleichgewicht halten. Es hat sich jedoch gezeigt, daß besonders die Säugetiere sehr verschie- den hohe Entwicklungsstufen der Warmblütigkeit erreicht haben. Ihre Körpertemperatur ist mitunter sehr erheblichen Schwankungen unterworfen. Bei der Definition des Begriffes „Homoiothermie" sollte daher weniger Wert auf die Konstanz der Körperwärme gelegt werden, als vielmehr darauf, daß die Vertreter überhaupt fähig sind, weitgehend unabhängig von der Umge- bungstemperatur eine Eigenwärme zu erzeugen und bis zu einem gewissen Grad zu erhalten. Je nach der Höhe des Entwicklungszustandes sprechen wir von höheren und niederen Warmblütern. Es entspricht den Erwartungen, daß wir die letztgenannten besonders unter den phylogenetisch alten Säuge- tieren finden. Auch bei den höheren Warmblütern gibt es keine absolute Konstanz, meist sinkt die Körpertemperatur während des Ruheschlafes etwas ab. Beim Menschen z. B. variiert sie (rektal) von etwa 36.7° (am frühen Morgen) bis 37,5'^ (am späten Nachmittag). Hoch entwickelte Warmblüter sind zweifellos die Carnivoren und Huftiere. Folgende Angaben über die Schwankungsbreite der Körpertemperatur seien erwähnt: Hund, Katze = 37,5 — 39,5" Schwein = 38 —40« Pferd, Rind = 37,5 — 38,5o Ziege = 37,8 — 400 Unter der stark aufgespaltenen Gruppe der Nager finden sich entspre- chende Vertreter: Kaninchen = 38,5-39,5° Ratte == 37,5 — 38,60. Wir können feststellen, daß sich die höheren Warmblüter durch relativ geringe Schwankungsbreite und ferner durch hohe Durchschnittswerte ihrer Körpertemperatur auszeichnen. Diese liegen im allgemeinen über 36°. Da- gejgen finden wir bei den niederen Warmblütern mit ihrem primitiveren 4 50 Zeitschrift für Säiigetierknnde, Bd. 21, 1956 Wärmehaushalt gewöhnlich Durchschnittswerte unter 36^ und ferner meist eine sehr hohe Schwankungsbreite, die in Abhängigkeit vom Aktivitätszu- stand und von der Höhe der Umgebungstemperatur stehen kann. Bei man- chen von ihnen kann es zu einem Absinken der Körperwärme unter die Aktivitätsschwelle und damit zum Eintritt einer Lethargie kommen. Es erscheint hier notwendig, die einzelnen Temperaturbereiche kurz zu umgrenzen. Der Aktivitätsbereich umfaßt die Temperaturen, die ein Tier während des Wachzustandes und während des Ruheschlafes zeigt. Innerhalb dieses euthermischen Bereichs unterscheiden wir daher die agilen und die somnalen Temperaturen. Sinkt die Körperwärme unter die untere Grenze des Aktivitätsbereiches, unterschreitet sie also die Aktivitätsschwelle, so ge- langt sie in den hypothermischen Bereich der Lethargie. Entsprechend kön- nen wir beim überschreiten der oberen Grenze der Aktivitätstemperatur von einem hyperthermischen Bereich sprechen. In Tabelle 1 sind ältere Beobachtungen über Körpertemperaturen bei niederen Säugetieren zusammengestellt, die bei weiteren Untersuchungen noch manche Ergänzungen und Berichtigungen erfahren dürften. Tabelle 1: Ältere Beobachtungen über Körpertemperaturen bei niederen Säugetieren. Art Körpertemperatur ^ , , Schwank. - Durchschn. Breite Autor Ornithorhynchus Tachyglossus Phascolomys Petaurus Phascolarctus Dasyurus Petrogale Bradypus tridactylus Tolypeutes conurus Zaedius minutus Cahassus unicinctus Dasypus villosus Talus novemcinctus (24,8) 29,4 30—33 34,1 35,7 35,2 36,0 35,9 31,8 32,0 34.4 um 3,50 22.0—31.4 27,6—37,1 26,5—34.2 35.0—36. 28.4— 34,6 27,0—40,0 30,6—33,8 28.5— 33,0 32,3—34,7 33,0—35,4 S u t h e r 1 a n d . Martin S u t h e r 1 a n d , Martin W a r d 1 a %v Martin S e m o n Sutherland Sutherland Sutherland Sutherland Sutherland Eisentraut Eisentraut Eisentraut Eisentraut Eisentraut Ozorio u. Branca Die Chiropteren nehmen unter den niederen Warmblütern eine extreme Stellung ein. Bei ihnen schwankt die Körpertemperatur in sehr hohem Maße, und es kann beim Eintritt des normalen Ruheschlafs zu einem Sinken der Körperwärme unter die Aktivitätsschwelle und zum Eintritt einer Lethargie kommen, die icli als Tagesschlaf lethargie bezeichnet habe. Untersuchungen M. EISENTRAUT, Temperaturschwankiingen bei niederen Säugetieren 51 an tropischen Ghiropteren haben erneut ergeben, daß auch sie eine normal auftretende Tagesschlaflethargie zeigen können. Zweifellos aber geht K a y - s e r zu weit in seiner Annahme, wenn er die Ghiropteren als poikilotherm bezeichnet. Denn auch eine im Tagesschlaf stark abgekühlte Fledermaus kann jederzeit von innen heraus durch Erhöhung des Stoffwechsels ihre Kör- perwärme ansteigen lassen und zum Wachzustand übergehen, was ein Poi- kilothermer nieht vermag. Allerdings haben meine Beobachtungen in Kame- run gezeigt, daß hungernde Fledermäuse allmählich die Fähigkeit der Wie- dererwärmung verlieren. Tab. 2 bringt weitere Angaben über niedere Warmblüter, deren Körper- temperatur zu untersuchen ich in den letzten Jahren Gelegenheit hatte. Tabelle 2: Neuere Beobachtungen über Körpertemperaturen bei niederen Säugetieren. Art Körpertemperatur ^ , , Schwank. - Durchsenn. Breite Bemerkungen Marmosa cinerea Hemiechinus auritus Paraeckinus aethiopicui Centetes ecaudatus Manis tricuspis Perodicticus potto Nycticebus coucang 34,76 34,7 34,9 28,44 33,3 33,7 (34,1) 29.3— 37,8 33.4— 36,4 31,2-36.2 24.1— 34,8 32.2— 35.2 32,2—35,2 28,4—36,6 stark abhängig vom Aktivitätszustand empfindlidi gegen kühle Umgebungs- temperatur. Lethargie auch im Som- mer möglich abhängig von Nahrungszufuhr und Umgebungstemperatur, Lethargie auch im Sommer möglich abhängig vom Aktivitätszustand und von der Umgebungstemperatur wahrscheinlich abhängig Umgebungstemperatur der Dazu ist noch folgendes zu bemerken: bei Marmosa cinerea wurden die extrem hohen Werte nur bei intensiver Aktivität erreicht und umgekehrt die extrem tiefen Werte nach langdauerndem Ruheschlaf. Bei den Igeln dürfte das Auftreten tiefer Körpertemperaturen auch damit zusammen- hängen, daß das Stachelkleid nur einen geringen Wärmeschutz gewährt. Sehr auffallend sind die niedrigen Aktivitätstemperaturen bei dem madagas- sischen Borstenigel, der bei einer Körperwärme von nur 24 — 25*^ durchaus aktiv und fähig ist, ungehindert von seinen Körperfunktionen Gebrauch zu machen. Bei tiefen Umgebungstemperaturen kann die Aktivitätsschwelle un- terschritten werden und der Zustand einer Lethargie eintreten. Die Unter- suchungen an Halbaffen bedürfen noch der Ergänzung. Zu den niederen Warmblütern müssen wir zweifellos aiich die Winter- schläfer rechnen. Ais Beispiel für die hohe Schwankungsbreite der Körper- >värme einiger Vertreter im Aktivitätszustand erwähne ich: 4^ Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Erinaceus europaeus 31,1 — 36,7o Citellus tridecemllneatus 32—41" (30—39) Cricetus cricetus 32,5 — 35,5*^ Muscardinus avellanarius ■ 31 — 38*^ Es ist bemerkenswert, daß bisher keine sicheren Angaben über Winter- schlaf bei höheren Warmblütern (z. B. Garnivoren) vorliegen. Offenbar kann ihr Körper überhaupt nur eine geringe Abkühlung ertragen. Bei provozierter Hypotliermie kommt es schon sehr bald zu Nervenblockierungen (Hemmung des Atemzentrums, Störung der Herztätigkeit), wie die mit einem letalen Ausgang endigenden Abkühlungsversuche zeigen. Ein Ertragen tiefer Körper- temperaturen ist offenbar nur bei niederen Warmblütern möglich. Die Begriffe „Eurythermie" und „Stenothermie" sind bisher im wesent- lichen in ökologischem Sinne gebraucht. Wir können sie aber bis zu einem gewissen Grad auch in physiologischem Sinne anwenden: Die niederen Warmblüter mit einer weiten Schwankungsbreite ihrer Körpertemperatur und der Fähigkeit, tiefe Temperaturen zu ertragen, können wir als physio- logisch eurytherm ansehen, wohingegen sich die höheren Warmblüter durch physiologische Stenothermie auszeichnen. Literatur: Eisentraut, M., (1932). — Biologische Studien im bolivianischen Chaco. II. über die Wärmeregulation beim Dreizehenfaultier (Bradypus tridactylus L.)- — Z. vergl. Physiol. 16, 39—47. Eisentraut, M., (1932). — Biologische Studien im bolivianischen Chaco. IV. Die Wärmeregulation beim Kugelgürteltier (Tolypeutes conuriis Js. Geoffr.). — Z. vergl. Physiol. 18, 174—185. Eisentraut, M., (1934). — Der Winterschlaf der Fledermäuse mit besonderer Berücksichtigung der Wärmeregulation. — Z. Morph, ökol. 29, 231 — 267. Eisentraut, M., (1952). — Contribution a l'etude biologique de Paraechinits aethiopicus (Ehrenb.). — Mammalia 16, 232—252. Eisentraut, M., (1956). — Körpertemperaturen bei tropischen Fledermäusen und Schuppen tieren. — Säugetierkundliche Mitteilungen ^, 64 — 67. Eisentraut, M., (1955). — A propos de la temperature de quelques Mammi- feres de type primitif. — Mammalia 19, 437 — 443. Eisen traut, M., (1956). — Der Wintersichlaf mit seinen ökologischen und physio- logischen Begleiterscheinimgen. Jena. K a y s e r , Gh.. (1950). — La lethargie hibernale des mammiferes et le mechanisme die sa genese. — Mammalia 14, 105 — 125. Martin, C. J., (1901). — Thermal adjustment and respiratory exchainge in Mono- tremes and Marsiipials. — Proc. Roy. Soc. London 69, 352. O z o r i o , de A. u. B r a n c a , de A., (1924). — Temperature et metabolisme du Tatu (Tatusia novemcincta). — C. r. Soc. Biol. 90, 734—735. S e m o n , F., (1894). — Notizen über die Körpertemperatur der niedersten Säuge- tiere (Monotremen). — Arch. ges. Phys. 58, 229—232. Sutherland, A., (1897). — The temperatures of Reptiles, Monotremes and Marsupiais. — Proc. Roy. Soc. Victoria NS 9, 57—67. Wardlaw, H. S. H., (1915). — The temperature of Echidna aculeata. — Proc. Linn. Soc. New S. Wales 40, 231—258. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 53 Zur deutschsprachigen Nomenklatur der Säuger Von Hans-Albrecht F r e y e (Halle) Müller-Using und H a 1 1 e n o r t Ii haben 1954 in den „Säugetier- kundlichen Mitteilungen" auf der Basis der Simpson sehen Klassifikation (1945) für die rezenten 22 Unter- und 10 Teilordnungen sowie für die 52 Überfamilien und 118 Familien deutsche Namen vorgeschlagen und zur Dis- kussion gestellt. Wir haben daraufhin in Halle in Gemeinschaftsarbeit zum gleichen Thema ebenfalls Vorschläge unterbreitet (Eble, Fr eye, Kämpfe, Kittel, Klappers tück 1954). Wir wollten dabei nicht nur die aus zeitbedingten Schwierigkeiten bei uns schwer greifbare Arbeit von Müller- Using und Haltenorth einem größeren Kreis Interessierter zugängig machen, sondern auch zu den aufgeworfenen Fragen konstruktive Vorschläge bringen, da wir im Grundsätzlichen mit Müller-Using und Halten- o r t h übereinstimmen. Da des weiteren auch G a f f r e y (1955) zur deutsch- sprachigen Nomenklatur Vorschläge unterbreitete, wurde dieser Fragen- komplex auf die Tagesordnung der Juni-Sitzung (VI. 1955) unserer Gesell- schaft gesetzt. In Berlin verlief die Diskussion darüber ohne rechtes Ergeb- nis, und es wurde weit weniger darüber gesprochen, welche Vorschläge zu machen sind, als vielmehr ob man sich überhaupt die Köpfe darüber zer- brechen sollte. Nun glaube ich aber, daß man über dieses Thema nicht einfach mit einer Handbewegung hinweggehen kann. In den letzten Jahren hat es sich in zunehmendem Maße erwiesen, daß die Belange allgemein der Biologie (und in ihr mehr der Zoologie als der Botanik) einer größeren Aufmei^ksam- keit im öffentlichen Leben bedürfen. Es geht hierbei m. E. nicht um neben- sächliche Fragen, sondern letztlich um die Lebensfragen unserer Disziplin schlechthin. Innerhalb der Naturwissenschaften steht heute sowohl die Un- terstützung der biologischen Forschung als auch bedauerlicherweise das Un- terrichtsfach Biologie auf der schulischen Stundentafel zumeist an letzter Stelle. Die Einschätzung der Biologie als Wissenschaft ist in der Öffentlich- keit einer gewissen Krise unterworfen. Das war auch im wesentlichen wohl die Ursache zur Gründung des Verbandes Deutscher Biologen im Jahre 1954 im Anschluß an die Versammlung der Gesellschaft Deutscher Natur- forscher und Ärzte im September in Freiburg. Zugegebenermaßen sind die anderen naturwissenschaftlichen Fächer der Biologie insofern voraus, als etwa die Physik oder die Chemie über das rein beschreibende Stadium längst hinaus sind. Obwohl die Biologie sich erst im Übergang zum experimentellen Stadium (trotz einiger hervorragender Erfolge auf experimentellem Gebiet) 54 Zeitschrift für Säugetierkuiide, Bd. 21, 1956 befindet, darf das aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie heute um so mehr eine zentrale Stellung sowohl innerhalb der Naturwissenschaften als auch zur sogenannten Geisteswissenschaft einnimmt. Um das zu unterstrei- chen, ist es neben vielem anderem aber erforderlich, daß wir den bisherigen Ergebnissen der Biologie das notwendige Gesicht geben. Und dazu gehört auch die Systematik. Wenn das auch in der Mammologie durch das Simp- son sehe Werk in hervorragendem Maße geschehen ist — mag man sich dazu persönlich stellen, wie man will — , so müssen doch zur notwendigen Verbreitung die Grundgedanken jenes Systems in der deutschen Sprache ihren Eingang finden. Wir kommen dabei um eine deutschsprachige Nomen- klatur der Säuger nicht herum. Wenn man an die Flut der populärwissenschaftlichen Veröffentlichun- gen, an den Unterricht in den Volkshochschulen, an die Gestaltung der Schul- bücher, die Beschilderung der Tiergärten- und Zoogehege, die museale Be- schriftung und nicht zuletzt an den Schulunterricht in den gemeinbildenden Schulen denkt, dann muß uns allein aus pädagogischen Gründen das Pro- blem einer deutschsprachigen Nomenklatur beschäftigen. Durch den Rückgang der humanistischen Bildung und durch die Tatsache, daß viele unserer heuti- gen Studenten nicht einmal des Lateinischen mächtig sind, ist das auch gleich- zeitig ein Problem an unseren Hochschulen. Sowohl in den Vorlesungen als auch in den Lehrbüchern werden zumindest für die jungen Semester die deut- schen Namen angewendet werden müssen. Früher galt es als selbstverständlich, daß die Fachgelehrten und Wissen- schaftler ihre Probleme in aller Stille erst einmal ausreifen ließen, ehe die Ergebnisse des Erarbeiteten der Fachpresse übergeben wurden; und danach erst wurde die breite Öffentlichkeit informiert. Heute ist das nicht mehr ganz so, denn die Tagespresse und populärwissenschaftlichen Zeitschriften versorgen die breiten Volksmassen in ziemlich vorlauter Weise mit halbferti- gen, geplanten oder erst zu erwartenden Fortschritten