ZEITSCHRIFT FÜR SÄUGETIERKUNDE Im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e. V. herausgegeben von PROF. DR. HERMANN POHLE ■ BERLIN Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. 20. BAND 206 + IV Seiten Text und STafeln Mit 49 Abbildungen BERLIN 1954/55 In Kommission beim Verlag Naturkunde, Hannover und Berlin -Zehlendorf Es sind erschienen: Titel, p. I— IV 3. 8. 1955 Heft I, p. 1—36, Tafel I— III 30. 7. 1954 Heft II, p. 37—118, Tafel IV— VII 3. 8. 1955 Heft III, p. 119—200, Titeltafel 3. 8. 1955 Register, p. 200—204 3. 8. 1955 Dieser Band ist die Gabe der Gesellschaft an ihre Mitglieder für das Jahr 1952. Druck vom Wiihelim Möller, K. G.; Berlin- Waidmaainsliist. I bA.ao-A\ III Inhalt I. Originalarbeiten p. 1. F. Schwangart, Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 1 2. F. Kühlhorn, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 13 3. K. Herter und G. Lauterbach, Überwinterung syrischer Gold- hamster in Norddeutschland 37 4. D. Chitty, über die Dichteschwankungen bei der Erdmaus 55 5. A. van Wijngaarden, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 61 6. D. M. Steven, Untersuchungen über die britischen Formen von Clethrionomys 70 7. I. Eibl-Eibesfeldt, Territoriales Verhalten und Brutpflege des Galapagos- Seelöwen 75 8. K. Becker, Art- und Geschlechtsunterschiede am Becken einhei- mischer Spitzmäuse 78 9. G. Stein, Die Kleinsäuger ostdeutscher Ackerflächen 89 10. K. Zimmermann, Körpergröße und Bestandsdichte bei Feld- mäusen 114 II. Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunds e. V. 1. K. Becker, Niederschrift der 28. Hauptversammlung in München 119 2. K. Becker, Niederschrift der wissenschaftlichen Sitzungen 1954 150 3. Geschäftsbericht (nur Hinweis) 153 4. Satzung (nur Hinweis) 7 153 5. I. Johnke, Eingänge für die Bücherei 1939 — 1954 154 6. Verzeichnis der Vorstandsmitglieder 1955 — 1956 178 7. Mitgliederverzeichnis (Nachtrag) 178 8. H. A. Freye, Prof. Dr. Ludwig Freund f, 1878—1953 180 AÜG2 319S: IV III. Notizen p. 1. K. Pritsche, Wildkatze bei Bremerhaven 183 2. G. Gaffrey, Zur Biologie der Hausratte 183 3. B. Grzimek, Wissenschaftliche Arbeitsplätze im Frankfurter Zoologischen Garten 184 4. W. Herold, Zahnverschmelzung bei einer Gelbhalsmaus 184 5. J. Kühlhorn, Der Auerochs von 1595 186 6. R. Lange, In Gebäuden eines Erzgebirgs-Dorfes überwinternde Kleinsäuger 187 7. K. Zimmermann, Zur Fauna Afghanistans 189 IV. Referate 1. F. Goethe u. a.. Eingegangene Literatur 192 V. Anhang 1. Index der Autornamen 201 2. Index der Säugetiernamen 202 3. Index der Mitgliedernamen 205 In diesem Bande neu beschriebene Säugetierformen: Keine. ZEITSCHRIFT FÜR SÄUGETIERKUNDE Im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. herausgegeben von PROF. DR. HERMANN POHLE • BERLIN >f Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. 20. BAND 30. JULI 1954 HEFT 1 36 Seiten Text und 3 Tafeln BERLIN 1954 In Kommission beim Verlag Naturkunde, Hannover und Berlin -Zehlendorf Zeitschrift für Säugetierkunde Band 20 Heft 1 1.) Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen (Standards) Von Prof. Dr. F. Schwangart (München). Mit 12 Abbildungen im Text und auf den Tafeln I — III. Einführung Diese Standards sind das Ergebnis \del jähriger wissenschaftlicher und praktischer Beschäftigung mit der Katze. Die ausführliche Begründung meines Systems brachte ich in meiner Monographie ..Zur Rassenbildung und -Züchtung der Hauskatze'" (83 p.. 29 Abb. auf Tafeln, 2 Textbilder, diese Zeitschr. 7, 1932, und als Broschüre). Ergänzt habe ich diese Arbeit, besonders in bezug auf das Verhältnis der Hauskatze zu Wildkatzenrassen, in „Die Sohlenzeichnung von Felis und Verwandtes. Zur Systematik und Ökologie des Genus" (Abh. der Bayerischen Akademie der Wiss., N. F., Heft 52, 1943). Eine Übersicht der Wildkatzen der alten Welt", beson- ders der Untergattung Felis, wobei wiederum Beziehungen zur Hauskatze erörtert wurden, bot Halte north (Ak. Verlagsgesellschaft Geest und Portig, Leipzig). Hinsichtlich der Hauskatze enthält ein Abschnitt dieses Werkes Hinweise auf ihren Ursprung, Avährend für ihre Rassen auf meine Arbeit von 1932 verwiesen wird. Unter ,,H a u s k a t z e n" verstehe ich sämtliche bekannten domesti- zierten Rassen, die sogenannten ,,Edelkatzcn" (Langhaar, Siam usw.) also inbegriffen. (Ebenso geschieht dies in dem genannten Buch Haltenorths). Unter den bisher strittigen Namen für diese Gemeinschaft (doniesticus, silvestris domesticiis, ocreata dorn. u. a.) wurde durch die nomenclatorisch entscheidende Instanz catns ausgcAvählt gemäß den geltenden Bestimmun- gen, also „Felis catns'''. Diesem Brauch schließe ich mich, wo der wissen- schaftliche Name nötig wird, an. Schon nach meinem ersten Bekanntwerden mit den verschiedenen Katzenschlägen wurde mir klar, daß bisher die Form der Tiere als ras- senbegründend zu wenig berücksichtigt Avar im Vergleich mit der so ver- lockenden Färbung und daß die tiefe Bedeutung der beiden Zeich - nungsmuster („Tiger" und „Marmor") fast ganz übersehen wwde. Mag die Katze in ihrer Neigung zu domestikativen Formveränderungen auch hinter dem Hund zurückbleiben, so übertrifft sie hierin doch z. B. das. Pferd, und mit dem Besitz von zweierlei grundverschiedenen Zeich- nungsmustern, einem von den Wildvorfahren ererbten und einem im Haus- tierstand hervorgetretenen, steht sie einzigartig da. Diesen Erkenntnissen habe ich bereits in der alten Ausgabe meiner Standards voll entsprochen 1 - 1954 2 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954) (1928, 1929). In dieser hier sind die Rassenbe^iffe. tiefer ausgearbeitet, dabei ist das Ganze in der Fassung vereinfacht und für Richter und Züch- ter handlicher geworden. Darüber hinaus sind mehrfach Verbesserimgen vorgenommen. Meine Beobachtungen zur Form haben mich unter anderem veran- laßt, beim Lang haar neben der ausgeprägten Kopfform des Hoch- zuchtpersers eine zweite Rasse zu unterscheiden, das „Deutsch- L anghaar", und vom Kurzhaar mehrere Rassen, bei denen mit dem Fehlen oder Vorhandensein und den beiderlei Merkmalen der Zeich- nungsmuster und mit der Färbung F o r m e i g e n h e i t e n kombiniert wurden. Diesen Rassen (s. hier II, No. 2 — 4) habe ich die damals schon vorhandenen Siamesen, Kartäuser und Abessinier angegliedert, wie dem Langhaar die Birmanesen, die ein Kreuzungsprodukt von Siamesen und Persern sind (französischen Ursprungs). Bei der Einführung der neuen K u r z h a a r r a s s e n leitete mich auch der Wunsch, daß das einheimische Kurzhaar, seinem Ursprung nach zum ,, ältesten Adel" des Katzengeschlech- tes gehörig, in Zukunft das gleiche Ansehen erringen möge wie die im- portierten Luxusrassen. Es gibt noch nicht viele reinvererbende Stämme korrekt beschaffener Vertreter von Kurzhaar, doch ist es durchaus erwie- sen, daß es leicht möglich ist, solche zu erzüchten. Besonders in italieni- schen Ausstellungen habe ich Musterstämme dieser Rassen feststellen imd prämiieren dürfen. Beim Richten muß es Grundsatz werden, nachweisbar reinblütige Exemplare zu bevorzugen, und es muß das Ziel der Züchtung sein, zu erreichen, daß nur mehr solche Tiere prämiiert werden können, wie das bei den Persern und Siamesen und in der gesamten sonstigen Tierzucht der Fall ist. Jetzt schon auszuschließen von Ausstellungen und der Züchtung sind alle diejenigen Tiere, die in ihrer Erscheinung Mischungen zwischen den Rassen darstellen. In wirklichen Musterschauen schließt man auch andenveite, diesen Rassen nicht entsprechende Tiere aus; sonst kann man sie noch in der Weise berücksichtigen, daß besonders hübsche Exem- plare darunter „Schönheitspreise" erhalten, die jedoch keineswegs mit wah- ren Zuchtpreisen verwechselt oder gleichgestellt werden dürfen und eigens zu kennzeichnen sind. Ebenso sind Kastraten von Lang- wie Kurzhaar zu behandeln. Ich habe keinen Standard für schwanzlose Katzen (sog. „Manx") aufgestellt, denn anatomische Untersuchungen haben ergeben, daß Schwanz- losigkeit und andere Schwanzdefekte (Verkürzung, Krüppelschwänze) bei der Katze oft mit inneren Mißbildungen verbunden sind, welche oft ;schwer pathologisch, sind und als de generativ zu gelten haben. Sie er- reichen einen lebengefährdenden Grad. Solche Kathen kommen bei aUten Kurzhaar Schlägen vor, seltener bei Langhaar. Sie sind von der Zucht fernzuhalten. Beiden Siamesen wird wegen der großen Häufig- keit dieser von der älteren Zucht bevorzugten Deformationen insofern eine F. ^SCHWANGART, Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 3 Ausnahme gemacht, als sie noch ausstellungsfähig sind. Es muß aber das Bestreben sein, sie wegzuzüchten, und die mit ihnen behafteten Tiere ran- gieren in der Bewertung hinter den normalen. Der Grad der Deformatio- nen bestimmt den der Wertminderung. Dem Urteil auf Grund der Bewertung nach Punkten muß sich beim Richter ein solches nach Grundsätzen der Schönheit zugesellen. Dieses muß sich auch auf die Bewegungsweise erstrecken, die ja gerade bei der Katze ein gut Teil Schönheit ausmacht. Ferner muß dem Richter stets gegenwärtig sein, daß ungeachtet der rubrizierenden Punkteskalen das Tier als ein einig wirkender Organismus betrachtet und bewertet werden muß. In den Punkteskalen habe ich keine Rubrik für „pfleglichen Zu- stand" eingesetzt, wie man das sonst antrifft. Eine solche Rubrik schmä- lert den Spielraum für die übrigen, die sich auf Körperpartien beziehen; sie beeinträchtigt auch die Freiheit der Richter. Vernachlässigung und Minder tauglichkeit können ja einen Grad erreichen, der zur Ablehnung oder starken Herabwertung zwingt. Der Richter muß befugt sein, in sol- chen Fällen die Herabwertung frei zu bestimmen, die vom Abzug weniger Punkte bis zur Ablehnung reichen kann. Ein Überblick der Standardskalen zeigt, daß die gleichen Rubriken für die verschiedenen Rassen ungleiche H ö c h s t z a h 1 e n enthalten, zuweilen auch schon für Untertypen (s. II, No. 2a — f). Denn bei der einen Sorte können diese, bei der anderen jene Merkmale größere Be- deutung haben. Ich halte die Punktbewertung für unentbehrlich. Nur so wird eine, dem Rassebild genau entsprechende Beurteilung möglich. Für den. genauen Wert eines Tieres und für die Reihenfolge der mit „vorzüglich", „sehr gut", ,,gut", „befriedigend" Gekennzeichneten unter sich ist die Reihenfolge nach den Gesamtpunktzahlen maßgebend. Die „Preise", mit denen die Katzen nachher bedacht werden, bringen nicht den absoluten Wert zum Ausdruck, denn sie schwanken mit der Anzahl der zu einer Ausstellungs- klasse gehörigen und werden mitbestimmt durch den Wert der Konkurren- ten, sie sind also ,, relativ" und das in hohem Grad. Das muß man den Züchtern vor Augen halten, wenn sie über den wahren Wert ihrer Tiere informiert werden wollen, was ja der Sinn des Richtens ist. Kurz nur weise ich hin auf die Möglichkeit einer L e i s t u ng s zucht bei der Katze. Unsere Katzen sind nicht nur Naturschönheiten, dankbare Objekte einer Züchtung auf äußere Vorzüge und liebenswerte Hausgenos- sen, sondern auch hervorragende Nutztiere. Höchste Wertschätzung ver- dienen sie in der Rattenbekämpfung. Außerdem sind sie nutz- und freude- bringender Abrichtung viel mehr zugänglich, als das gemeinhin geglaubt wird. Ich habe hierüber besonders abgehandelt und kann in diesen Rassen- beschreibungen weder auf die Methoden einer Leistungsprüfung an Katzen eingehen, die von besonderer Art sind, noch auf die Art der Bewertung solcher Leistungen und auf eine Leistungszüchtung einer Zukunft. Es soll 1* 4 Zeitschrift für Säugelierkundc, Bd. "20, 1952 (1954) nur betont werden, daß diese Standards hier nichts mit dem Leistungs^ momcnt zu tun haben und daß sich die nach ihnen bevorzugten Rasse- katzen auch nicht durch besondere Leistungen auszeichnen müßten. Eben- so rate ich dem Richter, jenen Besitzern oder Besitzerinnen, deren Tiere danach ungünstig abschneiden, nahezulegen, daß solche Enttäuschungen nichts über seelische Eigenschaften ihrer Tiere besagen und der Liebe zu ihnen keinen Schaden tun dürften. /. Langhaarkatzcii (Aiigora). Gemeinsames Bild für Rasse i) Perser und 2) Deutsch Langhaar.:' Gedrungener Körperbau, kurze stämmige Beine, breiter Kopf mit rel. kur- zem, breit endigenden Schnauzeniteil. Kleine Ohren. Ziemlich kurzer, schön getragener Schweif (Pleureuse), ausgesprochenes, schmiegsames Langhaar (aber Altersdifferenzen, Jahreszeit, evtl. Trächtigkeit berücksichtigen!). „Halbangora" schließt aus. Rückenscheitel, Krause, „behoste" Hinter- schenkel. Rasse i ) Perser. Dicker Rundkopf, Stirn vorgetrieben, schroff zum breiten, kurzen Nasenrücken abstürzend, mit dessen Ansatz einen Sattel bildend. Behaa- rung gern etwas wollig. Auf Größe und Kraft zu züchten. (Tafel I, Abb. 2). R a s s e 2 ) D e u t s c h L a n g h a a r . Stirn abgeschrägt, nicht vorgetrieben, in flachem Bogen zum Nasen- rücken überfließend oder mit ganz leichter Stufung. Nasenrücken ohne Sattel. Breiter, nicht zugespitzter Schnauzenteil (genau wie beim Perser). Die Figur darf etwas weniger gedrungen sein als beim Perser, der Schweif wenig länger. Deutsch Langhaar läßt sich reinzüchten. Es müssen die Zwischenstufen zum Perser obiger Form, die in manchen Farbschlägen häufig sind, aus- geschaltet werden. — Die Rasse wurde zuerst durch mich in Deutsehland unterschieden, der Name entspricht einem in der Hundezüchtung. Sie ist keineswegs auf Deutschland beschränkt. Sie steht der Stammform näher als der Perser. Ihre Züchtung lohnt wegen ihrer Schönheit, und sie wirkt der Degeneration des Langhaars entgegen. Die verbreitete Behauptung, es handle sich um ,, Spitzköpfe", die bei allem Langhaar fehlerhaft sind, be- ruht auf unlauterer Propaganda. (Tafel I, Abb. 2 und 3). Pimktbewertung für Perser und Deutsch Langhaar in allen Schlägen. Körperform und Statur 25 Kopf 25 Augen I o Haar (und Plaut) 15 Färbung bzw. Zeichnung i 5 Schweif I o 100 Punkte F. SCHWANGÄRT; .Übersicht und Beschreibung der Hauskätzenrasseii 5 Färbungs- und Zeichnungsgruppen (für beide Rassen dieselben) : a) - E-inf a r b e n€ (schwarz, weiß, blau, isabetl, o.r aiige u. a.). Anflug -^on Scheckung oder Musternng schließt von dieser Gruppe aus. Blaue stahl- oder lichtblau. Schwarze nicht bräunlich. Nase, Ballen; Rachen bei blau und schwarz dunkel. Augenfarbe bei Schwarze n tief- gelb, bei Weißen blau oder gelb (am besten beide getrennt aufstellen). Taubheit entwertet; bei blauäugig hoher Prozentsatz (Prüfung mit der Pfeife, dem Tier unsichtbar). Als Hautfarbe bei weiß ^^ird gern rosa ver- langt, wegen der mit albinotischen Eigenschaften (rosa Haut, blaues Auge) verbundenen Neigung zu Degeneration (Taubheit u. a.) ist auch ein dun- kelhäutiger Schlag erwünscht. b) C h i n c h i 1 1 a , P f i r s i c h f a r b e n , Rauchkatzen (ohne Muster), Silberige. vl: Chinchilla hellerer und dunklerer Tönung. Ihre Haarspitzen schwarz, die schwarze Zone nicht zu lang. Zu heller Grundton fehlerhaft. V^orzüge: schwarze Augen- und Nasenränder, Lippen und Sohlen, dagegen weiße Krallen. P f i r s i c h f a r b e n e : zwischen bläulich und orange, fleischfarbene Nase und Ballen. R a u c h ka t z en: bei weißlichem Basalteil der Haare tiefdunkel be- rauchte Spitzenfärbüng. Bei der Nuance ,,moro argentato" ist das Weiß silbrig und die Krause hat mehr Silberton als das übrige Haar. Nase und Ballen tief dunkel. Augen in dieser gesamten Gruppe wie immer je nach Haarfarbe,.. Räuchkatze z. B. am besten Ambra. ' " ' . c) Gemusterte (Tiger und Marmor). Die Muster bei Langhaar nicht rassebegründend wie bei Kurzhaar. Sie müssen auch hier gut ausgebildet sein und kräftig abstechen. Formmerk- male sind für Tiger wie Marmor hier die der beiden Langhaarrasssen. Es gelten alle die unter II, 2 und 3 genannten und beschriebenen Farbschläge. Die Nase darf schwarz oder rot sein. d ) Schecken (zwei- und d r e i f a r b e n e , M a s k e n k a t z e n ) . Ohne Spur von Muster. M a s k e n k a t z e n höher als unsymmetrische Gescheckte. Unter diesen setzt stark überwiegendes weiß je nach der Aus- dehnung herab. ,,S c h i 1 d p a 1 1 s" (Schwarz- und Gelbnuancen) gehen den ,, Spaniern" (dieselben Farben mit weiß) bei sonst gleicher Beschaffen- heit vor. Die Farben der Schildpatts sollen in möglichst großen Flächen verteilt sein, was bei uns sehr selten vorkommt. Augen nach der vorherr- schenden Haarfarbe. 6 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954) R a SS e 3) B i r m a ka t z c n. Halbangora, Kreuzungsprodukt von Perser und Siamkatze. Französi- schen Ursprungs, nicht etwa importiert, wie der Name vortäuscht. Einziger Halbangora, der bisher anerkannt wurde. Einziger mir bisher bekannter reiner Stamm: „De Madalpour". Vereinigung der die große Schönheit bedingenden Merkmale sonst kaum jemals geglückt. Tiere von abweichen- dem Aussehen, die als ,, Birma", als „Tibetaner" u. dgl. bezeichnet werden, sind abzulehnen . Es gilt allein die französische Urbeschreibung: Körper gestreckt, wohl proportioniert, etwas niedrig gestellt. Kopf kurz, Ohren groß, Stirn vorgetrieben, Nase etwas hochgebogen, Augen groß, dunkelblau, irisierend, Haare massig lang, am Rücken gescheitelt, am Schweif sehr lang, eme Fahne bildend. Halskrause. Grundfärbung helles Creme, mit goldigen Tönen auf dem Nacken. Maske, Schweif, Ohr, Pfoten im selben tiefbi-aun wie bei den Siamesen. Alx^r die braungestiefelteii Pfoten mit rein weißen Krallen. (Tafel II, Abb. 8). Punktbewertung der Birniarassc: Körper form und Statur 20 Kcypf 1 5 Augen 20 Haar i o Färbung, Tönung, Abzeichen 20 Schweif 1 5 100 Punkte //. Kurzhaarkatzen. Rasse i) Siamkatzen. Mittelgroß. Statur elegant, aber nicht zu langgestreckt. Pfoten klein. Kopf proportioniert, länglich, nicht allzu schmal, reichlicher Abstand zwi- schen den Augen, zwisehen den Ohren leichte Einengung. Stirn flach, Nase länglich, Ohren groß, im Ansatz breit. Augen groß, von einem ausge- sprochenen, tiefen, leuchtendem Blau (Azur, Kornblumenblau), je nach dem Lichteinfall Pupille mit Rubin Schimmer. Die längstens bevorzugte. Schieläugigkeit ist feWerhaft. Haar sehr kurz, samten bis leicht strohig. Grundfärbung gleichmäßig abgetönt, sand- bis tief rehfarben (sogen, „chocolats"), darauf das abstechend dunklere Braun der scharf umgrenz- ten charakteristischen „Maske". Verharren im Übergang von der milch- weißen Jugendfarbe, ein Dunkeln des Grunds über die Rehfarbe liinaus^, jederlei Fleckung außerhalb der Maske mindern den Wert. An der Unter- seite darf die Färbimg etwas lichter sein. Der normal geformte Schwqif kaum etwas schwächer als bei anderem Kurzhaar, Stummel- und Krüppel- schwanz mindern den Wert je nach dem Grad der Mißbildung. (Es kom- men leicht innere Defekte pathologischer Natur hinzu.) Die Rasse stammt aus Slam, doch ist alles, was über dortige „Tempel- oder Palastkatzen" geschrieben wird, Pländlerlegende und von den Siame- F. SCHWANGART, Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 7 sischen Gesandtschaften mehrmals dementiert worden. Die Auslese wird Europäern verdankt, ihnen folgten Einheimische als Züchter erst nach. In eanem original isiamesischen Katzen bilderb uch mit Besehreibimgen von vor etwa anderthalb Jahrhunderten fehlt die Siamkatze". Direkt impor- tierte Stücke sind in der Regel plumper gebaut mit einem Stich ins tief Olivgrüne der Grundfarbe. Es ist bemerkenswert, daß sich Stücke bei uns, die viel frei laufen, dieser Färbung nähern können. Man sollte sich über die Bewertung solcher Tiere schlüssig werden. (Tafel II, Abb. 7). Punktbewertung der Slamrasse: Körperform und Statur i 5 Kopf 15 Augen 20 Haar I o Färbung und Tönung 1 5 Abzeichen („Maske") 15 Schweif 10 IOC Punkte Rasse 2) Kurz h aartig er. Gedrungen, stämmige Beine, kurzer kräftiger Nacken, relativ kurzer, gern etwas buschig endigender Schweif. Auf Kraft und Größe zu züchten. Breiter Oberkopf, kurzer Gesichtsteil nüt breit endigender Schnauze. Nase gerade oder leicht hakig, Stirn zur Nase gestuft, aber nicht vorgetrieben, Ohren dürfen relativ klein, auch etwas schmal sein. Die Streif ung erklärt der Name. Sie darf durchgezogen oder tmterbrochen sein. Übergänge hier- in und in der Grtmdfärbung entwerten nicht, doch erhalten typische Ver- treter der verschiedenen Schläge den Vorzug. Nur die Vermengung der Rottigerfärbung mit den übrigen entwertet. Bei a — c sind ein kleiner wei- ßer Kehl- (bzw. Brust-) fleck zulässig, bei a gilt er als Vorzug, bei f aber als wertmindernd. Schwere „Tiger" führen oft Blut der nordischen Wildkatze, der Neben- stammart imserer Hauskatzen. Hierauf nehmen die Angaben des Standards Rücksicht, Schläge der Kur^haartiger: a) W^ildf arbtiger. Strohiges, wildkatzenmäßiges Haar, Ohren innen kräftig behaart, Streif ung meistens unterbrochen imd wenig abstechend. Grtmd mehr oder weniger fahlgrau, „Zonenfarbig" am Haar, mit Einschlag von gelblichem, schwach rötlichem oder bräunlichem Ton. Augen grüri, je nach der Grund- farbe auch ins G^bliche. Kurzer, am Ende leicht buschiger Schweif. (Tafel II, Abb. .5). 8 Zeitschrift für Sfiugetlerkunde, Bd. 20, 1952 (1954) Punktbewertung für Wildjarbtiger: Körperform und Statur 25 Kopf 2 5 Augen fo Haar 10 Muster und Färbimg i 5 Schweif 15 : . ' 00 Punkte . b) S c hie f e r t i ge r. Haar besser etwas rauh als glatt. Streifung stärker abgehoben als beim vorigen. Grund schiefergrau. Augen grün. Punkteskala wie bei a. (Tafel II, Abb. 6). . c) Silbertiger. Zucht auf Farbton hier wichtiger als auf Größe. Feiner Silberton, wo- von sich die Streif ung scharf abheben soll. Weicheres Haar. Augen grün- lich. Schweif darf etwas schmächtiger sein als bei den vorherigen Schlägen. Punktbewertung für Silbertiger: Körperform und Statur 20 Köpf 25 Augen . ' IG Haar 10 Muster und Farbe 25 ' Schweif IG 1 00 Punkte d) B 1 a u t i ge r. Grundfarbe die einer „silberblauen" Einfarbkatze. Haar wie beim Sil- bertiger. Augen grünlich bis tief gelb. Punkteskala wie beim Silbertiger. e) ,B ra u n t i ge r. Starker Einschlag von Schokoladenbraun im Grau. Haar leicht strohig bis samten. Der Basalteil des Haares darf hell sein wie bei „Rauchkatzen", doch muß das Muster deutlich hervortreten. Augen orange, ambra, bei viel grau in der Grundfarbe auch gelb bis grün. Punkteskala s. Silbertiger. f) Rottiger. : Rotbraune Streif ung auf gelbem oder rotgelbem Grund, Haar lieber leicht strohig als zu weich. Auf kräftige Ausprägung des Musters ist sehr zu achten, wie auf typische Tigerkopfform. Beide lassen bei dieser Va- riante oft nach. Augen gelb, orange, ambra. Punktbewertung für den Rottiger: Körperform und Statur 25 Kopf 25 Augen IG . Haar 10 Muster und Farbe 20 ' ■ ■ ' ' ■■ ■ -Schweif • ■ ■ ■ ■ 10 lOG Punkte F. SCHWANGARTj Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 9 Rasse 3) Kurzhaarmarmor. Körperform stattlich, aber nicht zu schwer und gedrungen. Beine mit- telhoch, Nacken mäßig kräftig, Kopf hoch getragen. Mittellanger und -kräftiger, nicht buschiger Schweif. Stolze Gesamterscheinung. Oberkopf leicht gewölbt, Stirn mit nur geringem Absatz zur Nase. Schnauze ge- streckt, ohne sich zuzuspitzen. Eindruck eines ,, großen Gesichts". Das eigen- tümliche Zeiclinungsmuster miii^ typisch ausgeprägt sein. Die „Schleife" kann einen hellen Hof imischließen mit oder ohne dunklen Binnenfleck, sie darf auch ausgefüllt sein. Ihr unterer Bogen darf geschlossen oder nahe seinem Ansatz vom leicht unterbrochen sein. Das Marmormuster läßt noch Abb. 1. Marmorrasse, Schemata des Musters (nach Brooke, ergänzt von F. S c h w a n g- a r t ) . mehr Varianten zu, doch muß stets die Grundform, besonders die Sclileife, deutlich erhalten bleiben. Der Rücken soll bei dieser Rasse drei parallele Längsstreifen tragen. Diese dürfen auch zu einem breiten Band verschmel- zen. Die Zeichnungsmuster der beiden Seiten sollen möglichst symmetrisch sein. Das Haar muß Samtcharakter tragen oder doch sich ihm nähern. Die Farbschläge gehen mit denen des Kurzhaartigers einig. Der Färbung nach am schönsten erscheint mir der Silbermarmor und der Rotmarmor, wenn bei ihm das Muster stark genug absticht. Es neigt zum Verblassen wie beim Rottiger. Eine noch offene Frage ist die der Veränderung dieses Musters im Lauf der Lebenszeit. Ich habe wiederholt Verschlechterungen davon beob- achtet. Das würde die Rasse als solche nicht aufheben, aber es müßte be- rücksichtigt und hinsichtlich der Bedingungen seines Vorkommens unter- sucht werden. Das Marmormuster beruht auf domestikativer Mutation. 10 Zeitschrift für Säugetierkunde. Bd. 20, 1952 (1954) Punktbewertung für alle Varianten des Kurzhaarmarmors: Körperfomi und Statur 20 Kopf 20 Augen 10 Haar 10 Muster und Färbung 30 Schweif I o 100 Punkte Rasse 4) Schlank rasse („Ägypter"]. Körperform: Gegenstück zum Kurzhaartiger. Ausgesprochen schlank, hochbeinig, feingliedrig. Schlanker, etwas gebogener Hals. Langer, dünner, durchweg glatter Schweif. Kopf hochgetragen, schmal, Scheitel etwas em- porgewölbt, Stirn ohne Absatz zum Nasenrücken. Die-ser gerade oder leicht gesattelt. Schnauze langgestreckt, sich stark zuspitzend. Ohren groß oder etwas länglich und schmal. Augen wie schräg gestellt. Haar samten, nicht strohig. Keines der Zeichnimgsmuster darf auch nin: angedeutet sein, da- gegen sind alle Farben, einfarbig oder in Scheckung zulässig, auch „Rauch- farbe", sofern kerne Zeichnung damit verbunden ist. Hinsichtlich der Far- benwahl geht einfarbig vor Scheckung. Schwarz und blau wirken be- sonders günstig und v/erden mit Recht bevorzugt. Hierin sind schöne erb- feste Linien vorhanden. Der Farbe geht aber stets in der Bewertung die Form hier vor. Blauschlank darf „stahl- oder silberblau" sein. Die Augen- farbe richtet sich nach der Fellfarbe. (Tafel III, Abb. 10 — 12). Punktbewertung der Schlankrasse aller Farben: Körperform und Statur 30 Kopf 30 Augen IG Haar 10 Färbung i o Schweif 10 100 Punkte Rasse 5) Kartäuser. Groß, schwer, gedrungen. Stämmige Beine. Kurzer, kräftiger Nacken. Kopfhaltung mehr waagerecht. Relativ kurzer, aber nicht buschiger Schweif . Kopf breit, schwer, große Ohren. Stirn zur Nase gestuft, SchnauzenteiL kurz, breit. Einzelheiten der Gesichtsform noch in Erwägung. Haar mög- lichst samtartig. Färbung blau; „Stahl- und Silberblau" zulässig. Augen bernsteingelb. Diese Rasse ist streng von der Blauschlanken (II, 4) auseinanderzu- halten. Zwischenformen sind auszuschalten. Der Kopf des Kartäusers darf nicht die ausgebildeten Merkmale eines Perserkopfes annehmen. Die Ab- stammung muß von reinem Kirrzhaar sein. Die beliebte Kreuzung von blauem Langhaar, um die Form zu übertreiben, ist unstatthaft. F. SCHWANGART, Übersicht und Beschreibung der Hauskatzenrassen 11 Punktbewertung für Kartäuser: Körperform und Statur 25 Kopf 25 Augen IG Haar i g Färbung 20 Schweif I o 100 Punkte Rasse 6) Abessinier. Knapp mittelgroß, feingliedrig, aber nicht langgestreckt oder hoch- beinig. Bew^egungs weise zierlich. Kopf dem Gesamtbild der Statur entspre- chend. Mittelschlank, nicht langschnauzig. Relativ großer Abstand zwischen den Augen, relativ geringerer zwischen den Ohren (ähnlich den Siams). Auf diesen deutliche Pinselbehaarung. Für den Nasenspiegel verlangen Standards: fleischfarben, dunkel gesäumt. Obgleich er gerade bei dem Vor- bild, den wild lebenden, afrikanischen Falbkatzen, schwarz ist. Augen groß, rund, klar. Haar ganz kurz, dicht anliegend. Färbung hasenbraim, fein meliert mit schwarz und tiefgelb (eine Wildfärbung; Zonenfarbigkeit). Schmale Schattierung längs des Rückens bis zimi Schwanzende („Aal- strich"), schwarze Schwanzspitze. Dunkler Schatten zwischen den Ohren. Unterseite abgestuft tief grau bis rostbraun. Innenseite der Beine rostbraun. Kein Zeichnungsmuster, auch die Beine ohne Andeutung von Streif ung. Ballen und Zehenenden schwarz, von der dunklen Färbung zwischen den Zehen sieht man von oben schwarze Linien. Diese „Abessinier" sind keine Exoten aus Afrika, sondern ein in man- chen Stücken den dortigen Wildkatzen ähnelndes englisches Zuchtprodukt. (Die gegenteilige Legende widerlegen Details, besonders schon die rote Nase.) Sie lassen sich ebenso z. B. aus italienischem Material gewuinen. Um eine Annäherung an den Kurzhaartiger zu vermeiden, ist streng auf Fehlen jeder Zeichnung zu achten, die als Streifung hier leicht auftritt, ferner auf Statur und Farbdetails. In reiner Beschaffenheit ist die Rasse selten. Punktbewertung jür Abessinier: Körperform 1 5 Kopf 1 5 Augen I o Haar 25 Färbung 2 5 Schweif IG 100 Punkte 12 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954) Anhang Von K u r z Ii a a r k a t z e n , die nicht diesen Rassen zugehören, sind manche Gruppen in Ausstellitngen zuzulassen, aber nur al^ Bevveri>er um „Sch önheit s p r e is e", nicht als züchtbare Schläge. Hierher gehören Einfarbige von schwerem und mittlerem Bau, ausgenommen die Kartäuser, welche rassewert sind. Ebenso zwei- und dreifarbene von mittlerem und schwerem Bau und dementsprechender Kopfform. Die Bewertung ge- schieht hier nach Grundsätzen allgemeiner Schönheit. Bevorzugt sind Ein- farbene, Schildpatts, Maskenkatzen und verwandte, symmetrisch gefärbte. Kastraten unter den Rassekatzen erhalten ebenfalls nur Schönheitspreise. Auszuschließen sind von der Ausstellung : Tigerschecken, Marmorschecken, getigerte oder marmorierte ausgesprochene Schlanktiere, mehrfarbig, flächig gefärbte mit mehr als der Hälfte der Körperfläche in Weiß. Die Ausstel- lung solcher Tiere gefährdet die Rassebegriffe oder ist konstitutionell ab- träglich. Aus den zur Schönheitskonkurrenz zugelassenen Sorten lassen sich vielleicht einmal Rassen gewinnen. Ihre Zulassung bedeutet indessen jetzt eine Konzession an ein züchterisch noch nicht sicheres ausstellendes Publikum. Gräfelfing 1949. Tajelerkläriirig Tafel I, Abb. 2. Hochzuchtperser (blau), „Michael of Allington''. Bes.: Margarete Risch Dresden. Foto: „Dresdner Werkstätten'*. Abb. 3. Deutsch Langhaar „Fuchs von der Rheinburg", Bundessieger 1932. Bes. Dr. med. Heine, Leipzig. Abb. 4. Derselbe Kopf von vorn. Tafel H, Abb. 5. Wildfarbner Kurzhaartiger „Silvester*'. Bes. Ernst Braun -f-, Berlin. Foto O. K. Vogelsang, Berlin. Mehrfacher Ausstellungssieger. Abb. 6. Grautiger ,,Sinison". Bes. Joseph Lesti, Wien. Kurzhaarsiegsr dortselbst 1932. Kopfprofil. Abb. 7. Siamkatzen, Zwinger Frau E. Sache r-Petri, Breslau, ,, Foto- Knapp", Breslau. Abb. 8. Birmakatze. Aus der Revue Feline de France" (Clichy-Seine 1931), Stamm „de Madalpour". Tafel III, Abb. 9. ,,Peterle" (stahl-) und „Mausi*' (silberblau) „von Kantheim". Kartäuser. Bes. Alma Hansen, Kiel. Fot. A. Lehmann, Kiel 1931. Abb. 10. Schlankrasse, schwarz (,, Ägypter"). Kater „Moro". Bes. Geheimrat Dr. KarlWoermann Dresden. Foto Atelier Ursula Richter, Dresden. Abb. 11. Schlankrasse, schwarz („Ägypter"). Katze „Maja". Bes. Frau Alma Schulze, Dresden. „Dresdner Fotogr. Werkstätten". Abb. 12. Schlankrasse, schwarz („Ägypter"). Katze „Nerina von der Josef- stadt". Bes. Dr. Stephan Zimmermann, Wien. CAC und ,, Ehrenpreis der Stadt Wien" 1952. Aufn. Dr. Br. M. Klein, Wien 2. 