der wissenschaft- lichen Untersuchungen und ergehen sich in einer Art technischer Prophetie und Glücksverheißung, wie das Paul Waiden in seiner Arbeit „De docta ignorantia" (1955) einmal genannt hat. Da die mammologische Systematik schon seit 50 Jahren, seit dem Erscheinen von „Brehms Tierleben", populär- wissenschaftlich geboten wird und seitdem immer und immer wieder mehr oder minder gut kopiert wurde, können wir heute die Ergebnisse der syste- matischen Studien nicht erst in aller Stille ausreifen lassen, sondern müssen sie angesichts des Zurückbleibens und des ' erheblichen Durcheinanders in den volkstümlichen Schriftenreihen, Schulbüchern usw. in moderner Form den heutigen Erkenntnissen gemäß verbreiten. Wie schon Müller-Using und Haltenorth betonten, sollten deshalb die Fachgenossen eine Mit- arbeit außerhalb der engen Zirkel nicht ablehnen. Sie sollten vielmehr um die Verwendung ihrer Erkenntnisse besonders in den Schulbüchern besorgt HANS-ALBRECHT FREYE, Zur deutschsprachigen Nomenklatur der Säuger 55 sein und sich um die allgemeinverständliche Darstellung kümmern. Das so etwas möglich ist und zu brauchbaren Resultaten führt, haben uns die Che- miker, Physiker oder die Historiker gezeigt. Aber auch innerhalb der Zoologie haben das zum größten Teil die Ornithologen geschafft, und momentan sind gerade die Libellenspezialisten dabei, in Gemeinschaftsarbeit zwischen Ost und West für die 78 Arten der heimischen Libellen neue Namen zu prägen, um der heranwachsenden Jugend ein Gerüst zu geben und ihre Sammlungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wie sieht es im mammologischen Schrifttum mit der deutschen Benen- nung aus? Ich habe mir die Mühe gemacht und einmal im Hinblick auf die deutschsprachige Nomenklatur diejenige säugetierkundliche Literatur mitein- ander verglichen und sie einer kritischen Durchsicht unterzogen, die einer- seits den interessierten Laien, Liebhabern, Lehrern, Studenten zugänglich ist, aber auch andererseits von den Fachleuten mit herangezogen wird. Es wur- den im einzelnen folgende Werke benutzt: „Brehms Tierleben", 4. Auf 1. (1912), „Brehms Tierleben" in 4 Bänden, herausgegeben von Rammner (1952), Krumbiegel „Biologie der Säuger", Band 1 (1954), Krumbie- g e 1 , jMammalia. Säugetiere" in P. Schulze Biologie der Tiere Deutsch- lands (1930/31), Brohmer, Ehr mann, Ulmer „Die Tierwelt Mittel- europas", Band VH Wirbeltiere (1929), Kosmos-Lexikon, Band 1 (1953), Sc hm eil „Lehrbuch der Zoologie" (1950), Baumann „Säugetiere der Schweiz" (1949) und Schulbuch, herausgegeben vom Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut (DPZI 1955). Auffallend ist die willkürliche und keineswegs übereinstimmende Benen- nung der einzelnen systematischen Kategorien. Im großen Brehm wird z. B. für die Familien der Erinaceidae, Soricidae, Talpidae, Pteropidae, Spalacidae, Leporidae von Igelartigen, Spitzmausartigen, Maulwurfartigen. Flughunde- artigen, Blindmausartigen im engeren Sinne, Hasen im weiteren Sinne usw. gesprochen. Diese Erscheinung findet man in allen Auflagen des Brehm, im alten und neuen Krumbiegel, im großen Brohmer, im Kosmos- Lexikon und vielen anderen mehr. Leider herrscht dabei aber in den einzel- nen Werken keineswegs Übereinstimmung. Oder wem hilft es z. B., wenn für die Familie der Phalangeridae im Krumbiegel 1931 die deutsche Bezeichnung „Kusus", im Krumbiegel 1954 „Phalanger", im großen Brohmer „Rüsselbeutler" und bei M ü 1 - ler-Using und Haltenorth „Kletterbeutler" angegeben wird ? Für die Macrosceli( di )dae bringt Krumbiegel 1931 die deutsche Benennung „Springrüßler", 1954 dagegen „Rohrrüßler", MüUer-Using und Hal- te n o r t h sprechen von „Rüsselspringern". Für die Familie der Megaderma- tidae findet man im Krumbiegel 1954 die Übersetzung „Ziernasen", im Kosmos-Lexikon dagegen „Großohren" und bei M ü 1 1 e r - U s i n g und H a 1- t e n 0 r t h „Klaffmäuler". Für die Familie der Noctilionidae wird im großen 56 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Brehm und Krumbiegel 1931 „Hasenmaulfiatterer", im Krumbie- gel 1954 dagegen „Hasenmausflatterer" (Druckfehler?) und bei Müller- U s i n g und Haitenorth „Hasenmäuler" verwendet. Ähnliche Beispiele findet man in der Ordnung der Primates. Für die Familie Lemuridae werden im großen B r o h m e r 1929 „Makiartige", im Krumbiegel 1954 „Makis", im Schulbuch des DPZI „Fuchsaffen", von Müller-Using und Halten- orth „Lemuren" als deutschsprachige Benennungen verwendet. Die Cerco- pithecidae sind in der Mehrzahl der benutzten Werke mit „Meerkatzen- artige", im Schmeil 1950 mit „Hundsaffen", von Müller-Using und Haltenorth mit „Tieraffen" übersetzt. Die Spalacidae sind im großen Brehm als „Blindmausartige im engeren Sinne", im Krumbiegel 1931 als „Blindmäuse" und 1954 als „Blindgräber" bezeichnet. Die Capromyidae werden einmal „Hasenmäuse" (Krumbiegel 1931), ein andermal „Baum- ratten" (ders. 1954) und schließlich auch „Ferkelratten" (Müller-Using und Haltenorth) genannt. Diese vergieichsweisen Aufzählungen könnte man beliebig fortsetzen, immer wieder stößt man auf ein heilloses Durch- einander. Daraus ergibt sich m. E. die notwendige Folgerung, endlich einmal die deutschsprachige Nomenklatur zu vereinheitlichen und den modernen Ge- gebenheiten der systematischen Erkenntnis anzupassen. Um eine solche grö- ßere Straffung durchführen zu können, sollte man bemüht sein, die systema- tischen Kategorien einheitlich zu bezeichnen. Müller-Using und Hal- tenorth schlugen vor, die Überfamilien mit -artige zu übersetzen. Für die Familien glauben wir, die Endung -tiere (wenn auch nicht dogmatisch!) ein- führen zu können. Für die Unterordnung könnte man evtl. -verwandte be- nutzen. Diese Vorschläge sollte man natürlich nur sinnvoll, ohne Vergewalti- gung der deutschen Sprache anwenden. Dabei erhebt sich aber die Frage, ob man überhaupt berechtigt ist, solche Eingriffe in die deutsche Sprache vorzunehmen. Auf der Juni- Sitzung in Ber- lin wurde mehrfach darauf hingewiesen, daß ja schon die Versuche von Pohle (1941), „Fleder" und „Spitzer" für Fledermäuse und Spitzmäuse einzuführen, vor 15 Jahren gescheitert sind. Dazu ist zu sagen, daß dieser Versuch damals scheitern mußte, weil hier Buchnamen eingeführt werden sollten für Namen von Tieren, die schon jahrhundertelang im Volksmund verankert sind. Die Namen der einzelnen Arten zu verändern, ist überhaupt viel schwieriger. Das einzelne Tier hat im Volksmund als Ausdruck der Naturbeobachtung und Naturverbundenheit des früheren Menschen eine Fülle ganz bestimmter Namen bekommen, die geographisch, völkisch, soziologisch und auch mythologisch verwurzelt sind. Das Wörterbuch der deutschen Tier- namen, das 1948 unter der Leitung von Prof. W. W i s s m a n n ins Leben gerufen worden ist (vgl. Nitsche, 1954), verzeichnet z.B. über 2000 volks- tümliche Namen für Libelle, über 1000 deutsche Elsternamen und nicht viel HANS^ALBRECHT FREYE, Zur deutschsprachigen Nomenklatur der Säuger 57 weniger, häufig allerdings tabuierte. z. B. vom Wiesel, Bär oder Wolf. Aber durch die Verstädterunig, die Naturentfremdung des modernen Menschen, die Schule und nicht zuletzt durch die Literatur verschwinden die volks- tümlichen Namen immer mehr und müssen den Einheitsnamen Platz machen. Angesichts dieser Tendenz gehen in allerjüngster Zeit die Versuche der Lepidopterologen noch viel weiter als die von Pohle seinerzeit. Sie wollen für den Großen Fuchs z. B. „Ulmenparkland-Prachtfalter", für den Zitronenfalter „Waldheiden-Eckflügel-Gelbling" und für den Schwalben- schwanz „Doldenkräutertrockenrasen-Schwanzfalter" setzen und damit gleich möglichst viel über das Vorkommen und die Lebensgewohnheiten der betref- fenden Arten aussagen. Wir wollen in unseren heutigen Vorschlägen ja gar nicht solche Wort- ungeheuer bilden und volkstümlich entstandene Namen ändern. Wir wollen nur Namen, die von vornherein zum größten Teil Buchnamen waren, systematisch abstrakte Begriffe, vereinheitlichen, dem modernen Stand an- passen und damit unserer heranwachsenden Jugend und den interessierten Laien das Eindringen in die notwendige Teildisziplin der Systematik er- leichtern. Nomina sunt odiosa — Namen erregen Ärgernis! Aber sie sind in der Nomenklatur das einzige Mittel der Verständigung! Literatur: Bau mann, F., 1949. — Die freilebenden Säugetiere der Schweiz. — Huber, Bern, Brehm, A., 1912. — Die Säugetiere. 4. Aufl., herausgegeb. v. zur Strassen, bearb. v. H i 1 z h e i m e r u. Heck. Leipzig. B r o ih m e r , F., E h r m a n n , F., U 1 m e r , G., 1929. — Die Tierwelt Mitteleuropas, Bd. VII Wirbeltiere. — Quelle & Meyer, Leipzig. Eble, Freye, Kämpfe, Kittel, Klapperstück, 1954. — Beitrag zur deutscihsprachigen Nomenklatur der recenten Mammalia. — Wiss. Z. Univ. Halle, Math.-Nat. Heft 1, 169—172. G a f f r e y , G., 1955. — über die deutschsprachige Nomenklatur der Säugetiere, insbesondere der deutschen. — Abhdlg. u. Ber. Staatl. Mus. Dresden 22. 185—205. Krumbiegel, I., 1930/31. — Mammalia. Säugetiere. In F. Schulze Biologie der Tiere Deutscihlands. Krumbiegel, I., 1954. — Biologie der Säuger. Band 1. — Agis- Verlag, Krefeld. M ü 1 1 e r - U s i n g u. H a 1 1 e n o r th , 1954. — Simpsons Neuordnung der Mamma- lia in ihrer Bedeutung für die deutsche Säugetierkunde. — Säugetierkundl. Mit- teilungen 2, 102—109. Nitsche, G., 1954. — Zur Tiernamenkunde. — Wiss. Annalen 3. 728—747. Fohle, H., 1941. — Wieviel Säugetierarten leben in Deutschland? — Zool. Anz. 133, 81—94. Rammner, W., 1952. — Brehms Tierleben in 4 Bänden, 2. Aufl., 4. Band Säugetiere. — Leipzig. Schmeil, O., 1950. — Lehrbuch der Zoologie. — Quelle & Meyer, Heidelberg. Waiden, F., 1955. — De docta ignorantia. — Naturw. Rdsch. 8, 91—95. Biologie. — Beiheft zum 4. u. 5. Lehrbrief Wirbeltiere, herausgegeben v. Deuts.ch€ii Fädagogischen Zentralinstitut 1954. Kosmos — Lexikon, 1. Band, Stuttgart 1953. 58 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Zur Biologie der Nordiscdien Wühlmaus (Microtiis oeconomus stimmingi N c h r i n g) (Aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Institut für Grünlandfragen, Oldenburg i. 0., und der Säugetier-Abteilung des Zoologischen Museums der Humboldt-Universität zu Berlin) Von Fritz F r a n k und Klaus Zimmermann (Hierzu Abb. 1 bis 9 auf Tafel V) A. Einführung. {Nomenklatur: Ognev hat 1950 gezeigt, daß die Nordischen Wühl- mäuse von Weliki Ustjug im Dwina-Gebiet, der terra typica der ssp. ratticeps (Keys, et Blas.), ebenso wie die skandinavischen größer sind als die mittel- europäischen. Weiter ergab ein Vergleich ausreichender niederländischer und norddeutscher Serien Färbungsunterschiede. Die niederländischen — ssp. arenicola De Selys Longchamps 1841 — sind heller, Tiere mit schwärzlich verdunkeltem Rücken sind seltener als in Deutschland. Somit be- hält die Unterart Norddeutschlands den Namen stimmingi N e h r 1 n g , 1899. Ihr Areal erstreckt sich von der Elbe bis ins Wolga- Gebiet. Artmerkmale: Unter den vier einheimischen Vertretern der Gattung Microtus ist die Nordische Wühlmaus mit Schneemaus (M. nivalis) und Feld- maus (M. arvalis) nicht zu verwechseln: größer als Feldmaus, kleiner als Schneemaus ist sie gegenüber beiden durch ihr ausgesprochen dunkelbraunes Haarkleid gekennzeichnet. Dagegen kann die Unterscheidung zwischen Erd- maus (M.agrestis) und Nordischer Wühlmaus nach äußeren Merkmalen schwierig sein: die Körperlänge alter Nordischer wird auch von mitteleuro- päischen Erdmäusen erreicht, die Färbung beider Arten, ein Gemisch von Rostbraun und Schwarzbraun, kann identisch sein. Der Kenner vermag sie aber auch dann — wenigstens im lebenden oder frischtoten Zustand — leicht auseinanderzuhalten, da die Erdmaus das Haar lockerer trägt und meist „stichelhaarig" wirkt, während das Fell der Nordischen glatter getragen wird und bei gesunden Tieren hochgradigen Fettglanz zeigt, den die Erdmaus in diesem Ausmaß niemals erreicht. In Zweifelsfällen ist die Schwanzlänge das beste äußere Unterscheidungsmerkmal: bei der Erdmaus beträgt sie etwa 30, bei der Nordischen Wühlmaus 40 — 45 Prozent der Körperlänge (Abb. 9). Ferner lassen sich beide Arten an der Stimme unterscheiden, obwohl der Klangcharakter recht ähnlich ist: die Nordische läßt als Drohruf gequetscht klingende Elinzelrufe (etwa „tschet", Vokal kurz, ein- bis zweisilbig) hören, F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 59 die Erdmaus dagegen eine ausgesprochene Zeterreihe (etwa „zeckzeckzeck- zeckzeck", Vokal kurz). Biotop : Die typischen Lebensräume unserer vier Microtus- Arten sind in kurzer Kennzeichnung: Schneemaus: steinige Almen und Felshänge im Hochgebirge ; Feldmaus : offenes Gelände (Kultursteppe und Wiesen) ; Erd- maus: Gelände mit dichtem Pflanzenwuchs, besonders Wildgrasdschungel, in Westdeutschland gerne an relativ feuchten Standorten, im Osten dagegen keine besonderen Ansprüche an Bodenfeuchtigkeit; Nordische Wühlmaus: feuchter Boden, keine besonderen Ansprüche an die Dichte der Pflanzen- decke. Gemischte Siedlungen versehiedencr Microtus- Arten sind nicht be- kannt, Kontaktzonen zwischen Nordischer Wühlmaus und Feldmaus ergeben sich in Brandenburg auf feuchten Wiesen, zwischen Nordischer Wühlmaus und Erdmaus an Waldmooren. Haltung : Die Vorliebe der Nordischen Wühlmaus für Wasser ist auch in Gefangenschaft zu berücksichtigen. Sie planscht gern im flachen Wasser herum, selbst in engen Wasserbehältern taucht sie, Kopf voran, unter. Im übrigen machen Haltung und Zucht keine Schwierigkeiten. Zweckmäßig ist ein Bodenbelag von Torfstreu mit Grassoden oder Moos darüber. Das Futter soll vorwiegend aus frischen Pflanzen (Gras, Klee, Löwenzahn, Salat usw.) bestehen, im Winter aus Mohrrüben und Kartoffeln, auch Kohl. Hafer, für Jungtiere Haferflocken, soll nicht zu reichlich gegeben werden, sonst ist Verfettung und manchmal sogar Unfruchtbarkeit die Folge. Apfel sind, wie für alle Wühlmäuse, bevorzugte Leckerbissen; mit ihrem Duft kann man die Tiere jederzeit aus dem Nest hervorlocken. Bei liebevoller Behandlung werden Nordische Wühlmäuse sehr zahm und verlieren jede Scheu vor der mensch- lichen Hand, überhaupt zeichnen sie sich durch ruhiges Wesen aus, besonders im Vergleich mit den leicht erregbaren, bissigen Feldmäusen. Tiermaterial : Die Ausgangstiere unserer Zuchten stammen zum Teil aus der Umgegend von Potsdam-Rehbrücke, für Beschaffung von Tieren aus der Gegend Fürsten walde/ Spree danken wir Georg Stein. Insgesamt haben wir über 500 Nordische Wühlmäuse lebend gehalten. Von den 105 Würfen mit 454 Jungen wurden 20 genau durchbeobachtet. B. Lebens- und Veilialtensweisen. L Allgememes. Die Nordische Wühlmaus zeigt dieselbe Aktivitätsrhythmik wie die an- deren Microtus- Arten, d. h. kurze, im Nest verbrachte Ruhephasen und kurze, mit Sich-Lösen, Fressen und Putzen ausgefüllte Aktivitätsphasen. Bei gestei- gerter Aktivität vor und bei Einbruch der Abenddämmerung besteht im übri- gen keine Bevorzugung von Tages- oder Nacht- Stunden. In der Gefangen- schaft stellen sich die Tiere schnell auf festliegende Fütterungszeiten ein und erwarten den Pfleger. 60 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Die Fortbewegung der Nordischen Wühlmaus ist ruhig und normaler- weise niemals hastig, doch können die Tiere bei Gefahr auf bekannten Wechseln relativ schnell fliehen oder auch in großen Sätzen galoppieren. An Drahtgittern klettern sie ungeachtet ihres hohen Gewichtes schnell und geschickt hoch, während ihnen das Baumklettem nur in jugendlichem Alter keine Mühe bereitet, aber auch dann keineswegs passioniert betrieben wird. In der Waagerechten springen sie relativ gut, hoch dagegen sehr schlecht und sind beim Abwärtsspringen betont vorsichtig. Bei ihrem erdgebundenen Leben haben sie nieht mit überraschenden Absturzmöglichkeiten zu rechnen und stürzen deshalb auf der Flucht, anders als die Schneemaus (Frank 1954) über Tischkanten und andere Abgründe ab. Die Nordische Wühlmaus schwimmt gut. An einem Altwasser der Oder sah G.Stein eine Mutter mit Jungen im tiefen Wasser, in etwa Im Ent- fernung vom Ufer. Die Tiere waren freiwillig ins Wasser gegangen und schwammen — anscheinend spielerisch — umher. Im November 1941 konnte Zimmermann auf überschwemmten Wiesen am Sosch, einem Nebenfluß des Dnjepr, auch ihre Orientierungsfähigkeit beim Schwimmen beobachten: Eine Reihe von Heuhaufen war entweder von Feldmäusen oder von Nordi- schen Wühlmäusen besiedelt. Aufgestört, flüchteten die Nordischen Wühl- mäuse ins Wasser. Ein altes Tier durchschwamm gradlinig eine etwa 5 m breite Lache, tauchte am anderen Rande und verschwand im unter Wasser liegenden Baueingang unterhalb einer Seggenbülte. Beim Schwimmen blieben die Rückenhaare trocken. Auch in Gefangenschaft sind die Tiere nach dem Verlassen des Wassers und kurzem Sichschütteln augenblicklich wieder trocken. Vielleicht hängt der Glanz des Haarkleides mit einem besonderen, gegen Benetzung schützenden Fettgehalt zusammen. Kot und Urin werden, wie bei den meisten Muriden, bevorzugt ins Was- ser abgesetzt, sonst in Käfigecken, an bestimmten Plätzen in der Vegetation usw. Das Nest wird saubergehalten. Was die Körperpflege anbelangt, verhal- ten sich die Nordischen wie wohl alle Wühlmäuse, d. h. bei jedem Wechsel von der Ruhe zur Aktivität und umgekehrt sowie nach dem Fressen und dem Kontakt mit Artgenossen wird intensive Fellreinigung und -pflege be- trieben, ebenso tritt soziale Hautpflege in Erscheinung. Auch wenn die Tiere vom Menschen angefaßt wurden, pflegen sie sich sofort betont zu putzen, was in diesem Falle sicher nicht als Übersprunghandlung nach Erregung, sondern als echtes Bedürfnis nach Ordnung und Säuberung des Haarkleides anzusehen ist. Wie allen Microtinen ist auch der Nordischen Wühlmaus eine gewisse „Neugier'* eigen. Fremde Gegenstände, Bewegungen, Gerüche usw. werden sofort registriert und — wenn kein Grund zur Furcht dem entgegensteht — eingehender Prüfung unterzogen, wobei der Geruchssinn natürlich dominiert. Die Nahrungsaufnahme entspricht dem bei Microtinen üblichen. Vegetations- F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 61 teile werden abgebissen, in Hockstellung mit beiden Händen vor den Mund gehalten (Grashalme vielfach auch nur mit einer Hand) und bissenweise ver- zehrt. Wildfänge pflegen stets in Deckung zu fressen, eingewöhnte Tiere tun es direkt am Futterplatz ohne Rücksicht auf Deckung. Größere Futterbrocken werden — besonders nach Sättigung — auch zum Nest geschleppt und in dessen unmittelbarer Umgebung gelagert. Auch Getreide wird von manchen Tieren, besonders von halbwüchsigen, ins Nest getragen; bei zu reichlicher Futtergabe können dort große Vorräte aufgestapelt werden. Aber dieser Sam- meltrieb ist nicht stärker als bei unseren anderen Wühlmäusen, und den unzutreffenden Artnamen „oeconomus*' verdankt die Nordische Wühlmaus ja auch nur einem Irrtum von Pallas (Verwechslung mit Microtus gregalis PalL). Dagegen ist der deutsche Name „Nordische Wühlmaus" nicht nur im Hinblick auf die Gesamtverbreitung zutreffend. Die Vorzugstemperatur liegt nach Angaben, die wir K. H e r t e r verdanken, mit etwa 26° auffallend niedrig, und auch stärkere Kälte wird bedeutend besser ertragen als von Feld- und Erdmaus, während umgekehrt sommerliche Wärme der Nordischen Wühlmaus ziemlich zuzusetzen scheint. Steht ihr bei Hitze nicht ausreichend Wasser zur Verfügung, sind Verluste an der Tagesordnung. Während der warmen Jahreszeit erwiesen sich unsere Tiere auch für Lungenvirose sehr empfänglich, während sie sonst nur unter Milben der Gattung Laelaps zu leiden haben, die man durch Bestäubung mit Jakutin oder Pedix (besonders zwischen den Hinterbeinen) aber leicht kurzhalten kann. Untereinander sind die Nordischen Wühlmäuse im Familienverbande verträglich, wenn auch — besonders bei Übervölkerung — ein gewisser Fut- terneid herrscht. Meist ist dann mehr oder weniger deutlich eine gewisse Hierarchie zu bemerken, in der die Mutter bzw. beide Eltern oder die stär- keren Geschwister dominieren. Die Tiere kennen sich untereinander genau, wie man leicht bei Hinzugeben von fremden Artgenossen feststellen kann. Diese werden sofort angegriffen, wobei das Droh- und Kampfverhalten dem der andern Microtinen entspricht: Beriechen, Drohen, Gegeneinanderauf rich- ten, Pfotenschlagen, Maulaufreißen und Drohruf, Flucht des Ortsfremden, Ver- folgung durch den Platzhalter (der versucht, den Eindringling am Hinter- rücken zu beißen), wilde Balgerei, Unterwerfungsverhalten des Fremden usw. Die Nordische Wühlmaus nimmt unter unseren heimischen Microtinen insofern eine Sonderstellung ein, als sie mehr als alle übrigen Arten in ein auffallend „persönliches" Verhältnis zum Menschen treten kann. Von einer seiner Schneemäuse berichtet Küsthardt (1942) über eine gewisse Zutrau- lichkeit, die auch wir bestätigen können. Aber Feldmaus, Erdmaus, Klein- äugige Wühlmaus und Große Wühlmaus bleiben, auch jung aufgezogen, immer auf Distanz, wenn die tägliche Berührung mit dem Menschen sie auch weniger ängstlich und feindselig macht. Bei der Nordischen Wühlmaus hat 62 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 man dagegen den Eindruck, daß sie regelrecht zahm wird und aktiv Kontakt mit dem Pfleger aufnimmt. Kein Tier der anderen Arten würde wie die Nor- dische Wühlmaus bei Annäherung der menschlichen Hand ruhig sitzen blei- ben, geschweige denn sich ihr aktiv nähern und sich kraulen lassen, ohne vorher eingefangen zu sein. Selbst alte Männchen lassen sich ohne Umstände mit der Hand umschließen und hochheben, protestieren allerdings mit lauten Drohrufen, wenn man sie mit einer Zange am Nackenfell anhebt. Beschäftigt man sich regelmäßig mit den Tieren, kann man sie ohne Schwierigkeiten dahin bringen, die Finger des Pflegers als Spielkameraden zu betrachten. Es kommt dann dasselbe Kampfspiel zustande wie unter Wurf- geschwistern (Wechsel von Angriff und Flucht, Aufrichten, Pfotenschlagen usw.), wobei das Tier immer aggressiver wird und schließlich durch Zu- beißen zur Überlegenheit zu kommen trachtet. In dieser Situation schützt der Unterwerfungsruf den unterlegenen Artgenossen vor allen Weiterungen. Da dieser Quetschlaut jedoch nicht nachzuahmen ist, bleibt man beim Spiel mit den Tieren stets der Unterlegene, der das Feld räumen muß, will man nicht gebissen oder wenigstens gekniffen werden. Dies ist aber eine der selte- nen Gelegenheiten, wo einer von uns durch Nordische Wühlmäuse gebissen wurde (allerdings nur oberflächlich „freundschaftlich"), sonst höchstens durch einzelne Weibchen bei unvorsichtiger Wegnahme ihrer Jungen aus dem Nest. Und das, obwohl diese Art doch ein Gebiß besitzt, mit dem sie durchaus fühlbare Wunden schlagen könnte, wie es z. B. die kleinere PVldmaus aus- nahmslos tut. Das Verhalten der Nordischen Wühlmaus dem Menschen gegenüber ist also recht auffallend und durch irgendwelche biologischen Zusammenhänge schwer erklärbar. Untereinander sind die Tiere — wie alle anderen Micro- tinen auch — nur im Familienverbande verträglich, fremden Artgenossen gegenüber aber aggressiv bis zur gegenseitigen Vernichtung. Jedenfalls macht ihr dem Menschen gegenüber friedfertiges Wesen die Nordische Wühlmaus zu einem besonders angenehmen Pflegling, dessen Lebensäußerungen sich in- folge seines wirklichen Zahmwerdens leicht beobachten lassen. 2. Territorialverhalten. Die Nordische Wühlmaus zeigt in Gefangensehaft ebenso wie die übrigen Microtinen ein ausgesprochenes Territorialverhalten. Setzt man ein neues Tier zu, gibt es sofort Streit. Die Revierinhaber gehen auf den Eindringling los und suchen ihn durch Droh- und Kampfverhalten zu vertreiben. Der Fremde ist offensichtlich unsicher und nimmt den Kampf fast nie ernstlich auf, sondern sucht sofort zu entfliehen. Gelingt ihm die Flucht nicht, zeigt er Unterwerfungsverhalten, was mitunter zu allmählicher Gewöhnung und Duldung führt. Oft endet die Auseinandersetzung aber (besonders wenn der Revierinhaber ein trächtiges oder säugendes Weibchen ist) böse für den EJin- F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 63 dringling, der vor allem am Hinterrücken arg zerbissen wird und weder zu Ruhe noch Nahrung kommt, so daß er schließlich eingeht. Dies wurde nicht nur in räumlich begrenzten Käfigen, sondern auch in einem 6 qm großen Freilandgehege beobachtet, in dessen dichter Vegetation sich die Tiere leicht hätten aus dem Wege gehen können. Hier wurden zwei verpaarte Tiere und ein ihnen fremdes jüngeres Weibchen gleichzeitig eingebracht. Während das Männchen dem neuen Weibchen nichts zuleide tat, hetzte das ältere, wohl trächtige Weibchen das junge so sehr, daß dieses ständig auf den im Gehege wachsenden Bäumchen saß, auf die ihm die schwerere, nicht mehr kletter- gewandte Rivalin nicht zu folgen vermochte. Es mußte schließlich nach vier Tagen ziemlich zerbissen und völlig abgemagert aus dem Gehege heraus- genommen werden. Bemerkenswert ist an diesem Fall zunächst die aus- schließliche Rivalität zwischen gleichgeschlechtlichen Tieren, die ja für die meisten Muriden bezeichnend ist, sowie weiter die Flucht nach oben, die nach Steiniger (1950) auch für in Gehegen gehaltene Wanderratten typisch ist, bei der Nordischen Wühlmaus aber doch überrascht. Aufschlußreich war auch folgender Versuch: Zwei große Käfigkisten wurden mit je 2 neuverpaarten Paaren besetzt, die voneinander durch eine Gitterwand getrennt waren. Während in der einen Kiste, in der die beiden Männchen Brüder waren, nichts Besonderes geschah, war in der anderen bei den zwei sich fremden Männchen Folgendes zu beobachten: Sie rannten dauernd zu beiden Seiten der trennenden Gitterwand hin und her; hielt der eine an, so tat es auch der andere, richtete er sich am Gitter auf, so reckte sich der andere ihm gegenüber hoch. Zwischendurch sah man häufig erregtes Scharren und Abrupfen von Klee und Gras im Übersprung. Es dauerte nicht lange, bis auf beiden Seiten des Gitters regelrechte Pfade in die Vegetation getreten waren, auf denen die Rivalen unermüdlich — sich gegenseitig nicht aus den Augen lassend — nebeneinander hin und her rannten. Nach Öffnung einer Tür schlüpfte das stärkere Männchen zögernd und äußerst vorsichtig hindurch und bewegte sich unter ständigem Witterungnehmen und Sichern auf dem vorhandenen Wechsel auf das Nest des anderen Paares zu. Als der schwächere Platzhalter hervorkam, floh der Eindringling zielstrebig sofort auf das Durchlaßloch zu (!), schoß hindurch und verschwand in seinem eigenen Nest. Bisher gelang es nicht, zwei einander unbekannte Weibchen im gleichen Käfig zur Fortpflanzung zu bringen, wie es bei der Feldmaus meistens mög- lich ist. Von Jugend auf zusammen aufgewachsene Schwestern blieben jedoch verträglich und zogen ihre Jungen in einem Gemeinschaftsnest und in sozi- aler Brutpflege auf. Im Gegensatz zu den Erfahrungen mit Feldmäusen zeigte sich in der Berliner Zucht, daß es auch in großen Käfigen zu ständigen Zankereien und 64 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Beunruhigungen kam, sobald eine Sippe die Kopfzahl von etwa 10 erwach- senen Tieren erreicht hatte. Sobald die Zahl durch Trennung herabgesetzt wurde, herrschte in beiden Hälften wieder F^'rieden. In Oldenburg wurden in Käfigen von 0,5 qm Grundfläche wenig Reibereien innerhalb einer mehrere Generationen umfassenden Großfamilie (bis zu 28 erwachsene Tiere) be- obachtet. Diese beschränkten sich einmal auf eine gewisse, auch zu Beiße- reien führende Rivalität unter den erwachsenen Männchen, sobald brün- stige Weibchen vorhanden waren, zum andern auf das Bestreben der Weib- chen, ihre Würfe unbelästigt von den Sippenangehörigen aufzuziehen. Wäh- rend die Weibchenrivalität durch Erhöhung der Nestkastenzahl gemildert werden konnte, war dies bei der Männchenrivalität nicht der Fall. Das schließliche Geschlechtsverhältnis von 9 Männchen zu 19 Weibchen zeigt vielmehr, daß die Männchen die Populationsverdichtung viel schlechter ertragen und sich gegenseitig dezimieren. 