8. 1952. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954) 13 2») Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen ( Cebus apella L. und Alouatta caraya Humboldt) Von Friedrich Kühlhorn (München) Einleitung. Das Problem der biologischen Gefügegesetzlichkeit hat, wie aus einer zusammenfassenden Arbeit von B. R e n s c h (1948) zu ersehen ist, für hei- mische Säuger schon eine weitgehende Bearbeitung erfahren. Dagegen sind tropische Säugetiere in dieser Hinsicht bisher noch verhältnismäßig wenig untersucht worden. Diese Tatsache veranlaßte mich zu einer Zusammenstel- lung meiner während der Teilnahme an der von Herrn Prof. Dr. H. Krieg geleiteten Südamerika-Expedition 1937/38 gesammelten biometrischen Un- tersuchungsergebnisse. Der Teilverlust meiner Säugerausbeute infolge der Kriegsereignisse und die Lückenhaftigkeit der mir noch verbliebenen, von meiner Mutter gerette- ten wissenschaftlichen Aufzeichnungen ermöglichen leider keine Gegenüber- stellung der gefügegesetzlichen Verhältnisse vergleichbarer Arten, wie sie z. B. von R. Hesse (1921) und B. R e n s c h (1948) für verschiedene Säuger der gemäßigten Zone vorgenommen wurde. Aus diesem Grunde sollen die beiden untersuchten Affenarten in Einzeldarstellungen behandelt werden, welche die individuelle Variabilität, die Entwicklungsstufen und das Verhält- nis der Geschlechter zueinander hinsichtlich der Organproportionen veran- schaulichen. Da für mich kaum eine Möglichkeit bestehen dürfte, in den da- mals bereisten Gebieten Süd-Mattogrossos Ergänzungsuntersuchungen an Tieren aus freier Wildbahn vornehmen zu können, ist es nur auf diese Weise möglich, das mühsam zusammengetragene Zahlenmaterial einer Auswertung zuzuführen und so die Grundlage für die noch ausstehende umfassende Be- arbeitung derartiger Probleme an tropischen Affen zu geben. Bei den oft großen Schwierigkeiten, in unberührten Ürwaldlandschaften umfangreichere Serien von einer Art mit allen Entwicklungsstadien erbeuten und unter ex- peditionsmäßigen Verhältnissen exakt meßtechnisch bearbeiten zu können, wird es einem einzelnen auch in Zukunft kaum möglich sein, dort allein für die Ableitung allgemeingültiger Regeln zahlenmäßig ausreichende Individuen- reihen in freier Wildbahn zu untersuchen. Aus diesem Grunde hat auch die Veröffentlichung nach anerkannten Methoden (R. Hesse 1921, B. R e n s c h 1948 u. a.) gewonnener Einzelergebnisse als Ergänzung unserer Kenntnisse auf diesem Gebiete ihre Berechtigung. Wie aus der einschlägigen Literatur zu ersehen ist, werden bei heimi- schen Säugern im allgemeinen sehr kleine Untersuchungsreihen (meist unter 14 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). 20 oder 10 Individuen) als ausreichend für die Ableitung gefügegesetzlicher Regeln angesehen. Dieses Verfahren ermöglicht keine wirkliche Berücksichti- gung der individuellen Variabilität und ist höchstens dann berechtigt, wenn vergleichbare Arten ein ähnliches Verhalten zeigen. Diese Vergleichsmöglichkeiten fehlen aber vorläufig noch für tropische Wildsäuger. Da die individuelle Variabilität gerade bei Kapuzineraffen sehr groß sein kann, muß ich vorläufig davon Abstand nehmen, sich in den Organ- proportionen nur andeutende Gesetzmäßigkeiten als regelhaftes Verhalten aufzufassen. Das gilt vor allem für die Fälle, in denen stark von der allge- meinen Tendenz abweichende Verhältniswerte keine Entscheidung darüber zulassen, ob eine sehr große individuelle Variabilität eine in Wirklich- keit bestehende allgemeine Regelhaf tigkeit verschleiert (wie z. B. R. Hesse für das Herzverhältnis einiger Säuger zeigen konnte) oder aber andere Fak- toren für die Unregelmäßigkeiten in der Wertefolge verantwortlich zu machen sind. Beim Vorliegen derartiger Verhältnisse wird deshalb nur das jeweilige Verhalten der Organproportionen ohne eine weitere Ausdeutung angegeben. Methodisches. Die in dieser Arbeit behandelten Affen wurden durch Abschuß erbeutet und möglichst bald nach dem Aufhören der Totenstarre untersucht. Die Wägungen erfolgten mit einer Handwaage, einer analytischen Waage und bei höheren Gewichten mit einer fein unterteilten Federwaage, nachdem der Magen- und Darminhalt, bei der Leber die Gallenflüssigkeit und das in den Herzkammern enthaltene Blut nach der von R. Hesse (1921) angegebe- nen Methode entfernt worden waren. Das Fettgewicht fand nur bei besonderem Fettansatz Berücksichtigung, weil dieser bei den untersuchten Affen — wie auch bei den meisten tropi-v sehen Säugern mit Ausnahme mancher Wasserbewohner und der Beutelratten — im allgemeinen nicht besonders ausgeprägt war. Für die Längenmessungen wurden eine Schublehre mit Nonius, ein Me- tallineal und ein Stahlbandmaß verwendet. Der große Zeitaufwand, der für exakte Messungen und Wägungen mit allen ihren Vorbereitungen erforderlich ist, erlaubte bei den sehr vielseitigen Expeditionsaufgaben nicht bei jedem erbeuteten Stück derartige Unter- suchungen. Außerdem mußte auch deshalb oftmals darauf verzichtet werden, weil das Material infolge zu weiter Jagdgänge nicht mehr frisch genug war. Aus diesen Gründen ist es leider nicht möglich gewesen, die gesamten ge- sammelten Serien auf ihre biometrischen Verhältnisse hin zu untersuchen, woraus sich neben den schon oben erwähnten Ursachen die Unvollständigkeit mancher Tabellenwerte erklärt. Ein Vergleich der entsprechenden Organe der einzelnen Individuen ist nur durch die Ermittlung der Relativwerte (Verhältnis von Organgewicht FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 15 bzw. -Länge : Körpergewicht [Kgw.] bzw. Kopf -Rumpf länge [KR]) möglich. In Anlehnung an R. Hesse (1921) bezeichne ich die Relativzahlen der ein- zelnen Organe der Kürze halber als Leber-, Nieren-, Milz- und Herzver- hältnis. Sämtliche Relativgewichte sind als auf das Nettogewicht des Körpers (nach Abzug des Magen-, Darm- und Blaseninhaltes) bezogen zu verstehen. In manchen Arbeiten, die sich mit gefügegesetzlichen Problemen beschäf- tigen, findet man häufig auch für größere Tiere das Körpergewicht bis auf cg angegeben. Dadurch wird eine Genauigkeit vorgetäuscht, die kaum zu er- reichen ist, wenn man bedenkt, wieviele Fehlerquellen meßtechnisch über- haupt nicht ausscheidbar sind. So dürfte z. B. schon eine verschieden dichte Behaarung, nicht aufgefundene Schrotkörner (bei geschossenen Stücken), die nur unvollkommen mögliche Entfernung des Fettes usw. bei Gegenüberstel- lung von zwei sonst hinsichtlich des Alters, Geschlechtes, Fundortes und der Erbeutungszeit vergleichbaren Individuen den Wert von Kommastellen bei den Körpergewichten ziemlich fraglich erscheinen lassen. Aus diesem Grunde wurde das Körpergewicht der von mir untersuchten Affen in den Tabellen nur bis auf Gramm genau angegeben. R. Hesse (1921) und andere Autoren geben vielfach das Körpergewicht vor allem bei größeren Tieren in vollen Gramm an, während bei den Relativ- werten zwei Kommastellen berücksichtigt werden. Diese Kommastellen sind (auch wenn die Organgewichte bis auf mg genau bestimmt wurden) streng genommen als nicht völlig gesichert anzusehen. Um zu willkürliche Abrun- dungen zu vermeiden, habe ich trotzdem die Relativzahlen auf eine (erhöhte) Kommastelle berechnet. Um das Artverhalten in gefügegesetzlicher Beziehung zu kennzeichnen, werden von R. Hesse (1921) und anderen Autoren Mittelwerte errechnet. Diese Mittelzahlen gründen sich vielfach auf die Untersuchung verhältnis- mäßig weniger Individuen und fassen nicht selten Werte von Tieren beiderlei Geschlechtes zusammen. Da hinsichtlich der Organproportionen gelegentlich auch geschlechtsmäßige Unterschiede auftreten, ist eine Zusammenfassung der Längen- und Gewichtsmaße von Weibchen und Männchen zu einem ge- meinsamen Durchschnittswert der Art höchstens nach Prüfung eines sehr großen Materiales vertretbar. Diesem Umstand ist aber nicht von allen Be- arbeitern solcher Fragen in gebührender Weise Rechnung getragen worden. Obwohl z. B. mein Material von Cebus apella L. zahlenmäßig bedeutend größer als das vieler bisher untersuchter Arten aus der gemäßigten Zone ist, verzichte ich im allgemeinen auf die x4ngabe von Mittelwerten, weil die im- merhin noch kleine Serie den Umfang der individuellen Variation nicht exakt darzustellen vermag. MateriaL In der vorliegenden Arbeit werden die ermittelten Meßwerte von 25 In- dividuen (14 Männchen, 11 Weibchen) von Cebus apella L. und von 5 Exem- 16 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). plaren (4 Männchen, 1 Weibchen) von Alouatta caraya Humboldt, sowie Beobachtungen über die körperliche Entwicklung eines etwa im Alter von 4 — 6 Wochen erbeuteten Saugjungen von Cebus apella L. (im Verlaufe eines halben Jahres) vergleichend zur Darstellung gebracht. Cebus apella L. (Faunaffe, Kapuzineraffe) * Umweltverhältnisse. Die Voraussetzung für eine Beurteilung der Bedeutung der gefügegesetz- lichen Beziehungen zwischen den Körpergewichten bzw. -Maßen und den Organgewichten bzw. -Maßen ist die Kenntnis der Umweltverhältnisse und der Lebensweise der zu untersuchenden Art. Das von uns bereiste Gebiet Süd-Mattogrossos (Raum zwischen 21"^ 37' und etwa 24° südl. Breite und zwischen dem 34° westl. Länge und dem Rio Paranä), in dem die in dieser Arbeit zusammengestellten Untersuchungen gemacht wurden, liegt in den Randtropen und zeichnet sich durch ein perio- disch trockenes Savannenklima (AW K ö p p e n s) aus. Dieses ist durch eine ausgesprochen heiße Regenzeit charakterisiert, die von einer sehr regenarmen, kühleren Trockenperiode abgelöst wird. Cebus apella L. wurde nur in den Feuchtwäldern der weiten Talmulden des Tieflandes angetroffen. In den Capoes, den mehr oder weniger hygro-i philen Waldinseln der trockneren Hochlandsavanne, schien er dagegen zu fehlen. Die Feuchtwälder stellen ein ziemlich konstantes Milieu mit üppigem Pflanzenwuchs dar, das aber bezüglich seiner klimatischen Verhältnisse in vertikaler Richtung keinesfalls völlig gleichartig ist. Das gilt nicht allein für die relative Luftfeuchtigkeit, sondern in ganz besonderem Maße auch für die Luftbewegungsverhältnisse und die Temperaturschwankungen, die in Boden- nähe erheblich geringer als in Baumkronenhöhe sind. Als Beispiel für die großen Temperaturunterschiede, die in den Randtropen auftreten können, möge nur erwähnt werden, daß die Temperatur schon wenige Meter über dem Boden in Waldlichtungen während der kühleren Trockenzeit nachts bis auf -f 6° G absinken und in den heißen Mittagsstunden bis auf weit über + 30° G ansteigen kann (F. Kühlhorn 1952). Diese bemerkenswerten Schwankungen, die in größerer Höhe — z. B. in der Baumkronenregion — unter Umständen noch ausgeprägter sein werden, bleiben naturgemäß nicht ohne Einfluß auf den Organismus der hier lebenden Tiere. Die reinen, Baum- bewohner sind diesen wechselnden klimatischen Einflüssen natürlich mehr ausgesetzt als die Bodentiere, die in ihren Unterschlupfen derartigen Einwir- kungen weitgehend auszuweichen vermögen. So ließ sich ganz allgemein bei Cebus mit Beginn der kühleren Trockenzeit ein Dichterwerden des Haar- kleides und eine Zunahme der subkutanen Fettablagerungen unter der meist weniger behaarten Bauchdecke beobachten. Solche auffallenden Veränderun- FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 17 gen zeigten z. B. die bodenlebenden, stark an den Wald gebundenen Agutis {Dasyprocta azarae Licht.) nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die gefügegesetzlichen Verhältnisse der einzelnen Arten von Cebus sehr wechselnd sind, weil das Verbreitungsgebiet dieser Gattung eine außerordentlich weite Nord-Süderstreckung hat und ver- schiedene, klimatisch nicht einheitliche Räume umfaßt. Da entsprechende Untersuchungen an anderen Cebusarten nicht vorliegen^), ist augenblicklich eine vergleichende Untersuchung in dieser Richtung nicht möglich. Nahrung von Cebus apella L. Wie schon von den Untersuchungsergebnissen heimischer Säuger bekannt ist (B. Rensch 1948), steht die Art der Nahrung offenbar vielfach in einem gewissen Zusammenhang mit der Ausbildung mancher Organe des Stoffwech- sels. Aus diesem Grunde ist eine genauere Analyse der Hauptnahrungs- bestandteile für jede auf ihre gefügegesetzlichen Zusammenhänge zu prüfende Art erforderlich. Nach den von mir an Magen- und Darmuntersuchungen gewonnenen Er- gebnissen ernährt sich Cebus apella L. von Blättern, Früchten, Samen und Insekten. Die Vorliebe für Frischfleisch, die ich während meiner Volontär- zeit am Zoologischen Garten Köln bei Kapuzineraffen verschiedener Arten feststellen konnte, rechtfertigt die ebenfalls von M. Weber (1928) ausge- sprochene Vermutung, daß Cebus baumlebende Wirbeltiere (z. B. Jungvögel), wie auch Eier, nicht verschmähen dürfte. Die vergleichende Betrachtung aller Magen- und Darminhalte deutet darauf hin, daß sich Cebus apella hauptsächlich von Vegetabilien ernährt. Der immerhin beträchtliche Anteil tierischer Nahrungsbestandteile läßt aber einen Vergleich der biometrischen Verhältnisse mit denen der rein herbivoren Alouatta caraya Humboldt als nicht angebracht erscheinen. Daher werden beide Arten in dieser Arbeit ge- sondert behandelt. Bemerkungen zur altersmäßigen Zusammensetzung der Ce&MS- Horden. Für die Beurteilung der biometrischen Verhältniswerte spielt die Kennt- nis des Entwicklungszustandes der untersuchten Tiere eine sehr große Rolle, weil die Organproportionen jugendlicher Individuen vielfach sehr stark von denen adulter abweichen. J. R. Rengger (1830) bezeichnet als „erwachsen" bei Cebus alle In- dividuen, die den Zahnwechsel beendet haben. Bei den Weibchen ist damit nach meinen Feststellungen die Geschlechtsreife (nach Rengger im Alter von zwei Jahren) gegeben. Wie weit das auch für die Männchen der Fall ist, läßt sich bei so schwer beobachtbaren Tieren aus freier Wildbahn kaum 1) Die von A. H. Schultz (1947) angeführten Maße von Cebus capucinus sind we- gen fehlender genauerer Angaben über die altersmäßige Zusammensetzung der unter- suchten Serie nicht zum Vergleich mit meinen Werten geeignet. 18 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). sagen. R e n g g er gibt an, daß die Männchen etwa im Alter von Jahren mannbar werden. Nach beendetem Zahnwechsel ist es bei Wildtieren dann oftmals außer- ordentlich schwer, Aussagen über das ungefähre Lebensalter zu machen. Neben dem (allerdings aus verschiedenen Gründen nicht immer stichhaltigen) Abnutzungsgrad der Zähne kann (wenn das Skelett nicht zur Untersuchung vorliegt) die mehr oder weniger fortgeschrittene Verschmelzung der Schädel- nähte Hinweise in dieser Richtung geben. Wie schon R. Martin (1928) be- tonte, ist aber die Altersbeurteilung bei Cebus nach dem Obliterationsgrad der Schädelnähte mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, weil sich z. B. die für derartige Feststellungen besonders wichtige Sutura coronalis häufig über- haupt nie oder ganz selten und dann nur teilweise zu schließen scheint, und auch alle anderen Schädelnähte sehr spät zu obliterieren beginnen. Ähnliche Beobachtungen konnte ich im allgemeinen auch an meinem Material machen. Um einen genaueren Einblick in die altersmäßige Zusammensetzung der Cebus-Horden zu gewinnen, ist die Aufteilung des adulten Materials (In- dividuen mit vollendetem Durchbruch der permanenten Bezahnung) in zwei Altersgruppen zweckmäßig. Diese Maßnahme gestattet zudem oftmals eine bessere Beurteilung der Bedeutung der Relativwerte der Organgewichte und Körpermaße. A. H. Schultz (1942) schlug für katarrhine Affen folgende Auf- teilung in zwei Altersklassen vor: Als „erwachsen" bezeichnet er die adulten Stücke mit keiner oder mitt- lerer Zahnabnutzung und als „alt" solche mit stark bis extrem abgeschliffe- nen Zähnen und dem Verschluß aller Schädelnähte. Für Cebus ist diese Einteilung nicht in völlig gleicher Weise durchführ- bar, weil die Obliteration aller Nähte auch bei sehr alten Individuen viel- fach unterbleibt, wie oben schon erwähnt wurde. Die Zahnabnutzung allein scheint aber aus verschiedenen Gründen als Alterskriterium nicht geeignet zu sein. Neben dem Abnutzungsgrad der Zähne dürfte aber nach meinen Unter- suchungen der Verschluß der nach dem Durchbruch der endgültigen Zahn- garnitur in der Regel noch deutlich erkennbaren Synchondrosis sphenooccipi- talis die Möglichkeit einer Abgrenzung zweier Altersklassen bei adulten In- dividuen von Cebus apella geben. Wie die Prüfung der mir zur Verfügung stehenden Schädelserie (34 Stück) zeigte, tritt offenbar in der Regel der Ver- schluß dieser Naht erst nach einer deutlicher erkennbaren Abnutzung der permanenten Bezahnung ein. Ich bezeichne daher als „erwachsen" (um keinen neuen Begriff in die Literatur einzuführen) solche Tiere meines Materials, die bei vorhandener Synchondrosis sphenooccipitalis eine höchstens gering- fügige Abnutzung ihrer permanenten Bezahnung aufweisen und als „alt" im Sinne von A. H. Schultz die Individuen mit einer Synostosis sphenooccipi- talis und stärker abgeschliffener 2. Dentition. FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 19 Die bejagten Cebus-Horden setzten sich — abgesehen von einem großen Prozentsatz infantiler und besonders juveniler (A. H. Schultz 1942) Stücke — vorwiegend aus „erwachsenen" Individuen zusammen, während in der Regel Vertreter der älteren Jahrgänge erheblich seltener waren. Durch Ent- wicklung einer besonderen Jagdmethode gelang es vielfach mit absoluter Sicherheit, den Leitaffen (mit einer Ausnahme war es ein Männchen) zu er- beuten. Wie die Durchsicht der Leitaffen-Serie zeigte, befanden sich darunter nur ganz wenige „alte" Individuen, während die Hauptmasse durch „er- wachsene" Stücke gestellt wurde. Wie weit hier eine Zufälligkeit vorlag, kann nicht entschieden werden. Immerhin ist es bemerkenswert, daß es mir niemals — wie ab und zu bei Alouatta caraya Humboldt — gelang, Ein- zelgänger von Cebus zu beobachten. Alle einzeln angetroffenen Individuen dieser Art waren nachweislich Stücke, die aus irgendwelchen Gründen (z. B. Bejagung) von der Horde abgetrennt worden waren. Trotzdem muß man wohl annehmen, daß auch bei Cebus sehr alte Männchen, die sich in ihrem Ver- band nicht mehr durchsetzen können, zu Einzelgängern werden. Die für die adulten Männchen in dieser Arbeit angegebenen Meßwerte beziehen sich durchweg auf „erwachsene" Stücke, von denen allerdings einige eine beginnende Synostosis sphenooccipitalis aufwiesen. Nach dem Ab- nutzungsgrad der Bezahnung konnte man diese Individuen aber noch keines- falls der 2. Altersklasse zuordnen. Die Betrachtung der Weibchen-Reihe zeigte, daß die 2. Altersgruppe im allgemeinen stärker als bei den Männchen vertreten zu sein scheint. Inter- essant war die Tatsache, daß es sich bei Nr. 9, wie auch bei der Mutter (Nr. 28) unseres aufgezogenen Jungaffen Nr. X, um sehr alte Tiere mit fortgeschrittener Verwachsung aller Schädelnähte und stark abgenutzten Zähnen handelte. Ein Zeichen dafür, daß die Weibchen offenbar sehr lange fortpflanzungsfähig bleiben können. Die übrigen in dieser Arbeit untersuchten adulten Weibchen entsprechen bezüglich der Gebrauchsspuren an den Zähnen und dem Obliterationsgrad der Schädelnähte den Verhältnissen der „erwachsenen" Männchen- Serie. Gefügegesetzliche Untersuchungen. A. Skelett und Körpergewicht. a) Verhältnis der Kopf-Rumpflänge (K R)^) zur Schwanz- länge (SL) 2). Männchen : Bei einem männlichen Embryo betrug die KR 66 mm und die SL 46 mm (Kgw. 18g). Nach J. R. Rengger (1830) hat auch der Säugling von Cebus noch einen im Verhältnis zur KR kürzeren Schwanz. Das deckt sich mit der -) KR = Gtiathion — letzter Sacralwirbel, SL = 1. — letzter Caudalwirbel. 20 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). bekannten Tatsache (E. Mohr, 1927), daß die Neugeborenen langschwänzi- ger Säuger im allgemeinen kurzschwänzig sind. Bei Cebus scheint dann aber sehr frühzeitig ein bedeutendes Längenwachstum des Schwanzes einzusetzen, wie ich an dem etwa im Alter von 4 — 6 Wochen erbeuteten Saugjungen Nr. X feststellte (Tab. 1), bei dem die Entwicklung des Verhältnisses der KR zur Tabelle 1. Schwanzentwicklung bei Cebus apella Nr. X (o^). Beobachtungstag Kgw. KR mm SL mm SL o/o der KR Kgw.: KR 18. 2. 1938 270 175 175 100,0 1,54 18. 4. 1938 525 180 240 133,3 2,91 18. 5. 1938 620 210 260 123,8 2,95 8. 7. 1938 800 250 300 120,0 3,2 SL im Zeitraum von etwa einem halben Jahre beobachtet werden konnte. Am Erbeutungstage waren die KR und SL gleich. Während der nächsten acht Wochen zeigte die SL zur KR eine bedeutende positiv allometrische Zunahme, die dann später in eine allerdings schwächere negative Allometrie umschlug. Nr. 150 übertrifft Nr. X bei gleicher KR bezüglich der SL noch etwas, wohl ein Hinweis auf die schon bei Jungtieren festzustellende Variabilität der Kör- permaße, die bei den adulten Individuen vielfach noch auffälliger in Er- scheinung tritt (Tab. 2). Die hohen SL-Verhältniswerte in der Jugend scheinen aber kein Aus- druck einer besonderen Funktionsfähigkeit dieses Organs während der ersten Lebensmonate zu sein. Bei Tieren dieser Größenordnung habe ich, wie auch Rengger (1830), nie die Benutzung des im Gegensatz zu den Alttieren meist mehr oder weniger gestreckt getragenen Schwanzes als Greifwerkzeug beobachten können. In diesem Zusammenhange soll darauf hingewiesen wer- den, daß der Schwanz längst nicht in dem Maße von den Kapuzineraffen als „5. Hand" gebraucht wird, wie oftmals aus den Literaturangaben hervor- zugehen scheint. Bei den älteren, noch im Zahnwechsel befindlichen Jungtieren Nr. 55 und 57 zeigt die relative Schwanzlänge Werte, die denen der erwachsenen Stücke teilweise weitgehend angeglichen sind. Das Längenverhältnis zwischen der KR und der SL bleibt demnach auch nach dem Ausklingen des Zahnwechsels bei zunehmender Körpergröße — abgesehen von der individuellen Variabilität — mehr oder weniger gleich. 3) Der Quotient zeigt das unterschiedliche Verhältnis von Körpergewicht : Kopf- Rumpflänge in den einzelnen Entwicklungsstufen und bringt den Wechsel von Längen- und Breitenwächstumsphasen zum Ausdruck. FR. KCHLHORN, Gefügegesetzliche Unlersuchungen an Neuweltaffen 21 Weibchen: Von jugendlichen Weibchen liegen keine Schwanzlängenmaße vor. Die der erwachsenen Stücke halten sich mehr oder weniger im Rahmen der Rela- tivwerte der entsprechend entwickelten Männchen. b) Beziehungen zwischen der KR und dem Körper- gewicht (Kg w.). Interessant sind die Beziehungen zwischen der KR und dem Kgw. bei dem aufgezogenen Jungaffen Nr. X. Wie aus der Tabelle 1 zu ersehen ist, treten in der Entwicklung dieses Tieres deutlich verschiedene Wachstums - phasen auf. Zunächst nimmt die Körpermasse bei sich nur wenig verändern- der KR erheblich zu. An diese Breitenphase schließt sich eine zeitlich aus- gedehntere Längenphase an. Aus äußeren Umständen war es leider nicht möglich, das Tier noch weiter zu beobachten. Es muß ergänzend darauf hin- gewiesen werden, daß sich Nr. X völlig frei bewegen konnte und in den spä- teren Lebensmonaten viel in den Lagerbäumen umherkletterte. Langanhal- tende Balgereien mit seinem Spielgefährten, einem vier Monate alten Kater, sorgten außerdem noch für genügend Bewegung und Übung der Muskulatur. Bei der Ernährung des Jungaffen wurde auf möglichste Vielseitigkeit ge- achtet. In der ersten Zeit erhielt er verdünnte Kondensmilch. Später bekam er Reis und Bohnen in gekochtem Zustande, Brot und Fleisch (roh oder ge- kocht), Fisch (gekocht oder gebraten) und, wenn vorhanden, Früchte ver- schiedener Art. Außerdem fraß er bei gelegentlichen Streifzügen in den Lagerbäumen Blätter und Baumfrüchte und fing sehr geschickt Insekten mit der Hand, die er dann gierig verschlang. Nach meinen Zoo-Erfahrungen hätte eine derartige Kost bei der ausreichend vorhandenen Bewegungsmöglichkeit eher gewichtserhöhend als -mindernd wirken müssen. Es darf natürlich nicht übersehen werden, daß Nr. X vorzeitig die Muttermilch entzogen wurde und dieser Umstand möglicherweise von Einfluß auf den Verlauf der Jugendent- wicklung war. Dagegen spricht aber die Tatsache, daß das Längenwachstum^ wie der Vergleich mit Nr. 150 zeigt, offenbar normal verlief. Allerdings be- steht zwischen diesen beiden Jungaffen trotz gleicher Körpergröße doch ein ziemlicher Gewichtsunterschied. Da keine weiteren Individuen dieser Größen- ordnung erbeutet wurden und sich auch in der Literatur keinerlei Hinweise finden, läßt sich natürlich nicht beurteilen, wie weit etwa eine sehr weit- gehende individuelle Variabilität des Körpergewichtes in diesem Entwick- lungsstadium oder aber das nicht ganz normale Aufwachsen von Nr. X dafür verantwortlich zu machen ist. Es wäre andererseits aber sehr gut denkbar, daß sich Nr. 150 bei einer KR von 250 mm schon in einer ausgeprägteren Breitenphase befindet als Nr. X, bei dem sich deren Einsetzen bei der glei- chen KR erst schwach andeutet. 22 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). Tabelle 2. Skelettmaße, Schädeliiidices, Organgewiehte. Cebus apella L. B Öß S n o 1 & & 3 ü '% u eschle rlegun emerk g es s S eberge Ü 150 cf 3. 6. 38 Zahnw. 1050 250 330 132.0 47,23 30 18. 2. 38 Zahnw. I 1510 — — — 53,41 55 19. 3. 38 Zahnw. II 1855 345 402 113,6 68,39 19 7. 2. 38 Zahnw. III 1910 — — — 62,23 57 19. 3. 38 Zahnw. II 2250 343 400 117,0 73,11 04 rt O Ort XTT 18. 3. 38 IV «JOU JUD.U 66,58 62 26. 3. 38 2450 65,24 53 er 18. 3. 38 IV 2510 375 410 109.0 69,79 11 1. 2. 38 2710 380 440 116.0 84,21 22 ^ Ort TXT 7.2.38 III 2835 78,45 56 -1 O OO TT 19. 3. 38 II 3000 360 410 114,0 75,48 27 O lö. L. «Jö 3010 370 24 11. 2. 38 3080 420 480 112,0 85,56 148 cf 31. 5. 38 V 3320 380 71,37 149 o-^ 2. 6. 38 3550 380 75,89 31 9 18. 2. 38 Zahnw. I 1425 — — — 48.45 9 26. 3. 38 ZUUU 60,45 32 9 18.2.38 Laktierend I 2050 87,31 155 9 8. 6. 38 2050 340 390 114,7 52,68 20 9 7. 2. 38 III 2200 31,57 28 9 15. 2. 38 Mutter v. X 2200 9 9 27. 1. 38 Laktierend 2210 380 370 97,4 110,11 59 9 21. 3. 38 2250 350 400 114,3 68,97 147 9 31. 5. 38 V 2420 360 420 116,7 94.21 120 9 9. 5. 38 trächtig 2655 360 120,20 60 9 24. 3. 38 2850 350 390 11,4 82,00 Alouatta caraya Humboldt. 18 13 21 17 er' (f (f cf 6. 2. 38 Zahnw. 1. 2. 38 Umf ärbung 7. 2. 38 erwachs. 1. 2. 38 erwachs. 2430 5600 6425 6615 380 512 550 480 620 590 126,3 121,1 107,3 75,67 155,00 165.58 170,80 12 9 1. 2. 38 Zahnw. 3110 422 590 139,8 110,23 Zahnw. = Im Zahnwechsel. I, II, II, IV, V = Aus Herde I. II, III, IV, V. Kgw. g = Körpergewicht in g. KR mm = Kopf-Rumpflänge in mm. SL mm = Schwanzlänge in mm. FR. KÜHLHORN, Gefügcgesetziiche Untersuchungen an Neuweitaffen 23 WD e© u ■M 43 w X. TS ergev Kgw renge renge Kgw AgC » 1 zgewi Kgw M) ■Zgewi Kgw ädelii 43 V o .•-< o o d 43 m 4,5 3,24 3,1 2,11 2.0 5,13 4.9 76,3 3,5 4,12 2,7 2,02 1,3 6.21 4,1 — 3,8 3,91 2,1 — — 7.11 3,8 — 3,2 3,13 1,6 2,15 1,1 7^24 3,8 — 3,3 4,00 1,8 3,01 1,3 8,45 3,8 — 2,7 4,10 1,7 3,12 1,3 9,36 3,9 — 2,1 3,80 1,6 3,67 1.1 — — — 2,8 4,14 1,7 3,70 1,5 10,33 3,7 — 3,1 4,42 1,6 — — 10,67 3,9 70,3 2,9 6,21 2,2 4,20 1,5 11,34 4,0 65,9 2,5 — — - — 12,54 4,2 ^ — 3,3 5,72 1,9 4,03 1,3 15,15 5,0 67,1 4ö l,ö 1,7 15,41 o,u 2,3 7,12 2,2 2,23 0,7 16,34 4,9 67,8 2,1 8,06 2,1 4,31 1,2 17,13 4,8 3,4 5,00 3,5 6,29 4.4 3,0 5.22 2.6 3,03 1.5 7,18 3,6 4,4 5,12 2.5 2,12 1,0 9,10 4.4 2,6 5,30 2,6 3,00 1,5 8,03 3.9 1,4 5,01 2,4 3,10 1.4 8,54 3,9 70.2 5,13 2,3 2,58 1.2 75,8 5,1 6,01 2,7 11,21 5,1 74,4 3,2 5,12 2,0 5,00 2,2 3,9 6,00 2,6 3,02 1,2 11.12 4,6 74,0 4,5 4,59 1,7 3,05 1,2 9,43 3,6 73,2 2,9 5,02 1,9 2,93 1,0 10,11 3,6 3,1 7,43 3,1 - 9.30 3,8 77,5 2,8 15,00 2.7 — 25,34 4,5 2,6 16.47 2,6 - 37,32 5,8 68,4 2,6 16,24 2,5 22,00 3,3 39,23 5,9 71,0 3,5 7,67 2,5 - 10,54 3,2 75,9 24 Zeitschrift für Säugetierkunde. Bd. 20. 