3. Nest. Das Nest der Nordischen Wühlmaus ist eine Heukugel mit zwei nach verschiedenen Seiten führenden Ausgängen. Das Tier schafft zunächst eine Unterlage und arbeitet dann das weitere eingetragene Material an den Seiten ein^ um es unter stetigem Kreisdrehen festzudrücken, normalerweise gegen den Widerstand einer Höhlenwand, umstehender Vegetationsteile, Käfig- ecken usw. Da von innen her immer neues Material eingebaut, das Höhen- innere aber andererseits durch die Bewegungen des Tieres immer im glei- chen Format gehalten wird, entsteht eine verhältnismäßig dichtgepreßte Nestwand und schließlich auch der Abschluß nach oben. Viele Tiere decken freistehende Nester dann noch von außen mit weiterem Material ab, wohl in erster Linie zur Wärmeisolation und Tarnung, da gegen Regenwasser allein die von innen her gepreßte Wandschicht abschirmt. Als Baustoff wird ungern grobes und sperriges Material benutzt, am liebsten feine Grasblätt- chen, die zur Auspolsterung des Nestinneren der Länge nach aufgespleist werden, in gleicher Weise wie es alle Muriden tun und wie es E i b 1 - Eibesfeldt (1953) beim Hamster abbildet. Unterirdische Nester sind immer dünnwandiger als freistehende, die Winternester bedeutend dickwan- diger als die im Sommer gebauten (bis über 15 cm Durchmesser), die zur Auf- zucht der Brut benutzten sorgfältiger und dickwandiger hergestellt als nor- male Schlafnester. Im Freiland werden wegen des feuchten Bodens meist umfangreiche oberirdische Nester in der Vegetation angelegt, ebenso im Oldenburger Freilandgehege. In den Käfigen bauten die Nordischen Wühl- mäuse dagegen — sobald man ihnen Grassoden hineingab — lieber „unter- irdische" Nester unter diesen als oberirdische. Gleiches gilt für die Erdmaus und hängt sicherlich mit der Befriedigung des Deckungsbedürfnisses zu- F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 65 sammen. Nestkästen mit 2 entgegengesetzten Einschlupflöehern wurden (ebenso wie von den anderen Microtinen) stets augenblicklich angenommen. 4. Foi«tpflanzung. Die Zucht der Nordischen Wühlmaus ist relativ einfach. Bei einge- wöhnten Tieren erfolgt die Paarung fast immer bald nach dem Zusammen- setzen. Die Anpaarung beginnt wie bei den verwandten Arten mit kämpfe- rischen Auftritten, doch ändert das Männchen seine Einstellung sehr schnell, wenn es durch Geruchskontrolle festgestellt hat, daß sich ihm ein Weib- chen gegenüberbefindet. Es sucht nun unermüdlich, mit der neuen Part- nerin in Kontakt zu kommen, muß aber erst deren Sprödigkeitsverhalten überwinden. Dies dauert im allgemeinen nicht länger als 24 Stunden (am besten verläuft die Anpaarung in neutralem Raum, an den keiner von beiden territoriale Ansprüche hat). Umpaarungen nach Wegnahme oder Tod des alten Männchen sind erheblich schwieriger, da das Weibchen dann stär- keren Widerstand zeigt, hesonders wenn es Junge hat. Ist es dagegen gerade in Paarungsstimmung, so wird das neue Männchen zwar zur Paarung akzep- tiert, nicht jedoch zunächst zum Zusammenleben im gleichen Nest. Unter Geschwistern finden, ebenso wie bei der Feldmaus (Frank, 1956) nor- malerweise keine Paarungen statt, läßt man sie jedoch sehr lange beiein- ander oder auch mit den Eltern zusammen, pflegen auch manche Jungweib- chen zu werfen. Bei ihnen kann die Geschlech t sr e i f e im übrigen fast eben- so früh wie bei der Feldmaus (Frank 1956) eintreten, d. h. mit dem Ab- säugen: Zwei am 5.4.1956 geborene Schwestern warfen am 15.5. (40 Tage alt) ihren ersten Wurf (3 bzw. 4 Junge), müssen also bei Zugrundelegung einer Tragzeit von 20 Tagen am zwanzigsten Lebenstage vom Vater gedeckt worden sein (Weibchengewicht nach vollzogener Geburt je 38 g). Die Fortpflanzung war in Oldenburg nicht an eine bestimmte Jahres- zeit gebunden, selbst wenn die Käfige im Winter auf einer ungeheizten Veranda standen; sie setzte jedoch bei Hitzeperioden zeitweise aus. In Ber- lin fielen alle Würfe in die Monate Februar — April und August — No- vember, ohne daß eine Erklärung für die winterliche und hochsommerliche Pause vorläge. Die Tragzeit betrug im kürzesten Falle knapp 20 Tage (Ab- stand zwischen beobachteter Paarung und Wurf bzw. von Wurf zu Wurf), bei aufeinanderfolgenden Würfen aber meist 21 Tage, in Einzelfällen sogar bis zu 23 Tagen, wahrscheinlich durch die Laktation verlängert. Das Weib- chen ist unmittelbar nach dem Werfen wieder paarungsbereit, doch sind direkt aufeinanderfolgende Würfe in der Minderzahl und weniger die Regel als bei gefangengehaltenen Feldmäusen. Die meisten Weibchen konzipierten vielmehr erst während der nächsten auf die Geburt folgenden östrusperiode,. was einen Wurf abstand von 26 bis 31 Tagen bewirkt. Im Freien dürfte „pausenlose" Wurffolge aber möglich, wenn nicht vielleicht sogar die Regel 5. 66 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 sein. Wieviel Würfe ein Weibchen während seines Lebens hervorbringen kann, ist noch nicht abschließend zu beurteilen. In Oldenburg setzte ein noch lebendes Weibchen im Alter von 106 Tagen seinen ersten Wurf und mit 410 Tagen seinen 17. Wurf (mittlerer Wurf abstand 25,3 Tage), dem bisher kein weiterer folgte (das Weibchen ist heute, am 28.2.1956, 649 Tage alt). Daß die Fortpflanzung stark von der Populationsdichte beeinflußt wird, zeigte folgender Oldenburger Versuch: In einem Käfig von 0,5 qm Grund- fläche vermehrte sich eine Sippe bis auf 28 erwachsene Tiere (9 Männchen und 19 Weibchen). Je mehr die Populationsdichte anstieg, desto geringer wurde die Zahl der an der Fortpflanzung beteiligten Weibchen und die Wurfstärke, desto langsamer die Wurffolge und desto größer die Säuglings- sterblichkeit. Nach Erreichen der Kopfzahl von 28 hörte die Fortpflanzung zwar keineswegs auf, aber die Würfe wurden entweder sofort oder innerhalb der ersten 3 Tage aufgefressen, ob von den Müttern oder von andern Ange- hörigen der Großfamilie, konnte leider nicht festgestellt werden. Bezeich- nenderweise betrug das Geschlechtsverhältnis am Schluß 9 Männchen zu 19 Weibchen, woraus eindeutig hervorgeht, daß die dichteabhängige Sterblich- keit der Männchen viel höher war als die der Weibchen. Von den jungen Altersklassen waren überhaupt nur Weibchen übriggeblieben. In Oldenburg wurden bisher 80 Würfe mit 353 Jungen, in Berlin 25 Würfe mit 101 Jun- gen registriert. Nach Ausschaltung der (relativ kleinen) Würfe von augen- scheinlich an Lungenvirose erkrankten Müttern ergibt sich für die Olden- burger Zucht eine mittlere Wurfgröße von 5,1, für die Berliner von 4,9 bei einer Variationsbreite von 4 bis 8. 7er Würfe waren relativ häufig, 5er Würfe am zahlreichsten. Die höchste, von Stein (1952) im Freien be- obachtete Embryonenzahl beträgt 9. Das Geschlechtsverhältnis betrug in Berlin 46 : 39 9 == 54,1 % cf > Oldenburg aber bei 297 sicher bestimmten Jungtieren 131 cT : ^66 Q = 44,1 % Q^. Der Unterschied dürfte vielleicht in den Haltungsbedingungen begründet sein, die in Oldenburg offenbar optimaler waren als in Berlin, worauf wohl auch schon die oben erwähnten Unterschiede in der Dauer der Fortpflanzungsperiode, d. h. die längeren Pausen in Berlin, sowie in den Geburtsgewichten und der Gewichtsentwicklung hindeuten. Da Marten (1953) vor kurzem nachweisen konnte, daß der Weibchenanteil beim Haus- rind unter optimalen Haltungsbedingungen ansteigt, darf vermutet werden, daß dies auch bei den Kleinsäugern so ist. Unter diesen Umständen kann das in Oldenburg ermittelte Geschlechts Verhältnis mit seinem höheren Weib- chenanteil als das normalere angesehen werden. Stein (1953) hat im Frei- land 180 : 182 9 gefangen und spricht von einer „geradezu idealen Ausge- glichenheit". Er hat aber in Rechnung zu stellen vergessen, daß der Schlag- fallenmethode erfahrungsgemäß eine nicht unerhebliche Fangselektion zu- gunsten des agileren männlichen Geschlechtes eigentümlich ist. Seine Zif- F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 67 fern sprechen also durchaus dafür, daß in Freilandpopulationen der Nor- dischen Wühlmaus mindestens der gleiche Weibchenüherschuß herrscht, wie er in der Oldenburger Zucht erzielt wurde und wie er bereits vorher bei der Feldmaus durch Zimmermann (nach Stein, 1953) und Frank (1953 a und 1956) festgestellt wurde. 5. Brutpflege. Einige Tage vor der Geburt eines neuen Wurfes beginnt das Weibchen, wie alle Microtinenmütter, das Nest herzurichten und besonders gut auszu- polstern. Die Neugeborenen werden von der Mutter regelmäßig und intensiv abgeleckt. Wird auf diese Weise die hintere Bauchpartie massiert, geben die Kleinen Urin und Kot ab, den die Mutter aufleckt. Diese Entleerungen lassen sich auch durch Bestreichen mit einem Wattebausch auslösen, wie es E i b l - Eibesfeldt (1950 u. 1953) bereits bei verschiedenen Muriden beschrieben hat. Erst wenn die Jungen soweit laufen können, daß sie sich außerhalb des Nestes lösen, wird diese Pflegehandlung der Mutter überflüssig. Schon be- vor die Jungen zu selbständiger Aufnahme fester Nahrung fähig sind, trägt die Mutter, wie alle Microtinenweibchen, Futter zum Nest, so daß ihre Kinder dieses schon vorfinden, wenn das Bedürfnis danach auftritt. Verläßt die Mutter das Nest, werden die Jungen im allgemeinen nicht zugedeckt, auch der Nesteingang wird nicht verschlossen. Es gibt aber wie bei den andern Microtus- Arten auch Weibchen, welche ihre Jungen bei solcher Gelegenheit dadurch zudecken, daß sie mit schnellen Bewegungen der Vorderbeine Nestmaterial über ihnen zusammenscharren, so daß die Kleinen völlig verborgen liegen und — was wohl das Entscheidendere ist — gegen Abkühlung geschützt sind. Wenn die Nestlinge bei überstürztem Ver- lassen des Nestes mitunter auch etwas mitgeschleift werden (höchstens bis vor den Nestausgang), so kommt ausgesprochener Zitzentransport, wie er einigen Murinen eigentümlich ist, jedoch nicht vor. Zum Transport nimmt die Mutter die Jungen mit dem Maul am Rücken oder an der Flanke auf. wobei diese in Tragstarre verfallen. Wie bei der Feldmaus (Frank, 1953 b) beteiligten sich auch bei der Nordischen Wühlmaus einige Männchen am Rücktransport aus dem Nest genommener Jungtiere. In Berlin wurde ein- mal beobachtet, wie beide Eltern ein Jungtier gepackt hatten und nach ver- schiedenen Seiten zogen. Als das Junge einen Unwillenslaut ausstieß, er- faßte der Vater die Lage anscheinend: ohne loszulassen zog er nicht mehr^ sondern schob das Junge bis zum Nest. Auch ein 26 Tage alter Bruder aus dem vorherigen Wurf beteiligte sich am Rücktransport. Bevor er das Junge „richtig" mit Nackengriff gepackt hatte, probierte er — ohne dem Jungen weh zu tun — verschiedene andere Griffe. Auch dies entspricht durchaus dem bei Feldmäusen Beobachteten (Frank, 1953 b). Viele Weib- chen schleppen ihre Kinder nach jedem störenden Eingriff am Nest sofort 5* 68 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 weg. Sie bauen dann schnell ein Notnest, das später — unter Umständen durch Materialentnahme aus dem alten Nest — vollendet wird. Sind so zwei Nester vorhanden, schleppen einzelne besonders empfindliche Weibchen ihre Jungen nach jeder Wiegekontrolle von einem Nest zum andern, bis sie sich an diese Störungen gewöhnt haben. Normalerweise lebt das Paar im gemeinsamen Nest (womit nicht gesagt werden soll, daß die Nordische Wühlmaus im Freiland ehig lebt, was sicher ebensowenig der Fall ist wie bei den anderen Microtinen), in dem das Männchen auch geduldet wird, wenn Junge darin sind. Nicht wenige brut- pflegende Weibchen verhalten sich aber so unfreundlich gegenüber dem Männchen, daß dieses sich rasch ein Nest in einer andern Käfigecke baut^ welches aber vom Weibchen sofort mit Beschlag belegt wird, wenn es mit den Jungen umziehen will. Wie schon erwähnt, waren einzelne unserer Weib- chen so empfindlich gegen Störungen am Brutnest, daß sie anfangs täglich umzogen. Jedesmal mußten die Männchen ihr Nest räumen, ohne daß irgend- welche Widersetzlichkeiten von ihrer Seite zu beobachten gewesen wären. Hochtragende oder säugende Weibchen sind nämlich allen anderen Artge- nossen, auch den stärksten Männchen, gegenüber dominant und jederzeit in der Lage, von anderen Artgenossen besetzte Nester zu okkupieren. Ihre Spitzenstellung in der sozialen Hierarchie dient zweifellos der Arterhaltung und wurde bei allen bisher von uns gehaltenen Muriden beobachtet. C. Jugendentwicklung. Von den 80 Oldenburger Würfen wurden 20 von gesunden Eltern stam- mende genau durchbeobachtet und protokolliert. Zur Methodik ist zu sagen, daß die Nester täglich morgens zwischen 8 und 9 Uhr kontrolliert wurden, so daß sich das Alter der Würfe im allgemeinen nur auf den Tag genau, nicht jedoch nach Stunden bestimmen ließ. Nur in einigen Fällen waren Abendkontrollen eingeschaltet, so daß der Geburtstermin etwas genauer er- mittelt werden konnte. Daß diese relative Ungenauigkeit keine ernstzuneh- mende Fehlerquelle ist, wird durch folgende Zufallsbeobachtung beleuchtet: Zwei in Nestgemeinschaft lebende Schwestern, die bis dahin immer am gleichen Tage geworfen hatten, brachten einen ihrer Würfe mit einer Diffe- renz von ungefähr 24 Stunden zur Welt. Dabei stellte sich heraus, daß diese beiden Würfe nicht im gleichen Entwicklungsstadium geboren wurden. Die einen Tag später gesetzten Nestlinge waren vielmehr bei ihrer Geburt um soviel weiter entwickelt, daß sie bereits am Morgen nach ihrer Geburt nicht mehr von den 24 Stunden früher gesetzten Jungen der anderen Mutter untere schieden werden konnten (normalerweise bereitet es keinerlei Schwierig-, keiten, 1- und 2tägige Nestlinge auseinanderzuhalten). Es zeigt sich also, daß verlängerte Tragzeit offenbar (wie ja bei den Säugetieren wohl allge- mein) ein Weiterentwickeltsein der Foeten bedingt. Hierdurch ergibt sich F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 69 bei allen Jugendentwicklungsphasen ein gewisser Spielraum, der jedoch selten eine größere Variationsbreite als 24 Stunden zu umfassen scheint. Die im folgenden gegebene Darstellung der Jugendentwicklung bringt demgemäß durchschnittliche Normen, die von Fall zu Fall um einen Tag verschoben sein können. 1. Morphologisches, a. Haut und Haarkleid Die Neugeborenen sind nackt, ihre Haut ist zunächst so dünn, daß die Eingeweide durchscheinen (Leber dunkel, Darm rahmgelblich, sobald er Milch enthält). Außer den bei genauem Hinsehen erkennbaren Schnurr- haaren ist mit bloßem Auge keinerlei Behaarung wahrnehmbar. Entsprechend der dunkleren Färbung der Erwachsenen ist die Rückenpigmentierung vom ersten Tage an etwas kräftiger als bei Feldmaus und Erdmaus oder als bei der noch helleren Schneemaus. Die Oberseite erscheint blau- bis grauviolett, anfangs etwas unregelmäßig, nämlich in der Nackengegend am stärksten. Schwanz und Beine sind noch kaum von der Pigmentierung erfaßt, und die Unterseite ist gänzlich frei davon. Diese zeigt meist ein kräftiges Lachsrot, das an den Beinen am intensivsten ist und wie bei allen Micro tinen-Nest- lingen schnell zu einem zarten Rosa verblaßt. Die Ohrmuscheln sind noch nicht abgefaltet, die Zehen noch miteinander verwachsen und die durch dunkle Pigmentierung gekennzeichneten Augen von der Haut überdeckt. (Abb. 1). Am zweiten Lebenstage ist die Rückenpigmentierung mehr oder weniger stark zu Blauviolett oder Schieferblauviolett gedunkelt (mit der Lupe er- kennt man dunkle Härchen) und erreicht meist auch schon die Schwanz- oberseite (die Schwanizunterseite bleibt — wie bei allen Microtinen-Arten, aber im Gegensatz zur Großen Wühlmaus, Arvicola terrestris — unpigmen- tiert) und die Oberseite (funktionelle Vorderseite) der Beine, besonders am Tarsalgelenk. Die Unterseite zeigt nur noch wenig Lachstönung, sondern meist ein blasses Rosa. Am dritten Tage ist die Haut faltiger geworden (be- sonders auffallend Querfalten im Nacken sowie die bei vielen Rodentiern feststellbare und bei den Flughörachen zu Funktion kommende Hautfalte zwischen Vorderbeinen und Rumpfseiten) und läßt oberseits schon mit bloßem Auge einen feinen Haarflaum erkennen. Der Rücken ist stark ge- dunkelt (blauviolettgrau bis dunkelschieferfarben), ebenso die Schwanzober- seite und die Extremitäten, vor allem die Hinterbeine, an denen sich dunkle „Stiefelchen" abzuzeichnen beginnen. Der Bauch ist blaßrosig, die Schnurr^ haarwülste rotviolett angelaufen und etwas angeschwollen (Abb. 2). Am vierten Tage beginnt sich oberseits ein bräunlicher Anflug zu zeigen. Mit der Lupe erkennt man, daß zwischen den zuerst durchgebrochenen schwarzen Härchen nun immer mehr braune erscheinen, die zunehmend an 70 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 der Färbung teilnehmen. Auch am Bauch sind mit der Lupe die ersten hellen Härchen erkennbar. Am fünften Tage läuft die Oberseite auf schiefer- farbenem Grunde ockerbräunlich an, besonders stark im Nacken und am Kopf, wo sich vor den Ohren ein ockerfarbiger Fleck abzuzeichnen beginnt. Die am weitesten fortgeschrittenen Würfe zeigen in diesem Alter schon eine dunkelbraune Oberseite mit ockergelben Flanken. Schwanzoberseite und Beine sind nach wie vor schwärzlich („Stiefelchen"), weil hier zunächst nur dunkle Haare hervorbrechen (Abb. 3). Am sechsten Tage zeigt die Oberseite ocker- bis umbrabraune Tönung, die nach den Flanken hin zu Ocker auf hellt. Schon jetzt ist der den erwachsenen Nordischen Wühlmäusen eigentümliche Fettglanz stark ausgeprägt. Der Bauch zeigt spärliche kurze Behaarung, wirkt aber noch sehr kahl und hinten so gut wie nackt. Am siebenten Tage sehen die Nordischen Wühlmäuse düster schwärz- lich, grau- oder olivbräunlich aus und zeigen z. T. einen von den Haarspitzen herrührenden mehr oder weniger starken Ockeranflug, der den Flanken einen lehmfarbigen Charakter verleiht, während der gelbe Fleck vor den Ohren nunmehr verschwunden ist. Der Bauch ist silbrig behaart, unter Um- ständen schon mit leicht lehmfarbigem Anflug, wirkt aber immer noch ziemlich nackt (Abb. 4). Am achten Tage ist die Behaarung schon verhältnis- mäßig lang und dicht und zeigt extremen Fettglanz. Die Färbung ist in der Rückenmitte am dunkelsten (dunkel umbrabraun), an den Flanken heller (lehmbraun). Schwanzoberseite und Beine zeigen noch kaum aufhellende Behaarung. Der Bauch ist vollständig, aber noch kurz behaart und lehm- farbig angetönt, die Analgegend wirkt noch nackt und rosig. Am neunten Tage werden die Jungen zuweilen schon stichelhaariger. Die Beine beginnen infolge zunehmender Behaarung heller zu werden, ohne daß die „Stiefelchen" zunächst verschwinden. Der Bauch ist völlig silbergrau behaart mit individuell unterschiedlichem lehmfarbigem Anflug. Am zehnten Tage wirkt das Rückenfell bei starkem Fettglanz ausgesprochen stichelhaarig und ist weiter gedunkelt, wobei die stärkeren Exemplare des gleichen Wurfes stets beller als die schwächeren wirken. Es machen sich nun auch indi- viduelle Unterschiede bemerkbar, manche Exemplare sind rostfarbiger, andere lehmfarbiger. Die sehr überproportioniert wirkenden Beine sind ebenso wie die Schwanzoberseite noch dunkler als der Körper und zeigen am Tarsalgelenk noch schwärzliche Töne (Abb. 5). Am elften Lebenstage ist der Bauch meist so vollständig behaart, daß auch die hinteren Zitzen der Weibchen nicht mehr erkennbar sind. Von nun an verändert sich das Haarkleid nur noch insofern, als es länger und dichter wird und dadurch auch oberflächlich weniger stichelhaarig, sondern glatter (ab 14. Tag), ohne den ihm eigentümlichen Fettglanz zu verlieren. Die Fär- bung dunkelt weiter nach und wird besonders in der Rückenmitte düster schwarzbraun, zeigt aber andererseits auch vermehrt wurfweise und indi- F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 71 viduelle Unterschiede, indem sie manchmal mehr ins Rostbraune, manchmal aber ins Lehmbraune spielt. Stets ist die Rückenmitte an dunkelsten, wäh- rend nach den Flanken zu Aufhellung eintritt. Der Bauch ist auf grauem Grunde meist mehr oder weniger stark lehmfarbig überflogen, die Extremi- täten werden mit zunehmender Behaarung immer heller, während der Schwanz weiterhin dunkel bleibt (Abb. 6). Damit ist das Jugendhaarkleid vollständig; vom Altershaarkleid unter- scheidet es sich durch dunklere Rücken- und grauere Bauchfärbung (Abb. 7 und 8). Nach Beobachtungen an der Berliner Zucht ist im Alter von 7 bis 8 Wochen der Haarwechsel zum Altershaarkleid abgeschlossen. b. Ohren Erst mit dem 3. Lebenstage beginnt die Ablösung der Ohrmuscheln, die zunächst seitlich abstehen, am 4. Tage schräg nach hinten und manchmal auch schon ganz nach rückwärts weisen. Vom 7. Tage an beginnen von vom her Haare über die zunächst noch nackte Muschel zu wachsen, so daß sie am 9. Tage mindestens zur Hälfte, manchmal aber auch schon zu dreiviertel von Haaren verdeckt ist. Am 10. oder 11. Tage ist nur noch der Rand frei, am 13. Tage sind die Muscheln mit wenigen Ausnahmen ganz im Fell ver- borgen (Abb. 2—5). c. Augen Die Augen öffnen sich in der weitaus größten Zahl aller Fälle mit dem 10. Lebenstage. Nur selten erkennt man bereits am 9. Tage (dies womöglich bei solchen Nestlingen, die relativ früh vor der ersten Morgenkontrolle ge- boren wurden und bei dieser schon etliche Stunden alt waren) einen schmalen Spalt, durch den die Cornea hindurchschimmert („Gornea-Reflex"), nur selten blinzeln die Tierchen bereits am Abend dieses Tages. Im allgemeinen ist dies erst am Morgen des 10. Tages der Fall, an dem aber einzelne Wurf- geschwister auch noch geschlossene Augen haben können. Meist öffnet sich ein Auge früher als das andere. Am 11. Tage sind die Augen mandelförmig geöffnet, am 12. voll. Nach den Reaktionen der Nestlinge auf Bewegungen zu urteilen, scheint das Sehvermögen nicht unmittelbar mit dem Augenöffnen gekoppelt zu sein, sondern erst etliche Stunden danach einzutreten (Abb. 5 und 7). d. Zähne Am 5. Lebenstage sind die Nagezähne im Unter- und Oberkiefer meist schon punktförmig erkennbar, aber noch nicht durch die Haut gebrochen, was entweder am 6. oder spätestens am 7. Tage zu geschehen pflegt. Manch- mal erfolgt der Durchbruch der Unterkieferzähne zeitlich etwas vor den Oberkieferzähnen. e. Zitzen Am 1. Lebenstage sind im allgemeinen noch keine Zitzen erkennbar 72 V . Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 und wenn, dann nur bei einzelnen Tieren. Die meisten Weibchen zeigen am 2. Lebenstage die beiden vorderen Zitzenpaare, die aber erst am 3. Tage aus- nahmslos bei allen Weibchen sichtbar sind, so daß spätestens von diesem Tage an die Geschlechtsbestimmung sicher möglich ist. Bei den Männchen findet man an Stelle der Zitzen meist einen feinen Punkt, während die Weibchen um diesen herum den kreisrunden Hofrand erkennen lassen. Vom 4. Tage an werden auch die hinteren beiden Zitzenpaare sichtbar, deutlich mitunter aber erst vom 6. oder 7. Tage an. Mit dem 9. Tage beginnen die vorderen Zitzen unter der Behaarung zu verschwinden, am 11. oder 12. Tage sind auch die hinteren nicht mehr erkennbar. Die Geschlechtsbestimmung wird damit sehr schwierig. Mit der Lupe kann man bei den Weibchen meist die Vagina in Gestalt eines quer über das zwischen Anus und Clitoris ge- spannte Hautband verlaufenden Striches erkennen, der den Männchen fehlt. Nach eingetretener Geschlechtsreife ist die Scheidenöffnung dagegen schon mit bloßem Auge erkennbar. f. Gewichtsentwicklung Regelrechte Geburtsgewichte konnten in beiden Zuchten nicht registriert werden, die ersten Wägungen erfolgten in den der Geburtsnacht folgenden Morgenstunden. Die so erhaltenen Werte liegen für 72 Oldenburger Nest- linge zwischen 2,0 — 3,1 g (M = 2,8 g), für 27 in Berlin geborene zwischen 1,9— 2,6 g (M = 2,3g). Die bekannte Abhängigkeit des Geburtsgewichtes von der Wurf stärke ist auch bei der Nordischen Wühlmaus deutlich; die An- nahme eines mittleren Geburtsgewichtes von 2,5 g dürfte richtig sein. Tabelle 1 gibt Angaben über die weitere Gewichtsentwicklung (Berliner Zucht) ohne Berücksichtigung des Geschlechtes (die Männchen erreichen etwas höhere Gewichte, aber die Schwankungen bei gleichaltrigen Tieren des- selben Geschlechtes sind größer als die Geschlechtsdifferenz im Durch- schnittsgewicht). Rücklaufende Entwicklung bei manchen Werten der Tabelle wird dadurch vorgetäuscht, daß nicht die gleichen Individuen in jeder Altersklasse vertreten sind. Typische Gewichtsentwicklungskurven (Oldenburger Zucht) zeigt die Abb. 10. Es ist daraus zu entnehmen, daß sich die Gewichtszunahme einer- seits vom 13. Tage an beschleunigt, weil die Jungen von diesem Zeitpunkt an nehen der Muttermilch feste Beikost zu sich nehmen, zum andern aber nach dem Absäugen bzw. nach der Trennung von der Mutter kurzfristig verlang- samt sein kann. Meist, aber durchaus nicht immer, wachsen die Männchen schneller als die Weibchen. Mit 60 Tagen kann bereits (in der Gefangen- schaft) ein Gewicht von 50 g erreicht sein. Das absolute Höchstgewicht (Männchen) betrug 82,8 g (Mohr 63 g), doch sind die in Oldenburg erzielten Schwergewichte sicher als ausgesprochen gefangenschaftsbedingt anzusehen. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus Tabelle 1 Gewichtsentwicklung Nordischer Wühlmäuse der Berliner Zucht Tage alt n m uiin. tnax. 0 27 2.3 p 1.9 fr 2.6 s 1 19 2.6 1.9 3.0 2 32 3.3 2.5 3.8 3 23 4.1 2.8 4-7 4 29 4.4 3.2 5.3 5 19 5.3 4.5 6.2 6 39 5.5 4.3 7.0 7 35 6.0 4.8 7.6 8 37 6.8 5.0 8.0 9 25 7.0 6.0 8.4 10 24 7.8 6.3 10.6 II 7 8.8 6.9 11.7 12 17 8.8 7 6 12.7 13 4 7.4 8.7 14 14 10.8 9.7 14.8 15 9 9.8 8.8 11.5 16 10 12.7 11.1 17.1 17 12 13.1 10.3 14.6 18 10 15.1 14.7 19.1 19 5 17.2 15.8 20.2 20 5 15.6 14.7 16.4 21 16 14.8 12.5 21.4 22-25 44 18.6 12.5 23.3 26—30 30 22.6 17,2 28.8 31—35 21 25.6 19.5 30.9 36—40 17 26.7 19.8 35.0 41—45 20 28.3 193 39.4 46—50 8 32.0 24.5 40.9 51—55 19 28.1 19.5 43.0 56-65 29 27.7 20.8 40.5 66—75 20 26.9 18.5 38,0 76—85 9 35.8 31.0 50.5 86—96 10 35.0 29.0 42.5 74 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 SO 91- 40 30 20 IS 10 5 t^--^'^^ M von 2(f lesetzt Kümmer- ling 'on i Ii: O 1 f *• \ ;5 20 25 JO 40 50 $0 roye Abb. 10. Gewicihtsentwicklung zweier gleichzieitig geboremer und gemeinsam aufgewach- sener Würfe der Nordischen Wühlmaus. Man beachte die Beschleunigung der Ge- wichtszunahme vom 13. Tage an (selbständiges Fressen), die vorübergehende Stockung nach dem Absetzen von der Mutter und die gestrichelt gezeichnete Kurve eines von Geburt an zurückgebliebenen Männchens, das später die meisten Weibchen überflügelte. 2. Verhalten. a. Saugpumpen und Milchtritt Beide Nestlingsbewegungen sind vom 1. Lebenstage an im Leerlauf zu beobachten, wenn die Tierchen auf dem Tisch oder in der Hand liegen. Mit- unter entstehen durch das abwechselnde öffnen und Schließen des Maules leise schmatzende oder nuckelnde Geräusche, die man auch aus dem Nest hören kann. b. Umwälzen Zu jeder Art Fortbewegung ist zunächst die Einnahme der Bauchlage erforderlich, zu der die Neugeborenen noch nicht befähigt sind. Sie liegen vielmehr zunächst auf der Seite (beim Saugen auch auf dem Rücken) und vermögen sich erst vom 2. Tage an auf den Bauch zu wälzen. Dies geschieht durch heftige Strampelbewegungen, die schon am 1. Lebenstage völlig un- koordiniert auftreten. x4m 2. Tage kann der Nestling aber durch kreisende Bewegungen des angehobenen Hinterleibes und gleichzeitiges Strampeln mit den Extremitäten sein Gewicht so verlagern, daß das Umwälzen zustande- kommt. Die kreisenden Hinterleibsbewegungen haben im Nest sicher die Funktion, Halt am Heu des Nestrandes oder an Mutter und Geschwistern und damit eine Abstoßmöglichkeit zu finden, die das Umwälzen unterstützt. F FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 75 Auf einer glatten Fläche können sich die Tiere aber zunächst noch nicht in der Bauchlage halten, sondern kippen immer wieder auf die Seite, be- sonders deshalb, weil sie nicht fähig sind, das auf der Wälzseite befindliche Hinterbein unter dem Körper hindurch auf die andere Seite zu ziehen und zur seitlichen Abstützung zu benutzen. Infolgedessen ist der Körper nur ein- seitig gegen das Umkippen gesichert und rollt bei jeder das Gleichgewicht verlagernden Bewegung wieder um seine Längsachse auf die Seite. Auch am 3, und 4. Lebenstage beherrschen noch nicht alle Nestlinge dieses Beindurch- ziehen vollkommen. Diejenigen, die es können, bevorzugen eindeutig die Bauchlage. Spätestens am 5. Tage vermögen es alle Jungen. In der Bauch- lage werden die Hinterbeine zunächst stark auswärts gesetzt, so daß eine breite Unterstützungsfläche zur Erleichterung der Gleichgewichtshaltung entsteht. e. Spaltenbohren und Unterkriechen Das allen Muriden-Nestlingen angeborene Spaltensuchen tritt sofort auf, wenn die Tierchen sich nur etwas von der Stelle bewegen können. Be- reits am 2. Lebenstage ist es deutlich erkennbar und verstärkt sich dann; schnell zu einem intensiven Spaltenbohren, das bald von rudernden und scharrenden Vorderbeinbewegungen unterstützt und dadurch sehr kraftvoll wird. Es besteht ganz offensichtlich die Appetenz, den Kopf in Spalten zu zwängen. Läßt der Widerstand nach — etwa wenn man die Spalte erweitert — , erlischt auch das Spaltenbohren. Eine wichtige Funktion hat das Spalten- bohren beim Unterkriechen, einer den Muriden-Nestlingen ebenfalls eigen- tümlichen Instinktbewegung. Die Tierchen wollen offensichtlich stets von oben bedeckt sein und versuchen deshalb, unter ihre Geschwister, unter die Mutter, unter die menschliche Hand oder unter Nestmaterial zu kriechen. Dabei leistet das Spaltenbohren, bei dem eine erhebliche Kraft entfaltet wird, gute Dienste. Das Unterkriechen bleibt über die Nestlingszeit hinaus erhalten, wenn es nach vollständiger Ausbildung des Haarkleides auch wohl seine ursprüngliche Funktion der Warmhaltung verliert und mehr rituelle Bedeutung im sozialen Zusammenleben erhält (z. B. Unterwerfungszere- monie jüngerer und schwächerer Tiere älteren und stärkeren gegenüber, siehe auch Steiniger 1950 und Eibl - Eibesfeld t 1950, 1953). d. Tragstarre Wie alle Muriden-Nestlinge zeigen auch die der Nordischen Wühlmaus eine ausgesprochene Tragstarre, wenn sie am Rückenfell angehoben werden, was beim Transport durch die Mutter natürlich äußerst sinnvoll ist. Dabei wird der Körper wie bei allen einheimischen Microtinen nicht zusammen- gekrümmt, sondern waagerecht gehalten, die Beine hängen locker herab (nicht an den Leib gezogen!) und der Schwanz wird waagerecht oder ganz 76 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 - " leicht abwärts gekrümmt getragen (niemals aber zwischen den Hinterbeinen hindurch unter den Leib geschlagen!