1952 (1954). Aus der Tabelle 2 geht hervor, daß die Beziehungen zwischen der KR und dem Kgw. bei den erwachsenen Tieren beiderlei Geschlechtes nicht ein- heitlich sind, wie das aus verschiedenen Gründen (Ernährungszustand, Jahres- zeit Parasitenbefall, Beanspruchung durch Jungenpflege bei den Weibchen usw.) nicht anders zu erwarten ist. Wenn man die Männchen über 3000 g Kgw. miteinander vergleicht, fällt auf, daß Nr. 24 bei einer KR von 420 mm noch leichter als manche kleineren Individuen dieser Gewichtsklasse ist. Das Stück machte keinen herunter- gekommenen Eindruck und wußte sich als Leitaffe gegenüber den anderen erwachsenen Männchen der Horde zu behaupten. In der Leber liatte das Tier einen leichten Parasitenbefall, wie auch das gleich schwere, aber kleinere Männchen Nr. 27, dessen Lebergewicht (nach Entfernung der Parasiten) sogar noch etwas höher lag. Eine körperliche Schädigung scheint demnach durch den Parasitenbefall nicht erfolgt zu sein. Nr. 24 fällt somit bezüglich des Verhältnisses zwischen der KR und dem Kgw. aus dem Rahmen der indi- viduellen Variation heraus und machte (auch im äußeren Erscheinungsbild) fast den Eindruck eines schlankeren Konstitutionstypus ^). Natürlich sichert dieser Einzelbefund nicht die Annahme von Konstitutionstypen bei Cebus apella, wie sie z. B. beim Menschen (E. Kretschmer 1929) bekannt sind. Doch weist die Beobachtung darauf hin, daß es nicht uninteressant wäre, ein zahlenmäßig großes Material von Wildsäugern der gleichen Art auf ein etwaiges Vorkommen von Konstitutionst} pen hin zu untersuchen. Hierfür wären natürlich besonders Affen geeignet, weil ihre anatomischen Verhältnisse denen des Menschen sehr ähnlich sind. In diesem Zusammenhange ist die Frage von Interesse, wie sich der Schädelindex zum körperlichen Erscheinungsbild verhält. Leider war e^ da- mals aus schon erwähnten Gründen nicht möglich, das gesamte Cehus- Material daraufhin zu untersuchen. Die errechneten Werte (Tab. 2) zeigen, wie schon bei oberflächlicher Betrachtung der Schädel erkennbar war, daß sich innerhalb der vermessenen Serie lang- und kurzschädelige Individuen unterscheiden lassen. Ganz allgemein erweisen sich die Männchen lang- schädeliger als die Weibchen. Das vorliegende Zahlenmaterial läßt keine Re- lation zwischen dem Schädelindex und dem Habitus erkennen. Das halbwüchsige, noch im Zahnwechsel befindliche Männchen Nr« 150 (KR 250 mm) ist, wie nicht anders zu erwarten war, erhebKch kurzschädeliger als die erw^achsenen Männchen. Der Vergleich der sehr alten Weibchen Nr. 9 und 28 mit dem Männchen Nr. 150 deutet darauf hin, daß sich die Index- zahlen geschlechtsreifer W"eibchen vielfach nicht weit von denen jugendlicher männlicher (und vermutlich auch weiblicher Stücke) zu entfernen scheinen. *) Es darf aber in diesem Zusammenhange nicht unbeachtet gelassen werden, daß große Individuen häufig schlanker als kleine sind (vgl. B. Rensch, 1934). FR. KÜHLHORN, Gefügcgesetzliclie Untersuchungen an Neuweltaffen 25 Es zeigen sich hier offenbar Verhältnisse, die denen des Menschen sehr ahn- lieh sind; denn nach R. Martin (1928) muß als feststehende Tatsache be- trachtet werden, daß der menschliche weibliche Schädel in manchen Merk- malen dem kindlichen Typus näher steht als der erwachsene männliche. Diese Erscheinung findet nach Martin z.T. ihre Erklärung in dem früheren Ab- schluß aller Wachstumsprozesse im weiblichen Geschlecht. B. Organgewichte. Bisher sind vor allem die für eine Reihe von Arten typischen gefüge- gesetzlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Gültigkeit der Größenregeln und ihre Bedingtheit untersucht worden, während das diesbezügliche inner- artliche Verhalten — mit Ausnahme des Herzverhältnisses, das R. Hesse (1921) u. a. bei verschieden großen Individuen einer Reihe von heimischen Wildsäugerarten genauer studiert hat — im allgemeinen Aveniger Beach- tung fand. Aus Mangel an Vergleichsmöglichkeiten muß ich mich daher vorläufig im wesentlichen darauf beschränken, die Befunde bei den einzelnen Größen - gruppen der beiden geprüften Affenarten ohne den Versuch einer Ausdeutung oder den der Ableitung einer Reihenregel (vgl. R. Hesse, 1921) darzu- stellen, worauf in der Einleitung schon hingewiesen wurde. a) Lebergew ich t. Männchen: Aus der Tabelle 2 geht deutlich hervor, daß die jugendlichen Individuen (Nr. 19, 30, 55, 57, 150) in der Regel ein bedeutend höheres relatives Leber- gewicht als die adulten Stücke aufweisen. Das deckt sich mit den Angaben, die B. R e n s c h (1948) ganz allgemein über die entsprechenden Verhältnisse bei Säugern der gemäßigten Zone macht. Die vermessene Serie erwachsener Männchen weist bezüglich der Ände- rung des Leberverhältnisses bei Zunahme des Kgw keine einheitliche Ten- denz auf, wie schon auf Grund der Gewichtsvariabilität dieses Organes (s. o.) von vornherein angenommen werden konnte. Auch bei heimischen Säugetieren treten in dieser Beziehung Unregelmäßigkeiten in der Wertefolge der rela- tiven Lebergewichte bei verschieden schweren Individuen auf, wie dem aller- dings für die Bearbeitung solcher Fragen zu geringem Zahlenmaterial aus der einschlägigen Literatur zu entnehmen ist. Bei dem Cebus -Männchen Nr. 27 kommt die mögliche, außerordentlich weit gespannte Schwankungsbreite des Leberverhältnisses besonders deutlich zum Ausdruck. Weibchen : Wegen der körperlichen Anforderungen, die Trächtigkeit und Jungen- aufzucht an die Weibchen stellen, ist von vornherein ein noch weniger ein- 26 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). heitliches Verhalten des relativen Lebergewichtes als bei den Männchen zu erwarten, wie auch die Tabellenwerte zeigen. Der bei den Männchen feststell- bare Unterschied im Leberverhältnis der Jung- und Alttiere ist bei den Weibchen nicht ausgeprägt. So liegt z. B. das weibliche Jungtier Nr. 31 bezüglich seines Relativwertes noch weit unter dem vieler erwachsener Weibchen. Die Weibchen von Gehns apella unseres Arbeitsgebietes erwiesen sich (durch laktierende Milchdrüsen) schon von einem Körpergewicht von 2050 g ab vielfach als geschlechtsreif. Derartig niedrige Gewichte, die unter denen vieler anderer erwachsener Weibchen liegen, haben wohl z. T. ihren Grund in der durch die Jungenaufzucht bedingten besonderen körperlichen Bean- spruchung. Wie aus der Tabelle 2 hervorgeht, liegt das relative Lebergewicht träch- tiger oder führender Muttertiere z. T. erheblich über dem der unbelasteten Individuen. Geschlechtsunterschiede im Leberverhältnis. Durchschnittlich erreicht das relative Lebergewicht der geschlechts- reif en Weibchen einen etwas höheren Wert als das der erwachsenen Männ- chen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich diese geringen Unterschiede bei Berücksichtigung einer größeren Untersuchungsserie ausgleichen. B. R e n s c h (1948) weist darauf hin, daß bei einer ganzen Reihe heimischer Säuger- arten das durchschnittliche Leberverhältnis der Weibchen nicht höher als das der Männchen ist. Er betont deshalb, daß es noch genauer Untersuchun- gen bedürfe, um festzustellen, ob das relative Lebergewicht generell (im Sinne eines Gesetzes mit einem gewissen Prozentsatz von Ausnahmen) bei den Weibchen größer als bei den Männchen ist. Es sei noch erwähnt, daß das Weibchen Nr. 20 nicht zum Vergleich geeignet ist, weil möglicherweise der auffallend starke Parasitenbefall der Leber nicht ohne Einfluß auf ihre Gewichtsentwicklung blieb. Jahreszeitliche Einflüsse auf das Lebergewicht. Bei der Schilderung der Umweltverhältnisse wurde auf die Periodizität hingewiesen, die das klimatische Geschehen unseres Arbeitsgebietes be- herrscht. Die Männchen, die für derartige Vergleiche geeigneter sind, zeigten innerhalb der untersuchten Serie jedoch keinen Anhaltspunkt für eine etwaige jahreszeitliche Beeinflussung des Lebergewichtes. b) Nierengewicht Männchen : Das jüngste erbeutete Männchen Nr. 150 liegt bezüglich seines rela- tiven Nierengewichtes über dem der alten Individuen. FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Nemveltaffen 27 Weibchen: Ähnlich wie bei den Männchen zeigt sich auch bei den Weibchen ein überwiegen des Nierenverhältnisses des jugendlichen Tieres Nr. 31 gegen- über den älteren Individuen. Der vermutlich gegenüber den Alttieren er- höhte Stoffwechsel der Jungaffen dürfte eine Erklärungsmoglichkeit für diesen Tatbestand bieten. Die erwachsenen Individuen lassen bei den Männchen, wie bei den Weib- chen kein regelhaftes Verhalten hinsichtlich des Nierenverhältnisses bei den einzelnen Gewichtsgruppen erkennen. Nach den wenigen diesbezüglichen An- gaben in der Literatur zu urteilen, scheinen die Verhältnisse bei manchen heimischen Säugern ähnlich zu liegen. Geschlechtsunterschiede im Nierenverhältnis. Die vergleichende Betrachtung des durchschnittlichen Nierenverhält- nisses der untersuchten Individuen läßt bei den Weibchen ein geringfügiges überwiegen dieses Wertes über die entsprechenden der Männchen erkennen. e) M i 1 z g e w i c h t B. R e n s c h (1948) wies darauf hin, daß die Größe der u. a. als Speicherorgan wirkenden Milz sehr schwanken kann. Wie aus der Tabelle 2 hervorgeht, läßt sich bei den erwachsenen Männchen, wie auch bei den ge- schlechtsreifen Weibchen, keine einheitliche Tendenz im Verhalten des rela- tiven Milzgewichtes verschieden großer Individuen erkennen. Das jüngste Männchen Nr. 150 liegt bezüglich seines Milzverhältnisses noch erheblich über dem der erwachsenen Stücke. Für die Weibchen fehlen leider in dieser Beziehung vergleichbare Werte. Nach B. Rensch (1948) sind die relativen Milzgewichte der Weib- chen gegenüber denen der Männchen bei verschiedenen heimischen Säugern höher. Dem stehen nach demselben Autor aber auch eine ganze Anzahl von Ausnahmen gegenüber. Die untersuchten Ce& ms -Männchen und -Weibchen unterscheiden sich hinsichtlich ihres durchschnittlichen Milzverhältnisses in so unerheblichem Maße, daß das geringfügige überwiegen des Durchschnitts- wertes bei den weiblichen Individuen nicht als Hinweis auf ein etwaiges ge- schlechtsgebundenes, gesetzmäßiges Verhalten dieser Organproportion ange- sehen werden kann. f) Herzgewicht Allgemeine Bemerkungen : R. Hesse (1921) betont, daß das Herzverhältnis innerhalb einer Art vielfach in nicht sehr engen Grenzen variiert und nicht selten Unregelmäßig- keiten auftreten, die eine trotzdem vorhandene Gesetzmäßigkeit zu ver- schleiern vermögen (z.B. Crocidura t-mssm/^ -Männchen). Aus diesem Grunde 28 Zeitschrift für Säugeticrkunde, Bd. 20, 1952 (1954). sei es nicht immer einfach, in Reihen von Herzgewichten die Abnahme der Verhältniswerte bei zunehmender Körpergröße festzustellen. Demgegenüber gibt es aber nach demselben Autor Arten, wie z. B. Igel, Wildkaninchen und Waldwühhnaus, bei denen eine derartige Regelmäßigkeit des Verhaltens ein- deutig zu erkennen ist. Wo aber solche Regelmäßigkeiten nicht ohne weiteres sichtbar werden, läßt sich nach R. Hesse fast ganz allgemein die Abnahme des Herzverhältnisses mit zunehmendem Körpergewicht erkennen, wenn man je eine Anzahl voneinander im Körpergewicht benachbarter Stücke zu Grup- pen zusammenfaßt und dann ilire Mittelwerte vergleicht. Man findet dann nach H e s s e's Erfahrungen fast immer das relative Herzgewicht bei leich- teren Individuen höher als bei schwereren. Hesse entwickelte die „Reihenregel" an Säugern der gemäßigten Zone und wies in seiner grundlegenden Arbeit (1921) besonders auf die Notwendig- keit der Untersuchung tropischer Tiere in dieser Richtung hin. Wegen der auch heute noch ausstehenden eingehenden Bearbeitung tro- pischer Säuger bezüglich dieser Probleme muß ich mangels Vergleichsmög- lichkeiten davon Abstand nehmen, den von mir bei Cebus apella gewonnenen Ergebnissen den Charakter einer Regel beizulegen, obwohl meine Serie er- wachsener Cebus -Männchen erheblich größer als das von R.Hesse zur Ab- leitung von Gesetzmäßigkeiten als ausreichend erachtete Material mancher von ihm geprüfter heimischer Säugerarten ist. Das Herzverhältnis bei zunehmendem Körpergewicht. Männchen : Der Vergleich der relativen Herzgewichte der erwachsenen Männchen zeigt ein nicht ganz einheitliches Bild. Doch läßt sich bei zunehmendem Körpergewicht eine steigende Tendenz des Herzverhältnisses erkennen, wenn man die Individuen von 2425 — 2835 g Kgw^ und die von 3000 — 3550 gKgw. zu je einer Gruppe zusammenfaßt und die Mittelwerte bestimmt. Für die erste Gruppe ergibt sich dabei ein durchschnittliches Herzverhältnis von 4,0 o/o und für die zweite ein solches von 4,8 o/o. Ähnliche Verhältnisse liegen auch bei der allerdings zahlenmäßig nicht sehr großen Serie erwachsener Männchen von Alouatta caraya Humboldt vor (s.d.). Weibchen : Auch bei den Weibchen zeigt sich ein individuelles Variieren des Herz- verhältnisses, das aber beim Vergleich der Mittelwerte der beiden innerhalb der Serie unterscheidbaren Gewichtsgruppen eine Abnahme bei steigendem Körpergewicht erkennen läßt (Gruppe 1: Kgw. 2200— 2210 g Herzverhältnis 4,2 o/o; Gruppe II: Kgw. 2400— 2850 g Herzverhältnis 3,9 o/o). Für die Weib- chen scheint demnach die von R. Hesse (1921) aufgestellte „Reihenregel" FR. KDHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuwcltaffen 29 Gültigkeit zu besitzen. Ergänzend sei noch erwähnt, daß bei dem trächtigen Weibchen Nr. 120 keine Schwangerschaftshypertrophie des Herzens festzu- stellen ist. Geschlechtsunterschiede im Herzverhältnis. Nach R. Hesse (1921) liegt ein Geschlechtsunterschied im Herzver- hältnis wohl sicher vor, wenn das eine Geschlecht zugleich mit dem höheren Körpergewicht das größere relative Herzgewicht hat, wenn also das Ge- wichtsverhältnis der „Reihenregel" geradezu widerspricht. Nach dem vor- liegenden Zahlenmaterial scheint dieser Tatbestand für die erwachsenen Männchen von Cebus apella L. gegeben zu sein. R. Hesse stellte ent- sprechende Verhältnisse bei den Männchen einiger heimischer Wildsäuger, wie z. B. beim Maulwurf, Fuchs, Iltis und Hermelin, fest. Herzverhäitnis bei Jungtieren. Gefügegesetzliche Untersuchungen an juvenilen Individuen sind der mir vorliegenden Literatur zufolge bisher in geringem Maße nur an heimischen Wildsäugern durchgeführt worden. Die in dieser Richtung gewonnenen Er- gebnisse lassen aber noch kein klares Bild erkennen (vgl. R. Hesse, 1921; E. Buchen rieder, 1949). Wie weit in dieser Beziehung überhaupt bei tropischen Säugern inner- artliche Gesetzmäßigkeiten im Verhalten der Herzproportionen zu erwarten sind, kann infolge des völligen Fehlens geeigneter Vergleichsmöglichkeiten nicht entschieden werden. Da sich die Cebus-Rciha juveniler Stücke — von wenigen Ausnahmen abgesehen — aus Tieren zusammensetzt, die vermutlich bald geschlechtsreif geworden wären (Zustand des Zahnwechsels, Körpermaße), ist das Material für derartige Betrachtungen ungeeignet. Ich gebe daher die ermittelten Herz- gewichte dieser Altersgruppe ohne nähere Besprechung lediglich als Unter- lage für eine etwa später mögliche Bearbeitung dieses Problems in größe- rem Rahmen in der Tabelle 1 an. C. Darm. Die Messung der Darmlänge begegnet großen methodischen Schwierig- keiten, auf die W. Härder (1951) in ausf ührlicher Darstellung hingewiesen hat. Aus ähnlichen Erwägungen heraus wie W. Härder bediente ich mich auch der von ihm und anderen Bearbeitern angewandten Meßweise, die darin besteht, den Darm unter Belassung der Serosa und Vermeidung jeder Deh- nung vom Mesenterium zu lösen und ihn, durch die angefeuchtete Hand gleiten lassend, auf einer nassen Unterlage auszubreiten und dann die Längenbestimmung vorzunehmen. Das Problem der Beziehungen zwischen dem Klima und der Darmlänge kann wohl als für die Säuger noch nicht endgültig gelöst betrachtet werden. 30 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). Für Vögel liegen Untersuchungen von B. R e n s c h (1948) vor, die zeigen, daß bei einigen Arten Vertreter desselben Rassenkreises im kühleren Klima eine relativ bedeutendere Darmlänge haben. Die ungeheure Nord-Süderstreckung des sich über verschiedene Klima- zonen hinziehenden Verbreitungsgebietes von Cehus läßt diese Gattung für ähnliche Untersuchungen nicht ungeeignet erscheinen. Die wenigen, mir noch zur Verfügung stehenden Meßwerte vermögen allein schon wegen der Be- grenzung unseres Forschungsraumes diesen Fragenkomplex für Cehus natür- lich nicht zu klären. Die gemachten Angaben sind daher nur als Unterlagen für spätere Untersuchungen dieser Art anzusehen. Leider befindet sich unter dem mir noch verbliebenen Vermessungs-* material kein Saugjunges oder kurz vorher abgesetztes Jungtier. Für die ver- gleichende Betrachtung stehen daher nur selbständige Individuen verschie- dener Größenordnung zur Verfügung, deren Ernährung nach meinen Magen- und Darmuntersuchungen völlig gleichartig ist. Diese Tatsache ist zur Be- urteilung der angegebenen Werte nicht ohne Bedeutung. Gesamtdarmlänge (Pylorus bis Anus). Männchen : Eine deutlich erkennbare Variabilität der Darmlänge, wie man sie in Serien erwachsener gleichgroßer Individuen mancher heimischer Wildsäuger innerhalb der gleichen Art oftmals feststellen kann, findet sich auch bei der daraufhin untersuchten Reihe geschlechtsreifer Männchen won C ehus apellah,, wie der Vergleich von Nr. 11, 148 und 149 zeigt (Tabelle 3). Die Betrach- tung der Wertefolge gibt daher auf den ersten Bück ein etwas unklares Bil,d des Verhaltens der Darmlänge bei zunehmender KR. Wenn man aber (ähn- lich wie beim Herzgewicht) die vergleichbaren Stücke Nr. 11, 148 und 149- zu einer Gruppe zusammenfaßt und den Durchschnittswert (722,7 %) er- rechnet, zeigt sich eine deutliche Zunahme des Relativwertes der Gesamt-; darmlänge bei steigender KR. Weibchen: Die Weibchen-Reihe zeigt ebenfalls eine zunehmende Tendenz der rela- tiven Darmlängenwerte bei steigender KR. Die untersuchten Männchen- und Weibchen-Serien sind angesichts der Variabilität dieses Organes zahlenmäßig zu gering, um aus dem gleichsinnig gerichteten Verhalten der Relativzahlen eine Regelhaftigkeit ableiten zu können. Geschlechtsunterschiede im Darmverhältnis. Nach B. R e n s c h (1948) sind die Därme der Weibchen mancher Säu- gerarten durchschnittlich etwas länger als die der Männchen. Rensch betont, daß diese Feststellung nur provisorischen Charakter habe und eine endgültige FR. KÜHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuwcitaffcn 31 Entscheidung erst nach Untersuchung eines umfangreicheren Materials mög- lich sei. Bei der untersuchten Cebus-Sevie erreichen die Weibchen durch- schnittlich etwas größere relative Darm-Längenwerte, eine Beobachtung, die in diesem Zusammenhange nicht ohne Interesse ist. Aloutta caraya Humboldt (Schwarzer BrülIafiTe) Umweltverhältnissie. Der Schwarze Brüllaffe scheint nach meinen Beobachtungen in seinem Vorkommen innerhalb unseres Forschungsgebietes auf die feuchten, gewässer- nahen Niederungswälder der Talmulden des Tieflandes beschränkt zu sein. In seinem dortigen Verbreitungsraum tritt er viel seltener als Cebus apella L. in Erscheinung und ist als ebenfalls reines Baumtier den gleichen Umwelt- bedingungen ausgesetzt wie dieser. Deshalb erübrigt sich ein nochmaliges Eingehen auf die schon bei der Behandlung von Cebus ausführlicher darge- stellten Umweltverhältnisse. Nahrung von Alouatta caraya Humboldt. Die Magenuntersuchungen ergaben als Hauptnahrungsbestandteile Blätter (besonders beliebt scheinen die jungen Bambussprosse zu sein), Knospen, Früchte (z.B. von der Palme Arecastnim romanzoffianum Becc), Samen und in geringerem Maße Blüten. J. R. Rengger (1830) gibt an, daß Alouatta caraya auch Insekten nicht verschmähe. Übereinstimmend mit H. Krieg (1928) konnte ich dagegen niemals tierische Reste bei den Ma- gen- und Darminhaltsprüfungen feststellen und bin daher ebenfalls der An- sicht, daß der Schwarze Brüllaffe als reiner Pflanzenfresser anzusehen ist. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, daß an den aufgenommenen Pflanzen- teilen sitzende Insekten ab und zu verschluckt werden. Doch kann man des- halb Alouatta noch nicht als heterovor bezeichnen. Material. Von Alouatta caraya stehen, wie eingangs schon erwähnt wurde, die Maß- angaben von vier Männchen und einem jungen Weibchen zur Verfügung, das aber für die Vergleiche nicht mit herangezogen wird, weil ein jugend- liches Stück keine Schlüsse auf das allgemeine Weibchenverhalten bezüglich der Organproportionen erlaubt. Gefügegesetzliche UntersuchungeiJ. A. Skelett und Körpergewicht, a) W a c h s t u m s a b s c h 1 u ß. Die Umfärbung der Männchen beginnt nach H. Krieg (1928) vermut- lich im Laufe des 2. Lebensjahres mit dem Eintritt der Geschlechtsreife und 32 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). dauert mindestens zwei Jahre. Im Alter von 3 — 4 Jahren dürfte sie nach demselben Autor abgeschlossen sein. J. R. Rengger (1830) nimmt an. daß die Männchen erst im 5. Lebensjahr ihre volle Größe erreichen. Diese Beob- achtungen deuten auf einen langsamen Verlauf des Wachstumsprozesses, worauf auch die Befunde beim Männchen Nr. 13 hinzuweisen scheinen. "Wie bei Cebus, dürfte nach meinen Feststellungen auch bei Alouatta caraya die Verknöcherung der Sutura sphenooccipitalis den Abschluß des Schädel- und wohl auch des Skelettwachstums anzeigen. Das in fortge- schrittener Umfärbung begriffene Männchen hatte demnach (wie auch die Skelettuntersuchung bewies) bei vorhandener vollständiger 2. Dentition das Größenwachstum nicht abgeschlossen (derartige Befunde sind auch von an- deren Säugern schon bekannt). Die relativen Organgewichte des Tieres ent- sprachen teilweise aber schon weitgehend denen der völlig umgefärbten aus- gewachsenen Stücke Nr. 17 und 21. Die Berücksichtigung aller dieser Be- funde — auch bei Vergleich mit den Relativwerten des noch im Zahnwechsel und im Jugendkleid befindlichen Jungmännchens Nr. 18 — läßt die Ver- mutung H. K r i e g ' s (1928) über den Eintritt der Geschlechtsreife während des Farbwechsels als nicht unberechtigt erscheinen. Infolge des Fehlens eige- ner Beobachtungen und entsprechender eindeutiger Hinweise über erfolg- reiche Paarungen noch nicht völlig umgefärbter Männchen in der mir zu- gänglichen Literatur ist eine endgültige Klärung dieser Frage aber augen- blicklich noch nicht möglich. b) V e r h ä 1 1 n i s d e r K R z u r S L. Bei vergleichender Betrachtung des Jungmännchens Nr. 18 mit den er- wachsenen Stücken zeigt die relative Schwanzlänge eine eindeutige Abnahme bei steigender KR. wie sie ja auch im allgemeinen bei den Kapuzineraffen festzustellen war. c) S c h ä d e 1 AS a c h s t u m und Alter. Wie bei Cebus zeigen sich auch die noch im Zahnwechsel befindlichen Jungtiere von Alouatta caraya kurzschädeliger als die erwachsenen Individuen (vgl. Tab. 2), was auch die ergänzende Untersuchung einer Reihe von H. Krieg im Gran Chaco gesammelter Schädel bestätigte. d) Beziehungen zwischen der KR und dem Körpergewicht. Leider ist das Material zahlenmäßig zu gering, um über dieses Problem ausführlichere Angaben machen zu können. Immerhin ist es aber interessant, daß dem geringen Längenunterschied zwischen dem in der Umfärbung be- griffenen Männchen Nr. 18 und dem ausgefärbten Individuum Nr. 17 eine ziemlich erhebliche Gewichtsverschiedenheit entspricht. FR. KDHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 33 B. Organgewicht«. a) Lebergewicht. Mit zunehmendem Körpergewicht sinkt bei der vermessenen Männchen- Serie das relative Lebergewicht. Ähnlich wie bei Cebus, weist dieses Organ auch bei dem jüngsten Brüllaffenmännchen den größten Relativwert auf. b) Nierengewicht. Wie bei Cehus, haben auch bei Alouatta die alten Individuen ein gerin- geres relatives Nierengewicht als das jüngste noch im Zahnwechsel befind- liche Tier Nr. 18. c) Herzgewicht. Bezüglich des Herzverhältnisses zeigen die Männchen von Alouatta eine eindeutig steigende Tendenz bei zunehmendem Körpergewicht. Es muß aber mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß sich bei der Prüfung einer größe- ren Serie ähnliche Unregelmäßigkeiten in den Relativzahlen herausstellen können, wie es bei Cebus der Fall ist. Allerdings gab ja auch dort die An- wendung der von R. Hesse (1921) vorgeschlagenen Methode der Zusam- menfassung von Gewichtsgruppen bei unklaren. Reihen ein Alouatta gleich- Tabelle 3. Darmlängenmaße. Cebus apella L. i u Geschlecht SP,, ^ öp s S ÖD « s KR mm Gesamtdai länge mm 150 3. 6. 38 Zahnw. 250 1050 1850 740,0 57 cf 19. 3. 38 Zahnw. 343 2250 2150 626,8 53 a' 18. 3. 38 375 2510 2520 672,0 11 a" 1. 2. 38 380 2720 2570 676,3 148 31. 5. 38 380 3300 2830 744,7 149 er 2. 6. 38 380 3550 2670 702,6 24 a' 11. 2. 38 420 3080 3150 750,0 155 60 120 9 9 9 9 9 8. 6. 38 24. 3. 38 9. 5. 38 trächtig 27. 1 . 38 laktierend 340 350 360 380 2050 2850 2650 2210 2430 3120 3320 3480 714,7 891,4 922,2 915,8 Alouatta caraya Humboldt. 13 (f 1. 2. 38 Umf ärbung 512 5600 3000 585,9 12 9 1.2.38 422 3110 1670 385,8 *) = Gesamtdarmlänge = Dünndarml. -{- Dickdarml. (Pylorus — Anus). 34 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). sinnig gerichtetes Verhalten des Herzverhältnisses bei zunehmendem Körper- gewicht unter den erwachsenen Männchen. Diese Befunde stehen im Gegen- satz zu der von R. Hesse (1921) für heimische Säuger aufgestellten Größen- regel. Da tropische Säuger aber gleichmäßigeren Umweltbedingungen aus- gesetzt sind, besteht durchaus die Möglichkeit, daß ihre Organproportionen in mancher Beziehung ein andersartiges Verhalten als unsere heimischen Säuge- tiere zeigen. Da mir keine Angaben über die Herzgewichte geschlechtsreifer weib- licher Individuen von Alouatta zur Verfügung stehen, erlauben die Relativ- werte der Männchen keinen Schluß auf etwa geschlechtsgebundene Unter- schiede im Herzverhältnis. C. Darm. Infolge des Verlustes mancher Aufzeichnungen besitze ich nur noch An- gaben über die Gesamtdarmlänge des in der Umfärbung befindlichen Männ- chens Nr. 13 und eines Jungweibchens, das den Zahmvechsel noch nicht ab- geschlossen hatte. Wenn auch diese beiden Stücke wegen der Geschlechts- und Altersverschiedenheiten nicht zu einem einwandfreien Vergleiche geeignet sind, gebe ich die ermittelten Maße trotzdem in der Tabelle 3 an, weil sie als Unterlagen für etwaige spätere Arbeiten auf diesem Gebiete von Interesse sein können. Zusammenfassung und Schlußbemerkung 1. An 25 Individuen von Cebus apella L. und 5 Exemplaren von Alouatta caraya Humboldt aus freier Wiidbahn wurde das Verhalten der Organ- proportionen innerhalb der in den Untersuchungsreihen vertretenen ver- schiedenen Altersgruppen geprüft. 2. Nach Schilderung der angewandten Untersuchungstechnik werden kri- tische Allgemeinbemerkungen zu der vielfach üblichen Arbeitsmethodik bei der Behandlung gefügegesetzlicher Probleme gemacht. 3. Voraussetzung für eine richtige Beurteilung der zwischen den Körper- gewichten bzw. -Maßen und Organgewichten bzw. -Maßen bestehenden Be- ziehungen bei den zur Untersuchung vorliegenden Arten ist die Kenntnis der Umweltverhäitnisse und der Nahrung, auf deren Besonderheiten näher ein- gegangen wird. 4. Die Ergebnisse der Untersuchungen über die Beziehungen zwischen der Kopf -Rumpf länge und dem Körpergewicht deuten für Cebus apella L. bei dem jüngsten, während des ersten Lebcnshalbjahres bezüglich seiner Ent- wicklung beobachteten Männchens das Auftreten eines Wechsels verschiede- ner Wachstumsphasen (Längen- und Breitenphase) und bei den erwachsenen männlichen Stücken das mögliche Vorkommen von Konstitutionstypen an. 5. Erwartungsgemäß sind die jüngsten untersuchten Männchen von Cebus und Alouatta, wie aber auch im allgemeinen die Cebus -Weibchen der mir vorliegenden verschiedenen Altersgruppen, kurzschädeliger als die geschlechts- reifen Männchen. Die Weibchen zeigen bezüglich des Schädelindex, daß sie FR. KCHLHORN, Gefügegesetzliche Untersuchungen an Neuweltaffen 35 in mancher Beziehung dem juvenilen Typus näher stehen als die erwachse- nen männlichen. 6. Jugendliche Männchen von Cebus und Alouatta zeigen ein höheres relatives Leber- und Nierengewicht (bei Cebus °) auch die Weibchen) als die geschlechtsreifen Tiere. Bei Cebus ^) ist für diese kein jahreszeitlicher Ein- fluß auf das Leberverhältnis feststellbar. Die trächtigen und führenden Cebus 'Weibchen weisen ein z. T. erheblich höheres relatives Lebergewicht als die unbelasteten weiblichen Individuen auf. Verständlicherweise zeigt das Leberverhältnis der durch das Fortpflanzungsgeschäft stärker beanspruchten Weibchen im allgemeinen ein uneinheitlicheres Verhalten als das der Männ- chen, bei denen im wesentlichen nur die Umweltverhältnisse und Parasiten- befall als den Organismus möglicherweise beeinflussende Faktoren in Frage kommen. Das im Vergleich zu den erwachsenen Männchen geringfügige über- wiegen der Durchschnittswerte von Leber- und Nierenverhältnis der ge- schlechtsreifen Weibchen von Cebus ermöglicht im Hinblick auf die Kleinheit der Untersuchungsreihen noch keinen sicheren Schluß auf das Vorliegen eines geschlechtsgebundenen Unterschiedes bezüglich dieser Organproportionen. 7. Wie vielfach bei heimischen Säugern, schwankt auch bei den erwach- senen Männchen und Weibchen von Cebus {Alouatta wurde nicht daraufhin geprüft) das relative Milzgewicht, das bei dem jüngsten männlichen Indi- viduum über dem der geschlechtsreifen Stücke liegt. Die ermittelten Relativ- werte lassen kein geschlechtsgebundenes Verhalten dieser Organproportion erkennen. 8. Die relativen Werte des Herzgewichtes ergeben bei Anwendung der von R. Hesse vorgeschlagenen Methode der Errechnung von Durchschnitts- zahlen für die einzelnen Größengruppen bei den erwachsenen Männchen von Cebus und Alouatta interessanterweise eine Zunahme, bei den geschlechts- reifen Weibchen (s. Fußnote ^) dagegen eine Abnahme bei steigendem Kör- pergewicht. Die W eibchen folgen demnach offenbar der von R. Hesse ent- wickelten Größenregel. Ähnlich wie bei manchen heimischen Säugern (z. B. Maulwurf, Fuchs, Iltis und Hermelin) scheinen bei Cebus (s. Fußnote ^) nach dem vorliegenden Zahlenmaterial zu schließen, Geschlechtsunterschiede im Herzverhältnis aufzutreten. 9. Die relative Gesamtdarmlänge zeigt bei der Männchen- und Weibchen- Reihe erwachsener Individuen von Cebus mit zunehmender Kopf-Rumpf- länge eine steigende Tendenz. Dieser Befund bedarf infolge der Kleinheit der geprüften Reihen noch der Bestätigung durch Untersuchung größerer Serien von beiden Geschlechtern. Abschließend soll noch einmal erwähnt werden, daß die vorliegenden Er- gebnisse durch Untersuchung verhältnismäßig kleiner Reihen erzielt wurden, die allerdings zahlenmäßig vielfach oft noch erheblich größer als die von manchen Autoren für die Ableitung von Gefügegesetzlichkeiten als ausreichend erachteten Serien heimischer Säuger sind. Da bisher entsprechende Unter - ^) Die Alouatta-Serie enthält nur ein jugendliches Weibchen. Deshalb ist bei die- ser Art keine vergleichende Darstellung der gefügegesetzlichen Verhältnisse im weib- lichen Geschlecht möglich. ^) Die Männchen-Reihe von Alouatta ist für derartige Vergleiche zahlenmäßig zu klein. 36 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1954). suchungen an tropischen Säugetieren noch nicht in dem erforderlichen Um- fange durchgefiilirt wurden und somit einwandfreie Vergleichsmöglichkeiten fehlen, kann den für Cehus und Alouatta ermittelten Befunden noch nicht der Charakter eines allgemeingültigen regelhaften Verhaltens zugesprochen werden, obwohl eine Reihe von Ergebnissen offensichtlich vorhandene gesetz- mäßige Tendenzen andeutet. Interessant ist aber die Tatsache, daß verschie- dene bei heimischen Säugern zu beobachtende Regelhaftigkeiten auch für das untersuchte Affenmaterial Gültigkeit zu besitzen scheinen. Wie eingangs betont wurde, stammen die untersuchten Affen aus den Randtropen, einem klimatischen Übergangsgebiet. Es ist daher nicht ausge- schlossen, daß manche der auffallenden Unregelmäßigkeiten in den Organ- proportionen verschiedener Individuen vielleicht weniger ihren Grund in einer für die Art normalen großen Variabilität, als vielmehr in einem sich möglicherweise verschiedenartig auf den Organismus der einzelnen Tiere aus- wirkenden Einfluß des Übergangsklimas haben. Literatur. Buchen rieder, E., 1949. — Herzgewicht und Hochgebirge. — Naturw. Rundsch. 2. Härder, W., 1951. — Studien am Darm von Wild- und Haustieren. — Ztschr. Anat. Entwickluiigsgesch. 116. Hesse, R., 1921. — Die Herzgewichte der Wirbeltiere. — Zool. Jahrb. Physiol. 38. Koppen, W., 1931. — Grundriß der Klimakunde. — Berlin. Kretschmer, E., 1929. — Körperbau und Charakter. — Berlin 1929. Krieg, H., 1928. — Schwarze Brüllaffen {Alouatta caraya Humboldt). — Ztschr. Säugetierk. 2. — , — , 1948. — Zwischen Anden und Atlantik. — München. Kühlhorn, F., 1943a. — Beobachtungen über die Biologie von Cebus apella L. — Zool. 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HERMANN POHLE • BERLIN Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V, 20. BAND 3. AUGUST 1955 HEFT 2-3 170 + IV Selten Text und 5 Tafeln Beiliegend Titel und Anhang zu Band 19 BERLIN 1955 In Kommission beim Verlag Naturkunde, Hannover und Berlin -Zeh lendorf Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955) Titeltafel Dr. Ludwig Freund * 19. 6. 1878 t 5. 11. 1953 Zeitschrift für Säugetierkunde Band 20 Heft 2-3 3*) Die Überwinterung syrischer Goldhamster (Mesocricetus auratus Waterh.) in Norddeutschland"^) Von Konrad H e r t e r (Berlin) und Gerhard Lauterbach (Berlin). Herrn Prof. Dr. Alfred Kühn zum 70. Geburtstag am 22. 4. 1955 gewidmet. (Aus dem Zoologischen Institut der Freien Universität Berlin, Abteilung für Tierphysiologie uaid -psychologie) Mit 10 Abbildungen im Text und auf Tafel IV. Der heute als Laboratoriumstier in den meisten Ländern gehaltene und gezüchtete Goldhamster (Mesocricetus auratus Waterh.) stammt aus Syrien. Nach den Angaben der in den letzten Jahren stark vermehrten Literatur über diesen kleinen Nager (s. z. B. Kittel 1952) hat I. Aharoni 1930 in der Umgebung von Aleppo aus einem 21/9 m tiefen Erdbau ein Goldhamster- weibchen mit 12 Nestjungen ausgegraben, das die Stammutter aller jetzt in Amerika und Europa gehaltenen Goldhamster sein soll. 1931 wurden sie nach England, 1938 nach Amerika und 1945 nach Deutschland eingeführt. Da der Goldhamster ein in der Gefangenschaft leicht zu haltender und zu züchtender, in seinen Ansprüchen an die Pflege äußerst genügsamer Klein- säuger ist, der durch sein ansprechendes Aussehen und seine leichte Zähm- barkeit sich unter den Tierliebhabern schnell viele Freunde erworben hat, ist er ein sehr geeignetes Objekt zur Haltung für Liebhaber und Kinder und wird auch vielfach von Händlern und Züchtern als solches angepriesen. Es ist daher sehr verständlich, daß gelegentlich Goldhamster entweichen und auch, wenn ihre Haltung den Liebhabern Schwierigkeiten macht oder lästig wird, absichtlich ausgesetzt werden. In der Ernährungsweise stimmt der Goldhamster weitgehend mit dem europäischen Hamster ( Cricetus cricetus L.) überein, d. h. er frißt in der Hauptsache Pflanzenstoffe, vor allem Samen, Früchte, Knollen, Wurzeln u. dgl., die er in den Backentaschen in unterirdische „Hamsterlager" transpor- tiert. Außerdem frißt er gelegentlich auch kleine Tiere. Bekanntlich verursachen die europäischen Hamster bei Massenauftreten in manchen Gegenden durch das Verzehren und Verschleppen von Kultur- pflanzen nicht unbeträchtlichen wirtschaftlichen Schaden. Der Goldhamster ist zwar bedeutend kleiner als der europäische Hamster und kann daher auf *) Ein Teil der Untersuchungen wurde mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgeführt. 3 38 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). einmal nicht soviel Nahrung aufnehmen wie dieser. Andererseits dürfte sein Nahrungsbedarf jedoch verhältnismäßig groß sein, da er als kleineres homoio- thermes Tier mit einer relativ großen Oberfläche einen lebhafteren Stoff- wechsel als der größere Europäer haben muß. Daher ist anzunehmen, daß der Schaden, den Goldhamster in Kulturland anrichten können, dem von ihren größeren Unterfamiliengenossen verursachten kaum nachstehen wird. Beachtlich ist ferner, daß in der Fortpflanzungsbiologie des Goldhamsters sehr günstige Umstände für eine Massenvermehrung gegeben sind. Cricetus cricetus (s. P e t z s c h 1950 b) hat eine Tragzeit von 19 bis 20 Tagen. Die Wurfgröße überschreitet selten 12 Junge, von denen wohl meistens in den ersten Tagen einige zugrunde gehen, da das 9 ri^r ^ Zitzen hat und die Schwächlinge von den robusteren Geschwistern von der Milchquelle abge- drängt werden, so daß wohl meist nicht mehr als 8 aufwachsen. Unter opti- malen Bedingungen soll ein Q in einem Jahr bis zu 3 Würfe zur Welt brin- gen können. Demnach könnten theoretisch unter sehr günstigen Umständen in einem Jahr von einem 9 24 Junghamster aufgezogen werden, von denen die 99 des ersten Wurfes — der bei uns etwa zwischen dem 20. 5. und 10. 6. erfolgt — gegen Ende August erstmalig werfen können. Die später geborenen Tiere werden wohl in demselben Jahr kaum noch zur Fortpflanzung gelangen. Bei einem Geschlechtsverhältnis von 1 : 1 könnten also von den 8 Jungen des ersten Wurfes die 4 99 noch in demselben Jahr je 8, d.h. 32 Junge hervor- bringen, so daß die theoretische Höchstzahl der Nachkoromen eines Weib- chens von Cricetus cricetus in einem Jahr 32 + 24 = 56 wäre. Das 9 Mesocricetus auratus trägt nur 16 Tage, die durchschnittliche Wurfgröße ist 8 (6 bis 12) und die Jungen sind im Alter von 6 bis 7 Wochen fortpflan- zungsfähig. In der Gefangenschaft können Goldhamster 7 — 8mal im Jahr werfen (Kittel 1952, p. 30/31). Demnach könnte 1 9 in einem Jahr etwa 60 Junge aufziehen, von denen etwa 30 99 wären. Unter Gefangenschafts- verhältnissen, in denen die Goldhamster das ganze Jahr hindurch fort- pflanzungsfähig sind, wird der größte Teil dieser 99 wegen der kurzen Tragzeit und der frühen Geschlechtsreif e in demselben Jahr ebenfalls werfen; allerdings nicht 7 bis 8 mal. Man darf vielleicht annehmen, daß mit der Hälfte der Höchstzahl von 8, also mit 4 Würfen, d.h. mit 4 mal 8 = 32 Jungen pro 9 zu rechnen ist. Das wären 32 mal 30 = 960 Hamster der zweiten Generation. Da- zu kommen die 60 der ersten und noch eine nicht zu übersehende Anzahl von Jungen der dritten Generation, weil die 99 zweiten Generation in demselben Jahr ebenfalls noch Junge haben können. Theoretisch kann also ein Goldhamsterweibchen in der Gefangenschaft in einem Jahr über 1000 Nachkommen hervorbringen ; Kittel errechnet sogar 3000. Nimmt man an, daß die Goldhamster sich im Freien nur in der warmen Jahreszeit fort- pflanzen, so ergibt sich theoretisch in der Natur eine Fortpflanzungsrate von etwa 500. K. HERTER und G. LAUTERE ACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 39 Derartige Spekulationen haben selbstverständlich nur einen sehr be- dingten Wert. Wir führten sie nur an, um zu zeigen, daß die Vermehrungs- potenz des Goldhamsters bedeutend größer als die des europäischen Hamsters sein muß. Wenn also bei diesem in manchen Gegenden — besonders Mittel- deutschlands — nicht selten Massenvermehrung vorkommt, durch die dem Menschen wirtschaftlicher Schaden erwachsen kann, so könnte dies beim Goldhamster durchaus — vielleicht sogar in noch größerem Maße — eben- falls der Fall sein. Petzsch — unser bester Hamsterkenner — ist der Ansicht, daß der syrische Goldhamster, wenn er sich bei uns im Kulturland eingebürgert hat, leicht zu einem Großschädling werden kann. In mehreren Arbeiten warnt er sehr dringlich davor, Kindern und in der Kleintierhaltung uner- fahrenen Personen, bei denen die Gefahr besteht, daß die Tiere aus Un- achtsamkeit entweichen oder aus Gedankenlosigkeit bewußt ausgesetzt wer- den, Goldhamster in die Hand zu geben. Er schlägt behördliche Maßnahmen über die Haltung und Zucht von Goldhamstern und über den Handel mit ihnen vor, durch die die Gefahr eingeschränkt werden könnte (s. Petzsch 1950a, 1951a, 1951b, 1952a, 1952b; s. auch Mohr 1954, p. 41). In diesen Arbeiten diskutiert Petzsch sehr eingehend den ganzen Problemkomplex und vor allem die Frage, ob der Goldhamster, dessen Hei- mat Syrien ist, also ein Gebiet, das klimatisch in manchen Punkten gegen- über unseren Kulturlandschaften erhebliche Unterschiede aufweist, bei uns im Freien überhaupt existenzfähig ist. Über die Klimaverhältnisse auf der aleppischen Hochebene — der engeren Heimat von Mesocricetus auratus — machen Petzsch (1950 a), E i s e n t r a u t (1952) und Kittel (1952) aus- führliche Angaben (s. auch Herter 1955), auf die wir nur ganz kurz ein- gehen. Das Klima ist ein subtropisches Wüstenklima, das durch heiße, trockene Sommer und kalte, niederschlagsreiche Winter, sowie starke Temperatur- differenzen zwischen Tag und Nacht ausgezeichnet ist. Da die Goldhamster in ihrer Heimat tiefe Erdbaue anlegen, dürften sie sich jedoch den schäd- lichen Einflüssen dieser starken Temperaturschwankungen weitgehend ent- ziehen. Es ist durchaus möglich, daß sie unser nicht so schroffen Schwankun- gen ausgesetztes Klima nicht nur ertragen, sondern daß es für sie sogar günstiger ist als das ihrer syrischen Heimat. Petzsch (1950 a) sagt vom Goldhamster: es „kann gar kein Zweifel mehr bestehen, daß er hervorragend p r ä d e s t i n i e r t i s t , sich wildlebend auch in zusagenden Biotopen Deutschlands festzusetzen und von da aus sich weiter auszubreiten!" Daß Goldhamster in geeigneten Biotopen — etwa in Gärten, Parks, lich- ten Wäldern, auf trockenen Wiesen oder auf verschiedenen landwirtschaft- lichen Kulturländern — sich in Deutschland vom Frühling bis zum Herbst halten und fortpflanzen können, bedarf für Kenner dieser Nager keines Beweises. Dagegen ist es nicht so selbstverständlich, daß sie auch unsere 3= 40 Zeitschrift für Säugetierkunde. Bd. 20, 1952 (1955). Winter im Freien überstehen können. Eickel (1949, p. 23), der nicht an die Gefahr einer Einbürgerung des Goldhamsters bei uns glaubt, und der betont, daß aus Nordamerika, wo diese Tiere schon viel länger als bei uns in großem Maßstab gezüchtet werden, kein einziger Fall ihrer Einbürgerung im Freien bekannt ist, schreibt z.B.: „Abgesehen davon würden sie Nässe und Kälte in unserem Klima noch nicht einmal einen Winter lang über- dauern.'" Um experimentell zu prüfen, „ob und inwieweit syrische Goldhamster tat- sächlich in der Lage sind, in Deutschland ungeschützt „unter freiem Himmel" den Winter zu überdauern", hat Petzsch (1952 b p. 91) Versuche ange- stellt. Im Zoologischen Garten in Halle wurden am 7. 11. 1951 in zwei aus- gemauerte Gruben von 1,50 m Länge, 1,50 m Breite und 1,80 m Tiefe, die 1,35 m tief mit festgestampfter lehmiger Erde gefüllt waren, Goldhamster eingesetzt. In die eine 3 sechswöchige 99; andere 5 halbwüchsige . Es wurde ihnen Nestmaterial (Langstroh und Häcksel) und Futter (Ge- treide und Mohrrüben) beigegeben. Bis zum 18. 11. waren die Gruben mit Frühbeetfenstern, dann mit Drahtdeckeln verschlossen. Bis zum 19. 12. wurde wöchentlich einmal Futter eingeschüttet, das die Hamster in ihre Erdbaue eintrugen. Danach war nichts mehr von den Tieren zu bemerken. Am 2. 3. 1952 wurde in beiden Gruben nachgegraben. In der Grube der QQ fanden sich Erdgänge und gefüllte Vorratskammern, jedoch keine Hamster. (Ein 9 ^var schon am 14. 11. tot und angenagt auf der Oberfläche gefunden w orden.) In der Grube der cT'c/' fand sich eine angenagte Goldhamsterhaut und in einem gut ausgepolsterten unterirdischen Nest ein winterschlafender Hamster, der innerhalb von etwa zwei Stunden völlig erwachte. Da aus dem nicht mehr aufgegrabenen Erdreich bis zum 9. 5. 1952 kein Goldhamster mehr zum Vorschein kam, ist anzunehmen, daß die fehlenden 2 99 und 3 cTo^ zugrunde gegangen und wohl von ihren Genossen aufgefressen waren. Immerhin hat der Versuch ergeben, daß ein Goldhamstermännchen „mehr als 3^2 Monate dem Schnee, Frost und Regen ausgesetzt, in einem richtigen unterirdischen Erdbau in Mitteldeutschland, in Halle an der Saale" einen, allerdings nicht allzu harten Winter winterschlafend überstanden hat (Petzsch 1952b p. 92). Um festzustellen, ob die Ergebnisse Petzschs Allgemeingültigkeit be- anspruchen können, oder ob sie nur auf Zufall beruhten, haben wir uns mit dem Verhalten von Goldhamstern in bezug auf Aktivität und Ruhe, insbeson- dere im Hinblick auf den Winterschlaf, beschäftigt. W. Krischke (1951) hatte schon vor ein paar Jahren A k t o g r a - phen versuche mit Goldhamstern gemacht, die Herr G. Kuhn 1953 in unserem Institut fortgeführt und erweitert hat. Die Tiere lebten einzeln in einem auf Spiralfedern montierten Gitterkäfig von 43 cm Länge, 30 cm Breite und 23 cm Höhe. Er enthielt sonst nur etwas Heu und täglich um etwa 11 Uhr ergänztes oder erneuertes Futter. Die Bewegungen des Käfigs bei Aktivität des Hamsters wurden mittels eines Schreibhebels auf einer senkrecht stehenden Uhrwerktrommel mit 24stündiger Umlaufzeit mit Kymo- graphiontinte aufgezeichnet. Ein Thermo-, ein Hygro- und ein Barograph K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 41 registrierten laufend die Umgebungstemperatur, die Luftfeuchtigkeit und den Luftdruck in der Nähe des Käfigs (Abb. 5, Taf. IV). Die Versuche wurden von Mai bis Dezember 1953 in einem ungeheizten Gewächshaus, in dem die Raum- temperatur nicht unter +2,5^ sank (mit gelegentlichen Unterbrechungen von einigen Tagen), durchgeführt. In Abb. 1 sind die Ergebnisse für ein Gold- Datum 1953 Abb. 1. Aktivitäts- und Ruhezeiten eines Goldhamsters (cT). Oben: Juni 1953. Mitte: Dezember 1953. Unten: Kurven aus den obigen Zahlen. D = Dezemberwerte, J = Juniwerte, M = Mittelwerte aus D und J. Schwarz: Aktivitätszeiten. hamstermännchen für je 8 Tage im Juni und im Dezember wiedergegeben. Da die Aktivitätsrhythmen weder Beziehungen zur Umgebungstemperatur, noch zur Luftfeuchtigkeit, noch zum Luftdruck erkennen ließen, verzichten wir auf die Mitteilung der entsprechenden Daten. Aus Abb. 1 geht hervor, daß der Goldhamster innerhalb des 24-Stundentages sowohl im Sommer als auch im Winter etwa 7 Stunden in Bewegung und 17 Stunden in Ruhe war. Die von Krischke seinerzeit untersuchten Tiere waren weniger aktiv. Versuchsreihen zwischen dem 21. 4. und 16. 5. 1950 ergaben für 2 cfcf" durch- schnittlich 5 Stunden Aktivität und 19 Stunden Ruhe und für 2 99 ^V-z Stunden Bewegung und I81/2 Stunden Ruhe. Die Ruhezeiten, in denen die Tiere wohl meist schlafen, werden immer wieder durch kürzere oder län- gere Aktivitätsperioden unterbrochen, in denen die Hamster fressen, umher- laufen, am Gitter herumklettern oder sich putzen. Die längsten ununter- 42 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). brochenen Ruhezeiten, die sich aus unseren Aktogrammen ablesen ließen, \v'aren 4^/^ Stunden, die längsten kontinuierlichen Aktivitätszeiten 2^0 Stun- den, In den Kurven der Abbildung 1 liegen die häufigsten und längsten Aktivitätszeiten zwischen 17 und 22 Uhr. Danach sinkt die Aktivität deutlich ab, um etwa zwischen 2 und 3 Uhr für kurze Zeit wieder anzustei- Abb. 2. Temperaturgang im Winter 1953/54 in Berlin-Dahlem nach Daten des Meteorologischen Instituts der Freien Universität Berlin. Oben: Lufttemperaturen in 2m Höhe. Unten: Bodentemperaturen um 13 Uhr. gen. Man kann die Goldhamster daher vielleicht als diphasische Tiere an- sehen. Bei den Tieren Krischkes begann die Hauptaktivität etwas früher und die Kurven verliefen in ihr unregelmäßiger. Auch bei ihnen war eine kurze Periode gesteigerter Beweglichkeit in den frühen Morgenstunden (zwi- schen 2 und 6 Uhr) zu beobachten. In den Aktographenversuchen im Gewächshaus sind die Goldhamster niemals in Winterschlaf gefallen, obgleich die Raumtemperaturen von Oktober an nur selten über -f 10° anstiegen und im November und Dezember häufig und für längere Zeit unter + 5° sanken. Andere im gleichen Raum ge- haltene Winterschläfer (europäische Hamster, Siebenschläfer, Gartenschlä- fer und Haselmäuse) waren in den fraglichen Zeiten häufig im Winterschlaf. Am 15. 11. 1953 brachten wir 2 Pärchen Goldhamster zusammen in einen Kaninchenstall, der im Freien an der Ostwand des Tierhauses im Garten des K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 43 Zoologischen Instituts stand (s. Abb. 8). Er bestand aus einer innen z.T. mit Blech ausgeschlagenen Holzkiste von 85 cm Länge, 60 cm Breite und 50 cm Höhe. Die zu öffnende Vorderwand war aus Maschendraht. Der Boden war mit einer etwa 5 cm hohen Schicht von Sägemehl bedeckt, in der die Tiere viel wühlten und die sie meist in einer Ecke zu einem größeren Haufen zu- sammenscharrten, in dem sie in einer Art Nest zusammen schliefen. Den ganzen Winter über (bis zum 1. 4. 1954) ist keines der 4 Tiere winterschla- fend beobachtet worden. Das Futter wurde regelmäßig verschleppt und ge- fressen. Etwa am 5. 3. 1954 warf eines der 99 sogar ein paar Junge, die allerdings nach wenigen Tagen verschwunden (sicher von den Genossen ge- fressen) waren. In Abb. 2 sind die Luft- und Bodentemperaturen für die fragliche Zeit nach den Messungen des Meteorologischen Instituts der Freien Universität Berlin in Kurvenform angegeben*). Dieses Institut ist etwa 550 m vom Zoolo- gischen Institut entfernt, so daß man wohl annehmen kann, daß die klima- tischen Verhältnisse an den beiden Beobachtungsstellen etwa dieselben waren. Allerdings dürften die Tiere in dem Holzkasten mit Sägemehlbelag nicht ganz so tiefen Temperaturen und etwas weniger schroffen Temperatur- schwankungen ausgesetzt gewesen sein als im Freien, zumal sie sich in ihrem gemeinsamen Schlafnest gegenseitig erwärmen konnten. Trotzdem müssen sie längere Zeit in recht tiefen Temperaturen ohne Schädigungen gelebt haben. In einen anderen Kaninchenstall kamen am 15. 11. 1953 fünf Gold- hamster, und zwar jeder einzeln in je einen Blechkasten von 24 cm Länge, 15 cm Breite und 15 cm Höhe mit einem Deckel aus Maschendraht. Jeder Kasten enthielt wenig Sägemehl und Heu. Bis zum 1. 4. 1954 wurden die Hamster täglich kontrolliert. Winterschlafend wurde beobachtet: Nr. 1 am 24. 11. 1953, am 10. 2. 1954, „ 27. 11. 1953, Nr. 2 am 21. 12. 1953, „ 3. 12. 1953, Nr. 3 am 23. 12. 1953, „ 4. 12. 1953, „ 14. 1. 1954, „ 5. 12. 1953, „ 18. 1. 1954, „ 6. 12. 1953, Nr. 4 am 23. 12. 1953, „ 7. 12. 1953, „ 14. 1. 1954, „ 14. 12. 1953, „ 18. 1. 1954. Nr. 1 war am 18. 2. 1954 tot, Nr. 5 am 1. 2. 1954. Dieser letzte Hamster wurde niemals winterschlafend beobachtet; ein sechstes Tier, das dann in seinen Käfig kam, ebenfalls nicht. Die Versuche zeigen, daß syrische Goldhamster unter Bedingungen, in denen sie vor den Temperatureinflüssen der Umgebung nur recht schlecht geschützt waren, einen ziemlich strengen Winter in Berlin im großen und *) Für die Überlassung der Daten danken wir dem Direktor des Meteoro- logischen Instituts, Herrn Prof. Dr. Scherhag. 44 Zeitschrift für Säiigetierkunde. Bd. 20, 1952 (1955). ganzen gut überstanden, und zwar fast ohne von ihrer Fähigkeit zum Winter- schlaf Gebrauch gemacht zu haben. Ein Freilandversuch, in dem den Goldhamstern Gelegenheit geboten wurde, sich Erdbaue anzulegen, wurde in folgender Weise durchgeführt: Ein würfelförmiger Käfig, dessen Wände etwa 80 cm hoch aus festem Maschen- draht (von 0,8 cm Maschenweite) und einem etwa 20 cm hohen Rand aus Zinkblech bestanden, und dessen Boden eine durchlöcherte Blechplattc war, wurde an der Rückwand (Ostseite) des Tierhauses so eingegraben und mit Erde gefüllt, daß der ganze Gitterteil in der Erde war und der Zinkblechteil einen oberirdischen Käfig von 1 m^ Bodenfläche bildete, der durch einen Deckel aus Maschendraht verschlossen werden konnte (Abb. 8). Ein etwa 30 cm breiter Streifen der Erdoberfläche im Käfig war durch das über- stehende Dach des Tierhauses vor direktem Regen- und Schnee-Einfall etwas geschützt. Auf die Erdoberfläche wurde etwas Heu und ein kleiner Haufen trockenen Laubes, sowie Hamsterfutter (Mohrrüben, Sonnenblumenkerne und Getreidekörner) gebracht. Am 28. 10. 1953 setzten wir drei Pärchen diesjähriger erwachsener Goldhamster in den Käfig und schlössen den Deckel. Jeden Morgen wurde kontrolliert und die Lufttemperatur (L) etwa 10 cm über dem Boden an einem am Deckel hängenden Thermometer, die Bodentemperatur (B) an einem etwa 4 cm tief in der Erde steckenden Thermometer abgelesen. Die ermittelten Werte weichen z. T. von denen der Abb. 2 etwas ab. Das liegt daran, daß die Lufttemperaturen im Meteorologischen Institut in 2 m Höhe über dem Boden, in unserem Käfig in etwa 10 cm Höhe über dem Boden ge- messen wurden, und daß die Bodenbeschaffenheit an den beiden Meßstellen wohl etwas verschieden war. Das Futter wurde, wenn es verschwunden oder sehr vermindert war, ergänzt. Ein kurzer Protokollauszug gibt das Verhalten der Tiere wieder: 29. 10. 1953: L: + 11«, B. + 13°: Alle Hamster im Freien unter Laub u. Heu. L: +110, B: +13°: Ein Grabloch vorn links. Kein Tier zu sehen. L: +80, B: +12°: 1 Q unter Heuhaufen. L: +70, B: +10°: Alle Tiere im Freien. L: + 8°, B: + 10°: 1 9 unter Heu, die übrigen Tiere in der Erde. Das Loch ist zugeschüttet. 6. 11. 1953: 2 cTcf draußen. Das Loch ist offen. 1 draußen. 1 c/" draußen. Ein zweites Grabloch vorn rechts. 1 ist tot und angefressen (entfernt). Der Erdboden ist etwas durchwühlt. 13.11.1953: 1 9 ist tot und angefressen (entfernt). 14. IL 1953: (L: +5«, B: + 8°) bis 21.11. (L: +9°, B: +10,5°): Kein Tier zu sehen und kein Futter eingetragen. 22.11.1953: L: + 7^, B: -lO^: Li der Mitte rechts ist ein frischer Erd- haufen aufgeworfen. 24.11.1953: (L: + 1^, B: +5,5») bis 29. 3. 1954: Es war kein Hamster zu sehen, es wurde kein Futter eingetragen und die Erdoberfläche 30. 10. 1953 31. 10. 1953 1. 11. 1953 2. 11. 1953 7. 11. 1953 9. 11. 1953 12. 11. 1953 K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldharnster 45 veränderte sich nicht. Die tiefste Bodentemperatur war in die- ser Zeit (am 2. 2. 1954) — 5^, die tiefste Lufttemperatur (am 1. 2. 1954) — 130. 29. 3.1954: Es war Futter in das Loch vorn rechts eingetragen worden. 30. und 31. 3. 1954: Ebenfalls. 1. 4.1954: Eine Falle im Käfig aufgestellt. 2. 4.1954: Es hat sich ein großes, sehr wohlgenährtes Goldhamsterweib- chen gefangen, das aus dem Käfig entfernt wurde. Bis Mitte Mai ließ sich kein Tier mehr blicken und das ausgelegte Futter blieb unberührt. Die einzige sichtbare Veränderung war, daß aus dem am 22.11. 1953 aufgeworfenen Erdhaufen viele Sonnenblumen und Getreidehalme hervorsproßten (Abb. 7). Am 22. 5. 1954 haben wir die beiden Grablöcher mit flüssigem Gips aus- gegossen (Abb. 8) und nach dem Erstarren des Gipses die ganze Erde aus dem Gitterteii des Käfigs vorsichtig ausgegraben. Wir erhielten zwei Aus- güsse, die sich ganz herausnehmen ließen und die Formen der Erdbaue sehr deutlich zeigten. Das Loch vorn links führte durch einen nur etwa 25 cm langen Gang in eine größere Kammer, in der sich Fell- und Knochenreste eines Goldliamsters (dessen Geschlecht nicht mehr feststellbar war) befanden. Das Loch vorn rechts war der Anfang eines wohlgegliederten Gang- und Kammersystems, dessen Aufbau deutlich auf den Abbildungen (Abb. 3, 4, 9 u. 10) zu erkennen ist. Aus der Skizze (Abb. 3 u. 4) sind die Maße der einzelnen Teile zu entnehmen. Demnach hatte der Goldhamster — es handelt sich sicher um Abb. 3. Grundriß de« ausgegrabenen Goidhamsterbaues. Die Varratskammer (Inhalt 2900 ccm) war zu ^/^ mit Korn gefüllt, was etwa 1,2 kg de« angebotenen Futters entspricht. Maße in cm. 46 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Abb. 4. Profil des ausgegrabenen Goldhamsterbaues. Maße in cm. den Bau eines Tieres, und zwar des am 2. 4. 1954 wiedergefangenen — in der vorderen rechten Ecke des Käfigs einen senkrecht in die Erde führenden Gang gegraben, und zwar so tief, wie er es konnte, nämlich bis auf den Blechboden. Auf dem Boden hat er dann an der rechten Seitenwand des Käfigs entlang einen waagerechten Tunnel gewühlt, bis er auf die hintere Gitterwand stieß. Senkrecht zu diesem waagerechten Stollen grub er einen etwas weiteren horizontal auf dem Boden verlaufenden geraden Gang, der in eine große Vorratskammer führte. Von diesem breiten Gang geht etwa in der Mitte ein kurzer Blindgang (Abort?) nach hinten und ein längerer Tunnel nach vorn waagerecht ab. Der letzte erweitert sich am Ende zu einem rund- lichen Kessel, der wohl sicher die Schlafkammer war. über einen weiteren Fall der Überwinterung eines syrischen Goldhamsters im Freien in Berlin hat Herr H. H. Roth Beobachtungen gemacht, deren Ergebnisse er uns freundlicherweise zur Verfügung stellte. Anfang August 1952 wurde ein 3 Monate altes Goldhamstermännchen, das in einem seit April im Freien stehenden Glaskäfig geboren wai-, in ein Freilandgehege gesetzt. Das etwa 8 x 3 m große Gelände war von einer Ziegelmauer um- geben, die etwa 50 cm tief in die Erde reichte und nach unten durch einen ebenfalls etwa 50 cm tief gehenden Maschendraht verlängert war. Die Höhe der Mauer, deren Krone durch einen 20 cm breiten rechtwinklig an ihr an- gebrachten Blechstreifen gesichert war, betrug etwa 60 cm. Auf dem be- wachsenen Gelände befanden sich Steinhaufen, Baumstümpfe, ein 60 cm tiefer Teich und ein etwa 50 cm hoher Graserdhügel. Der Hamster nahm ein in der halben Höhe des Hügels in einem Winkel von etwa 30° gebohrtes etwa 5 cm weites Loch als Wohnung an. Beim Weitergraben verschloß er die Öffnung mit lockerer Erde. Von nun an holte er jede Nacht Futter aus einem am Röhreneingang stehenden Napf. Um das Verlassen des Baues zu kontrollieren, wurde dessen Ausgang mit einem Blechdeckel verschlossen, der dann auch regelmäßig umgestoßen war. Am Tage wurde der Hamster nur einige Male morgens gegen 6 ühr draußen beobachtet. Ende Oktober, nach dem Eintreten von Bodenfrösten, kam er nur noch alle 3 bis 4 Nächte heraus, lun dann ab November überhaupt nicht mehr zu erscheinen. Erst Ende Februar 1953 bei wärmerem Wetter war eines morgens im Röhrenein- gang wieder frische Erde aufgeworfen und der Blechdeckel war umgestoßen. Von nun an holte sich der Hamster zunächst wieder alle paar Nächte Futter, K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 47 ab April fast regelmäßig jede Nacht. Im Juni wurde er auch einmal sehr früh am Morgen gesehen, wie er in die Höhle flüchtete. Die Einwinterung im Herbst 1953 erfolgte in derselben Weise wie im Vorjahr, jedoch erschien der Hamster im Frühjahr 1954 nicht wieder; die Röhre blieb verschlossen. Die beiden letzten Beobachtungsreihen bestätigen das Ergebnis des P e t z s c h'schen Versuches. Wir halten es ebenfalls für erwiesen, daß syri- sche Goldhamster in Deutschland im Freiland die kalten Jahreszeiten — und zwar auch recht strenge Winter — un- geschädigt überstehen können. Wir stimmen daher Petzschs Meinung, daß eine Einbürgerung des Goldhamsters in Nordeuropa durchaus möglich ist und der menschlichen Wirtschaft dadurch Schaden erwachsen kann, bei. Gegen die Beweiskraft der Ergebnisse aus den P e t z s c h'schen und unseren über winterungs versuchen im Freiland könnte der Einwand erhoben werden, daß von den 8 von Petzsch und den 6 von uns in die Versuche gebrachten Hamstern je nur ein Tier im Frühling wieder wohlbehalten zum Vorschein kam. Der Prozentsatz (etwa 14y2%) der Goldhamster, die den Winter in der Erde überstanden hatten, ist also recht gering. Nimmt man an, daß die zwölf verlorengegangenen Tiere den Witterungseinflüssen erlegen — also „er- froren" — sind, so kommt man zu dem Schluß, daß nur einzelne besonders widerstandsfähige Goldhamster wirklich den Unbilden unserer Winter ge- wachsen sind. Die großen Verluste an Goldhamstern in diesen Versuchen be- ruhen jedoch sicher auf der Unverträglichkeit und den kannibalischen Nei- gungen dieser Nager. Jeder Pfleger weiß, daß es oft sehr schwierig, in manchen Fällen auch unmöglich ist, mehrere Goldhamster in demselben Käfig zu halten. Es gibt fortwährend Beißereien, denen über kurz oder lang ein oder das andere Tier zum Opfer fällt, das dann von seinen Genossen an- oder aufgefressen wird. Zuweilen kann man aber doch mehrere oder viele Goldhamster monatelang zusammen halten, namentlich, wenn man die Jungen bei den Müttern beläßt. Darüber berichtet Petzsch (1951 a) in einer in- teressanten Studie über die „Sippenbildung" der Hamster. Er bemerkt jedoch, daß es in einem solchen sozialen Verband häufig zu Morden kommt, wenn die Tiere im Winter kalt gehalten werden. Nach Petzsch sind die 99? die leichter als die c/'o^ in Winterschlaf fallen sollen, unter diesen Um- ständen besonders gefährdet. „In ungeheizten Räumen verfallen manche 99' trotz der Bewegung im Käfig durch ihre Mitinsassen, doch, wenn der Höhepunkt des Winterschlaf- bedürfnisses erreicht zu sein scheint, in den lethargischen Winterschlafzu- stand, nachdem sie sich tief in den dichten Bodenbelag aus Mist und Einstreu eingegraben haben. Solange sie in der gegrabenen Röhre noch nicht in die Lethargie verfallen sind, weisen Goldhamster-99 manchmal jedes Eindringen eines anderen Exemplares, als auch der sie suchenden Hand des Beobachters, mit „keifenden" Zetertönen, einer ganz eigentümlichen Lautäußerung, zurück. 48 Zeitschrift für Säiigetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Winterschlafen sie dann doch, so werden sie in den meisten Fällen von den wachen andern Hamstern „unbeabsichtigt" wieder beim Durchwühlen des Bodenbelags ausgegraben und in diesem nahezu leblosen, tief unterkühlten und völlig wehrlosen Zustand als Nahrungsmittel betrachtet, also meistens, unter Bevorzugung des Gehirns, stark angefressen, was den Tod nach sich führt." „In einem Behälter, der neun Tiere eines Wurfes — fünf o^c/ und vier 99 — enthielt, blieben bezeichnenderweise nur die fünf nicht winter- schlafenden o^c^ am Leben, die 09 wurden durchweg im lethargischen Zu- stand von ihren Brüdern umgebracht" (Petzsch 1951a p. 238). Wir sind davon überzeugt, daß in unserem Freilandversuch sich ein ähnliches Drama abgespielt hat, bei dem die 6 Goldhamster in dem relativ kleinen Raum (von 1 m^ Bodenfläche und weniger als 1 m^ Erdraum) sich nacheinander gegenseitig umgebracht haben, so daß nur ein Tier übrig blieb. Zwei der Goldhamster wurden ja schon zu Beginn des Versuches (am 12. und 13. 11. 1953) tot an der Oberfläche gefunden. Es ist allerdings anzunehmen, daß diese nicht im Winterschlaf getötet wurden. In einem größeren Raum wäre der Prozentsatz der Tiere, die den Winter lebend überstanden hätten, sicher größer gewesen. In diesem Zusammenhang interessiert ein Versuch, den wir mit drei europäischen Hamstern (Cricetus cricetus) etwa gleichzeitig mit dem Gold- hamsterversuch im Freien ausführten. Die Tiere kamen am 5. 11. 1953 in einen großen Innenkäfig (2,25 x 1,0 x 0,9 m) in dem geheizten Tierhaus, der durch einen Mauerdurchbruch an der Südseite des Hauses mit einem Außen- käfig (3,2 X 1,8 X 2,0 m) mit Naturboden in Verbindung stand. In dem Innen- käfig befanden sich drei hölzerne Schlafkästen mit Heu und Futter. Am nächsten Tage hielt sich ein Tier im Innenkäfig auf, eines im Außenkäfig und das dritte war nicht zu sehen. In einer Ecke des Außenkäfigs war ein Loch in die Erde gegraben. Bis zum 11. 11. hatten die Hamster zwei weitere Löcher gewühlt und nur einer befand sich in einem der Schlaf kästen. Am 14. 11. hatten sich alle drei Tiere in die Erde vergraben und das Futter und Heu zum größten Teil aus dem Innenkäfig in ihre Baue verschleppt. In den folgenden Tagen (bzw. Nächten) wurde regelmäßig das jetzt auch im Außen- käfig ausgelegte Futter in die Erdbaue getragen, an denen die Hamster offensichtlich arbeiteten, denn es entstanden neue Öffnungen, während die alten z. T. verschlossen wurden. Am Tage wurden die Tiere auch manchmal von Loch zu Loch schlüpfend beobachtet. Am 20. 11. fanden wir ein cT" mit einer Bauchwunde tot auf. Futtereintragen und Grabtätigkeit waren bis zum 2. 12. festzustellen. Bis zum 11. 5. 