}.') Die Tragstarre ist bereits vom 2. Tage an deutlich erkennbar und lockert sich erst mit dem 15. LebenstagB (beginnendes Strampeln beim Hochnehmen), wobei die stärkeren Exemplare sie früher ablegen als die in der Entwicklung zurückgebliebenen, die sie bis zum Ende der Säugeperiode (20. Tag) beibehalten können. c. Rückwärtsschieben und Kreisbogenschlagen Diese beiden für Microtinen-Nestlinge typischen Orientierungsbewegun- gen sind auch bei der Nordischen Wühlmaus zu beobachten. Das am 3. Le- benstage angedeutete und am 5. ausgereifte Rückwärtsschieben spielt hier allerdings eine bedeutend geringere Rolle als z. B. bei der Schneemaus, wo es eine Zeitlang die bevorzugte Fortbewegungsweise ist. Bei unserer Art bleibt es meist nur angedeutet und geht vielfach aus dem ersten Ansatz heraus in das schon vom 2. Lebenstage an erkennbare Kreisbogenschlagen über, indem die nach rückwärts eingeleitete Bewegung durch seitliches Ab- krümmen des Vorderkörpers und Seitwärtssetzen der Vorderbeine in eine Zir'kelbewegung ausläuft. Zunächst sind es meist nur Viertel- bis Halbbögen, wobei es den Tieren noch schwerfällt, das Gleichgewicht zu halten (häu- figes Umkippen auf die Seite). Später handelt es sich um heftiges Kreis- schlagen mit am Platze verharrendem Körperende. Das Rückwärtsschieben verschwindet mit dem 11. Lebenstage, das Kreisbogenschlagen mit dem 13. bis 14. Lebenstage, da zu dieser Zeit die normale Vorwärtsbewegung aus- gereift ist, die Tiere aus eigenem Antriebe das Nest verlassen und keine spezifischen Nestmulden-Orientieningsbewegungen mehr benötigen, als wel- che die beiden hier behandelten ohne Zweifel anzusehen sind. f. Vorwärtsbewegungen treten im Gegensatz zur Schneemaus etwa gleichzeitig mit den eben be- schriebenen Bewegungsweisen auf, reifen aber langsamer als diese, weil sie komplizierter sind und wohl auch einfach deswegen, weil sie zunächst noch nicht „benötigt" werden. Am 2. Lebenstage versuchen einzelne Tiere schon, sich mühsam mit den Vorderbeinen vorwärtszuziehen, wobei die Hinterbeine zuerst bewegungslos nachschleifen, seltener schon etwas nachzuschieben ver- suchen. Bis zum 7. Tage treten hierin nur langsame Fortschritte ein, die Vorwärtsbewegung bleibt ein mühsames und wenig förderndes Vorwärts- ziehen mit rudernden Vorderbeinen, seitwärts abgewinkelten und langsam nachschiebenden Hinterbeinen und aufliegendem Bauch. Immerhin reicht 1) Der von K. H e r t e r vorgeschlagene Ausdruck der ,,Trag-SchIaffe** wäre hier vielleicht am Platze. Wenn wir den eingebürgerten Ausdruck ., Tragstarre" bei- behalten, so in erster Linie, um das regungslose Verharren des Jungtieres zu kenn- zeichnen. F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 77 dies aus, um Orientierungsbewegungen durchzuführen und auch wieder inS' Nest zurückzukehren, wenn der Nestling gelegentlich an den Zitzen der fort- eilenden Mutter etwas aus dem Nest herausgezogen wurde. Allerdings ist es mit dem Gleichgewichthalten noch schlecht bestellt, und die Tierchen kippen häufig um, wobei die Vorderbeine heftig im Leerlauf weiterstrampeln, im Nest ein durchaus sinnvolles Verhalten, weil sie doch hier und dort an den Wänden oder an den Geschwistern Widerstand finden und vorwärtskommen. Vom 7. Lebenstage an kann man schon von gutem Krabbeln reden, zu- weilen können die auf den Tisch gelegten Nestlinge sogar schon mit weit- ausholenden Armzügen auseinanderstieben, ohne aber die Gleichgewichts- haltung völlig zu beherrschen. Vom 8. Tage an wird der Körper bereits bei jedem Beinzug leicht angehoben, so daß meist schon ein zügiges, wenn auch noch etwas schwankendes Krabbeln, manchmal gar ein schnelleres Laufen zustandekommt. Im allgemeinen herrscht aber noch wenig Bewegungsfreudig- keit, wenn die Jungen auch selbständig bei Störungen das Nest verlassen. Am 9. Tage ist die Gleichgewichtsbeherrschung vollkommen, und die Jungen können „wie aus der Pistole geschossen" lossausen, wobei der Körper schon frei vom Substrat getragen wird. Am 10. Tage, wenn die Augen sich öff- nen, ist die Vorwärtsbewegung nicht mehr als Krabbeln, sondern als regel- rechtes Laufen zu bezeichnen, zumal die Hinterbeine — wenn auch nicht in allen Fällen — schon weniger extrem auswärts gesetzt werden. In diesem Stadium sind die Nordischen Wühlmäuse äußerst bewegungsfreudig und schießen häufig regelrecht davon, manchmal durch Bewegungen in ihrer Umgebung zur Flucht veranlaßt, manchmal aber auch rein spontan, ohne er- kennbaren äußeren Anlaß (vgl. das Flohstadium junger Hausmäuse, Eibl- Eibesfeldt, 1950). Dabei nehmen sie im Gegensatz zu jungen Schnee- mäusen keine Notiz von den Unebenheiten des Substrates und stürzen ohne weiteres über die Tischkante ab. Am 11. Tage ist ein zügiges Laufen zu bemerken, bei dem die Hinterbeine nicht mehr auswärts gesetzt, sondern un- ter dem Leib durchgezogen werden, allerdings noch etwas steif, so daß der Gang ausgesprochen hochbeinig wirkt (Abb. 6). In den nächsten Lebenstagen vervollkommnet sich die Vorwärtsbewegung dann bis zur Vollendung, die wieselschnelles, den Alttieren überlegenes Laufen gestattet, von dem die äußerst mobilen Tierchen viel Gebrauch machen, g. Klettern und Springen Bereits am 10. Tage sind die Nestlinge in der Lage, 4 — 5 cm hohe Wände zu überklettern. Aber erst nach voller Reifung des Sehvermögens be- ginnen sie vom 13. Tage an auch zu springen, zögern aber mit dem Abwärts- springen, wenn die Entfernung zum Boden relativ groß ist, während sie — wie schon erwähnt — beim Laufen solche Hemmungen nicht kennen. Etwa vom 15. Tage an beginnen sie auch schon an Gittern hochzuklettern. 78 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 h. Scharren und Wühlen Scharrbewegungen treten zuerst in Verbindung mit dem Spaltenbohren auf, welches durch sie einen Vorwärtseffekt bekommt. Ihre eigentliche, für die Microtinen so typische und wichtige Funktion, das Bodenwühlen, beginnt erst, nachdem die Nestiinge perfekt laufen können, nämlich mit dem 11. oder 12. Tage. Es ist dann bereits ein völlig koordinierter Bewegungsablauf möglich, indem die Vorderbeine das Erdreich unter den Körper scharren und die Hinterbeine es von dort aus nach hinten auswerfen. Am 15. Tage wurde erstmals auch übersprungscharren (s. Zimmermann 1952, E i b i - Eibesfeldt 1953) bei Erregung beobachtet. i. Schwimmen und Baden Sowie der Körper einigermaßen vollständig behaart ist (11. — 12. Tag), sind die Nordischen Wühlmäuse perfekte Schwimmer, die mit etwas ange- hobener Schnauizenpartie erstaunlich schnell vorwärtspaddeln, aber natürlich zunächst danach trachten, so rasch wie möglich wieder aus dem Wasser her- auszukommen. Sowie das Fell lang und dicht genug ist, benetzen sie sich sehr wenig, richtig eigentlich nur die relativ spät behaarten Bauchpartien. Freiwillig gehen sie allerdings während des Nestlingsalters niemals ins Was- ser, beginnen aber als ausgewachsene Jungtiere frühzeitig mit dem „Baden", d.h. dem Herumplanschen im seichten Wasser. k. Aufrichten, Hocken und Männchenmachen Vom 10. — 11. Tage an können die Nordischen Wühlmäuse sich bereits auf den Hinterbeinen an einer Wand aufrichten. Gleichzeitig wird die Ten- denz erkennbar, das Gewicht im Sitzen nach rückwärts auf Hinterbeine und Schwanz zu verlagern, so daß am 11. Tage bereits ein kurzfristiges Hocken mit abgehobenen Vorderbeinen beobachtet werden kann, welches am 12. Tage meist perfekt beherrscht wird, von manchen Würfen oder Individuen aber erst am 13. Tage (Abb. 5, 7 und 8). Am 16. Tage ist im allgemeinen das Männchenmachen, d. h. freies Stehen auf den durchgedrückten Hinterbeinen und dem Schwänze („Dreibein") möglich. 1. Putzbewegungen bekommt man meist erst im Alter von mehreren Tagen zu sehen, doch schei- nen sie — einigen Einzelbeohachtungen zufolge — bereits früher aufzutreten. So waren einmal bereits am 1. Lebenstage Kratzbewegungen des Hinterbeines im Leerlauf angedeutet, und ein anderes gleichaltriges Exemplar wischte sich mit einem Vorderbein über die Backe. Auch bei zwei 2tägigen Nestlingen konnte das Flankenkratzen mit dem Hinterbein bzw. das Schnauzewischen mit einem Vorderbein im Liegen auf der Seite beobachtet werden. Bei einem dritten 2tägigen Exemplar waren Hinterbein- Kratzbewegungen im Leerlauf durch In-die-Seite-Zwicken auslösbar. Dies ist am 4. oder 5. Tage bei allen F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 79 Nestlingen möglich, zumindest wird durch diesen künstlichen Reiz erreicht, daß das betreffende Hinterbein in „Ausgangsstellung" gebracht, d.h. ange- hoben wird. Am 6. Tage wischte sich ein Junges, nachdem es im Nacken ge- zwickt worden war, mit beiden Vorderbeinen über die Ohren. Am 8. Lebens- tage reicht die Kratzbewegung der Hinterbeine bereits bis zur Backe, und man sieht auch das Schnauzewischen im Liegen, wobei die Vorderbeine aller- dings noch mangels Befähigung zum Hocken am Boden liegen bleiben (Abb. 5). Am 9. Tage werden sie für Bruchteile von Sekunden vom Boden abgehoben, am 10. werden sowohl Hinter- wie Vorderfüße nach dem Putzen abgeleckt (Abb. 5 und 8). Sowie am 11. Tage schon kurzfristiges Hocken und damit Freimachen der Vorderbeine möglich ist, vervollständigen sich deren Putzbewegungen entsprechend. Spätestens ist dies mit dem 12. — 13. Tage der Fall. Etwas später kommt dann auch das Sauberlecken der Bauch- und Flankenpartien hinzu, so daß die vollständige Putzhandlung um den 15. — 16. Tag ausgereift ist. Die soziale Hautpflege der Nestgeschwister fällt bei der Nordischen Wühlmaus allerdings viel weniger auf als bei den Murinen. m. Abwehr und Spielen Charakteristisch für alle Muriden ist ein Abwehrschlagen oder -treten mit den Vorderbeinen, das vor allem im Verkehr mit den Artgenossen eine wichtige Rolle spielt. Seine Entwicklung ist bei der Nordischen Wühlmaus schwer zu verfolgen, weil seine Auslösung durch künstliche Reize (Schnauze- zwicken usw.) unsicher ist. In einem Falle schien es bereits bei einem 2tägi- gen Nestling erkennbar. Sicher war es bei einem 4y2tägigen Tierchen, das sich auf den Rücken warf, mit den Vorderbeinen schlug, symbolisch zubiß und die Vorstufe zum Drohruf (s. d.) hören ließ. Sicher reproduzierbar war das Abwehrschlagen aber in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle erst vom 9. Lebenstage an, stets verbunden mit dem Drohruf und symbolischen Zubeißbewegungen. Diese führen aber dem Menschen gegenüber — wie sicher auch den Familienangehörigen gegenüber — niemals zu richtigem Beißen, wie es bei Feldmäusen fast obligatorisch ist. Zu erwähnen wäre noch der Eindruck, als reife das Abwehr- und damit auch das Kampfverhalten bei den Männchen schneller als bei den Weibchen. Auch unter den Nestlingen der Nordischen Wühlmaus sind Kampfspiele zu beobachten, wenn diese auch nicht so auffallen wie etwa die Balgereien von jungen Langschwanzmäusen (E i b 1 - E i b e s f e l d t 1950). Angriff und Verteidigung folgen in schnellem Wechsel und lassen alle Verhaltensweisen erkennen, die bei den Ausein- andersetzungen feindlicher Alttiere zu beobachten sind. Wie schon erwähnt, nehmen die Nordischen Wühlmäuse als Spielgefährten auch den menschlichen Finger an, den sie stets in die Flucht zu schlagen vermögen, weil er den kommentmäßigen Unterwerfungsruf nicht produzieren kann. 80 Zeitschrift für Säiigetierkunde, Bd. 21, 1956 n. Nagen und Fressen Mit dem 11. Tage beginnen die Nestlinge alle Gegenstände, darunter auch die menschliche Hand, wahllos zu benagen (d.h. besser zu beknabbern), zeigen aber noch kein eigentliches Interesse für Nahrung, wenn sie sie auch wie alles andere beschnuppern. Im Nest beißen sie während dieser Zeit dauernd am Heu herum und zerkleinern dieses noch weiter, als es die Mut- ter schon getan hat. Am 12. Tage, an dem sie meist schon auf den Hinter^ beinen hocken können, werden Haferflocken und Grasblättchen zwischen die Händchen genommen, nach dem versuchsweisen Benagen aber — ohne wirk- lich davon zu fressen — wieder fallengelassen. Am 13. Lebenstage beginnt dann die regelmäßige und immer mehr zunehmende selbständige Aufnahme fester Nahrung neben der Muttermilch; Haferflocken, Grasblätter, Löwen- zahn und andere Kräuter werden ohne Unterschied konsumiert (Abb. 7), z.T. auch schon in ein Versteck getragen, um dort ungestört von den Geschwistern fressen zu können. Mit Vorliebe reißen die Jungtiere sich gegenseitig und auch der Mutter Futterbrocken aus dem Maul, ohne allerdings zunächst mit- einander zu zanken. Dies geschieht erst, wenn sie aus dem Nestlingsalter heraus sind und unter ihnen einige zur Dominanz gelangen. 