1954 veränderte sich dann nichts mehr. Die Löcher waren geschlossen und das Futter blieb unberührt. An diesem Tage ließen wir die Erde umgraben. Es wurden ein paar Erdgänge fest- gestellt, die z. T. bis an das horizontale Drahtgitter fülirten, das in etwa 80 cm Tiefe eingebaut war und dazu dienen sollte, die Hamster an einem Durchgraben nach außen zu hindern. Es stellte sich jedoch heraus, daß dies K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 49 Gitter an einigen Stellen schadhaft war, so daß wir vermuteten, die Tiere hätten sich unter das Gitter gewühlt und wären dort zugrunde gegangen oder wären nach außen entwichen, da keines von ihnen bis Mitte Mai wieder zum Vorschein gekommen war. Wir ließen den Boden wieder einebnen und setz- ten eine Waschbärfähe in den Käfig. Am 26. 5. wurde in dem Käfig ein Hamster beobachtet, der vor dem ihn verfolgenden Waschbären in ein Erd- loch flüchtete. Der Waschbär wurde entfernt und eine Falle im Käfig auf- gestellt, in der sich in der Nacht zum 4. 6. ein Hamster fing. Der andere Hamster, den wir längst aufgegeben hatten, wurde am Abend des 9. 6. be- obachtet, als er in einem Außenkäfig an der Nordseite des Tierhauses, der durch die ganze Länge des Hauses getrennt, etwa 7 m von dem Käfig der Hamster entfernt war, in einem Loch im Betonboden verschwand. Der Beton- belag war in dem Käfig, der bis dahin drei Biberratten beherbergte, gerade vor ein paar Stunden gelegt worden und noch ziemlich weich, über Nacht ging der Hamster in die gleich aufgestellte Falle. Wir vermuten, daß er schon längere Zeit in dem stark durchwühlten Bodengrund des Nutriakäfigs gehaust und sich nachts von dem Futter seiner Wirte geholt hatte. Wahr- scheinlich hatte er sich — vielleicht schon im Herbst — einen Tunnel (von mindestens 7 m Länge) diagonal unter dem Tierhaus hindurchgegraben. Diese Beobachtung zeigt außer der großen Grabfähigkeit von Cncetus cricetus, daß die europäischen Hamster der Überwinterung in einem geheiz- ten Raum die Überwinterung im Freien in selbstgegrabenen Erdbauen — also unter „natürlichen Verhältnissen" — vorzogen, und daß man auch mehrere Hamster in einem größeren Areal, in dem sie sich gegenseitig ausweichen können, überwintern kann. Unser Gipsausguß (Abb. 9 u. 10) läßt erkennen, daß das Goldhamster-Q in dem Freilandversuch einen Bau angefertigt hatte, der eine deutliche Glie- derung in ein Gangsystem mit einer großen Vorratskammer, einer Schlaf - kammer und zwei Blindgängen, die vielleicht Aborte waren, aufweist (s. p. 46). Ob diese Bauweise für den syrischen Goldhamster typisch ist, läßt sich nicht sagen, weil bisher ja erst dieses eine Beispiel vorliegt und unser Tier offen- sichtlich durch die Enge des Käfigs in seiner Bautätigkeit behindert war. Wahrscheinlich hätte er im unbegrenzten Raum die Eingangsröhre tiefer ge- trieben und vielleicht die Gänge zu der Vorratskammer und dem Schlaf - kessel länger gebaut, wenn ihm die Käfigwände nicht Halt geboten hätten. Es ist auch anzunehmen, daß die waagerechten Gänge ohne die Führung durch den Blechboden nicht so ideal horizontal verlaufen wären. Ein Vergleich mit den Bauen des europäischen Hamsters ist, bis nicht mehr Material vorhegt, verfrüht. Auffällig ist, daß der einzige Eingangsstollen des Goldhamsterbaues genau senkrecht verlief. Ob unser Goldhamster-9 in seinem Erdbau wirklich Winterschlaf gehal- ten hat, oder ob es die ganze Zeit aktiv war und von seinen Vorräten gezehrt 50 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). hat- wissen wir nicht. Es ist jedoch das erste anzunehmen, da das von Petzsch am 2.3.1952 in Halle ausgegrabene fest winterschlafend vor- gefunden wurde (s. p. 40) und die 99 des Goldhamsters nach Petzsch be- deutend mehi" zum Winterschlaf neigen als die cTc/"- ^vas allerdings nach Eisentraut (1952 p. 123) noch nicht bewiesen sein soll. Bemerkenswert ist, daß unsere Goldhamster in dem Freilandversuch ihre oberirdische Tätigkeit an dem ersten Tage mit Bodenfrost (24. 11. 1953), an dem das Thermometer in 2 cm Tiefe auf ±0° gesunken war (s. Abb. 2), ein- stellten, und daß das überlebende 9 erst einige Tage nach dem letzten Bodenfrost (19.3.1954), am 29.3.1954, wieder aufnahm, als die endgültige Frühjahrserwärmung schon ziemlich weit fortgeschritten war. Der Hamster war also etwa 4 Monate ununterbrochen in der Erde geblieben, obgleich in dieser Zeit einige Perioden ohne Bodenfrost lagen, und zwar vom 29. 11. bis 14. 12. 1953, vom 28. bis 29. 12. 1953 vom 16. bis 17. 1. 1954, vom 19. bis 20. 1. 1954 und vom 26. 2. bis 18. 3. 1954. Wie die Kurve der Bodentempera- turen in Im Tiefe zeigt (s. Abb. 2), die niemals unter ±0° gesunken war, dürfte der Hamster in seiner Schlafkammer in etwa 80 cm Tiefe übrigens kaum Frosttemperaturen ausgesetzt gewesen sein. B i c k e 1 (1949 p. 10) schreibt, daß nach amerikanischen Erfahrungen in den Goldhamsterzuchten die Temperatur nicht unter + 4° sinken soll. ,,In Koloniezucht gehaltene Hamster, die sich gegenseitig leichter warm halten, vertragen geringere Temperaturen. Es ist wenig wahrscheinlich, daß Hamster- kolonien selbst bei — 6,5° C in Winterschlaf gehen. Einzeln gehaltene Tiere werden jedoch bei — 1° bis 4- 4° C schläfrig und kommen dann nicht mehr aus ihren Nestern." Petzsch (1950a) hielt zwei Pärchen Goldhamster in Einzelkäfigen während des Winters 1949/50 in einem ungeheizten Raum, in dem die Lufttemperatur in der kältesten Zeit bis auf — 15° absank. Nur in dieser Zeit (am 30. 1. 1950) wurde ein Q iri tiefem Winterschlaf vorgefunden. Von im Winter 1950/51 in einer ungeheizten Garage überwinternden Gold- hamstern gibt Petzsch (1951 a) an, daß nur 92 Winterschlaf fielen, und daß in einer Züchterei ebenfalls nur 99 winterschlafend beobachtet wurden, und zwar in einem Raum mit ^ 20° Lufttemperatur. Daß in dem Freilandversuch von Petzsch ein winterschlafend gefunden wurde, haben wir schon erwähnt (s. p. 40). Eisen traut (1952) hat mit zwei männlichen Goldhamstern systematische Versuche über Winterschlaf ange- stellt. Das eine Tier kam am 3. 11. 1949 in einen Holzkasten mit Moos, Watte u. dgl. in einen ungeheizten Raum. Es hatte bis zum 9. 3. 1950 niemals Winterschlaf gehalten. Der andere Goldhamster wurde am 14. 1. 1950 in einem Glasbehälter, in dem er sich aus Moos u. dgl. ein Nest bauen konnte, in denselben Raum gebracht. Bei ihm wurde vom 20. 1. (Raumtemperatur -f 0,6°) bis zum 12. 3. 1950 mehrfach unterbrochener Winterschlaf beob- achtet. Eisen traut hält es für möglich, daß das Nichtschlaf en des ersten Tieres an den günstigeren Temperaturverhältnissen in dem besser wärme - isolierten Holzkäfig gelegen hat. Der winterschlafende Goldhamster verhielt sich sehr ähnlich wie ein gleichzeitig beobachteter europäischer Hamster. Auch er zeigte einen periodischen Wechsel zwischen einigen Tagen Winter- K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhanister 51 schlaf und ein bis zwei Wachtagen. Beim europäischen Hamster dauern die Winterschlafperioden im Durchschnitt 5 Tage, bei dem untersuchten Gold- hamster waren sie kürzer, die längste erstreckte sich über 4 Tage. Die kri- tische Temperaturstufe, das heißt das Temperaturgebiet, in dem winter- schlafbereite Winterschläfer in Winterschlaf fallen können, liegt nach E i - sentraut bei Cricetus cricetus in der Nähe von + 9°. Die Minimaltempera- tur, auf die sich der Körper des Tieres abkühlen kann, bei + 4 bis h 3o. Der Eisentr a u tsche Goldhamster schlief zu Anfang der Versuche bei Um- gebungstemperaturen unter + 4° ein, später auch bei höheren bis zu t- 9^. Die tiefste bei ihm gemessene Körpertemperatur war + 3,5^. Diese — leider nur an einem Tier durchgeführten — Messungen zeigen, daß die kritische Temperaturstufe von Mesocricetus auratus nicht bei + 4^, wie Eickel an- gibt (s. p. 50), sondern höher liegen muß. Besonderes Interesse beanspruchen Versuche über den Winterschlaf von Goldhamstern von S c h u a und Schnorrenberg (1954) in München, bei denen mehrere Tiere in einem Raum mit einer ziemlich konstanten Temperatur von etwa + 20° (nicht tiefer als -H 180) beobachtet wurden. Leider ist nicht angegeben, wieviele Hamster es waren und ob sie in Einzelhaft oder zu mehreren zusammen gehalten wur- den. Der Raum wurde in unregelmäßigen Zeitabständen künstlich beleuch- tet; zu welchen Zeiten und jeweils wie lange, wird nicht gesagt. „Einige" Tiere fielen im Winter — und zwar nur im Winter — in häufig unter- brochenen Winterschlaf. Sehr beachtlich ist, daß die Autoren schreiben: „Bei Messungen der Körpertemperaturen konnten wir feststellen, daß diese stets um einige Grade unter der der Umgebungsluft lagen." Sie halten es für möglich, daß die in dem Versuchsraum die meiste Zeit herrschende Dunkel- heit bei einigen Tieren die Winterschlaf berei tschaft gefördert hat. Da einmal beobachtet wurde, „daß alle Tiere bei einem Wechsel der vorherrschenden Wetterlage aus ihrem Winterschlaf erwachten", wurden statistische Berech- nungen über die Wetterlage angestellt und mit der Anzahl der jeweils win- terschlafenden Goldhamster in Beziehung gesetzt. Es ergab sich „ein über- zufälliger Anstieg hinsichtlich der Anzahl der schlafenden Tiere vor dem Durchgang von Kaltfronten (KF.), ein geringerer nach Warmfronten (WF.) und tatsächlich ein verstärktes Aufwachen bei und nach dem Durchgang einer KF. Ebenso zeigt sich ein ähnlicher Gipfel vor KF., wenn man die neu in Schlaf gesunkenen Tiere zum Vergleich heranzieht. Beim Durchgang der KF. fallen keine Tiere in Schlaf. Wogegen im Zusammenhang mit WF. nichts festzustellen ist." „Da die Tiere in dem Labor weitgehend den äußeren Wettereinflüssen entzogen waren und praktisch wohl nur der Luftdruck im Raum wirksam war, besteht die Möglichkeit, daß dieser in gewissem Sinn eine Rolle gespielt haben könnte, doch läßt sich eine Korrelation nicht ein- wandfrei sichern." Dies Ergebnis ist besonders bemerkenswert, weil Linde- mann (1951, 1952) kürzlich beobachtet zu haben glaubt, daß das Einschlafen und Erwachen beim Winterschlaf des europäischen Igels (Erinaceus euro- paeus L.) unter gewissen Umständen ebenfalls mit Luftdruckänderungen zu- sammenhängt. Nach diesen kurz wiedergegebenen Beobachtungen der Autoren hat man den Eindruck, daß der syrische Goldhamster relativ leicht in Winterschlaf fallen kann, und zwar schon bei verhältnismäßig hohen Umgebungstempera- turen. Meine (H e r t e r s) Erfahrungen mit den ersten Goldhamstern, die 52 Zeitschrift für Säugetierk;mde, Bd. 20, 1952 (1955). ich von einem Berliner Händler erhielt, sprachen ebenfalls in diesem Sinne. Im Winter 1950/51 fand ich die Tiere an Montagen mehrmals winter- schlafend vor, wenn am Sonntag mein Zimmer im Institut nicht geheizt worden war. Brachte ich aktive Tiere im Winter in einen ungeheizten Raum, so konnte ich mit großer Wahrscheinlichkeit damit rechnen, sie am nächsten Tage in der für alle winterschlafenden Nager typischen Stellung (Abb. 6) im Winterschlaf vorzufinden, mit Körpertemperaturen, die etwa den Raum- temperaturen entsprachen. Ganz anders verhielten sich die Goldhamster, die wir für die geschilderten Versuche im Winter 1953/54 benutzten. Sie stammten aus einer Sendung von 40 Tieren, die wir im September 1953 von Herrn Dr. H. Behringer aus München erhielten. Die in dem meistens geheizten Tierhaus und in dessen ungeheiztem Bodenraum einzeln oder zu mehreren zusammen gehaltenen Goldhamster fielen niemals in Winterschlaf, über das Verhalten der in Käfigen im Freien gehaltenen Tiere haben wir schon berichtet (s. p. 43). Dabei ist auffällig, daß von den 6 in den Blech- käfigen lebenden Tieren, die weitgehend den zeitw^eilig sehr tiefen Tempera- turen der Umwelt (s. Abb. 2) ausgesetzt waren, zwei überhaupt nicht Win- terschlaf hielten und die restlichen vier nur ganz selten und zu verschiedenen Zeiten winterschlafend angetroffen wurden. Vergleicht man diese Zeiten mit dem Gang der Lufttemperatur, so kommt man zu folgenden Ergebnissen: Hamster 1 schlief erstmalig (am 24. 11. 1953) während eines ziemlich schrof- fen Temperatursturzes (23.11. 13 Uhr: +7°; 24.11. 4 Uhr: + 1»). An dem nächsten Schlaftag (27. 11. 1953) war die Temperatur im Steigen (26. 11. 13 Uhr: ±0°; 27.11. 4 Uhr: ±0°, 13 Uhr: +3«). Die längste Schlafperiode wurde bei Nr. 1 vom 3. bis 7. 12. 1953 zu einer relativ warmen Zeit, in der die Temperatur zuerst anstieg (3. 12. 4 Uhr : + 4^ ; 4. 12. 4 Uhr: + W) und dann ziemlich schroff abfiel (5.12. 4 Uhr: + 7«; 7.12. 4Uhr: + lo) beobachtet. Am nächsten Schlaftag (14. 12. 1953) hatte das Thermometer fallende Ten- denz (13.12. 13 Uhr: +6«; 14.12. 4 Uhr: 4- 2») und am letzten (10.2.1954) ebenfalls (9.2. 13 Uhr: ±0%- 10.2. 4 Uhr: — 2o). Hamster 2 hat nur an einem Tage (21. 12. 1953) geschlafen, an dem die Temperatur etwas an- stieg (20. 12. 13 Uhr: —V; 21.12. 4 Uhr: ±Oo). Nr. 3 wurde an denselben Tagen winterschlafend gefunden wie Nr. 4, und zwar am 23. 12. 1953, an dem die Temperatur etwas gefallen war (22.12. 13 Uhr: +1^; 23.12. 4 Uhr: — 1°), am 14.1.1954 ebenfalls bei fallender Temperatur (13.1. 13 Uhr: +40; 14.1. 4 Uhr: | 1°) und am 18.1.1954, an dem auch Ab- kühlung stattgefunden hatte (17.1. 13 Uhr: H-l^; 18.1. 4 Uhr: ±0°). In der Mehrzahl der wenigen beobachteten Fälle trat also der Winterschlaf bei fal- lender Umgebungstemperatur ein. Auffällig ist, daß in den besonders kalten Zeiten des Winters 1953/54 (30. 12. 1953 bis 12. 1. 1954, 22. 1. bis 13. 2. 1954 und 16. 2. bis 24. 2. 1954) keiner der Goldhamster Winterschlaf hielt. Dies läßt sich vielleicht mit der von anderen Winterschläfern bekannten Erschei- K. HERTER und G. LAUTERBACH, Die Überwinterung syrischer Goldhamster 53 nung in Zusammenhang bringen, daß sehr tiefe Umgebungstemperaturen und plötzliche Temperaturstürze weckend oder Winterschlaf hindernd wirken können. Wenn die Umgebungstemperatur so niedrig ist, daß die Tiere ihre Minimaltemperatur nicht aufrecht erhalten können, schalten sie ihre Tem- peraturregulationsmechanismen völlig ein und werden ganz munter. Die Beobachtung unserer Goldhamster im Winter 1953/54 hat in uns den Eindruck erweckt, daß unsere Tiere nur eine sehr geringe Neigung zum Win- terschlaf hatten. Vielleicht kann man annehmen, daß die — wohl haupt- sächlich hormonal bedingte und gesteuerte — Winterschlafbereitschaft bei den syrischen Goldhamstern unter den für sie relativ neuen Domes tikations- einflüssen Änderungen unterworfen ist, so daß sie in den einzelnen Popula- tionen oder Zuchten in verschiedener Stärke auftreten kann. Leider fehlt uns für die Beurteilung des Einflusses der Domestikation auf den Winterschlaf jede Vergleichsmöglichkeit, da bisher als Haus-, Labor- oder Farmtiere noch nie Winterschläfer gedient haben. Zusammenfassung 1. Syrische Goldhamster (Mesocricetus auratus Wäterh.) hatten in Akto- graphenversuchen im Sommer und im Winter einen Aktivitätsrhythmus mit gesteigerter Aktivität zwischen 17 und 22 Uhr und einer schwächeren Aktivitätsperiode zwischen 2 und 3 Uhr. 2. Goldhamster überlebten ungeschädigt einen strengen norddeutschen Winter in Käfigen, in denen sie sich nicht eingraben konnten und in denen sie weitgehend der Kälte ausgesetzt waren, im Freien. Mehrere in einem Käfig zusammengehaltene Tiere fielen nicht in Winterschlaf; einzeln gehaltene nur selten und nur für kurze Zeit. 3. Ein Goldhamster überwinterte im Freien in einem selbstgegrabenen Erd- bau, der eine deutliche Gliederung in ein Gangsystem und Kammern (Vor- ratskammer und Schlafkammer) erkennen ließ. Das Tier hat sich ununter- brochen 4 Monate (vom 24. 11. 1953 bis 29. 3. 1954) in dem Bau in der Erde aufgehalten. 4. Die Versuchsergebnisse bestätigen die Ansicht Petzsch's, daß syrische Goldhamster in Deutschland im Freien ungeschädigt überwintern können, und zwar auch in recht strengen Wintern, so daß ihre Einbürgerung in Deutschland als durchaus möglich anzusehen ist. 5. Die Goldhamster aus den einzelnen Populationen und Zuchten scheinen sich in bezug auf ihre Winterschlafbereitschaft (vielleicht als Folge der Domestikation) verschieden verhalten zu können. 6. Europäische Hamster (Cricetus cricetus L.) zogen Überwinterung im Freien in selbstgegrabenen Erdbauen der Überwinterung in einem geheizten Räume vor. 4 54 Zeitschrift für Säugetierkiinde, Bd. 20, 1952 (1955). Literaturverzeichnis Eickel, E., 1949. — Der syrische Goldhamster, seine Haltung, Pflege und Zucht. — Selbstverlag, München. 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Rechts Mitte: Schlupfloch. Abb. 8. Ausgießen des Goldhamsterbaues der Abb. 7. Rechts: Kaninchenställe. Abb. 9. Gipsausguß des Goldhamsterbaues von oben in natürlicher Lage im Käfig. Abb. 10. Der Gipsausguß außerhalb der Grube. Zeitschrift für Säugeti«rkimde, Bd. 20, 1952 (1955). 55 4.) Allgemeine Gedankengänge über die Dichte- sch wanknngen bei der Erdmans (Microtus agrestis) Von Dennis G h i 1 1 y (Bureau of Animal Population, Oxford) Vortrag gehalten auf der 28. Hauptversammlung am 31. 7. 1954. Mit zwei Abbildungen im Text. Das Problem, das ich hier erörtern will, ist von ziemlich allgemeiner Be- deutung im Tierreich. Es kann nicht nur durch Tatsachen illustriert werden, die die Säugetiere betreffen, sondern auch durch solche, die uns über Vögel und Insekten bekannt sind. Man beobachtet oft, daß eine Population eine be- stimmte Zeit lang zunimmt und Mann vielleicht mehrere Jahre hintereinander im Abnehmen begriffen ist. Dieses Geschehen kann man durch die Kurve (Abb. 1) darstellen. Beim Hasen (Lepus americanus) und bei gewissen In- sekten kann sich die Periode der Populationsabnahme über fünf Jahre er- 3 O Abb. 1 Zeit strecken. Manchmal erklärt sich diese Abnahme zum Teil aus einer reduzier- ten Fruchtbarkeit, aber daneben wird sie gewöhnlich durch eine hinzukom- mende hohe Sterblichkeitsziffer bewirkt. Lassen Sie uns zuallererst einige einfache, aber grundlegende Betrachtun- gen anstellen : Wir beobachten z. B. im Zeitpunkt i (Abb. 2) eine bestimmte Sterblichkeitsziffer (SJ und im Zeitpuakt n eine höhere Ziffer (Sn), ob- gleich die Populationsdichte in beiden Zeitpunkten ähnlich sein mag. Es ist klar, daß die Sterblichkeitsziffer immer das Ergebnis der Wechselwirkung ist, die zwischen den Organismen (O) und den von außen kommenden Todes- ursachen (T) besteht. Nun wollen wir wissen, warum Sn größer ist als Sj. Die erste Hypothese (a), die wir untersuchen müssen, ist die, daß wir es in beiden Zeitpunkten mit Organismen zu tun haben, deren biologische Eigen- schaften identisch sind In diesem Fall müssen wir nach einem Unter- schied zwischen Tj und Tn suchen. Mit anderen Worten, wir erwarten zu fin- den, daß es im Zeitpunkt n mehr tödliche Feinde oder Parasiten oder Krank- 4* 56 Zeitschrift für Säugeti^rkunde, Bd. 20, 1952 (1955). heiten gab, oder daß das Wetter ungünstiger war, oder daß eine Nahrungs- knappheit herrschte. Solche Unterschiede in den Todesursachen sind in der Tat vorgekommen, und einige Populationsveränderungen können gewiß auf diese Weise erklärt werden. Aber andrerseits hat diese Untersuch ungs- methode sehr oft unsere Fragen nicht beantworten können. Lassen Sie uns daher das Problem von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachten. in i n Sf < Sn S( < Sn Oj = On O,' ^ On T,' * Tn T,' = Tn (a) (b) Abb. 2 Stellen wir uns vor, daß die Bedingimgen in der Umgebung der Organis- men zu allen Zeiten die gleichen sind, das heißt, daß T; gleich Tn ist. Dann muß natürlicherweise jede Änderung in der Sterblichkeitsziffer auf einer Änderung der Organismen selbst beruhen, auf einer Änderung, die sie den normalen Sterblichkeitsfaktoren gegenüber weniger widerstandsfähig macht. Zum Beispiel könnten die Tiere während kalten Wetters sterben, das sie in früheren Jahren überlebt haben. Ich weiß nicht, ob diese angenommenen Änderungen wirklich eintreten, aber wenn das zuträfe, so ist es doch höchst- wahrscheinlich, daß eine Kombination beider Hypothesen notwendig ist, um die Freilandbeobachtungen erklären zu können. Ich kann nur sagen, daß die zweite Hypothese sich bei unseren eigenen Studien fruchtbar erwiesen hat, ganz abgesehen davon, ob sie richtig oder falsch ist. Diesen Studien will ich mich nun zuwenden. Die Freilandbeobachtungen, die meine Frau und ich angestellt haben, be- treffen die Erdmaus (Microtus agrestis). Bei dieser Mäuseart dauert ein Populationszyklus im allgemeinen vier Jahre. Was wir herausfinden wollen, ist die Antwort auf die Frage: Tritt eine Veränderung in den biologischen Eigenschaften dieser Tiere ein, und wenn das geschieht, wie geht sie vor sich ? Das im Freiland gewonnene Material deutet auf einen wichtigen Punkt hin: Wenn man die Gewichtsverteilung einer Microfws-Population untersucht, fin- det man auffallende Unterschiede während der verschiedenen Stadien eines Zyklus. In einem Jahr der Populationszunahme ist das Körpergewicht — wenigstens das der männlichen Tiere — folgendermaßen verteilt: Im Hoch- sommer gibt es eine große Zahl von Tieren, die das Muttertier gerade ab- gesetzt hat, einige alte Tiere und eine Gruppe mit mittleren Gewichten, die sich aus den ersten Jungen des Jahres zusammensetzt. In einem Höhepunkts- jahr fehlt dagegen diese mittlere Gewichtsgruppe. Vielleicht wachsen die Tiere nicht in normaler Weise, oder vielleicht sterben sie, worauf unser© D. CHITTY, über die Dichteschwankungen bei der Erdmaus 57 Markierungsversuche hinzuweisen scheinen. Was auch in Wirklichkeit die Ur- sache für das Fehlen dieser Mittelklasse sein mag, die Tatsachen scheinen darauf hinzudeuten, daß in einer gedrängten Population ungünstige Wirkun- gen durch den Kontakt zwischen Individuen hervorgerufen werden. Kurz nachdem diese Ideen im Jahre 1949 festere Formen angenommen hatten, hatte ich das große Glück, einen Studenten, J. R. G 1 a r k e , zu haben, der Forschungen auf demselben Gebiet anstellte und diese ein gutes Stück vorwärtsbrachte. C 1 a r k e fand, daß Erdmäuse, die sich fremd sind, in hohem Maße aggressiv sind und daß besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen werden mußten, damit sie sich nicht sofort gegenseitig töteten. Nachdem es ilim gelungen war, diese Schwierigkeit zu umgehen, konnte er zeigen, daß solche Kämpfe große Veränderungen im Gewicht gewisser Organe verursachen. Die Nebennieren wurden schwerer und der Thymus kleiner, Veränderungen, die nach den physiologischen Theorien Dr. Hans S e 1 y e s über die Wirkun- gen übergroßer Anstrengungen zu erwarten waren. Eine auffallende Verände- rung war jedoch die Gewichtserhöhung der Milz, und diese Veränderung findet sich nicht immer in S e 1 y e s Adaptations-Syndrom. Ich möchte die Bedeutung dieser Gewichtsveränderungen von Organen nicht eingehend erörtern, sondern nur sagen, daß diese Tatsache die Ansicht stützt, daß sich die biologischen Eigenschaften der Organismen verändert haben. Wir haben jedoch keinen Beweis dafür, daß diese Veränderungen größere Sterblichkeit unter den Tieren verursachen. Und in der Tat finden wir, daß in einem Höhepunktsjahr eine gute Zahl ausgewachsener Erdmäuse am Leben bleibt. Auch im Laboratorium beobachten wir, was die Lebens- dauer betrifft, keine bemerkenswerten Wirkungen; natürlich machen die Tiere eine Ausnahme, die im Kampf ernstlich verwundet wurden. In dieser Hinsicht unterscheiden sich meine Ansichten über die Ursachen der Zyklen von denen der meisten anderen Autoren: ich glaube, daß es die Nachkommen dieser kämpfenden Tiere sind, bei denen die wirklichen physiologischen Stö- rungen auftreten. Ich werde später auf diesen Punkt zurückkommen. Lassen Sie uns inzwischen zu den Freilandbeobachtungen zurückkehren. Es wird von Nutzen sein, die drei erwähnten Organe, die Nebennieren, den Thymus und die Milz, in freilebenden Populationen zu studieren. Aber diese Untersuchungen haben erst im Jahre 1952 begonnen, und da die kleinste Zeiteinheit für solche Untersuchungen die vier Jahre eines Zyklus umfaßt, können wir noch nicht wissen, ob sie irgendwelche Ergebnisse zeitigen werden. Es gibt jedoch gewisse andere Faktoren im Zusammenhang mit den Zyklen der Erdmauspopulation, für die wir ziemlich vollständiges Tat- sachenmaterial besitzen. Diese sind: 1. Das Körpergewicht. Eine der charakteristischsten Erscheinun- gen in einer gedrängten Population ist, daß die ausgewachsenen Tiere im Frühling ausnahmsweise schwer sind. 58 Zeitsdirift für Säugetkrkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 2. Die Wurfstärke. Diese kann auch in einem Höhepunkts jähr größer sein als in irgendeinem anderen. Hamilton hat das so in New York gefunden, Bodenheimer und S u 1 m a n in Palästina, und Stein hat Unterschiede zwischen den Wurf stärken seiner primären und sekundären Fundorte beobachtet. Wir selbst finden die größte Anzahl von Embryonen in Höhepunkts jähren, haben aber, wie Sie sehen werden, unsere eigene Erklä- rung für diese Tatsache. 3. Die Dauer der Fortpflanzungszeit. Sehr häufig, wenn auch nicht immer, endet die Fortpflanzungszeit in einem Höhepunktsjahr im August. Frank spricht auch von einem frühen Ende der Brutzeit in einem Höhepunkts j ahr. Hier sind also drei interessante Tatsachen, die erklärt werden müssen, nämlich: das hohe Körpergewicht (das hier nicht erörtert werden soll), die große Zahl der Embryonen und eine kurze Fortpflanzungszeit. Der Versuch, diese Veränderungen experimentell hervorzubringen, scheint der Mühe wert. Eine der Methoden, die wir bei diesen Versuchen angewandt haben, ist die folgende: Wir haben vier Käfige nebeneinander; in jedem von ihnen ist entweder nur eine einzelne Erdmaus oder ein Erdmauspaar. Jeden Tag oder einen Tag um den anderen werden diese vier Käfige für zwei Stunden mit- einander verbunden. Wir tun das, indem wir von einem Käfig zum anderen einen Tunnel legen, durch den die Erdmäuse laufen und sich Besuche ab- statten können. Wir halten gleichzeitig Geschwister aus demselben Wurf un- ter Kontrolle, und diese nehmen nicht an diesen periodischen Besuchszeiten teil. Bei den Experimenten mit gepaarten Tieren haben wir nicht immer auf die Wurfziffer einwirken können, aber in einem Fall wurde eine höchst be- deutsame Änderung erzielt. Wir hatten drei „experimentelle" und drei „kon- trollierte" Paare, und durch einen besonderen Glücksfall hatten sie je sieben Würfe. Eine statistische Analyse ergab diese Resultate: die als Kontrolle ge- haltenen Paare: 4,62 ±0,175; die im Experiment: 5,33 i 0,175. Diese Zahlen sind die durchschnittlichen Wurfstärken. Und nun will ich etwas über die Länge der Fortpflanzungszeit sagen: Im Februar 1950 richtete Dr. G 1 a r k e zwei Erdmauskolonien im Freien ein. Die eine begann mit einem einzelnen Paar, die andere mit fünf Paaren. Jedes Gehege hatte eine Bodenfläche von ungefähr 70 Quadratmetern, und es war immer ein großer Überfluß an Nahrung vorhanden. Zu allererst zeigte sich ein auffallender Unterschied in der Fruchtbarkeit der Weibchen: In der ge- drängten Kolonie betrug diese Fruchtbarkeit ein Achtel von der in der an- deren Kolonie, die mit nur einem Paar angefangen hatte. Dieser Vergleich bezieht sich nur auf die Monate der gleichzeitigen Brutzeit in beiden Kolonien. Zweitens dauerte die Nicht-Brutzeit in der kleineren Kolonie nur etwa drei Monate, während sie in der anderen etwa sechs Monate währte. Auf den ersten Blick mag es vielleicht seltsam scheinen, wenn man D. CHITTY, über die Dichteschwankimgen bei der Erdmaus 59 die große Wurfstärke wie auch die kurze Fortpflanzungsperiode als Glieder ein und derselben Erscheinung zu erklären versucht. Erlauben Sie mir daher, erst eine Stelle aus „The Principles of Animal Ecology" von Prof. Allee und seinen Kollegen anzuführen: „Die Lebensprozesse vollziehen sich schnel- ler und günstiger, wenn die Population sich vermehrt, bis eine Höchstdichte erreicht ist. Jenseits dieser Höchstlinie bewirkt eine weitere Vermehrung die gegenteiKge Entwicklung." (Fig. 139 B, p. 396). Nun ist es möglich, daß sich dasselbe Prinzip auf die Fruchtbarkeit der Erdmaus — und vielleicht auf die mancher Vögel — anwenden läßt, das heißt, daß es ein Höchstmaß der Populationsdichte gibt und daß unterhalb und überhalb desselben die Fruchtbarkeit redusdert ist. Wir wissen noch nicht mit Sicherheit, ob diese Annahme richtig ist, da diese vorläufigen Beobachtungen sich erst bestätigen müssen. Das letzte Experiment, das ich noch erwähnen möchte, unternahmen wir in den Koloniekäfigen unseres Laboratoriums. Diese Käfige bestehen im wesentlichen aus untereinander verbundenen Laufgängen, die übereinander liegen und an einem Ende Abteilungen zum Schlafen und am anderen solche zum Fressen haben. Die ersten Ergebnisse zeigen, daß eine große Anzahl von Tieren zusammenleben kann, ohne sich zu bekämpfen, vorausgesetzt, daß sie gemeinsam aufwachsen. Fremdlinge werden jedoch fast sofort getötet und ebenso Mitglieder der Kolonie, die für einen Tag oder zwei entfernt und dann wieder zurückgebracht wurden. Eine unserer größten technischen Schwierig- keiten ist, Kolonien zu schaffen, in denen die Tiere sich weder so gut kennen, daß sie sich gar nicht zanken, noch sich so gründlich hassen, daß sie sich gegenseitig zerreißen. Die goldene Mitte kann jedoch erreicht werden. Wenn ein Weibchen in einer solchen Gruppe trächtig ist, wird es unmittelbar vor dem Gebären isoliert und kann seine Jungen in Frieden aufziehen. Es darf die Hälfte des Wurfes behalten. Die andere Hälfte wird fortgenommen und durch Junge von einer als Kontrolle gehaltenen Mutter ersetzt. In allen bis- her beobachteten Fällen hatten die Jungen, die von den Experiment-Tieren gesäugt wurden, Untergewicht, als sie abgesetzt wurden; das bedeutet, daß die Milcherzeugung scheinbar ungünstig beeinflußt worden war. Wir haben jedoch kein Material, um zu zeigen, ob auch pränatale Störungen vorkamen. Ich bedaure, in der Tat sagen zu müssen, daß ich im Augenblick noch kein ausreichendes experimentell gewonnenes Beweismaterial besitze, das den umstrittensten Teil der Hypothese stützen würde, nämlich, daß die Nach- kommen, die von im Raum beschränkten Tieren abstammen, anomal seien. Wenn wir auf Abb. 1 zurückgehen, so will ich sagen, daß die im Zeitpunkt n geborenen Tiere wahrscheinlich aus Ursachen starben, die auf Ereignisse vor ihrer Geburt zurückgehen. Es ist eine verbreitete Ansicht bei Geflügelzüchtern, daß der physiologi- sche Zustand der Eltern eine starke Wirkung auf die Lebensfähigkeit der 60 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Küken ausübt. Es ist wohl auch vernünftig, wenn angenommen wird, daß solche Wirkungen durch Störungen im Zustand der nährenden Mutter her- vorgerufen werden. Ich glaube aber, daß bei den freilebenden Säugetieren noch tiefere Vorgänge diese Wirkungen verursachen und nicht allein eine unzureichende Milchbildung. Daß es uns noch nicht gelungen ist. dieses tiefere Etwas experimentell zu erfassen, beweist entweder, daß meine An- sichten darüber ganz falsch sind, oder aber daß wir noch nicht gelernt haben, Fehler in unseren Experimenten zu vermeiden. Wir hoffen, bald herauszu- finden, welche von diesen beiden Alternativen die rechte ist. Zum Schluß möchte ich nur kurz auf eine sehr interessante Tatsache hinweisen, die im Zusammenhang mit unserer gegenwärtigen Ansicht über die Ursachen der Zyklen steht. Neben der Tatsache der auffallenden Sterblich- keit unter den Arten, deren Populationszahl regelmäßigen Schwankungen un- terworfen ist, steht eine zweite Tatsache: Die ökologisch isolierten Populatio- nen zeigen oft Schwankungen in der Zeitübereinstimmung der Zyklen. Eis lassen sich viele Beispiele anführen, die zeigen, daß das nicht immer geschieht. Auf der anderen Seite finden wir so oft Zeitübereinstimmung, daß wir diese nicht einfach als Zufälligkeit hinstellen können. Wir wissen bis jetzt noch nicht, wie diese Übereinstimmung zustande kommt. Doch denke ich, daß man auf das Wetter als koordinierendes Element schließen muß. Wenn das so ist und wir unsere Hypothese auf den Zyklus bei dem nordamerikanischen Hasen anwenden, dann ziehen wir folgenden Schluß: Entweder ist ein völlig un- geahntes Element mit diesem Zyklus verknüpft, oder aber der sogenannte zehnjährige Zyklus ist gar kein zehnjähriger Zyklus. Ich werde die einzelnen Stufen der Beweisführung auslassen und ganz einfach das Endergebnis geben: Tatsachen, die kürzlich von meiner Frau analysiert worden sind, zeigen, daß es seit 1925 drei vollständige Zyklen im östlichen Nordamerika, dagegen nur zwei in Alaska gegeben hat. Seitdem wir uns über den starken Einfluß klar geworden sind, den das Wetter auf die Dauer der biologischen Zyklen aus- übt, haben wir die Entdeckung einer solchen Verschiedenheit erwartet. Nach jetzt vorhandenem Beweismaterial war also die zeitliche Übereinstimmung auf dem ganzen großen Kontinent, die man in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts fand, ein Zufallsergebnis, und die Dauer der Zyklen ist in der Tat in den verschiedenen Regionen eine verschiedene. Diese Feststellung, wie die meisten anderen, die ich heute gemacht habe, ist nur vorläufiger Natur. Und doch hielt ich es für wichtig, Sie mit unseren Ansichten bekannt zu machen und mit den Methoden, die wir anwenden, um sie auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen, selbst wenn wir sie in der nächsten Zukunft beträchtlich modifizieren müssen. Frau R. Hendewerk und Herrn G. Stein habe ich für Hilfe am deutschen Text zu danken. Zeitschrift für Säugetkrlamde, Bd. 20, 1952 (1955). 