3. Sinnesentwickliing. a. Taktiler, Schmerz- und thermischer Sinn Vom 4. Lebenstage an, mitunter auch schon früher, wird der Schwanz bei Berührung vorübergehend eingezogen. Wird er gezwickt, läßt der Nest- ling einen Schmerzensruf ertönen. Am 8. Tage wenden sich die Tierchen bei Hinterbeinberührung nach der betreffenden Seite. Vom 9. Tage an löst Schwanz- oder Ohrenzwicken den Drohruf, das Abwehrschlagen und symboli- sches Zubeißen aus. Von Anfang an ist eine starke Appetenz zu Wärmequel- len erkennbar. Die Nestlinge versuchen, sobald sie sich nur eben von der Stelle bewegen können, unter oder auf die warme Hand zu gelangen. Dies Bestreben ist über die Laktationsperiode hinaus feststellbar und äußert sich dann im Hang zum Zusammenkriechen, wenn dabei außer thermischen sicher auch taktile Reize mitspielen dürften. Erstaunlich ist, daß die Jungen auch dann, wenn das Haarkleid vollständig ist, nach Freilegung noch rasch kalt werden (Poikilothermie). Freilegung löst im übrigen das „Weinen des Ver- lassenseins" (sh. auch Stimmäußerungeu !) aus, welches sofort nach Wieder- bedeckung verstummt. b. Hör- und Sehvermögen Die Feststellung des Hörvermögens ist sehr leicht. Läßt man über dem in- der Hand gehaltenen Wurf Schnalzgeräusche hören, so erfolgt in den ersten Lebenstagen keine Reaktion. Erst vom 10. Tage an, gelegentlich auch F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 81 schon am 9. Tage, zucken die Tierchen dagegen deutlich sichtbar zusam- men. Das Hörvermögen tritt also ungefähr gleichzeitig mit oder auch etwas vor dem Augenöffnen auf, und zwar zu dem Zeitpunkt, in dem das Fort- bewegungsvermögen vollkommen entwickelt ist. Allerdings ist das Sehveir- mögen offensichtlich nicht mit dem meist am 10. Lebenstage erfolgenden Augenöffnen gekoppelt, da die Nestlinge erst etliche, wenn nicht gar viele Stunden danach auf Bewegungen in ihrer Umgebung reagieren. c. Geruchsvermögen Dem Verhalten der Nestlinge nach zu urteilen, muß das Geruchsvermögen von Geburt an vorhanden sein; denn soweit Orientierung beobachtet wird, erfolgt sie, wenn nicht taktil und thermisch, dann offensichtlich mittels des Geruchs- sinnes. Mit Beherrschung bestimmter Fortbewegungsweisen setzen dann auch bestimmte Geruchsorientierungsweisen ein, zuerst mit dem 7. Tage das „Win- den", d.h. die Prüfung des Luftraumes auf Gerüche mit schräg empor- gehobenem Kopf. Vom 9. Tage an wird das nun beherrschte Vorwärtslaufen schon vom „Spüren" begleitet, bei welchem die vorgestreckte Nase dicht über dem Boden entlang geführt wird. Am 11. Lebenstage werden bereits alle neuen Gegenstände intensiv beschnuppert. Erwähnenswert scheint noch, daß aus dem Käfig genommene Junge (am 17. Tage), die in einer ihnen unbe- kannten Schublade umherlaufen durften, sich sofort auf einem Häufchen Heu versammelten, das von ihrem mütterlichen Nest entnommen war und das sie offenbar vermittels des Geruchssinnes als „Heim" erkannten. Frisches Heu übte diese Anziehungskraft nicht aus. 4. Stimmäußerungen. Aus dem Nest genommen und freigelegt sind die Neugeborenen sehr stimmfreudig und lassen sofort ein kräftiges Ziepen hören (tjip, zjip, tschit oder tschip — Vokal lang — oder auch mitunter fast zweisilbig tjiep, ziep). Man kann beobachten, daß sie sich bei jedem Einzelschrei zusammenziehen und das Mäulchen öffnen (Abb. 1). Dieses „Weinen des Verlassenseins" wirkt ausgesprochen stimulierend auf die Geschwister i), so daß stets ein ausge- sprochener „Ghorgesang" zustande kommt, der aber augenblicklich ver- stummt, wenn die Tierchen ins Nest zurückgelegt oder in die warme Höhlung der Hand genommen werden, jedoch beliebig oft durch erneutes Bloßlegen reproduzierbar ist. Bei der Mutter löst das Weinen des Verlassenseins Such- bewegungen nach dem Jungen aus. Vom 4. Tage an hört der aufmerksame Beobachter aus diesem Ziepen bereits verschiedene Stimmungsvariatiouen heraus, wobei außer dem kräfti- 1) Da die Jungen in diesem Alter, in dem der Gehörgang noeh nicht geöffnet ist, zweifellos keinen luftübertragenen Sehall wahrzunehmen vermögen, muß offenbleiben, wie die offensichtliche Stimulierung zustandekommt ; vielleicht durch Schallwellen- übertragung von Körper zu Körper, 6 82 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 gen Weinen des Verlassenseins sowohl feinere ziep-Rufe hörbar werden (eine Art Stimmfühlung oder Demutsruf im Verkehr mit der Mutter) wie anderer- seits auch schärfere und „schimpfende*' tschiep-Rufe, die bereits an das spätere Drohen anklingen (z. B. beim Herausnehmen aus dem Nest). Am 6. Tage klingt dieser Ruf schon wie tschett (Vokal kurz) und entspricht da- mit durchaus dem Droh- bzw. Warnruf dieser Art, welcher später wie tschätt oder quätt (scharf) klingt und bei großer Erregung auch in Reihen gerufen wird, niemals aber das der Erdmaus eigentümliche Stakkato- Gezeter erreicht. Während das Weinen des Verlassenseins mit dem 9. oder 10. Lebens- tage, also dann, wenn selbständige Fortbewegung möglich ist, verschwindet, bleiben Drohruf und Unterwerfungsruf zeitlebens erhalten. D. Schlußbemerkung. Die vorliegende Darstellung des Verhaltuns der Nordischen Wühlmaus im Käfig und ihrer Jugendentwicklung ist als Beitrag für eine zukünftige vergleichende Verhaltensanalyse einheimischer Microtinen gedacht. Erst wenn für jede Art eine ähnliche Abhandlung vorliegt, wird ein abschließender Vergleich möglich sein. Immerhin lassen sich schon jetzt folgende Besonder- heiten der Nordischen Wühlmaus kennzeichnen: Ruhiges Wesen und Ver- trautheit dem Pfleger gegenüber; Vorliebe für Wasser; geringeres, d.h. lang- sameres Fortpflanzungspotential und geringere Neigung zur Großfamilien- bildung und damit auch ein geringeres „Verdichtungspotential" als bei Feld- mäusen unter gleichen Haltungsbedingungen. Die körperliche Entwicklung sowie die der Sinne und der Verhaltensweisen zeigt dagegen völlige Überein- stimmung mit den beiden anderen einheimischen Microtus-Arten Feldmaus und Erdmaus, nicht dagegen mit Schneemaus (Frank 1954), Großer Wühl- maus (Arvicola terrestris) und Rötelmaus (Chlethrionomys glareolus), die mehr oder weniger starke Abweichungen in der Jugendentwicklung erkennen lassen und damit ihre gesonderte Behandlung durch die Systematiker be- stätigen. Literatur : Eibl-Eibesfeldt, I., 1950. — Beiträge zur Biologie der Haus- und der Ähren- maus nebst einigen Beobachtungen an anderen Nagern. — Z. f. Tierpsychol. 7, 558—587. — , 1953. — Zur Ethologie des Hamsters (Cricetus cricetus L.). — Z. f. Tierpsychol. 10, 204—254. Frank, F., 1953a. — Zur Entstehung übernormaler Populationsdichten im Massen- wechsel der Feldmaus (Microtus arvalis Pallas), — Zool. Jb. (Syst.) 81, 610—624. — , 1953 b. — Adoptionsversuche bei Feldmäusen (Microtus arvalis Pallas). — Z. f. Tierpsychol. 9, 415—423. — , 1954. — Beitrag zur Biologie, insbesondere Jugendentwicklung der Schneemaus (Chionomys nivalis M a r t.). — Z. f. Tierpsychol. II, 1—9. — , 1956. — Beiträge zur Biologie der Feldmaus (Microtus arvalis Pallas). Teil 11: Laboratoriumsergebnisse. — ZooL Jb. (Syst.i 84. 32 — 74. F. FRANK und K. ZIMMERMANN, Zur Biologie der Nordischen Wühlmaus 83 K ü s t h a r d t , G., 1942. — Weitere Beobachtungen an Schneemäusea. — Z. f. Säugetierkde. 14, 258—268. O g n e V , S. I., 1950. — Säugetiere der UdSSR und der angrenzenden Länder. Mos- kau— Leningrad (russ.) Bd. VII. Stein, G., 1952. — über Massenvermehrung und Massenzusammenbruch bei der Feldmaus. — Zool. Jb. (Syst.) 81, 1—26. — , 1953. — über das Zahlenverhältnis der Geschlechter bei der Feldmaus (Microtus arvalis). — Zool. Jb. (Syst.) 82, 137—156. Steiniger, F., 1950. — Beiträge zur Soziologie und sonstigen Biologie der Wan- derratte. — Z. f. Tierpsychol. 7, 356—379. Zimmermann, K., 1952. — Das Verhalten verpaarter Feldmäuse (Microtus arvalis Pallas), bei Begegnung na^h Trennung. — Z. f. Tierpsychol. 9, 1 — 11. Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. Jugendentwicklung der Nordischm Wühlmaus (Microtus oeconomus stimmingi Neihring) Photos F. Frank 1 Abb. 1: I.Tag. Ohrmuscheln noch angewachsein, Zeihen verwachsen, bis auf Schnurr- haare nackt. ,, Weinen des Verlassenseins" mit geöffnetem Mäulchen und etwas zusammengezogenem Körper, Abb. 2: 3. Tag. Ohrmuscheln seitwärts gericihtet, Rücken mit feinem Haarflaum be- deckt, Bauch nackt. Abb. 3: 5. Tag. Ohrmuscheln rückwärts gerichtet, Behaarung auch an den Flanken, vor den Ohren heller Fleck, dunkle „Stiefeldhen/". Abb. 4: 7. Tag. Haare beginnen von vorn über die Ohrmuschel zu wachsen, Kör- pergewicht wird beneitsi etwas nach rückwärts verlagert. Abb. 5: 10. Tag. Kopf und Extremitäten überproportioniert, Augen gerade geöffnet (,, Blinzeln"), nur noch Ohrmusöhelrand aus dem Fell heraussichauend, Gewicht noch mehr naöh rückwärts verlagert. Schnauzeputzen mit noch aufliegenden Vorderpfoten. Abb. 6: 11. Tag. Zügiges Vorwärtslaufen mit abgehobenem Körper, Hinterbeine noch etwas steif durchgezogen, „Spüren" am Boden. Abb. 7: 13. Tag. Kopf und Extremitäten überproportioniert, perfektes Hocken auf Hinterbeinen und Schwanz (,, Dreibein"), Vorderpfoten halten durchgebissenes Roggenblatt, dessen eine Hälfte einhändig gefressen wird. Abb. 8: 18. Tag. überproportionierung von Kopf und Extremitäten geringer werdend, flaches Hocken zum Schnauzeputzen mit Vorderpfoten, die gerade abgeleckt werden. Abb. 9: Erwachsen, etwa ein halbes Jahr alt, relative Kopf- und Extremitäten- proportionen reduziert, Schwanz aber gegenüber den andern Microtus-Arttn relativ lang, starker Fettglanz. 6* 84 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Natürliche Auslese bei der Rotelmaus Clethrionomys gl. glareolus Sehr. Von Georg H. W. Stein (Berlin). (Aus der Säugetierabteilung des Zoologischen Museums der Humboldt- Univeirsität Berlin) 1. Problemstellung. Zu beherrschender Geltung gelangt war der Selektionsgedanke bereits als reine Theorie, als abstraktes biologisches Prinzip. Genügend experimentelle Untersuchungen haben ihm längst auchi die sichere wissenschaftliche Grund- lage gegeben, und so unanfechtbar gehört die Selektion jetzt zum festen Fun- damente der gesamten Biologie, daß Meinungsverschiedenheiten nur noch über ihren Wirkungsbereich im Evolutionsgeschehen bestehen. Wer es heute also unternimmt, Auslesevorgänge aufzuzeigen, könnte leicht offene Türen einrennen, und das um so eher, wenn es sich um so einfache Dinge handelt, wie sie hier vorgelegt werden sollen, nämlich um die intra- spezifische Selektion der Körpergröße innerhalb der niedrigsten systemati- schen Einheit, der Population. Aber um einen experimentellen Nachweis dieser Art — dessen es auch kaum mehr bedürfte — geht es uns nicht, vielmehr um „natural selection". Und gegen die Realität dieser Auslese in der Natur hat man eingewandt, und wenigstens formal nicht mit Unrecht, sie ermangele der sinnlichen Wahr- nehmung. In der Tat begegnen wir ihren Auswirkungen draußen zwar aller- orten, ihr Walten selbst verläuft jedoch ganz unauffällig, weil gemeinhin in kleinsten Maßstäben und so langsamen Schrittes, daß es uns verborgen bleibt. Zu spät kommt hier gewöhnlich der Mensch, sieht, was sich vollzogen haben sollte und schließt, gebannt von ihrer „scheinbar zwingenden Logik" (R e - m a n e) auf Selektion. Für einen Einblick in Auslesevorgänge selbst wäre eine Kenntnis des Zustandes vor und auch nach dem Eintritte des Ereig- nisses unumgänglich, und da sich nicht voraussehen läßt, wo, wann und ebensowenig bei welchen Organismen Selektion sich etwa vollziehen wollte, gliche die planmäßige Suche danach einem Blindekuh-Spiele. Nur der Zu- fall vermöchte Material zusammenzufügen, das auch das Vorher mit um- faßte. Einem solchen Zufalle sind nun die beiden Serien von Clethrionomys glareolus zu danken, die natürliche Auslesevorgänge vor Augen führen: Für ganz anders gerichtete Untersuchungen war Anfang 1955 auch eine Serie von Rötelmäusen gesammelt worden. Eine Parallelreihe des Jahres 1956 zeigte schon in ihren Anfängen auffällige Abweichungen in vermindertem Anteile der leichtesten, kleinsten und — wie sich später ergab — auch der jüngsten Tiere. Es handelt sich um eine Einschränkung der Bestandsdichte, G. H. W. STEIN, Natürliche Auslese bei der Rötelmaus 85 und der Nachweis, daß sie nicht wahllos vor sich geht, sondern nur eine be- stimmte Größen-, Gewichts- und Altersgruppe — was im Prinzip dasselbe ist — betroffen wird, ist die Aufgabe dieser Arbeit. 2. Material und Methodik. Aus der Zeit zwischen dem 1. 1. und 1. 5. liegen für 1955 274 und für 1956 445, zusammen 719 selbstgesammelte Stücke aus der Umgebung von Fürstenwalde bei Berlin vor. Sie sind optimalen Rötelmausbiotopen entnom- men worden, das sind feuchte, lichtere Laubmischwälder vom Erlen-, Birken- (Eichen-)Typ mit reichlichem Unterholz von Holunder (Sambucus nigra), Faulbaum (Rhamnus frangiila), Hartriegel (Cornus sanguinea), Haselnuß (Corylus avellana) und eingesprengten Hecken von Himbeere (Rubus idaem) und Brombeere (Ruhus spec). Auch einige Mischwaldränder ähnlichen Cha- rakters sind abgesammelt worden. Die Tiere beider Jahre stammen überwie- gend aus einunddenselben Lebensräumen, nach Zeit und Herkunft besteht also gute Übereinstimmung. Angewandt wurde das Verfahren der Fangreihen (trap-lines) mit einem annähernd festen Abstände von 10 m je Falle. So läßt sich eine Bestimmung der Bestandsdichte ableiten. Genügend großes Material gleicht Zufallsschwankungen der Einzelergebnisse aus und erlaubt eine sta- tistische Behandlung. Angegeben werden stets Fanganteile in Prozenten (An- zahl der gefangenen Rötelmäuse x 100 / Fallenzahl). Analysiert sind die Serien nach Unterschieden in Körpergröße und Lebens- alter. Als Maßstab für Körpergröße dienen die Gewichte und die Schädel- längen (Condylobasallängen). Wintergewichte sind recht einheitlich und als Maßstab für Körpergröße brauchbar. Bei den Durchrechnungen der Gewichte und Schädellängen darf Übereinstimmung in den Anzahlen nicht erwartet werden. Angefressene Stücke, deren Gewichte nicht benutzbar sind, decken sich nicht mit denen, deren Schädel, weil von den Fallen zerschlagen, ausge- schieden werden mußten. Für eine Einsicht in den Aufbau einer Population ist die Kenntnis ihrer Alterszusammensetzung unentbehrlich. Glücklicherweise ist gerade hierin bei der Rötelmaus eine sichere Basis vorhanden. Anders als bei den meisten, Microtinen behält sie nicht zeitlebens offene Zähne, sondern bildet mit dem Alter Wurzeln aus, deren Längenzuwachs eine hinlänglich sichere Alterszu- ordnung gestattet (Zimmermann 1937 und 1950, Prychodko 1951, Wasilewski 1952, K o s k i n a 1955). Zugrundegelegt wird hier die von Wasilewski getroffene Einteilung (Mi) : Gruppe I Molaren noch wurzellos „ II Ml mit Wurzeln bis 0,3 mm III Ml mit Wurzeln bis 0,9 mm ,5 IV Länge der Wurzeln 1,0 — 1,5 mm „ V Länge der Wurzeln über 1,5 mm. 86 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Zwei Stück aus dem Gesamtmaterial können nach der Molarenbewurze- lung von vornherein von der weiteren Behandlung ausgeschieden werden, zu- erst 1 9 vom 18. 