61 5*) Vorläufige Ergebnisse der Populations- nntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe Von Dr. A. van Wijngaarden (Pflanzenschutzdienst, Wageningen) Vortrag gehalten auf der 28. Hauptversammlung am 31. 7. 1954. Mit 9 Ahbildungen im Text und auf den Tafeln V und VI. Anlaß zu der Untersuchung: Nach ernstlichen Plagen von Feldmäusen (Microtus arvalis Pallas) in den Jahren 1945 und 1949 in den Niederlanden, insbesondere in der Betuwe, hat der Pflanzenschutzdienst mich beauftragt, eine Untersuchung anzustellen über den Verlauf der Entwicklung dieser Plagen und über die sie veranlassenden Verhältnisse. Viele Tierarten zeigen periodisch starke zahlen- mäßige Schwankungen. Auch bei den Feldmäusen in den Niederlanden ist dies der Fall; in den Perioden der größten Populationsdichte, den sog. Maxima, werden sie dem Land- und Gartenbau zur schweren Plage. Meine erste Aufgabe war also, zu prüfen, was mit den Feldmäusepopulationen während einer Plage nun eigentlich geschah und w o diese Plagen auftraten. Verfahren : Wenn wir etwas wissen wollen über den Verlauf einer Plage und über die Zahl der zwischen den Plagen vorhandenen Feldmäuse, so brauchen wir ein geeignetes Verfahren zur Bestimmung ihrer Zahl. Zwei von den möglichen Verfahren haben wir angewandt: Fangen mit Fallen und Zählen der Löcher je Flächeneinheit. A. Bei dem Fallenverfahren setzten wir voraus, daß, wenn auf einem be- stimmten Versuchsfeld eine bestimmte Zeit hindurch eine bestimmte Anzahl Fallen stehen (hier: 20 Stück in einer geraden Linie von beliebiger Richtung durch die Mitte des Versuchsfeldes), die Zahl der in diesen Fallen gefangenen Mäuse einigermaßen einen Eindruck von der Populationsdichte gibt. Das Ver- hältnis zwischen der Zahl der gefangenen Tiere und der Populationsdichte ist bei verschiedenen Dichten natürlich nicht das gleiche. Störend können z. B. auch das Wetter in der Fangnacht und Unterschiede in der oberirdischen Aktivität in den einzelnen Jahreszeiten wirken. B. Als zweites Verfahren wandten wir die Löchermethode an (Abb. 6, Tafel V). Auf 20 Flächen von je einem Quadratmeter, die mit zwei Meter Zwischenraum in einer geraden, durch den Mittelpunkt des Versuchsfeldes laufenden Linie lagen, wurden die vorhandenen Feldmäuselöcher gezählt. 62 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Jedes Loch mit einem Durchmesser unter 3 cm ohne mit dem Finger spür- bares Ende galt als Feldmäuseloch. Durch teilweisen Einsturz eines Ganges entstandene Löcher wurden nicht mitgezählt. Es ist klar, daß gegen dieses Verfahren etwa dieselben Be- denken bestehen wie gegen das Fallenverfahren. Die gefundenen Locher wurden alle mit einem Pfropfen Gras zugestopft und am nächsten Morgen wurde nachgesehen, ob der Pfropfen entfernt war. Dadurch bekonmit man einen Eindruck von der Bewohnungsstärke des Gängesystems. Untersuchte Gegend: Für diese Arbeit wurde die Betuwe (Abb. 1) gewählt, weil sie das Wageningen am nächsten gelegene Gebiet ist, wo eine regelmäßig zur Plage werdende Abb. 1. Geographische Lage der Betuwe. Feldmäusepopulation lebt und weil sie ziemlich gut isoliert liegt zwischen Rijn, Waal, Lek und Merwedekanaal, so daß etwaige große Wanderungen doch nur innerhalb dieses Gebietes stattfinden könnten. Oberfläche ± 1200 km-. A. VAN WIJNGAARDEN, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 63 Versuchsfeldsätze: Es wurden drei Sätze Versuchsfelder mit beiden Verfahren bearbeitet: a) ein Satz Versuchsfelder dicht beieinander in verschiedenen Biotopen, und zwar 10 Wegraine, 5 Grünland-Weidelandflächen, 5 Korbweidenbrüche, 5 Äcker und 2 Obstgärten, zwischen Gulemborg und Geldermal- s e n in einer Gegend mit regelmäßigen Feldmäuseplagen ; b) ein Satz entsprechender Versuchsfelder, auch alle nahe beieinander, und zwar in 10 Wegrainen, 5 Weideflächen, 5 Wäldern, 5 Äckern und 5 Obst- gärten bei Hemmen in einer Gegend ohne Mäuseplagen ; c) ein Satz von 104 Versuchsfeldern durch die ganze Betuwe zerstreut in e i n und demselben Biotop, und zwar Grünland. Diese Grünlandflächen liegen in 10 Reihen (A bis J) in der Richtung Nord — Süd quer durch die Betuwe etwa 7 km auseinander. In diesen Reihen liegen die Versuchs- felder etwa 1 km voneinander. Dieser Satz ist weiterhin als Betuwe-Unter- suchung bezeichnet (Abb. 2). Abb 2. iLage der Grünland-Prüffelder bei der Betuwe-Untersuchung, Enge Schraffierung = Beckenbetonboden. Weite Schraffierung = Flußuferablagerung. • Feldmäuse Herbst 1952 vorhanden, o Feldmäuse fehlen Herbst 1952 Zeit der Untersuchung: Die oben beschriebenen Zählungen finden seit Herbst 1950 jährlich zwei- mal statt: im Frühjahr, wenn wir ein Minimum, und im Herbst, wenn wir ein Maximum der Populationsdichte erwarten. I. Ergebnisse Gulemborg: Im Gebiet der Gulemborg-Untersuchung kommen in der Hauptsache vier Biotope vor: Raine, Weideflächen, Äcker und Korbweidenbrüche. Es sind nun die Änderungen der Populationsdichte in den Jahren 1950 bis heute in jedem dieser Biotope zu besprechen. Wir sehen in den graphischen Darstellungen Abb. 3 und 4 und in den Tabellen 1 bis 3, daß die Raine- Population im Jahre 1950 sehr gering 64 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 450 400 350 300 250 200 150 H 100 50 0 Herb*t 1950 Frühjahr Herbst 1951 1951 Herbst 1954 Abb. 3. Anzahl der auf 100 gefundenen Mauselöchefl*. — Raine - - Grünland Äcker . Korbweidenbrüchc Obstgärten Tab. 1: Gesamtzahl der Löcher je 100 (Gulemborg) Herbst Frühj. Herbst Frühj. Herbst Frühj. Herbst Früh]. Herbst 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 1954 Grünland 1 1 0 143 204 44 0 4 18 Rain 54 80 158 391 390 51 37 17 155 Korbweiden 51 63 41 230 152 51 31 18 148 Ackerland 5 0 8 14 79 27 0 0 19 Obstgarten 0 230 35 0 0 13 war, dann langsam und im Frühjahr 1952 sehr schnell zunahm, wahrschein- lich im Sommer 1952 ihr Maximum erreichte und im Herbst schon wieder etwas abnahm. Im Frühjahr 1953 konnten wir nur mit größter Mühe eine einzige deutliche Spur von Fraß (an einer Distelwurzel) finden, die auf die Anwesenheit von mindestens einer lebenden Feldmaus in den Rainen hinwies. Die Katastrophe in der Mäusewelt hatte sich zum sovielten Mal vollzogen. Im Herbst von 1953 war die Zahl der Löcher noch kleiner und im Frühjahr von 1954 hatte sie sogar wieder abgenommen. Die Löcher ver- schwinden aber nicht sobald aus den Rainen wie die Mäuse. Der Hundertsatz der geöffneten Löcher (Abb. 5) und die Zahlen der gefangenen Feldmäuse (Abb. 4) geben von ihrer Zahl ein besseres Bild. Die ein halbes Jahr später (Herbst 1954) vorgenommenen Zählungen zeigen dann wieder eine starke Zunahme. A. VAN WIJNGAARDEN, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 65 Was geschah nun zu gleicher Zeit in den andern Biotopen? Vom Herbst 1950 bis zum Frühjahr 1952 lebten in den Grünlandflächen, Korb- weidenbrüchen, Obstgärten und Äckern wahrscheinlich keine Feldmäuse. Im Herbst von 1951 wurden zwar welche im Ackerland gefangen, aber diese kamen aus den benachbarten Rainen: Löcher fanden wir nicht. Daß in der genannten Periode dennoch Löcher in den Korbweidenbrüchen gefunden wur- den, ist wahrscheinlich auf die Anwesenheit von 8 (!) andern Arten hier lebender kleiner Säugetiere zurückzuführen. Feldmäuse wurden dort in diesen anderthalb Jahren nicht gefangen. Die Raine begannen bei der starken Be- völkerungsdichte im Frühjahr von 1952 „überzukochen". Es wanderten Mäuse in die weniger günstigen Biotope, die sekundären, aus (plötzliche Zunahme der Zahl der gefundenen Löcher). Diese Erscheinung trat in den Grünland- flächen und den Korbweidenbrüchen etwa gleichzeitig auf. Die Äcker waren erst im Herbst 1952 erheblich besiedelt, d. h. als die Bevölkerung in den drei andern Biotopen schon dicht war. Die Mäuse verschwanden überall fast Herbst Frühjahr Herbst Frühjahr Herbst Frühjahr Herbst Frühjahr Herbst 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 1954 Abb. 4. Anzahl der in je 100 Fallennächten gefangenen Feldmäuse. Bedeutung der Strichelungen siehe Abb .3. Tab. 2: Zahl der gefangenen Feldmäuse je 100 Fallennächte (Gulemborg) Herbst Frühj. Herbst Früh]. Herbst Frühj. Herbst Frühj. Herbst 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 1954 Grünland 0 0 0 4 32 0 0 0 0 Rain 1 0 11 8 54 0 1 0 3 Korbweiden 2 0 0 1 34 0 0 0 0 Ackerland 0 0 6 1 10 0 0 0 0 Obstgarten 0 0 0 0 7 0 0 0 0 66 Zeitschrift für Säugeti^rkunde, Bd. 20, 1952 (1955). gleichzeitig, und zwar im Herbst und Winter 1952. Erst im Herbst 1954 fingen sie wieder an, die Grünländer zu besiedeln. Schon N a u m o V hat auf die „Station of permanent survival" hingewie- sen. Wenn überall die Mäuse in großen Mengen sterben, gibt es bestimmte Stellen, Vorzugsbiotope, wo einige Tiere diese Katastrophen überleben; das sind die Biotope, wo sich die Tiere am besten behaupten können (Stein 1952: primäre Biotope). Wie nach Stein (1952) in Ost-Deutschland, so leben auch hier in den sogenannten Minimumjahren (1950, 1953) nur in den Rainen Feldmäuse, und auch da nur sehr wenige. Stein (1952) folgerte aus seiner Untersuchung bei Fürstenwalde (Ost- Deutschland) in bezug auf die Bevölkerungsschwankungen folgendes: „In den primären Biotopen (Rainen usw.) befinden sich regelmäßig Feldmäuse. Kleine Schwankungen verschiedener Art führen zur Auswanderung in „sekundäre Biotope" (Wiesen, Äcker), wo (besonders unter dem Einfluß der hier vor- handenen großen Nalirungsmengen) die Mäuse plötzlich sehr viele Junge werfen, sich lawinenartig zu einer Plage und „damit" zum vollständigen Zu- sammenbruch entwickeln. Ein deutlicher Unterschied zwischen den Bevölkerungsdichten der einzel- o/o 80 - 60 . 40 . Herbst Frühjahr Herbst i rühjahr Herbst Frühjahr Herbst Frühjahr 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 Abb. 5. Prozentsatz der von Feldmäusen wieder geöffneten Löcher. Tab. 3: Zahl der geöffneten Löcher je 100 m2 (Culemborg) Herbst Früh]. Herbst Früh]. Herbst Früh] . Herbsl Frühj. Herbst 1950 1951 1951 1952 1952 1953 1953 1954 1954 Grünland 1 0 0 60 145 2 0 0 0 Rain 8 16 32 83 138 0 4 4 0 Korbweiden 11 11 5 40 62 8 7 1 2 Ackerland 0 0 7 4 28 6 0 0 0 Obstgarten 0 0 65 0 0 0 0 A. VAN WIJNGAARDEN, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 67 nen Biotope tritt in der Culemborg-Untersuchung auch hervor. Im Gegen- satz zu den Folgerungen von Stein aber fanden wir, daß die Bevölkerung der Raine noch viel dichter wurde und viel mehr schwankte als die der Grün- landflächen und Korbweidenbrüche. Genügend Angaben über die Größe der Würfe in den verschiedenen Biotopen haben wir leider noch nicht. Wir wis- sen aber, daß bei sehr dichter Bevölkerung die Zahl und die Größe der Würfe zurückgeht, woraus sich vielleicht der von Stein festgestellte Unter- schied in der Geburtenzahl erklärt. Vor dem Herbst von 1952 hatte die Be- völkerung ihre Höchstzahl wahrscheinlich schon erreicht (Zahl der Löcher im Grünland, in den Weideflächen im Frühjahr 1952: 143; im Herbst 1952: 204 je 100 m^: in den Rainen 391 bzw. 390 und in den Korbweidenbrüchen 230 bzw. 152). Im September 1952 waren nur zwei Prozent der gefangenen erwachsenen Weibchen schwanger. Aus den Fangergebnissen nach dem Zu- sammensturz geht auch wieder hervor, daß nur in den Rainen noch Mäuse übriggeblieben waren. II. Entwicklung der Plage in der Betuwe (siehe Abb. 2). Was geschah nun in derselben Periode in andern Teilen der Betuwe ? Nach der schweren Plage von 1949, über die wir leider keine Zahlen ken- nen, lebten im Herbst 1950 im Grünland nur vereinzelt Feldmäuse (B 3, B 13, 17). Auch fand man praktisch keine Löcher. Im Frühjahr von 1951 war es ebenso. Im Herbst desselben Jahres aber hatten die Mäuse plötzlich das Grünland südlich von Leerdam und Beesd besiedelt (Transsekt A und B südlich von der Linge). Im nächsten Frühjahr war die Bevölkerung dort schon viel größer (1951 im Herbst 6,8 und im Frühjahr 1952 38,4 Löcher je 100 m^). Auch das Grünland nördlich von Geldermalsen und Zoelen wurde nun besiedelt (Trans- sekt B und G nördlich von der Linge), was sich auch bei der Culemborg- Untersuchung zeigte. Im Herbst 1952 war zwar die Bevölkerung im ursprünglichen Zentrum der Plage etwas zurückgegangen (von 38,4 auf 32,6 Löcher je 100 m^), aber nun wurden fast alle Versuchsfelder im ganzen westlichen Teil der Betuwe von Feldmäusen bewohnt. Auch in mehreren Versuchsfeldern in der Mitte und im Osten der Betuwe gab es damals (allerdings nur wenige) Feldmäuse, ebenso wie im Herbst 1951 südKch von Leerdam. Im Frühjahr 1953 war aber nirgends mehr ein Loch im Grünland zu finden, wohl noch alte, verfallene Überbleibsel davon, Spuren von Lauf- pfaden u. dgl. Es kam auch keine einzige Maus mehr in unsere Fallen. In diesem Frühjahr (1954) fing die Geschichte an sich zu wiederholen: Südlich von Leerdam und Beesd wurden wieder die ersten Mäuse im Grünland an- getroffen. Im Herbst 1954 war ihre Anzahl wieder stark gestiegen. Den näch- sten Ausbruch erwarten wir im Jahre 1955. 68 Zeitschrift für Säu^tierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). Schlußfolgerungen. A. Gleichzeitiges Verschwinden: Unsere Erwartung, daß die geringe Feldmausbevölkerung in 1952 im Grünland der östlichen Betuwe unabhängig von einem etwaigen Zusammen- bruch im Westen dennoch eine Plage herbeiführen würde, bestätigte sich nicht. Gleichzeitig verschwanden die Mäuse vollständig aus dem Grünland des ganzen Gebietes. B. Zusammenhang zwischen Boden und Plage: Die Grünlandversuchsfelder, auf denen wir im Jahre 1952 Plagen fest- stellten, lagen alle auf sog. Beckentonboden, also eben auf den Böden mit dem höchsten Wasserstand! Das Vermögen einer Feldmäusepopulation, 1952 in der Betuwe sekundäre Biotope (Grünland) zu besiedeln, hing also irgend- wie mit Eigenschaften dieser Beckentonböden zusammen. Auf den Flußufer- ablagerungen nahmen die Rainpopulationen zwar sehr stark zu, aber es kam nicht zum „überkochen'*; es sei denn, daß die ausgewanderten Feldmäuse in den sekundären Biotopen schnell umgekommen sind, was nicht wahrschein- lich ist: Im Grünland der Flußuferablagerungen wurden nirgends Feldmäuse gefangen oder Löcher gefunden. Flußuferablagerungen sind verhältnismäßig (Vs — 1 Meter) hoch liegende, sandige Tonböden, Reste alter Flußbetten. Landschaftlich bezeichnend ist, daß auf diesen Flußuferablagerungen alle Dörfer liegen, und auch viele Wege und Obstgärten. Beckentonböden sind die tieferliegenden Gelände zwischen diesen Rücken. Sie bestehen aus sehr schwerem Ton. Landschaftlich fallen sie auf durch das gänzliche Fehlen von Häusern, Obstgärten usw. Die Böden werden meistens als Grünland, das Zentrum (der tiefste Teil) manchmal zur Korb- weidenkultur benutzt. Ein ausgedehntes Becken findet sich zwischen Gorkum, Heteren, Waardenburg und Beesd: die neuen Autobahnen Gorkum — Tiel und Utrecht — Hertogenbosch durchqueren sie. Wir wissen noch nicht, was die Mäuse veranlaßt, in den sekundären Biotopen die Beckentonböden zu bevorzugen. Es kann die Bodenart sein. Aber es kann auch daran liegen, daß die Raine in den Becken viel weiter von der bewohnten W^elt liegen und somit weniger stark beweidet oder gemäht werden. C. Zusammenhang zwischen der Größe der Becken und der Schwere der Plage: Uns ist auch aufgefallen, daß die Plagen eher und heftiger auf- traten, je größer das Beckentongebiet war. III. Hemmen-Untersuchung : Sobald uns 1953 klar geworden war, daß es einen Zusammenhang zwi- schen Landschaftstypus und Feldmäuseplage gab, haben wir angefangen, die Feldmäuse in einem Gebiet zu untersuchen, wo nie Plagen vorkommen. Dafür A. VAN WIJNGAARDEN, Populationsuntersuchung an Feldmäusen in der Betuwe 69 wurde die Umgebung von Hemmen gewählt, die auf Flußuferablagerungen liegt. Wir haben mit dieser Untersuchung erst im Herbst 1953 angefangen, aber es steht schon fest, daß auch hier Feldmäuse in den Rainen leben. Wir erwarten, daß die Bevölkerung zwar schwanken, aber niemals so dicht werden wird, daß sie „überkocht". Im Grünland bei Hemmen kommen nie Mäuse vor. Künftige Untersuchungen: Jetzt, wo wir etwas über den Gang der Mäusebevölkerung während einer Plage wissen, fragen wir uns natürlich: Welches sind die Ursachen der Ver- änderungen? Die Untersuchung über den Zusammenhang zwischen der Um- welt und dem Auftreten von Feldmäuseplagen wollen wir fortsetzen und außerdem die Mäuse einer bestimmten Population mit Marken versehen, um Daten über Geburtenzahl, Sterblichkeit und Wanderung in der Natur zu sammeln. Es werden dazu im Feld drei Verfahren ausprobiert: a) Fangen, Markieren und Wiederfangen. b) Nestkastenverfahren und Markieren. c) Kennzeichen mit Kobalt 60 und Nachspüren mit einem Geigerzähler. Daneben sollen beim Laboratorium in einem sog. Mäusegarten vier Feld- mäusepopulationen in Abteilungen von 100 bis 120 m^ gehalten werden, wie es John Clark in Oxford und Frank in Oldenburg gemacht haben. Wir sitzen da gleichsam mit der Nase darauf und können sehr genau registrieren., was geschieht. Wir hoffen, daß in diesem Mäusegarten auch Schwankungen auftreten werden und daß wir darin den Zusammenbruch einer altein- gesessenen Population werden beobachten können, die ruhig aus sich selbst heraus eine große Dichte erreicht hat, nicht also einer Population von ein- ander fremden Tieren, die plötzlich in einen kleinen Raum zusammen- gebracht worden sind. Tafelerklärung. Tafel V, Abb. 6. Grünland- Löcher zählmethode. Abb. 7. Korbweidenbruchi bei Culemborg. Tafel VI, Abb. 8. Blick vom Kirchturm von Asperen (Abb. 2, A 7) nach Osten. Übergang von einer Beckentonlandschaft (links) zur Flußufer- ablagerung (reichts). Abb. 9. Typische Beckento^nlandschaft (westlich von C 11, Abb. 2). Aufnahmen: Niederländischer Pflanzenschutzdienst Wageningen. 5 70 Zeitschrift für Säugetie rkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 6.) llntersaebungen über die britischen Formen von Clethrionomys Eine genetische Analyse Von D. M. Steven (Edinburgh) Vortrag gehalten auf der 28. HauptverÄammlung am 31. 7. 1954. Clethrionomys scheint mir insofern von besonderem Interesse, als diese kleinen Nagetiere uns ein ganz besonders günstiges Material für das Studium der Artenbildung höherer Tiere bieten. Sie haben von Natur aus einen hohen Vermehrungsgrad, dabei sind sie klein und leicht zu behandeln. Nach einer Trächtigkeit von nur drei Wochen sind die Jungen reif und können im Alter von wenigen Wochen selbst Junge aufziehen. Die gleichen Vorteile hatte S u m n e r in Amerika erkannt, als er vor vielen Jahren mit Peromyscus zu arbeiten begann. Ich glaube jedoch? die westeuropäische Clethrionomys hat vor Peromyscus gewisse Vorteile. Auf einem — im Vergleich zu Nord- amerika — so kleinen Gebiet, wie es Großbritannien ist, zeigt Clethrionomys eine komplizierte Aufspaltung in verschiedene Formen, deren Analyse mög- lich ist. Von den 72 Clethrionomys -Formen, die Ellerman und Morri- son-Scott aufführen, haben wir nur die folgenden in Großbritannien: C. glareolus britannicus Miller : überall auf der Hauptinsel und auf einigen kleineren Inseln; C. g. erica Barret-Hamilton und H i n t o n : Insel Raasay (innere Hebriden Schottlands) ; C. g. alstoni Barret-Hamilton und H i n t o n : Insel Mull (innere Hebriden Schottlands) ; C. g. skomerensis Barret-Hamilton ; Insel Skomer, Westküste von Wales. Bevor ich von den Ergebnissen meiner genetischen Studien berichte, will ich auf Geschichte und besonders typische Merkmale dieser Formen eingehen. C. g, britannicus wird gewöhnlich als besondere Unterart der mitteleuropäi- schen gewöhnlichen Rötelmaus bezeichnet, denn man hält sie für etwas klei- ner und dunkler im Farbton. Die Inselformen sind zu Anfang dieses Jahr- hunderts von Miller, Barret-Hamilton und H i n t o n an geringem Material beschrieben worden, — ich glaube, nach drei Stücken von Raasaj^ und fünf von Mull. Noch im Jahre 1946 waren diese Exemplare alles, was uns für unsere Forschungen über diese Formen zur Verfügung stand. Es war daher unsere erste Aufgabe, unsere Kenntnis der freilebenden Bestände zu erweitern, indem wir eine reichhaltige Sammlung — ungefähr 40 — 50 — von D. M. STEVEN, über die britischen Formen von Clethrionomys 71 Exemplaren zusammenstellten, die für eine Beschreibung genügend Grund- lage boten. Die Merkmale, nun kurz zusammengefaßt, sind folgende: 1- Die drei Inselformen sind alle größer als britannicus. Der Unterschied be- trägt ungefähr 15 %, was die Länge des Körpers anbetrifft. Eine völlig ausgewachsene DuTchschnittsbritannicus ist ungefähr 90 mm lang, die drei Inselformen 100 bis 110 mm. Im Gewicht handelt es sich um einen Unter- schied von 100 % ; die britannicus wiegt nicht mehr als 16 bis 20 Gramm, ausgewachsene Inselformen dagegen können 30 bis 40 Gramm oder sogar mehr wiegen. Ihre Größe ist aber ungefähr das einzige, was diese britan- nischen Inselformen gemein haben: in anderer Hinsicht weisen sie, unter- einander verglichen, eine Anzahl von Unterschieden auf. 2. Die zwei schottischen Inselformen, erica und alstoni, sind bemerkenswert dunkel im Farbton. Typische Exemplare haben einen tief rotbraunen oder sepiafarbenen Rücken, und der helle, kastanienfarbene Strich, der für Cl. glareolus charakteristisch ist, fehlt ganz und gar. skomerensis auf der anderen Seite ist mit ihrem sandgelben Rücken und dem fast weißen Bauch eine hellfarbene Form. 3. alstoni unterscheidet sich von allen anderen Formen durch einen im Ver- hältnis zur Körperlänge kurzen Schwanz, im Vergleich annähernd 35 % bis 50 o/o. 4. Unterschiede bestehen auch am letzten oberen Molaren in der Häufigkeit der sogenannten Simplex- und Komplex-Formen. Bei britannicus und alstoni zeigen ungefähr 75 % der Exemplare die Simplex-Form, dagegen bei skomerensis und erica nur 25 % und 30 %. Dies also ist ein anderes Merkmal, worin sich die schottischen InseLformen voneinander unter- scheiden. Ich glaube, H i n t o n war der erste, der den Gedanken aufbrachte, daß die britischen Inselformen Reste eines früheren Rötelmaus-Bestandes sein könnten, wie noch heute in Europa die größeren und dunkleren Formen der Berggebiete, nageri aus den Alpen und norvegicus aus Westnorwegen. Er ver- mutete, daß in Britannien der größere Typ dem kleineren glareolus nicht standhalten konnte, infolgedessen wurde er überall vertrieben mit Ausnahme dieser drei Zufluchtsinseln. Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, daß dieser Gedanke auf der morphologischen Ähnlichkeit der InseLformen mit der nageri in bezug auf einige willkürlich ausgesuchte Merkmale beruht, und ebenfalls auf einer unvollständigen Kenntnis der Variationsbreite der euro- päischen Clethrionomys. Es war jedoch teilweise der Gedanke, H i n t o n s Hypothese zu untersuchen, der mich dazu trieb, selbst Züchtungsversuche anzustellen; obwohl ich nicht glaube, daß dies der interessanteste Teil meiner Arbeit ist, möchte ich doch meine diesbezüglichen Ergebnisse erwähnen. 5* 72 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). In meinem Laboratorium habe ich fünf verschiedene Stämme gezüchtet; die drei Inselformen, einen Stamm britannicus aus der Umgegend Edin- burghs, und einen skandinavischen g/areo/ws-Stamm, den ich vor drei Jahren in verschiedenen Gebieten Norwegens zwischen Bergen und Lillehammer sam- melte. Wenn H i n t o n s Hypothese richtig wäre, so müßten Unterschiede zwischen den glareolus- und ncgeri-Formen bestehen, die sich entweder in der Leichtigkeit, mit der Mischlinge erreicht werden, bemerkbar machen oder vielleicht in der Fruchtbarkeit der Jungen. Die verschiedenen InseHormen würden sich wahrscheinlich mehr untereinander als mit dem britannicus kreuzen, vielleicht sogar mit den norwegischen Formen. Ich habe festgestellt, daß dies nicht zutrifft. Von den 20 möglichen Mischlingskombinationen habe ich aus meinen Stämmen 11 erhalten, und alle sind jetzt durch zwei oder mehrere Generationen fortgeführt worden. Diese Kreuzungen können wir in folgende drei Kategorien aufteilen: 1. Inselform mit Inselform: 9 alstoni X skomerensis skomerensis X alstoni erica X alstoni erica X skomerensis skomerensis X erica 2. Inselform mit britannicus: alstoni x britannicus erica x britannicus skomerensis x britannicus 3. Beliebige britische Formen mit norwegischen: norvegicus x britannicus norvegicus x skomerensis norvegicus x alstoni Meine bisher erlangten Kreuzungen enthalten beinahe alle möglichen Kombinationen, und ich kann keine Tendenz für oder gegen einen besonde- ren Kombinationstyp finden. Ich zweifle nicht, daß man bei genügender An- zahl von Tieren mit einiger Geduld alle möglichen Mischlingskombinationen erreichen könnte, und daß sie sich als fruchtbar erweisen würden. Hierin unterscheiden sie sich sehr von den beiden Arten C. rutilus und C. rufocanus, die ich auch in Norwegen gesammelt habe. Es sind dies arkti- sche und fernöstliche Formen, deren Westgrenze in Skandinavien liegt, wo sie mit C. glareolus in Berührung kommen. Ich habe C. rutilus besonders häu- fig in denselben Fallen wie die anderen beiden Arten gefangen, eine Kreu- D. M. STEVEN, über die britischen Formen von Clethrionomys 73 zung mit C. glareolus konnte ich aber nicht erzielen. So muß ich vermuten, daß ein wirklicher Unterschied im Temperament, in sexueller Hinsicht, in der Genetik usw. besteht, was beweist, daß diese Formen sich wie getrennte Arten verhalten. Ich möchte noch etwas sagen über die genetischen Unterschiede, wie sie sich in meinen Versuchen zeigen. Soweit die Merkmale studiert worden sind, scheint der Erbgang von Pelzfarbe, Größe, Schwanziänge und Typ des drit- ten Molaren einfach zu sein. Die Anzahl der beteiligten Gene scheint klein; was Schwanzlänge und Zahn anbetrifft, so glaube ich, daß nur ein einzelnes Gen beteiligt ist. Ich werde nun auf je ein Beispiel der drei Kreuzungskate- gorien eingehen: 1. alstoni x skomerensis. Die Größe der drei Inselformen ist gleich; es gibt daran nichts zu untersuchen. Es sind allerdings Unterschiede in der Pelzfarbe und Schwanz- länge sowie im Typus des dritten Molaren vorhanden. Die alstoni X skomerensis-KTeuzung habe ich zweimal vorgenommen; in einer Familie bestand die erste Generation aus nur einem einzelnen Wurf von vier Jungen, in der anderen jedoch aus 20 Fi-Tieren. Es zeigte sich, daß alle Merkmale von skomerensis stark dominierten. Die erste Generation war hellfarbig, hatte lange Schwänze und komplexe Molaren; in der zweiten jedoch war eine große Menge von Veränderlichkeiten offensichtlich. Es er- schienen dunkle sowie helle Tiere, und man kann die 22 Exemplare in eine Folge zunehmender Dunkelheit einreihen, die die ganze Reichweite des Pig- ments vom typischen skomerensis zum typischen alstoni bedeckt. Auch die Schwanzlängen sind unterschiedlich, einige Tiere der Fg -Generation besaßen den sehr kurzen Schwanz von alstoni, aber nicht in allen Fällen die dunklen Exemplare, so daß zwischen diesen beiden Merkmalen anscheinend keine Kopplung besteht. Die Ausbildung des dritten Molaren ist wahrscheinlich durch ein einzel- nes Gen geprägt. Bei einer Kreuzung hatte der männliche Elternteil (alstoni) die Simplex-, der weibliche (skomerensis) die Komplex-Form. Alle vier Tiere der Fi-Generation hatten die Komplex-, in der Fg jedoch waren acht Komplex-, vier Simplex-Formen und vier waren in einem eigentümlichen Zwischenstadium (einige haben auf einer Seite des Kiefers die Simplex-, auf der anderen die Komplex-Form). Bei der Rückkreuzung eines F^- Weibchens mit a/steni-Männchen der Ursprungsgeneration erhielt ich sieben Komplex- und vier Simplex-Formen. Dies sind natürlich verhältnismäßig kleine Zahlen; ich habe jedoch ge- funden, daß der Komplextypus des Molaren sich auch in den Kreuzungen norvegicus x skomerensis, erica x britannicus und skomerensis x hritannicus als dominant erwies. 74 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 2. alstoni x britannicus. In dieser Kreuzung macht sich ein erheblicher Unterschied in der Größe und ein etwas geringerer Unterschied in Farbe und Schwanzlänge bemerkbar. Die meisten von 28 Tieren der Fi waren Zwischenstadien zwischen ihren Eltern in Farbe und Größe, hatten jedoch den kurzen Schwanz von alstoni. Es war dies das genau entgegengesetzte Resultat der alstoni x skomerensis-, Kreuzung, wo der lange Schwanz vorherrschte. In der F2 spalten Größe, Farbe und Schwanzlänge wieder auf, obgleich die Mehrzahl der Exemplare verhältnismäßig dunkel und kurzschwänzig war und erheblich größer wurde als der britannicus -Gr oü\aiteT, Es scheint also, daß eine Dominanz der spezifischen a/«£om -Merkmale über die von britan- nicus vorliegt. 