1. 56, das schon mit seinem überhohen Gewicht von 27 g aus der Variationsbreite herausfällt und zur Altersgruppe V gehört. Es ist das einzige Stück im zweiten Winter seines Lebens und bestätigt wieder, daß kleine Wühlmäuse nur in Ausnahmefällen älter als ein Jahr werden. Das Tier hat ein Mindestalter von 16 Monaten erreicht. Der Anteil dieser Altersgruppe in meinem Material (n = 719, Jan. — April) beträgt 0,14 %. Das zweite ausgesonderte Stück, 9 ^* 4« hat wurzellose Molaren und trägt noch das Jugendkleid, entstammt demnach einem Winterwurf. Winter- vermehrung ist für Clethrionomys in Deutschland nahezu unbekannt. Die übrigen 717 Rötelmäuse sind sämtlich Jungtiere aus dem Vorjahre, Lebens- alter zwischen 4 und 11 Monate. 3. Zur Variabilität der Schädelgröße bei Clethrionomys gl. glareolus. Auch in den neuesten Zusammenstellungen wird die Schädellänge unserer Unterart, immer noch fußend auf Miller (1912), einhellig mit 24,6mm max. angegeben. Zum Teil ist das richtig, zum Teile falsch. Es gibt Jahre,, für die die alte Angabe stimmt, die Schädel also keine höheren Maße haben und Jahre, in denen sie größer sind mit dazu erheblichem Anteil solcher höheren Werte. Der ersten Gruppe ist offenbar die Reihe von 542 Rötel- mäusen aus dem Urwalde von Bialowies (1946 — 1948) zuzurechnen (W a s i - lewski 1952), unter denen ein einziges ELxemplar über 24,6mm (24,9) auf- tritt. Das Ausmaß der zeitlichen Schwankungen der Variabilität der Schädel- längen demonstrieren zwei Serien meiner Sammlung, die aus einunddem- selben Lebensraum, jedoch aus verschiedenen Jahren stammen. Biotop: Iso- lierte Brombeerhecke in von Unterholz sonst freiem Kiefernhochwald; Zu- und Abwanderung aufs stärkste eingeschränkt. Fundort Zeit Gondylobasallängen, Endwerte Bemerkungen 24.1 2 3 4 5 6 7 8 9 25.0 1 2 3 4 5 n Ahrensdorf Kr. Fürsten- walde Mai bis Juli 1951 1 1 1 3 2 1 49 Serie zum grötken Teile aus größten; d. h. Vorjahrstie- ren bestehend Ahrensdorf Kr. Fürsten- Gesamtmaterial, walde 1 1 1 1 1 1 1 3 - 1 62 d. h. einschließ- Juni 1954 lich der Jungtiere Tab. 1: Zeitliche Größens-chwankungen der Schädellänge bei der Rötelmaus. Auswahl und Umfang beider Reihen lassen die Unterschiede in der Varia- tionsbreite als gesichert erscheinen. Die Rötelmaus gehört damit zu jenen G. H. W. STEIN, Natürliche Auslese bei der Rötelmaus 87 kleinen Säugetieren, für die in den letzten Jahren die auffällige Erscheinung der zeitlichen Größenschwankungen nachgewiesen wurde: Maulwurf, Talpa europaea (Stein 1951), Erdmaus, Microtus agrestis (Ghitty 1952), Feld- maus, Microtus arvalis (Zimmermann 1955). Für die letzten beiden Arten sind die Zusammenhänge mit der Bestandsdichte erwiesen. 4. Dynamik der Bestandsdichte der Rötelmäuse 1955 und 1956. 50 t 12 3^5 Ol955 H 1956 Abb. 1: Bestandsöchiwankungen der Rötelmäuse einundderselben Lebensräume in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. In vier Lebensräumen (1 — 4) haben sich, bei schon hoher Konzentration im ersten Jahre, die Bestände weiter erhöht, zum Teil verdoppelt. Das sagen auch die Gesamtergebnisse beider Fangperioden aus: Zeitabschnitt Anzahl der Fallen Anzahl der gefangenen Clethrionomys Anteil in Fang- prozenten Januar — April 1955 1927 274 14,22 Januar — April 1956 o 445 21,32 Die Differenz der Prozentwerte ist statistisch real. Diese Bevölkerungszu- nahme ist die Basis unserer weiteren Betrachtungen. Die Zahlen aus dem letzten Lebensraum (Abb. 1, 5) stellen diesen Befund allerdings auf den Kopf. Höchste Bestandsdichte wurde dort bereits 1955 registriert, und sehr bezeichnend wurden damals in diesem Mischwalde auch die ersten leichten Schäden an Rindenfraß beobachtet. 1956 war die Be- standsdichte auf ein Minimum abgesunken, und das Rötelmausrevier bot im Januar einen ungewöhnlichen Anblick: Schon von weitem leuchteten die Wipfel der Holunderbüsche wie beschneit aus dem Walde heraus. Jüngere Schößlinge standen gleich weißen Stäben da, oberschenkelstarke Stämme waren an ihrem Fuße der dicken Borke bis auf den Splint entkleidet und mit hohen Wällen von Spänchen eingefaßt. Faulbaum zeigte ebenfalls Schä- den, jedoch in geringem Umfang; vom Hartriegel war junges, rotrindiges Holz heilgeblieben, altes bis in die Spitzen der Zweige hinein benagt. Der 88 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 Wipfel einer vom Sturme gebrochenen Pappel (Populus tremuliis) lag total entrindet am Boden. Dünnste Zweige der verschiedenen Holzarten waren vollständig abgebissen, und ihre säuberlich benagten Reste lagen nun in Häufchen unter irgendwelcher Deckung. Und alles war das Werk kleiner Nagetiere, der Rötelmäuse, denn in Fallen, an die angegangenen Bäume ge- stellt, fing sich kaum anderes als diese Art! Auch in geographisch weiterem Rahmen sind 1956 solche katastrophalen Fraßschäden vorgekommen. H. Stubbe hat sie in einem Laubmischwalde bei Gatersleben gesehen, H. Weber (Ser- rahn) wurden sie vom Darß und von Hiddensee berichtet. Einheitleichkeit zeigt sich jedoch schon in meinem Untersuchungsgebiet keineswegs. Es gibt auch Lebensräume, in denen das Unterholz überhaupt nicht gelitten hat. überall sind nun die Beziehungen zwischen Fraßschäden und Individuen- zahl dieselben: Je umfangreicher jene, um so geringer die Anzahl der ge- fangenen Röteimäuse. So betrug ihr Anteil in Fangprozenten in drei Lebens- räumen, in denen das Unterholz aufs schwerste beschädigt war, Ende März 1956 nur noch 5,5 gegenüber dem Durchschnittssatze von 21.3. Es müssen erhebliche Mengen von Tieren an diesen Verwüstungen beteiligt gewesen sein, und nach der Frische der Fraßstellen und Spänchen zu urteilen, waren sie bis vor kurzem noch tätig. Da Abwanderung, etwa in Felder und Wiesen, woran immerhin gedacht werden könnte, bei den streng an Gebüsch und Baumwuchs gebundenen Rötelmäusen gänzlich entfällt, bleibt nur der Schluß übrig, sie sind zugrundegegangen. In einem Mischwalde, dessen Größe (0,75 km^) eine Beeinflussung der Er- gebnisse durch wiederholten Fallenfang ausscheidet, ließ sich die Dynamik verfolgen: i ; ; Fangtermin Anzahl der Fallen Anzahl der gefangenen Clethrionomys % Januar — Anfang März 1956 337 114 33,8 Ende März — Ende April 1956 380 30 7,9 Die Differenz der Prozentzahlen ist signifikant. Etwa Dreiviertel der ge- samten Bevölkerung ist hier umgekommen! Solche Verluste erscheinen für normale w interliche Bestandsrückgänge zu hoch und sind eher als Zusammen- bruch der Population anzusehen. Herauszustellen ist dabei, daß sich dieser Vorgang nicht während der Belastungen durch den schweren Kälteein- bruch dieses Winters und seine Folgen, die Schneeschmelze mit langanhalten- dem Wasserstau, vollzogen hat, sondern erst danach, in den Wochen des milden Vorfrühlings. Und vor Eintritt der hochwinterlichen Witterung war der Zusammenbruch im Tempelberger Forst (Abb. 1, 5) erfolgt (Jan. 56 nur G. H. W. STEIN, Natürliche Auslese bei der Rötelmaus 89 noch 11,1 Fangprozente). Beide Zusammenbrüche sind also wetterunabhängig vor sich gegangen. Die bisher gewonnenen Ergebnisse lassen sich so zusammenfassen: Die Fortpflanzungsperiode 1955 hat die vorher schon erheblichen Dichtekonzen- trationen der Rötelmäuse weiter kumuliert. In den Wintermonaten 1955/56 trat ein Zusammenbruch ein, der sich dadurch charakterisiert, daß er 1. zwar enorme Bevölkerungsrückgänge zur Folge hatte, indessen durchaus nicht alle Populationen erfaßte, 2. sich bei den betroffenen zu verschiedener Zeit voll- zog, und 3. in den beobachteten Fällen wetterunabhängig verlaufen ist. Noch im April waren vier Rötelmausbevölkerungen in ihren Beständen wenig angetastet (310 Fallen, 92 Clethrionomys = 29,7 %), und sehr bezeich- nend trat Rindenfraß in allen kaum auf. Es will nun nicht einleuchten, wes- halb die Tiere hier die Rinde wenig beachtet haben, wo sie sie doch nach den Angaben in der Literatur mit Vorliebe fressen sollen; wie es gerade von dieser Vorstellung aus auch unverständlich bleibt, daß es Jahre ganz ohne Fraßschäden gibt. Hohe Bestandsdichte und Rindenfraß gehören zusammen, er ist weit mehr das Kennzeichen für einen Notstand der Populationen als Ausdruck normalen Bedürfnisses. In Revieren mit ausgedehnten Verwüstun- gen fällt nun auf, daß die Wipfel der Sträucher (bis nahezu 4 m Höhe) auch dann erklettert wurden, wenn in den unteren Bezirken die Rinde wenig an- gegangen war. Und bis zu 10 m über deckungsloses Gelände sind die Rötel- mäuse gelaufen, um zu einzeln noch im Kiefernhochwalde stehenden Büschen zu gelangen, für so schüchterne Geschöpfe wie kleine Wühlmäuse ein un- gewöhnliches Verhalten! Die Wälle von Spänchen, die starke Holunder- stämme am Fuße umgaben, zeigten deutlich eingetretene Ringbahnen, die nur von Jagereien herrühren konnten. Offenbar haben die Tiere sich hier den Zugang streitig gemacht. Es kann nur Wettbewerb um Nahrung sein, der all diesen Erscheinungen zugrundeliegt, struggle for existence, aus dem dann Selektion resultieren müßte, und diesen Grundgedanken Darwins in seiner einfachsten Konzeption wollen uns die Rötelmäuse demonstrieren. Für unsere Auffassung, Nahrungsmangel, hervorgerufen durch Übervölke- rung, sei der entscheidende Faktor des Zusammenbruches, spricht weiter, daß im Winter 1955 unter 274 gefangenen Rötelmäusen nur 12 (-= 4,4%) von Artgenossen angefressene sich vorfanden, 1956, bei höchster Bestands- dichte, dagegen 44 von 402 (= 11,1 %), und die waren zum Teil soweit ver- zehrt worden, daß ein Häufchen Haare, der Schwanz oder ein Fuß hin- reichen mußten, die Art zu erkennen. Auch für verwandte Formen, Microtus agrestis und Microtus arvalis, ist es bekannt, daß ernste Fraßschäden an Holzgewächsen erst bei hoher Be- standsdichte auftreten. Sogar für Microtus oeconomus ließ sich das im Früh- jahr 1956 verzeichnen: In einem eiszeitlichen Feldtümpel siedelten die Tiere so dicht, daß alles frische Gras abgefressen war, dazu das erste Grün der 90 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956, Wasserpflanzen, zu dem sie nur schwimmend hatten gelangen können. Und hier fanden sich die starken Stämme niederliegender Weiden (Salix spec.) ebenfalls angenagt. 5. Die Variabilität der Gewichte 1955 und 1956. Im Juni, auf dem Höhepunkt ihres Lebens, erreichen vorjährige Rötelmaus- männchen Gewichte bis zu 34 g, die Steigerung bei Weibchen bis 37 g ist auf Gravidität und Laktation zurückzuführen. Die Variationsbreite der Winter- tiere ist eingeschränkt (mit Mittelwerten um 18 g für beide Geschlechter) und überschreitet 25 g nur in Ausnahmefällen. Gegen das Frühjahr hin ver- schieben sich die Kurven der Geschlechter, die Männchen eilen voraus, und das macht eine getrennte Behandlung nötig. Tab. 2 bringt eine Zusammen- stellung der Männchengewichte beider Jahre (in Klammern die Prozentwerte) : Gewichtsklassen in g 12—14 15—17 18—20 21—23 24—26 27—29 n M m c^cf 1955, Januar bis April 11 (8) 48 (32) 40 (26) 28 (18) 16 (12) 6 (4) 149 19,16 ± 0,097 1956, Januar bis April 1 (1) 31 (14) 96 (45) 61 (29) 20 (10) 3 (1) 219 20,09 ± 0,176 Tab. 2: Variabilität der Gewichte männlicher Rötelmäuse in 2 aufeinanderfolgenden Jahren. % 50- 40- 30" 20- 10 13 16 19 22 25 28 Gramm Gewicht m955 EU 1956 Abb- 2: Häufigkeitsverteilung dier Gewichte männlicher Rötelmäuise m zwei aufein- anderfolgenden Jahren. 1956 sind die niedrigsten Gewichtsklassen stark vermindert, weiter haben sich die Mittelwerte von 19,16 g auf 20,09 g verschoben. Diese Unterschiede sind signifikant. 1956 sind die Rötelmausmännchen also im Mittel schwerer geworden, und das bei höchster Bestandsdichte, also verschärfter Nahrungs- konkurrenz und für den Anteil der zuletzt gefangenen Tiere (von Mitte Februar ab) unter den erschwerenden Bedingungen des harten Winters. G. H. W. STEIN, Natürliche Auslese bei der Rötelmaus 91 Finden sich 1955 Gewichte bis 15 g noch bei 22 Tieren unter 149 ^ 14,8%, so ist deren Anteil 1956 auf 2,4% (5 von 212) gesunken. Für die Analyse der Gewichte der Weibchen muß das Aprilmaterial aus- geschieden werden. Unterschiedliche Intensität des Fortpflanzungsbeginns beider Jahre macht sich dann störend bemerkbar. Die Sexualperiode setzte zwar in ihrem Zeitpunkt gleichmäßig ein, jedoch mit wesentlichen Abwei- chungen in der Beteiligung der Tiere: 1955 34 99 davon 15 gravid 44 o/o 1956 25 99 davon 3 gravid 12 % Der durch die Trächtigkeit verursachte steile Gewichtsanstieg verwischt bei der auch relativ höheren Zahl der 99 Jahre 1955 die realen Ge- wichtsunterschiede in beiden Jahren. Gewichtski assen in g 12—14 15—1^ 18—20 21—23 24—2^ n M m 9 9 1955, Januar bis März 6 (9) 32 (51) 22 (35) 3 (5) 63 17,05 ± 0,270 9 9 1956, Januar bis März 1 (1) 44 (34) 72 (54) 12 (9) 2 (2) 131 18,31 ±0,165 Tab. 3: Variabilität der Gewichte weiblicher Rötelmäuse in 2 aufeinanderfolgenden Jahren (Wintertiere). Auch hier liegen die Differenzen der Mittelwerte außerhalb des Zufalls- bereiches. 50 Mi 30 20- 10- 13 16 79 22 25 Gramm Gewicht m 1955 102131956 Abb. 3: Häufigkeitsverteilung der Gewichte weiblLcher Rötelmäuse in zwei aufein- anderfolgenden Jahren (Wintertiere). Abb. 3 bringt die Variationspolygone der Gewichte der Weibchen heider Jahre. Sie gleichen durchaus denen der Männchen. Wieder zeigen sich die Abweichungen in den Klassen der leichtesten Tiere. So sind 1955 in den Gruppen bis 15 g 20 von 63 vorhanden (- 31,7 o/o), 1956 dagegen von 131 nur 4 (= 3,1 o/o). 92 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 21, 1956 6. Die Schädellängen. Schädellängen in mm 21.0— 21.2 21.3— 21.5 21.6— 21.8 21.9— 22.1 22.2— 22.4 22.5— 22.7 22.8— 23.0 23.1- 23.3 9 Jan- April 1955 1 ( 1 1) 6 (3) 21 (10) 31 (15) 41 (20) 42 (21) 27 (13) oV$9 Jan.- April 1956 1 ( 3 ) 6 (2) 31 (9) 49 (14) 67 (20) 70 121) Schädellängen in mm 23.4- 23.6 23.7— 23.9 24.0— 24.2 24.3— 24.5 24.6— 24.8 n M m dd9 9 Jan.- April 1955 16 (8) 12 (6) 5 (2) 1 1 2 (1) 206) (100) 22,79 ± 0,044 C^