3. norvegicus x skomerensis. Ich kann nicht viel über die Kreuzungen der britischen Formen mit norvegicus sagen, da ich sie erst kürzlich unternommen und noch nicht ge- nügend ausgearbeitet habe. Bei der norvegicus x skomerensis -Kreuzung herrschte wieder in der Fi die helle Farbe von skomerensis und der Komplex- molar vor. Der Größenunterschied ist nicht sehr bemerkenswert, da nor- wegicus meistens größer ist als der Durchschnittsbritannicus, nicht viel klei- ner als skomerensis, Sie haben beide auch lange Schwänze. Obgleich die Anzahl meiner Exemplare klein ist, und noch viel an dem Material gearbeitet werden muß, denke ich, daß sich aus diesen Ergebnissen ein ziemlich klares Bild von der genetischen Grundlage der morphologischen Unterschiede dieser Formen ergibt. Am meisten beeindruckt hat mich die Tatsache, daß verhältnismäßig große phänotypische Unterschiede, die vor 30 oder 40 Jahren von Taxonomisten als genügend angesehen worden waren, um als Art-Kriterien zu gelten, von einer kleinen Anzahl von Genen ver- ursacht werden und bis heute noch zu keiner genetischen Unvereinbarkeit geführt haben. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 75 7.) Beobachtungen über territoriales Verhalten und Brutpflege des Galäpagos- Seelowen Von Irenäus Eibl-Eibesfeldt (Buldern, Westf .) Mit vier Abbildungen auf Tafel VII. Vortrag gehalten auf der 28. Hauptversammlung am 2. 8. 1954. Aus dem Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie, Buldern i. Westf. Ergebnisse detr Galapagos-Expedition 1953/54; Leitung Dr. H. Hass. Während meines Aufenthaltes auf den Galäpagos -Inseln im Januar 1954 konnte ich als Angehöriger der Galapagos-Expedition des Institutes für Sub- marine Forschung in Vaduz dank der Unterstützung durch unseren Expedi- tionsleiter Dr. Hans Hass, dem ich auch an dieser Stelle meinen auf- richtigen Dank aussprechen möchte, unter anderem das Verhalten des dort sehr verbreiteten Seelöwen (Zalophus wollebaeki Sivertsen) beobachten. Bis 1953 nahm man allgemein an, daß die Galapagos-Inseln vom südlichen Seelöwen ( Otaria hyronia B 1 a i n v.) bewohnt würden. Elrst E. Sivertsen (Kgl. Norske Vidensk. Selskabs Forhandlinger 26, I-t-3, 1953, und Norske Vidensk. Akad., Oslo, 1954) entdeckte, daß das Schädelmaterial verschiede- ner Museen falsch bestimmt war. Er beschrieb die neue Art Zalophus wolle- baeki, die nach meinen Beobachtungen im ganzen Archipel sehr häufig ist. Außer ihr kommt auf den nördlichen Inseln noch Arctocephalus galapagoensis vor. Diese Art ist seltener. Otaria hyronia fehlt auf den Galapagos-Inseln. Insgesamt verbrachte ich 60 Stunden in Seelöwenkolonien, eine Zeitspanne, die genügte, um eine Reihe neuer Beobachtungen über territoriales Verhal- ten und Brutpflege zu sammeln. Die Beobachtungen wurden nämlich durch die Zahmheit der Tiere sehr erleichtert, und da man von einem günstigen Punkt aus eine große Anzahl von Tieren überblicken konnte, erhielt man ein statistisch gut gesichertes Beobachtungsmaterial, wie man es bei Frei- landbeobachtungen in Europa erst nach sehr langer Zeit zu erhalten pflegt. Bei Tauchabstiegen konnte auch unter Wasser beobachtet werden. Eine aus- führliche Darstellung der Ergebnisse erscheint in der Zeitschrift für Tier- psychologie. Da ich jedoch anläßlich der Tagung der Gesellschaft für Säuge- tierkunde die Ehre hatte, von meinen Seelöwenbeobachtungen zu berichten, sei einiges darüber auch hier veröffentlicht: a) Territoriales Verhalten: "Die Seelöwen bilden zur Paarungszeit große Herden, denen ein Männchen vorsteht, das keinen gleichgeschlechtlichen erwachsenen Artgenossen in sei- nem Gebiet duldet. Es bewohnt mit seinen Weibchen und Jungen einen be- stimmten Küstenstrich, den es territorial verteidigt. Die Abgrenzung des Ge- bietes geschieht durch Rufe. Das Männchen patrouilliert unentwegt fast den ganzen Tag vor der Küste auf und ab. Wird es gestört, etwa durch ein 76 Zeitschrift für Säugetierkimde, Bd. 20, 1952 (1955). landendes Boot, dann schwimmt es rufend an der Oberfläche (Abb. 1). Un- gestört taucht es nur an bestimmten „Markierungsstellen", vor allem an den Reviergrenzen auf, ruft einige Male hintereinander laut und taucht dann wie- der weg, um an anderer Stelle von neuem hochzukommen. Tauchend konnten wir feststellen, daß das Männchen ebenfalls unter Wasser mit geschlossenem Maul ruft. An manchen Stellen steigt es auch ans Ufer und ruft. Dabei nimmt es eine Imponierstellung ein (Abb. 2 u. 3). Die Rufe sind stets zwei- silbig, aber in ihrer Klangfarbe recht variabel. Meist klingt es wie ein heise- res „ou ou ou" oder „oa oa oa". Der nachgeahmte Ruf löst aggressives Ver- halten aus. Greifen die Seelöwenbullen einen am Ufer stehenden Menschen an, so bedienen sie sich dabei einer besonderen Taktik. Ungesehen lassen sie sich von einer besonders hohen Brandungswelle bis unmittelbar vor einem Mnspülen und stehen dann hochaufgerichtet brüllend da. Man kann die Tiere aber an Land meist durch Entgegengehen einschüchtern. Ganz anders ist dies dagegen im Wasser, wo sie ungehemmt angreifen und wir uns mit unseren Harpunen, Stangen mit einer Eisenspitze, wehren mußten. Erst wenn ein Bulle mehrere Schrammen erhalten hatte, begnügte er sich damit, uns drohend zu umschwimmen. Vermutlich schätzen die Bullen ihren Rivalen an seiner Höhe ein (Aufrichten bei der Imponierhaltung), und so erscheint ihnen der aufrecht gehende Mensch überlegen, während der Schwimmer immer viel schmächtiger als ein Seelöwenmann wirkt. Weibchen zeigen ebenfalls territoriales Verhalten, das sich auf die Ver- teidigung ihres jeweils eingenommenen Liegeplatzes beschränkt. Kommen sich zwei Weibchen zu nahe, so bedrohen sie sich mit aufgerissenem Maul (Abb. 4). Sie dulden vor allem keine gegenseitige körperliche Berührung, schlafen aber sonst oft nahe nebeneinander. Jungtiere verteidigen bereits sehr früh ihren Säugeplatz gegen andere Junge, sind aber im übrigen ausgespro- chen sozial veranlagt und bilden im Seichten Spielgemeinschaften. b. Zusammenhalt der Herde durch das Männchen und Brutpflege : Wie wir bei Tauchabstiegen feststellten, treibt das territoriale Männchen Weibchen und Jungtiere, die sich dem Taucher neugierig nähern, wieder ins Seichte zurück. Es verfährt dabei so, daß es zwischen Junge und Taucher schwimmend diesen den Weg zum Tieferen abschneidet und sie dann gegen das Ufer abdrängt. Dies wiederholt es solange, bis alles im Seichten ist. Junge läßt der Bulle, selbst wenn keine direkte Gefahr besteht, nie ins tiefere Wasser, was bei dem Vorhandensein zahlreicher Haie durchaus zweck- mäßig ist. Damit beteiligt sich das Männchen in sehr eindrucksvoller Weise an Her Brutfürsorge, eine Tatsache, die bisher bei Robben noch nicht be- achtet wurde. Bemerkenswert ist ferner, daß das Männchen aufkeimende Aggressi- vität zwischen den Weibchen der Herde unterdrückt. Sobald zwei Herdenmit- 1. EIBL-EIBESFELDT, Territoriales Verhalten und Brutpflege des Seelöwen 77 glieder ernstlich zu streiten beginnen, eilt der Bulle, durch den Kampflä^m herbeigelockt, an Land und drängt sich mit einem bestimmten Grußzere- moniell zwischen die Streiter, diese so beruhigend. Dabei schwenkt das Tier den vorgestreckten Hals nach beiden Seiten und äußert seinen Territorialruf. Er begrüßt in dieser Weise auch seine Weibchen, wenn sie ins Wasser stei- gen. Erst dadurch wird ein so enges Zusammenleben der Herdenmitglieder ermöglicht. (Nähere Angaben werden in der Z. f. Tierpsychologie veröffent- licht.) J. E. Hamilton, 1934. — The southern Sea Lion ( Otaria byronia ). — Discovery Reports 8, p. 269 — 380, erwähnt ähnliches vom südlichen See- löwen. Auf die Brutpflege des Weibchens wollen wir hier nicht näher eingehen. Sie beschränkt sich immer nur auf das eigene Junge, Fremde werden ener- gisch abgewiesen. Die Brutpflege äußert sich in sozialer Hautpflege, Brut- verteidigung, Führen der Jungen und Säugen. Muttertier und Junges kennen sich persönlich, und zwar nicht nur am Geruch, sondern ganz eindeutig auch an der Stimme. Findet ein Junges abends seine Mutter nicht, so beginnt es, täuschend ähnlich einem Jungschaf zu blöken, worauf nur seine Mutter antwor- tet. So wechselseitig ruf end finden die beiden rasch zueinander. Da bereits sehr kleine Junge ihre Mutter erkennen und umgekehrt auch von ihr erkannt werden, dürfte die Prägung auf den Ruf bereits sehr früh stattfinden. Es wäre interessant zu wissen, ob sich Muttertier und Junges bei der Geburt stimmlich begrüßen. Es könnte wohl sein, daß die Prägung in analoger Weise wie bei vielen Anatiden erfolgt. Zoobeobachtungen könnten zur Klärung die- ser Frage viel beitragen. Zusammenfassung: Einige Freilandbeobachtungen am Seelöwen der Galapagos - Inseln werden mitgeteilt. Die Männchen versammeln während der Fortpflan- zungsperiode einen Harem um sich, den sie gegen gleichgeschlecht- liche erwachsene Artgenossen verteidigen. Sie behaupten einen bestimmten Uferstreif als ihr Territorium, das sie durch Rufe markieren. Gegen Men- schen sind die Bullen an Land weniger aggressiv als im Wasser (Zusammen- hang mit der Drohstellung p. 76). Territoriales Verhalten beobachten wir auch bei den Weibchen, die ihren Ruheplatz verteidigen. Junge verteidigen ihren Säugeplatz an der Mutter. Das Männchen treibt Jungtiere und bei Gefahr auch Weibchen ans Ufer. Aufflackernde Streitigkeiten zwischen Mitgliedern der Herde werden vom Männchen „geschlichtet". Weibchen und Junge erkennen einander sowohl am Geruch wie auch an der Stimme. Nur das eigene Junge wird vom Weibchen umsorgt. Tafelerklärung. Tafel VII, Abb. 1, Patrouillierendes" Männchen. Abb. 2. In Imponierstellung rufendes Männchen. Abb. 3. In Imponierstellung rufendes Männchen. Abb. 4. Sich bedrohende Seelöwenweibchen. Sämtliche Photos: Verfasser. 78 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955). 8.) über Art- und Geschlechtsunterschiede am Becken einheimischer Spitzmäuse (Soricidae) Von Kurt Becker (Berlin-Dahlem) Herrn Professor Dr. Karl Henke (Göttingen) zum 60. Geburtstag gewidmet. Mit 6 Abbildun^eji im Text (Aus dem Bundesgesimdheitsamt, Max von Pettenkofer-IiiÄtitut, Unterabttilimg für hygLenische Zoologie, Berlin-Dahleni.) Meine Untersuchungen über die sekundären Geschlechtsmerkmale am Becken einheimischer Mäuse entsprangen dem Wunsch, die Gewollkunde mehr als bisher für eine ökologisch ausgerichtete Kleinsäugerforschung nutz- bar zu machen. Nachdem der Speisezettel derjenigen Eulenarten, deren Ge- wölle leicht in großer Menge zu finden sind, durch Uttendörfer (1939, 1952) und seine Mitarbeiter weitgehend aufgeklärt wurde und für ihn kaum noch Überraschungen zu erwarten sind, können gerade diese Gewölle für Fragen, welche auf das Beutetier selbst gerichtet sind, hervorragende Dienste leisten. Dabei kann die weitgehende Einförmigkeit in der Nahrungswahl mancher Eulenarten dem Säugetierökologen nur lieb sein, während die Un- tersuchung ihrer Gewölle für den an der Breite des Nahrungsspektrums in- teressierten Ornithologen oft zu einer quälenden Geduldsprobe wird. Kommt es doch nicht selten vor, daß bei größeren Gewöllaufsammlungen eine nach Hunderten zählende Individuenliste zu 99 % aus Feldmäusen besteht. Nachdem nun die Auswertung von Gewöllen der beiden Ohreulen (Wald- und Sumpfohreule) in überzeugender Weise eine Bestätigung der von Frank und Stein beschriebenen Männchenelimination während einer Massenvermehrung bei der Feldmaus erbracht hat (Becker 1954b), lag der Wunsch nahe, auch unsere einheimischen Spitzmäuse in ähnlicher Weise zu untersuchen. Von der Waldspitzmaus (Sorex araneus) sind ebenfalb seit langem Jahre mit großer Populations dichte bekannt, die im auffälligen Gegensatz zu solchen mit dünner Siedlungsdichte stehen (Jäckel, 1867). Dieser Dichtewechsel in den Populatioaen wirkt sich auch auf die Zusam- mensetzung der Eulenbeute aus. Schon Geyr von Schweppenburg (1906) stellte im Verlauf seiner „Untersuchungen über die Nahrung einiger Eulen" fest, daß sich der Spitzmaus antcil unter den Beutetieren der Schleier- eule nach dem mehr oder minder großen Reichtum einer Gegend an Soriciden richtet und demnach von Jahr zu Jahr wechselt. Regelmäßige, über 15 Monate durchgeführte Kontrollen eines Schleiereulenpaares erbrachten z. B. aus dem spitzmausreichen Herbst des Jahres 1904 einen Nahrungsanteil von 67 % Spitzmäusen, der im Laufe des darauffolgenden Jahres auf 47 % ab- sank. Ob diese Bestandsschwankungen mit einem echten Massenwechsel K. BECKER, Ajrt- und Geschlechtsunterschiede am Becken von Spitzmäusen 79 gleichzusetzen sind, wie er von der Feldmaus und den amerikanischen Hasen festgestellt wurde, dürfte allerdings noch unbekannt sein. Gelegenheitsbeob- achtungen sprechen aber dafür, daß im Ablauf eines solchen Zyklus wenig- stens bestimmte Teilgeschehen miteinander vergleichbare Züge aufweisen. So treten wie bei M. arvalis bei übernormaler Siedlungsdichte zwischen den Männchen der Waldspitzmaus Revierkämpfe auf, die zu mehr oder weniger starken Verletzungen führen und dann wohl auch den Tod des einen oder anderen Partners zur Folge haben. Zur Bekräftigung dieser Vermutung sei ein Beispiel von L ö h r 1 (1938) angeführt : „In dem für S. araneus günstigen Gebiet, dem Sumpf, kann man in manchen Jahren geradezu von Überbevölkerung sprechen, wohl infolge von günstiger Witterung und Nahrungsreichtum entsteht eine große Dichte, die in Widerspruch gerät mit der Unverträglichkeit dieser Art, besonders der q^q^. So wiesen von ISq^c/', die ich im April des Jahres 1934 fing, 17 leichtere oder schwerere Verletzungen auf; an den Seiten war die Haut völlig durchgebissen und dick vernarbt, die Ohren waren oft zerfetzt und der Schwanz in den meisten Fällen verkürzt. Da die 99 J^eist unverletzt waren, bildete der verkürzte Schwanz ein beinahe untrügliches Zeichen für die ö^cT« Zu dieser Zeit hörte man im Sumpfgebiet ununterbrochen die Laute der sich balgenden cfcf^." Es fällt auf, daß sich auch bei diesen Tieren die Weibchen friedlicher zu verhalten scheinen und deshalb eine größere Lebenserwartung besitzen als die Männchen. Die Indizien sprechen jedenfalls dafür, daß auch bei der Waldspitzmaus in Jahren starker Vermehrung gleichzeitig eine Verminde- rung des Männchenbestandes zu erwarten ist, wie wir siö von der Feldmaus her kennen. Deshalb glaube ich, daß die Analyse der Gewölle von Schleier- eulen, welche unter allen Eulenarten am meisten Spitzmäuse fangen, über die Populationsbewegungen dieser Tiere einige Aufschlüsse geben kann, sofern die Gewölle in regelmäßigen Abständen über längere Zeit gesammelt werden. Aus diesem Grunde sei hier über die Grundlagen gesprochen, welche die Beantwortung einer derartigen Fragestellung erst ermögKcht. Es muß also zunächst danach gefragt werden, ob und an welchen Skelettelementen der Spitzmäuse Art- und Geschlechtsunterschiede eindeutig erkannt werden kön- nen. Für die Bedürfnisse des Palaeontologen, der diluviale und alluviale Knochenablagerungen zu bearbeiten hat und möglichst auch über die öko- logischen Bedingungen, unter denen die fossil erhaltenen Tiere gelebt haben, Auskunft geben möchte, dürften derartige Untersuchungen ebenfalls von Interesse sein. Aus der vergleichenden Morphologie des Säugerskeletts ist seit langem bekannt, daß sich Geschlechts unterschiede am deutlichsten in der Becken- region manifestieren. Freilich sind bei den Artiodactylen auch an vielen an- deren Skeletteilen — zumindest der geschlechtsreifen Tiere — sekundäre Geschlechtsmerkmale oft schon äußerlich erkennbar in mannigfaltiger Form 82 Zeitschrift für Säugetierkimde, Bd. 20, 1952 (1955). solche Individuen, deren Zähne noch keine oder nur Spuren einer Abkauung aufweisen. Ihr wird die Gruppe „adulter" Tiere gegenübergestellt, deren Mitglieder schon deutliche Abnutzungsspuren an den Zähnen aufweisen. Fer- ner wurde die Länge der Beckenschaufeln unter einer binokularen Lupe auf VioDim genau gemessen. Als Fixpunkte dienten hier, wie auch bei den übri- gen Soriciden, der tiefste Punkt des dorsalen Einschnittes am Rande des Acetabulums und die kaudalste Spitze am Außenrand des Beckens. Die Ver- teilung der gefundenen Beckenlängen innerhalb der beiden Altersgruppen puKus maturus
3mj^
statistisdie
Realität gut
gesichert
Herbst
1950-1952
vor Zusam-
menbruch
Herbst
1953
nach Zusam-
menbrudi
1854
724
36.3 0/0
14>1 %
22.20/0
1.71
5.] 3
D> 3mj^
statistische
Realität gut
gesidiert
Tabelle 7. Prüfung der Schwankungen der Bestandsdichte von Apodemus sylvaticus
auf üire statistische Realität.
G. STEIN, Die Kleinsäuger astdeutscher Ackerflächen
103
Von 7 % in den Frühjahrsfängen 1951 und 1952 ist der Anteil der Wald-
mäuse im Frühjahr 1953 auf 0,4 % heruntergegangen, und im gleichen Herbst
finden sich statt der 36,3 % der vorangegangenen Jahre nur 14,1 %. Beide
Abweichungen sind signifikant. In einer Fortpflanzungsperiode konnten also
die Einbußen nicht wettgemacht werden, aber schon im Herbst 1954, nach
zwei Jahren, ist die normale Bestandsdichte wieder da. Die Zahlenunterlagen
bringt die Tabelle 8:
Laufende
Nummer
Jahr
Fallen-
zahl
Gefangene
Wald-
mäuse
in o/o
Laufende
Nummer
Jahr
Fallen -
zahl
(iefangene
Wald-
mäuse
in °lo
1
Herbst
1950
805
38
2
Frühjahr
1951
623
6.8
3
Herbst
1951
323
46
4
Frühjahr
1952
343
8.1
5
Herbst
1952
726
30
6
Frühjahr
1953, nach
Zusammen-
bruch
964
0,4
7
Herbst 1953,
nach Zu-
sammen-
bruch
724
14,1
8
Frühjahr
1954
251
3,2
9
Herbst
1954
265
37,3
Tabelle 8. Schwankungen der Bestandsdichte von Apodemus sylvaticus.
So schnell geht das bei der Feldmaus nicht. Für sie scheint — wenigstens
bei uns — ein Rhythmus von (3) — 4 — (5) Jahren bezeichnend zu sein mit
im Anfange schleppender, ja verzögerter Kumulierung und steiler Aufwärts-
bewegung mit explosiver höchster Massenentfaltung erst am Schluß.
Von dichtebegrenzenden Faktoren möchte man bei der Waldmaus ihrem
Territorialverhalten entscheidende Bedeutung zumessen. Waldmäuse, ebenso
Gelbhalsmäuse, auch Hamster, sind ja nicht soziale Tiere, wie kleine Wühl-
mäuse, für deren „Verdichtungspotential" (Frank) diese Eigenschaft eine
fundamentale Voraussetzung ist, sondern sie leben mehr solitär, während
der Fortpflanzung paarweise, mit Reviergrenzen und entsprechendem Revier -
verhalten, das höchste Zusammendrängung der Bestände ausschließt. Dabei
käme die Vermehrungskapazität der Waldmaus hoher Massenentfaltung
durchaus entgegen. Zwar liegt die embryonale Wurfgröße mit einem Maxi-
malwerte von 8 (n = 60) weit unter den Leistungen der Feldmaus (max. 12),
mit einem Mittelwerte von 5,8 ist sie ihr jedoch ebenbürtig. Diese Höhe wird
bei Apodemus sylvaticus wesentlich dadurch mitbestimmt, daß die ersten
r*
104
Zeitschrift für Säugeti-erkund-e, Bd. 20, 1952 (1955).
Würfe von Jungtieren schon umfangreich sein können (Höchstwerte von 6
und 7E).
Die Sterblichkeit wiederum ist in den Ackerpopulationen zeitweilig be-
sonders groß. Solche kritische Periode ist der Spätherbst. Dann sind die
Felder nahezu kahl bis auf vereinzelte R üb enschläge, und hier haben sich
enorme Massen von Waldmäusen zusammengedrängt. Mit der Aberntung dieser
letzten Refugien werden sie alle mit einem Schlage obdachlos, und man sieht
sie dann bei hereinbrechender Dunkelheit ruhelos die Felder und die Wege
entlangeilen, eine leichte Beute für kleine Raubtiere und Eulen. Die erhöhte
Mortalität der Waldmäuse zu diesem Zeitpunkte spiegelt sich sehr schön
wider in einem Ansteigen der Beuteziffern von Eulen im November. Sowohl
eine K a h m a n n sehe Schleiereule (K a h m a n n 1953, Abb. 4) wie auch die
Waldohreulen, die K. Zimmermann kontrollierte, zeigen dann einen
deutlichen Gipfel, die Waldohreulen jedoch nur in Jahren mäßiger arvalis-
Dichte. In Feldmaus jähren halten sie sich dagegen überwiegend an diese Art.
Auch die Wintermonate scheinen sich stark bestandsvermindernd auszu-
wii-ken. Darauf weisen die großen Unterschiede zmschen den Herbst- und
Frühjahrsfängen hin (vgl. Tab. 2 und 3) :
Anteil von Apodemus sylvaticus im Herbst 46 %,
Anteil von Apodemus sylvaticus im Frühjahr 13,8 %.
Besonders kann hohe Schneebedeckung den hüpfenden und springenden
Waldmäusen, die sich ohne feste Wechsel freier bewegen, den Zugang zu
ihren Nahrungsquellen mehr erschweren als kleinen Wühlmäusen, die noch
unter dem Schnee wühlend und scharrend an sie herankommen, gesetzt,
daß sich die Schneedecke in lockerer Beschaffenheit befindet!
Wenden wir uns zum Schlüsse dieses Abschnittes noch den kausalen Be-
ziehungen des gleichzeitigen Feld- und Waldmauszusammenbruches zu! Im
Herbst 1952 wiesen die Feldmäuse im Gebiet eine als erträglich zu bezeichnende
Dichtekonzentration auf, die erheblich niedriger war als der großartige Feld-
mausgipfel des Jahres 1949, und dichteabhängige Faktoren des Zusammen-
bruches sind von entscheidender Bedeutung bei diesem Bevölkerungsnieder-
gange nicht gewesen. Ich habe nun die Situation von M. arvalis im Frühjahr
1953 unmittelbar nach der Schneeschmelze untersuchen können, und bei jeder
Population wurde von neuem deutlich, daß ihre Bestandsverminderung nach
Maßgabe des vorhandenen Futterangebotes erfolgt war. Es
zeigten sich alle Abstufungen von einer nicht merklichen oder jedenfalls nur
unbedeutenden Einbuße auf nahrungsreichen Kleeschlägen (Stein 1953)
über verschont gebliebene Einzelin di^iduen auf schütter mit Unkraut und
Roggenaufwuchs bestandenen Brachäckern bis zu Totalverlusten auf unkraut-
armen Stoppelfeldern. Vergegenwärtigt man sich dazu, daß die vorangegan-
G. STEIN, Die Kleinsäuger ostdeutscher Ackerflächen
105
genen Wochen mit mehrfachem schroffem Wechsel von Tauwetter und
Frost zu einer schweren Verharschung und Vereisung der Schneedecke ge-
führt hatten, so liegt der Schluß nahe, daß hier die Feldmäuse ganz
einfach verhungert waren, ebenso auch die Waldmäuse, und augen-
scheinlich in der Form, wie es Frank (1954) als allmähliches Wegsterben
gekennzeichnet hat. Typisch war auch, daß sich die engere Umgebung der
Baue gänzlich abgeweidet vorfand und mit zunehmendem Abstände die Gänge
unter dem vereisten Klee immer spärlicher wurden. Offenbar hatten die
Tiere nicht weiter vorzudringen vermocht. Diese weniger plötzliche, sozusagen
schleichende Form des Zusammenbruches dürfte für ostdeutsche Feldmaus-
populationen mit ihren geringeren Möglichkeiten zu extremster Bestandsver-
dichtung eher die Regel sein als die schlagartige des Verschwindens innerhalb
kürzester Frist.
VI. über wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Arten.
Hier interessieren nur die Arten mit erheblicher Bestandsdichte, also
Microtus arvalis, Apodemus sylvaticus und Talpa europaea. über die Feld-
maus, die der Ackerschädling ist, braucht kein Wort verloren zu werden.
Die Waldmaus gilt vorwiegend als Samenfresser. Heinrich (1951) be-
zeichnet als „Hauptnahrung zumeist Grassämereien und Getreidekörner,
daneben die Samen verschiedenster niedrigerer Pflanzen und deren Samen"
und fand (in Polen) die unterirdischen Vorratskammern stets mit Getreide-
arten, besonders Roggen, vollgestopft. Die Ansprüche der Waldmaus sind hier
jedoch wohl zu eng gefaßt, zum mindesten kommt die Abhängigkeit von dem
jahreszeitlich wechselnden Angebote nicht zum Ausdruck. Vom Spätsommer
an stellen Unkrautsamen den Hauptanteil ihrer Nahrung. Besonders begehrt
sind die Früchte des Ackersenfs (Sinapis arvensis), die auch grün gefressen
werden und dessen Schoten im Herbst gehäuft die Baueingänge umgeben.
K. Zimmermann konnte in aus Eulengewöllen stammenden Schädelresten
der Waldmaus die Samen von Chenopodiaceen, von Oenothera biennis und
Trifolium arvense nachweisen. Sehr geschätzt sind weiter die Samen der
Süßlupine (Lupinus luteus). Auch hier liegen Hülsenreste und angefres-
sene Samen gehäuft um die Eingänge der Waldmausbaue herum, die da-
durch schon von weitem auffällig werden. Die großen Massen der Wald-
mäuse, die sich im Spätherbst in den letzten Rüben- und Kartoffelschlägen
zusammengefunden haben, müssen nahezu ausschließlich von den Früchten
der hohen Meldearten (Atriplex) leben. Auch diese Samen werden — wohl
aus Not — schon in unreifem Zustande verzehrt. Dann klettern die Tiere,
um zu ihnen zu gelangen, die Staude empor und beißen Ästchen um Ästchen
ab, die Mahlzeit wird jedoch erst unten, unter dem Dache der großen Rüben-
blätter, gehalten. Niemals gehen die herbstlichen Scharen der Waldmäuse
106
Zeitschrift für Säu^etierkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
in den Rüben- und Kartoff elschlägen die Feldfrüchte an, Schadfraß an Kartof-
feln und Rüben rührt stets von der Feldmaus her, deren gehäuftes Auftreten
in diesen Schlägen auf höchste Massendichte hinweist und ein Vorbote des
nahenden Zusammenbruches ist. In Waldmausbauen fand ich neben Getreide-
körnern die Nüßchenfrüchte der Linde (Tilia) und die geflügelten Samen des
Ahorns (Acer). Arthropodenreste sind im Sommer regelmäßig, jedoch stets
in wenig auffälliger Menge im Mageninhalte enthalten.
F. Vater (Biologische Zentralanstalt Klein-Machnow) hat nun heraus-
gefunden, daß Waldmäuse auch Kartoffelkäfer fressen. Das ist eine recht
bedeutsame Erweiterung ihres Speisezettels. Labortiere verzehrten je Pär-
chen täglich und über längere Zeit etwa sechs Käfer, von denen allein die
Flügeldecken übrigblieben. Eine frischgefangene Waldmaus nahm ebenfalls
ohne weiteres Kartoffelkäfer an, und vor dem Eingang zu einem Waldmaus-
bau fand sich ein angefressener Käfer. Lose Flügeldecken von Leptinotarsa
— manchmal in auffälliger Anzahl — waren mir an Ackerrainen, gewöhn-
Hcli verdeckt von überhängenden Grasbüschen, schon länger aufgefallen,
ohne daß ich mir über die Zusammenhänge klar werden konnte. Es ist nun
wohl nicht mehr zweifelhaft, daß sie ebenfalls von der Waldmaus herrühr-
ten, die damit in die Liste der Kartoffelkäferfeinde einzureihen ist.
Der Maulwurf kann durch seine Wühltätigkeit in jungen Rübenschlägen
lästig fallen, in Klee- und Luzerneschlägen dagegen, die oft stark von den
Engerlingen des Maikäfers befallen sind, dürfte seine Anwesenheit von be-
deutendem Nutzen sein. Sonderuntersuchungen über die Nahrung dieser
Maulwurfspopulationen fehlen allerdings.
VII. Zur Geschichte einiger Ackersäugetiere.
Bis auf die Brandmaus sind alle hier behandelten Arten bereits im
Pleistozän vorhanden. Apodemus agrarius wird zwar von B r u n n e r für
Deutschland mehrfach aus glazialen Ablagerungen angeführt, so in einer
Fauna aus dem Altdiluvium und jüngeren Epochen (1949), in einer medi-
terranen Riß -Würm-Fauna (1954) und in einer Fauna der Würm-I-Eiszeit
(1953). Wo jedoch eine Kennzeichnung gegeben ist, kann sie nicht als be-
weiskräftig angesehen werden, so daß das diluviale Vorkommen der Art in
Mitteleuropa zweifelhaft ist. Die rezente Verbreitung ist nun recht auffällig,
die Britischen Inseln hat die Art nicht mehr erreicht, und in Mitteleuropa
liegt üire Westgrenze etwa ami Rhein. Man möchte, wie auch Kratochvil
und Rosicky (1954) urteilen, Apodemus agrarius als späten postglazialen
Einwanderer aus dem Osten ansehen. B r u n n e r (in litt.) ist heute eben-
falls der Ansicht, daß die Art sehr spät bei uns eingezogen ist.
Unser Maulwurf ist bereits aus glazialen Ablagerungen bekannt, wo er
mit mehreren anderen „TaZpa- Arten" zusammen aufgeführt wird. Man wird
G. STEIN, Die Kleinsäuger ostdeutscher Ackerflächen
107
die eiszeitlichen Maulwürfe einer besonders kritischen Betrachtung unter-
ziehen müssen. Nach der Fülle der Artbeschreibungen wäre ein Formenreich-
tum vorhanden gewesen, wie er von der rezenten Verbreitung der Talpiden
aus gänzlich unverständlich ist. Allein aus einer Schicht (oberpliozän) werden
drei Arten erwähnt, Talpa episcopalis, Talpa praeglacialis und Talpa gracilis
(K o r m o s 1930). Ebenso beschreibt B r u n n e r (1951) aus der Kl. Teufels-
höhle eine Talpa n. spec, die die Größe von Talpa gracilis K o r m o s gehabt
hätte und gibt dazu an, „die Art lebte gleichzeitig mit der großen und klei-
nen Talpa euTopaea sowie der nachstehend beschriebenen Talpa spec". Hier
sollen sich sogar vier Arten vorgefunden haben! Im eurasischen Räume
kommt rezent jeweils nur eine Talpa-Form vor (Stein 1950). Wo keine
geographische Trennung vorliegt, ist sie wenigstens ökologisch streng gewahrt.
Das zeigt sehr schön die Entdeckung von Talpa caeca in der Tatra (H a n z a k
und Rosicky 1949). Talpa caeca, der Zwergmaulwurf, ist dort auf das
Hochgebirge beschränkt, wohin ihm T. europaea nicht zu folgen vermochte.
Auch für eiszeitliche Maulwürfe ist es nicht wahrscheinlich, daß mehrere
Arten — wenigstens über einen längerer Zeitraum — miteinander gelebt
haben sollten, weil Raum- und Nahrungswettbewerb bald zum Verschwinden
der schwächeren hätte führen müssen. Hält man sich nun die enorme Grö-
ßenvariabilität des Maulwurfes vor Augen und bedenkt dazu, daß bei Fossil-
material auch der einschneidende Größendimorphismus der Geschlechter
niemals erkennbar ist, so möchte man annehmen, daß ein beträchtlicher Teil
der Beschreibungen auf solche Größenunterschiede im Bereiche einer
Art zurückgeht. So scheinen die Dinge jedenfalls für die von Woldrich
(1883) beschriebenen T. pygmaea und T. magna zu liegen, die neben
T. europaea vorkommen. Für die eiszeitliche Fauna von Merkenstein,
in der sich Reste dieser drei „Arten" fanden, betont Wett, stein
(1938), daß er morphologische Unterschiede zwischen ihnen nicht ent-
decken konnte und entscheidet, daß T. pygmaea noch gut in did
Variationsbreite von T, europaea fällt. In diesem Falle ist es völlig
sicher, daß die in jeder Maulwurfspopulation von T. europaea vorhandenen
kleinsten Varianten der sowieso kleinerwüchsigen 99 eigene Art beschrie-
ben worden waren. Die große Art wird von Wettstein dagegen noch auf-
rechterhalten auf Grund der Erwägung, man begegne in rezentem Material
nie so großen Dimensionen, wie sie T. magna zukonmien. Die folgende Tabelle
bringt die Maße fossiler und rezenter Talpa europaea und dazu die von
T. magna. Die Zahlen für fossile europaea sind B r u n n e r (1951 und 1954)
entnommen, die für die T. magna stammen von Wettstein, und ihnen ist
gegenübergestellt das größte meiner Sammlung: Nr. 1406, 25.3.1952,
Güldendorf bei Frankfurt (Oder). Mit seiner Gondylobasallänge von 38,5 mm
ist es ein Unikum (n = 3201), das den für die Art sonst bekannten Maximal-
wert (38,2) beträchtlich übersteigt.
108 Zeitschrift für Säugetierkimde, Bd. 20, 1952 (1955).
Maße in mm
Talpa
magna
Talpa
europaea,
fossil
Talpa
europaea,
rezent
Condylobasallänge
—
—
38,5
Mandibellänge bis zum Hinterrande
des Processus angularis
±27
(vermutlich
geschätzt)
24,1
25,0
Alveolarlänge der gesamten
Mandibularzahnreihe
14.8
14.1
14,2
Alveolarlänge der oberen Zahnreihe
—
15.8
16.0
Alveolarlänge der 3 Molaren, unten
7.4
—
7,3
Alveolarlänge der Maxillarzahnreihe
vom Vorderrande des bis zum
Hinterrande von p^
8.0
—
7,5
Kronenlänge
2.9
2,8
nxo Kronenlänge
3.0
—
—
ci Höhe
3,1
—
3,0
mg — pi
—
12.8
12,3
mg — pi
—
10.6
10.1
mj — pi
8.0
7,6
mo — mg
4.9
4.8
Tabelle 9: Maße von Talpa magna und von fossilen und rezenten Talpa europaea.
Die Maße der eiszeitlichen Talpa europaea unterscheiden sich kaum von
denen des größten rezenten Stückes, die von T. magna liegen so geringfügig
höher, daß sie ohne Bedenken ebenfalls noch als Extremwert dieser Art
aufzufassen sind. So lassen sich also die nur auf Größenabweichungen be-
ruhenden Unterschiede bei gleichzeitig und miteinander vorkom-
menden glazialen Maulwurfsformen schon als Ausdruck hoher Größenvariabi-
lität einer Art deuten. Ebenso ist das Nacheinander, also die zeitliche Folge
von nur in der Größe verschiedenen Maulwürfen nicht ohne weiteres als Art-
verschiedenheit aufzufassen. Es könnte sich um ein zeitliches Pendeln der
G. STEIN, Die Kkinsäuger ostdeutscher Ackerflächen
109
Extremwerte handeln, um zeitliche Größenschwankungen ein und derselben
Art, wie sie bei den streng klimaabhängigen Maulwürfen in einer so bewegten
erdgeschichtlichen Epoche nicht nur zu erwarten, sondern geradezu zu
fordern sind. Ich habe solche Gedankengänge bereits früher vorgetragen
(Stein 1951). Sie beanspruchen nicht, auf alle pleistozänen Maulwürfe zu
passen, also der einzige Weg zur Beseitigung des verworrenen Zustandes ihrer
Systematik zu sein. Aber sie werden zu einer wesentlichen Vereinfachung
führen, indem sie die starre statische Auffassung ersetzen zugunsten einer
dynamischen.
Bei der Feldmaus kommt man nicht recht davon los, ihre ökologischen
Ansprüche an der Bestandsdichte zu messen, die sie in bestimmten Lebens-
räumen erreichen kann. Höchste Massenentfaltung hat nun aber auch radi-
kale Vernichtung zur Folge, und Biotope, in denen die Bestände nach einem
solchen Zusammenbruche nahezu, ja gänzlich erloschen sind, kann man nur
als pessimale ansehen (Stein 1952). Ähnliche Gedankengänge hat Polja-
kov bereits 1950 ausgesprochen. Optimal werden von ihm die Lebens-
stätten genannt, in denen es in kritischen Jahren nicht zum totalen Absterben
der Populationen kommt. Wenn sich die Zahl der Feldmäuse auf den Äckern
unter den normalen Bedingungen im Laufe eines Jahres um das 70 — lOOfache
vermehrt, verändert sie sich in den optimalen nur um das 2 — 3fache. Solche
optimalen Biotope sind nach Poljakov Brachen und landwirtschaftlich
nicht nutzbare Flächen, und hier leben die Tiere „in gedrücktem Zustande"
und sind nicht in der Lage, sich schnell zu vermehren. Dennoch stellen gerade
diese Räume die Reservoire der kleinen Nager dar. Das Kennzeichnende der
Poljakov sehen optimalen örtlichkeiten ist nun Kurzrasigkeit, Lichtoffen-
heit und vor allem Trockenheit, sie decken sich auch sachlich mit meinen
primären Biotopen (1952), für die Trockenheit ebenso bezeichnend ist.
Vielleicht kann auch die Geschichte unserer Feldmäuse, soweit sie sich
überhaupt rekonstruieren läßt, Anhaltspunkte für ihre ökologischen An-
sprüche geben. Microtus arvalis war bereits im Pleistozän in Mitteleuropa
vorhanden. In der Bearbeitung fossiler Microtinen wird sie jedoch gewöhn-
lich mit der Erdmaus als aTvalis-a^Testis-kntQ\\ zusammengefaßt, so daß
vorläufig für keine der beiden Arten auswertbare Grundlagen vorhanden
sind, über das sicher sehr wechselhafte Schicksal der Feldmaus im frühen
Postglazial vermögen wir ebenso nichts auszusagen. Als waldfeindlichem
Tiere muß ihr der Lebensraum denn immer mehr eingeschränkt worden sein.
Mit dem „durchgreifenden Klima- und Vegetationswandel" (Firbas), wie
er sich von der frühen Wärmezeit (Präboreal) bis zur älteren Wärmezeit
(Subatlantikum) vollzog, ist Mitteleuropa schließlich ein geschlossenes Wald-
gebiet geworden, „und das Vorkommen größerer, waldloser oder waldarmer
Gebiete ließ sich bisher mit Hilfe der Nadelbaumpollen nirgends nachweisen.
110
Zweitschrift für Säugetierkimde, Bd. 20, 1952 (1955).
Deren Werte sinken schon in der Vorwärmezeit zur Größenordnung wald-
bedeckter Landschaften herab" (Charakterisierung des Subatlantikums, F i r -
bas). Bereits das Präboreal wies (wieder nach Firbas) ähnliche Verhält-
nisse auf: „Wir dürfen, wenn überhaupt, nur in den heute niederschlags-
ärmsten Landschaften mit Niederschlägen unter 500 mm größere, durch
Trockenheit bedingte Lücken in der Waldbedeckung erwarten, die das Aus-
sehen von Wiesensteppen gehabt haben könnten. Keinesfalls dürfen die hohen
Haselwerte als Beweis für eine von Steppeninseln durchsetzte Parklandschaf t
gelten." Es ist anzunehmen, „daß ein großer Teil der Wälder und Gebüsche
den Charakter von Steppenheidewäldern besaß, die infolge ihrer Zusammen-
setzung aus Lichtholzarten licht waren, und daß auch die an flachgründige,
trockene Böden gebundenen Steppenheiden (Waldlücken) um sehr viel häufi-
ger waren, als sie dies heute unter natürlichen Bedingungen sein könnten."
Gerade in diesen trockenen Wiesensteppen und Steppenheidewäldern wird
die waldfremde Feldmaus die Wälderzeit Mitteleuropas überdauert haben,
und ihre Trockenrasengesellschaften stellen das dar, was ich als primäre
Biotope bezeichnet habe. Niemals ist dabei von mir an eine Kontinuität sol-
cher Lebensstätten bis auf den heutigen Tag gedacht worden. Es genügt, daß
von Menschenhand geschaffene örtlichkeiten diesen eigentlichen, natürlichen
Lebensräumen entsprechen, und ihre Ausmaße sind dabei von keiner Be-
deutung. Ein erhöhter Grabenauswurf, die trockene Böschung eines niedrigen
Dammes sind dafür ausreichend, daß kleinste Populationen der Feldmaus
hier pessimale Wintersituationen überstehen und ihre frühe Entwicklung
durchmachen, während die Lawine explosiver Massenentfaltung erst in den
sekundären Lebensstätten losbricht.
Ähnliche Betrachtungen in Hinsicht auf die Geschichte der Feldmaus
stellt auch Naumov (1954) an: „Die Dynamik der Bevölkerung von Wal-
dungen zeigt relative Beständigkeit in der Anzahl. Die Feldmaus ist eine
Art, die sich in der Waldsteppenzone (von mir gesperrt) entwickelt
hat, und einer Existenz in einer Landschaft mit Elementen der Wieseii-
und Waldpflanzenwelt angepaßt ist. Wiesen mit Sträuchern, Lichtungen und
lichte Wälder entsprechen im stärksten Maße jenen Ausgangswohnplätzen,
in denen die Wühlmäuse in der Periode vor einer Agrarkultur lebten."
Es scheint kein Zufall zu sein, daß gerade für die kontinentalen Areale
diese VorKebe der Feldmaus für trockenere Lebensräume hervorgehoben wird,
wie auch die schroffen Unterschiede zwischen den primären und sekundären
Biotopen hier schärfer gesehen werden als in den mehr ozeanischen am West-
rande ihres Verbreitungsgebietes. Aber auch dort ist die Erhaltung der Feld-
maus, das überstehen pessimaler Umweltsituationen (Wetter, Grundwasser-
stand) gebunden an das Vorhandensein solcher Trockenrefugien, und seien es
auch nur kleinste vom Menschen immer wieder neu geschaffene örtlichkeiten.
G. STEIN, Die Kkinsäuger ostdeutscher Ackerflächen
III
Zusammenfassung.
1. Untersucht wurden brandenburgische Ackerflächen der Umgebung von
Fürstenwalde/Spree. Herangezogen wurden Herbst- und Frühjahrsfänge au5
vier Jahren (n = 2521).
2. Dauerbewohner im Untersuchungsgebiete sind nur Maulwurf, Talpa
europaea, Feldmaus, Microtus arvalisy und Waldmaus, Apodemus sylvaticus.
Auf die letzten beiden Arten entfallen 92 % des Materials.
3. Autochthone Ährenmaus-, Brandmaus- und Waldspitzmausbestände
gibt es auf den Äckern des Untersuchungsgebietes nicht. Die beiden ersten
Arten sind nur temporäre Besiedler den Sommer über und in geringer Be-
standsdichte. Die Waldspitzmaus ist ein sehr gelegentlicher Einwanderer oder
Durchwanderer.
4. Gelbhalsmaus, Apodemus flavicollis, Erd- und Zwergmaus, Microtus
agrestis und Micromys minutus, Nordische Wühlmaus, Microtus oeconomus,
sind Irrgäste. Die Zwergmaus, für die sonst auch Getreidefelder als Lebens-
raum angegeben werden, wurde in einem einzigen Stück erbeutet.
5. Ährenmäuse, Mus m. musculus, des Untersuchungsgebietes wandern
im Frühjahr und sehr vereinzelt in die Felder ein. Der größte Teil lebt das
ganze Jahr über als Kommensale des Menschen. Im Herbst finden sich
kleinste Gemeinschaften mit sehr großen Zwischenräumen über die Äcker
verteilt, und bereits Ende Oktober sind sie wieder abgewandert. Als Ursache
der geringen Kopfstärke wird Raumkonkurrenz mit der stärkeren Waldmaus
vermutet.
6. Bei der Brandmaus, Apodemus agrarius, sind es ihre komplexen
ökologischen Ansprüche, die einer dauernden Besiedlung der Äcker und
hoher Bestands dichte dort entgegenstehen. Als neuer Faktor wird herausge-
stellt das Bedürfnis nach hoher Deckung.
7. Bei der Waldspitzmaus, Sorex araneus, wurde 1952, in einem Jahre
hoher Feldmaus dichte, ein invasionsartiges Eindringen in die Felder ver-
zeichnet. Entgegen der theoretischen Erwartung nahmen überwiegend —
wohl ausschließlich — adulte, also Vor jähr stiere daran teil.
8. Von unseren Microtinen ist nur die Feldmaus auf den Äckern zu-
gelassen. Sie hat die geringste absolute Größe und vermag so noch mit be-
scheidener Deckung zu existieren.
9. Die Waldmaus ist das konstanteste Element der Kleinsäugerfauna ost-
deutscher Ackerflächen. Herbstliche Abwanderung in Dörfer und Städte, wie
sie für Westdeutschland ein bekannter Vorgang ist, fehlt bei den branden-
burgischen Populationen östlich der Oder und wohl auch bei westpreußischen.
112
Zeitschrift für Säugetier künde, Bd. 20, 1952 (1955).
10. Das Charaktertier der Solle ist die Nordische Wühlmaus. Genetische
Differenzierung dieser räumlich relativ gut isolierten Populationen ließ sich
bisher nicht nachweisen. Neomys Jodiens, Wasserspitzmaus und Sorex
minutus, Zwergspitzmaus, fehlen den Sollen.
11. Sorex minutus bewohnt auch die Feldhecken. In zwei untersuchten
fand sich — bei allgemein niedriger Feldmausdichte — auch Microtus arvalis
in geringer Anzahl.
12. Die Waldmäuse des Untersuchungsgebietes haben den Feldmauszu-
sanmienbruch des Winters 1952/53 mitgemacht. Die Zahlen dafür sind sta-
tistisch real. Übereinstimmung mit dem Feldmausrhythmus besteht je-
doch nicht.
13. Der Feldmauszusammenbruch des Winters 1952/53 ist nach Maß-
gabe des vorhandenen Futterangebotes vor sich gegangen. Die Feldmäuse sind
ganz einfach verhungert, wobei bei geringstem Nahrungsangebote die ganze
Population zugrunde gegangen ist, in günstigeren Lebensstätten Einzelindi-
viduen sich hielten und auf nahrungsreichen Kleeschlägen die Bestände intakt
blieben.
14. Schadfraß an Rüben und Kartoffeln rührt niemals von der Wald-
maus her. Der Urheber ist die Feldmaus.
15. Waldmäuse fressen regelmäßig Kartoffelkäfer (F. Vater, Biol.
Zentralanstalt Kl. -Machnow).
16. Apodemus agrarius ist für das Pleistozän Mitteleuropas nicht nach-
gewiesen. Sie dürfte ein spätpostglazialer Einwanderer aus dem Osten sein.
17. Talpa magna und Talpa pygmaea (Woldrich 1883), die durch
Größenunterschiede von rezenten Talpa europaea abweichen sollen, fallen
noch in die Variationsbreite dieser Art. Die nur auf Größenabweichungen
beruhenden Unterschiede bei gleichzeitig und miteinander vorkommenden
glazialen Maulwurfsformen können sich so als Ausdruck hoher Größenvaria-
bilität einer Art deuten lassen. Auch das Nacheinander, also die zeitliche
Folge von nur der Größe nach verschiedenen Maulwürfen braucht nicht ohne
weiteres Artverschiedenheit sein. Es könnte sich hier um zeitliche Größen-
schwankungen einer Art handeln.
18. Die postglaziale Wälderzeit (Präboreal bis Subatlantikum) dürfte die
waldfremde Feldmaus in den Steppenheiden und Steppenheidewäldern über-
standen haben. Solche Trockenformationen entsprechen ihrer Vorliebe für
trocknere, lichtoffene Standorte und sind das, was ich als primäre Biotope
bezeichnet habe, wobei an eine Kontinuität dieser Lebensstätten bis auf den
heutigen Tag niemals gedacht wurde. Es genügt, daß von Menschenhand ge-
schaffene örtlichkeiten diesen eigentlichen, natürlichen Lebensräumen ent-
sprechen, und ihre Ausmaße sind dabei von keiner Bedeutung.
G. STEIN, Die Kteinsäuger ostdeutscher Ackerflächen
113
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114
Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
10.) Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmänsen
(Microtus arvalis)
Von Klaus Zimmermann (Berlin)
Mit zwei Abbildungen im Text.
D. Chitty (1952, Mortality among voles (Microtus agrestis) at Lake
Vyrnwy, Montgomeryshire in 1936 — 9. — Phil. Trans. Roy. Soc. London
Ser. B No. 638, Vol. 236) hat gezeigt, daß bei der Erdmaus ( M. agrestis )
ein Zusammenbruch sich noch nach einem Jahre im geringeren Mittelwert
für Körpergewichte bemerkbar machte; bei der für Wühlmäuse bekannten
Schnelligkeit von Wachstum und Generationsfolge ein unerwarteter Zusam-
menhang! Es sei untersucht, ob der Ghitty'sche Befund auch für die Feld-
maus gilt, und ob hier eine Gesetzmäßigkeit vorliegt.
Das zugrunde liegende Material besteht aus Schädelteilen von etwa 8000
Feldmäusen, die in den letzten sechs Wintern von Waldohreulen bei Pots-
dam-Rehbrücke erbeutet wurden. Jagdrevier der Eulen war die Feldmark
von Rehbrücke, Äcker und Wiesen auf Sandboden. Zwei Tagesruhe-Gebiete
der Eulen wurden auf Gewölle in etwa 14tägigen Abständen kontrolliert: im
Kiefernwald am Ravensberge durch O. Schnurre, dem ich für seine
unermüdliche Mitarbeit herzlich danke, und in einem Kiefernwäldchen
dicht bei Rehbrücke durch mich. Als sich herausstellte, daß zeitweise die
gleichen Eulen beide Tagesruh -Wälder abwechselnd benutzten (das Jagd-
revier liegt zwischen diesen beiden) wurden die Gewölle beider Plätze ge-
meinsam ausgewertet.
Als Index der Körpergröße wurde die Mandibel-Länge benutzt und das
Materialauf die 5 um je 1mm steigenden Längenklassen I-V verteilt (Tab. 2).
In die Beobachtungszeit von 1949 bis 1955 fallen zwei Zusammenbrüche:
1949/50 und 1952/53. Direkte Beobachtungen des Zusammenbruches konnten
nur in den letzten Januar -Tagen 1953 gemacht werden: Bei Rehbrücke ent-
hielten die Gewölle neben nur acht anderen Beutetieren 242 Feldmäuse,
von denen mehrere unverdaut geblieben waren, halbe Feldmäuse lagen neben
den Gewöllen unter dem Tagesruhe-Baum, und das gleiche fand Schnurre
an denselben Tagen am Ravensberge. Indirekt kennzeichneten sich beide
Zusammenbrüche der Beobachtungszeit durch Absinken des Feldmaus-An-
teiles der Gesamtbeute von 80 — 90 % auf etwa 60 % und durch Ansteigen des
Spitzmaus -Anteiles von 0—1% auf 10— 13 o/q (Tab. 1).
Vor einem Vergleich der Größenverteilung für die gesamten Feldmäuse
der sechs Beobachtungswinter sei auf jene Verschiebung der Klassen-Anteile
hingewiesen, die sich vom Herbst bis zum nächsten Frühjahr in jedem Win-
ter gleichlaufend abspielt. Abb. 1 zeigt die jeweiligen Unterschiede zwischen
den Monaten Sept./Okt. einerseits, Febr. /März andererseits. (Für Frühjahr
K. ZIMMERMANN, Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmäusen 115
Tabelle 1.
Prozente der
Gesamtbeute
49/50
Zusam
50/51
51/52
52/53
Zusam
53/54
54/55
3
ä>
3
a>
Feldmaus
84
53
D-
C
63
81
91
nbrucb
60
71
Spitzmaus
1
Ci
10
0
0
13
2
50/51 51/52 52/53 53/54 54 55
Abb. 1.
1955 stehen statt der Febr./März- die Januarwerte, weshalb für den Winter
1954/55 die Differenz Herbst-Frühjahr nicht voll erfaßt ist.)
Kennzeichnend sind jedesmal die Verluste in den Flügelklassen und die
Konzentration auf die mittleren. Die Fortpflanzung setzt über Winter aus,
der Anfangsbestand der niedrigsten Klasse rückt durch Wachstum in die
nächst höheren auf. Der Anfangsbestand der höchsten Größenklasse ver-
schwindet durch Alterstod. Da das Winterwachstum für einen Übergang
in die höchste Klasse nicht ausreicht, ist Klasse V bei Winterende unbesetzt.
Klasse II wächst einschließlich des aus I erhaltenen Zuwachses bis auf
116
Zeitschrift für Säu^tierkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
wenige (3 — 4) Prozente in Klasse III hinüber. In den Klassen III und IV
ist der Zuwachs größer als die Abgabe in höhere Klassen; beide erhöhen
über Winter ihre Anteile. So vollzieht sich die winterliche Bestandsumwand-
lung durch Wachstum und Absterben in den „gewöhnlichen" und interessan-
terweise auch in einem der beiden Nachzusammenbruchswinter. 1950/51
geht die Population, wie nach dem Zusammenbruch 1950 zu erwarten war,
kleinwüchsig, d. h. mit einem hohen Anteil an Jungtieren, in den Winter.
Das winterliche Wachstum muß aber diesmal ungewöhnlich hoch gewesen
sein, denn im März 1951 ist genau die gleiche Größenverteilung erreicht
wie im März 1953 (vgl. Tab. 2).
Ganz anders der nächste Nachzusammenbruchswinter 1953/54: Hier zeigt
sich in vollem Umfang der G h i 1 1 y - Befund. Im Herbst 1953 ist die
Population auffallend kleinwüchsig, das winterliche Wachstum ist sehr gering.
Nur die niederen Klassen I — III zeigen, daß überhaupt Wachstum statt-
findet. Klasse IV, deren Anteil in den drei vorigen Wintern auf das
ly^fache bis Doppelte des Herbstbestandes stieg, verliert über Winter die
Hälfte. Ich habe vom Errechnen der Größenmittelwerte für ganze Zeit-
abschnitte abgesehen, weil in diesem Falle nichts Biologisches in solchen
Werten steckt. Zur Kennzeichnung der Sonderstellung dieses Winters aber
folgender Hinweis: In den drei vorhergehenden Wintern und im darauf-
folgenden steigt von Herbst bis Frühling die mittlere Mandibel-Länge um
0,1 — 0,6 mm. 1953/54 sinkt sie um 0,4 mm. Die Population ist also über
Winter kleiner an Wuchs geworden und zeigt deutlich das von D. G h i 1 1 y
bei M. agrestis Beobachtete. Ob es sich dabei um eine gesetzmäßige Nach-
wirkung des Zusammenbruchs an sich handelt, erscheint fraglich, da im
Winter nach dem Zusammenbruch 1949/50 die Population keine negative
Beeinflussung des Körperwachstums zeigte. Anscheinend sind die auf einen
70 o/o
öOO/o
50 o/o T
40 o/o
30 o/o
20 o/o -
100/0 -
00/0
Winter
I II III IV V
49/50
I II III IV V
50/51
I ti MI IV y
51/52
I 1! III IV V
52/53
1
I II III IV V
53.' 54
1! III IV V
54/55
60 0/0^
50% •
400/0
30%-
-200/0
- 100/0
^ 00/0 ,
Abb. 2.
K. ZIMMERMANN, Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmäusen 117
Tabelle 2.
Größenverteilung der Feldmäuse auf die Wintermonate.
Größenklassen
I
II
III
IV
V
ItA i> Ii d t Uko
14^m
15^m
1^ Hl Hl
13 mm
l f\ mm
XII 1950 8
28
48
15
1
101
50/51
I 1951 4
30
54
12
0
133
II 1
16
tro
58
25
0
93
III 0
4
60
36
0
28
IX 12
16
21
32
19
138
X 17
24
22
26
11
169
51/52
XI 8
12
33
29
18
124
XII 4
6
48
30
12
274
I 1952 0
4
48
42
6
376
TT (\
11 U
3
53
41
o
3
125
IX 5
16
51
18
10
149
X 2
5
58
26
9
215
XI 0
7
62
24
7
206
52/5o
"VTT r»
All 0
7
62
25
6
342
1 195o 0
o
8
CO
68
24
0
445
II 0
3
65
31
\
437
III 0
4
60
36
0
50
IX— X 11
26
42
21
0
110
XI 9
50
37
4
0
108
53/54
XII 2
37
56
5
0
120
I— II 1954 1
42
51
6
0
120
III 0
24
66
10
0
163
IX 1954 24
20
37
16
3
101
54/55
X— XII 9
50
30
11
0
68
I 1955 0
20
67
12
1
70
I— V = Anteil in
Prozenten.
— n
= Zahl
der Tiere.
Zusammenbruch folgenden Witterungsverhältnisse entscheidend für das
Tempo des Wiederaufbaues von Bestandsdichte und normaler Körpergröße.
Tab. 2 und Abb. 2 geben die Größenverteilung aller in den fünf Wintern 1949—
1954 erbeuteten Feldmäuse. Ohne Berücksichtigung der nur bis Januar vorlie-
genden Werte für 1954/55 zeigen sich für die einem Zusammenbruch folgen-
den Winter 1950/51 und 1953/54 kennzeichnenden Besonderheiten: Anteil
der beiden niedrigsten Größenklassen ist hoch : 24 und 38 % gegen 3,6 und
11% in den drei anderen Wintern: Anteil der beiden höchsten Größen-
klassen mit 18 und 9 % gering gegen 53, 49 und 33 %.
Die sich hier andeutende Gesetzmäßigkeit — je höher die Siedlungsdichte,
um so größer die mittlere Körperlänge — wird verständlich, wenn wir an-
nehmen, daß die gleichen Außenfaktoren, die zum Anwachsen der Siedlungs-
dichte führen, auch dem Einzeltier optimale Wachstumsmöglichkeit geben.
Vom Versuch einer Zuordnung der Größenklassen zu Altersstufen wurde
abgesehen, obwohl für 1500 Feldmäuse mit bekanntem Alter aus Zuchten
in Oldenburg und Rehbrücke die Maße für Schädel- und Mandibel-Längen
vorliegen (Frank, Zimmermann, Arch. Nat. Gesch. im Druck).
8
118
Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
Die hier aufgezeigten jährlichen Schwankungen im Anteil von Größen-
klassen sind nicht ausschließlich Schwankungen im Anteil von Altersklassen,
sie sind zum Teil auch bedingt durch Schwankungen im Wachstumstempo.
Folgende Befunde deuten auf Unterschiede im Wuchstempo:
1. Extreme Ausbildung der Knochenleiste im Interorbitalraum ist ein Kenn-
zeichen „alter" Feldmäuse; an etwa 7000 Oberschädeln des Gewöll-
materials konnte der Anteil dieses Altersmerkmals in den einzelnen
Jahren protokolliert werden, er erwies sich als relativ konstant (2 — 3%
Schädel mit extremer Leiste), während doch der Jahresanteil der höchsten
Größenklasse zwischen 0 und 10 % schwankt.
2. Abb. 1 zeigt, daß die im Herbst vorhandenen Tiere der höchsten Größen-
klasse im folgenden Frühjahr verschwunden sind, was mit unseren Vor-
stellungen vom Alterstod übereinstimmt. Im Herbst 1953 fehlt die höchste
Größenklasse ganz, aber dennoch ist der Alterstod über Winter erkennbar,
nur diesmal bei den Tieren der zweithöchsten Größenklasse IV, die in
den drei vorhergehenden Wintern ihren Anteil erheblich steigert.
Tabelle 3.
Größenverteilung der Feldmäuse in 6 Wintern.
Größenklassen
I
II
III
IV
V
bis
bis
bis
bis
bis
Winter
12 mm
13 mm
14 mm
15 mm
16,4 mm
n
49/50
0
3
44
44
9
250
50/51
3
21
58
18
0
615
51/52
3
8
40
39
10
2280
52/53
0
6
61
29
4
4004
53/54
4
34
53
9
0
700
54/55
12
28
45
13
2
229
8078
I — V = Anteil in Prozenten. — n = Zahl der Tiere.
Zusammenfassung.
Für die Jahre 1949 — 1955 werden die Schwankungen der Körperlänge
von Feldmäusen aus Waldohreulen-Gewöllen von Potsdam-Rehbrücke gezeigt,
wobei Mandibel-Länge als Index der Körperlänge dient. Wechsel im An-
teil der Größenklassen im Herbst und Frühjahr ist bedingt durch winterliche
Vermehrungspause und durch winterlichen Alterstod. Außerdem wechselt die
mittlere Körpergröße der Population im Zusammenhang mit deren Dichte:
Je höher die Siedlungsdichte, um so größer die mittlere Körperlänge, weil
beide durch dieselben Außenfaktoren gefördert werden. Kurz nach einem
Zusammenbruch ist die mittlere Körpergröße am geringsten; ebenso wie das
Tempo der Siedlungsverdichtung scheint das Tempo des individuellen Wachs-
tums von Außenfaktoren abhängig zu sein.
^^^^^^ Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde e.V.
G
BERLIN W 30,
Budapester Straße 26
Fernsprecher: 2416 60
Postscheckkonto: Berlin-West Nr. 615 20
!•) 28. Hauptvers^ammlung unserer Gesellschaft
vom 30. Juli bis 4. August 1954 iu München
Von Kurt Becker (Berlin)
A. Einladung
vom 31. Mai 1954, verändert gemäß dem tatsächlichen Ablauf.
Die diesjährige Hauptversammlung unserer Gesellschaft wurde vom Vor-
stande auf die Zeit vom 30. Juli bis 2. (4.) August festgelegt. Als Ort hatte die
letzte Hauptversammlung München bestimmt. Sie wird hier in den RäumeöJ
des Zoologischen Institutes der Universität München, Luisenstr. 14, abgehalten
werden. Wir geben anschließend das endgültige Programm bekannt und laden
unsere Mitglieder und Freunde auf das herzlichste ein, an der Versammlung)
teilzunehmen. Die Verhältnisse zwingen uns, diesmal eine Teilnehmergebühr
von DM- West 1, — zu erheben, die vorher mit der (beiliegenden) Amnelde-
karte in Briefmarken an den Geschäftsführer einzusenden ist. Die Teilnehmer-
karten werden dann auf dem Begrüßungsabend bzw. bei der Eröffnung über-
reicht (wenn Porto mit eingeschickt wird, auch vorher zugesandt). Auslän-
dische Teilnehmer sind von der Vorauszahlung befreit.
Programm
Freitag, 30. Juli 1954
19.00 Uhr: Begrüßimgsabend. Gemütliches Beisammensein im Hotel Wolf f,
Arnulfstr. 4, am Hauptbahnhof.
Sonnabend, 31. Juli 1954
9.00 Uhr: Eröffnung der Tagung im Gr. Hörsaal des Zool. Inst. Be-
grüßungsansprachen. Geschäftliche Mitteilungen. Anschließend
1. wissenschaftliche Sitzung. Thema: Populationsforschung.
Referat: Fritz Frank (Oldenburg), Ergebnisse und Probleme
neuer populationsdynamischer Untersuchungen an deutschen Klein-
säugern (Micro tinae) .
Vorträge Chitty, Stein, Zimmermann, v. Wijngaarden, v. Eibl-
Eibesfeld; s. u.
13.00 Uhr: Photographische Aufnahme der Teilnehmer vor dem Zoolo-
gischen Institut.
13.15 Uhr: Gemeinsames Mittagessen im Hotel Wolff, Arnulfstr. 4, am
Hauptbahnhof. Essen nach der Karte.
8*
120
Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
15.00 Uhr: 2. wissenschaftliche Sitzung. Thema: Morphologie.
Vorträge Teile, Steven, Becker, Dathe; s. u.
16.30 Uhr: Gemeinsame Fahrt nach Hellabrunn.
17.00 Uhr: Führung durch den Tiergarten Hellabrunn durch Direktor
Heinz Heck. Anschließend Begrüßung durch den Vertreter der
Stadt München im Tiergartenrestaurant.
Sonntag, 1. August 1954
8.30 Uhr : 3. wissenschaftliche Sitzung. Thema : Ökologie und Physiologie.
Referat: Konrad Herter (Berlin-Dahlem), über den Winter-
schlaf der Säugetiere.
Vorträge Mehl, v. Wettstein, v. Vietinghoff, Leyhausen, Eisen-
traut; s. u.
13.00 Uhr: Gemeinsames Mittages&en im Hotel Wolff, Arnulf str. 4, am
Hauptbahnhof. Essen nach der Karte.
15.00 Uhr: 4. wissenschaftliche Sitzung.
Vorträge Kühlhorn, MüUer-Using, Kleinschmidt, Stammer,
Ryberg; s. u.
17.00 Uhr: Gemeinsame Fahrt nach Nymphenburg. Besichtigung der
Zoolog. Staatssammlung, insbesondere ihrer Säugetierabteilung.
20.00 Uhr: Gemütliches Beisammensein. Ort wird vorher bekanntgegeben.
Montag, 2. August 1954
8.30 Uhr: 5. wissenschaftliche Sitzung. Ohne zusammenfassendes Thema.
Vorträge v. Eibl-Eibesfeld, Frank, Teile, Pohle; s.u.
10.00 Uhr : Geschäftssitzung im Gr. Hörsaal des Zool. Instituts.
Nur für Mitglieder. Tagesordnung:
1. Geschäfts- und Kassenbericht.
2. Entlastung des Geschäftsführers und des Schatzmeisters.
3. Wahl des nächstjährigen Tagungsortes.
4. Festsetzung der Jahresbeiträge für 1953 bis 1955.
5. Beschlußfassung über Satzungsänderung; s. u.
6. Neuwahl des Geschäftsführers für die Zeit vom 1. 1. 1955
bis 31. 12. 1956.
12.00 Uhr: Schluß der offiziellen Tagung. Anschließend gemeinsames
Mittagessen im Hotel Wolff, Arnulfstr. 4, am Hauptbahnhof.
13.10 Uhr: Abfahrt des Zuges nach Salzburg. Fahrtkosten hin und zu-
rück: Einzelfahrt DM 24—, bei 12—24 Teilnehmern DM 16,—,
bei 25 Teilnehmern oder mehr DM 12, — .
15.32 Uhr: Ankunft in Salzburg. Besuch des Hauses der Natur; Führung
durch seinen Direktor Prof. Dr. Tratz. Anschließend Logisvertei-
lung. Am Abend ist Gelegenheit, einer Vorstellung der Salzburger
Festspiele beizuwohnen. Die Karten müssen aber umgehend vor-
bestellt werden.
Dienstag, 3. August 1954
9.00 Uhr: Abfahrt von Salzburg mit Kleinautobus zum Schloß Blühn-
bach. Wanderung zu den Teufelshömern. Beobachtungsmöglichkeit
auf Steinböcke, Schneehasen, Schneehühner, Alpendohlen, Kolk-
raben, Steinadler u. a. Nachmittags Rückkehr nach Salzburg.
Abends gemütliches Beisammensein.
K. BECKER, Niederschrift der 28. Hauptversammlung.
121
Mittwoch, 4. August 1954
9.00 Uhr: Besichtigung von Salzburg: Baudenkmäler, Nonnberg-Kloster,
Hohensalzburg, Stadtmuseum.
13.00 Uhr: Gemeinsames Mittagessen.
14.00 Uhr: Besichtigung der freilebenden Gemmen auf dem Kapuziner-
berg.
18.32 Uhr: Rückfahrt mit Eisenbahn nach München.
Für die einzelnen Vorträge stehen je 20 Minuten zur Verfügung. Für
die Referate sind 60 Minuten Redezeit vorgesehen.
An Vorträgen sind gemeldet:
1. K. Becker (Berlin-Dahlem): über Art- und Geschlechtsmerkmale am
Becken einheimischer Insectivoren.
2. G. Brunner (Nürnberg): Die diluviale Kleinsäugerwelt.
3. D. Chitty (Oxford): Recent work on fluctuations in numbers of mammals
and birds.
4. H. Dathe (Leipzig): Bau und Funktion des Kopulationsorganes männlicher
hystricomorpher Nagetiere.
5. H. Ebhardt (Hannover): Die Bedeutung der rezenten und paläontologischen
Forschung am Pferd.
6. M. Eisentraut (Stuttgart): Vorläufiger Bericht über säugetierkundlich©
Untersuchungen am Kamerunberg.
7. F. Frank (Oldenburg): Vorführung von Farbdias der Lrebensräume heimi-
scher Kleinsäuger.
8. B. Grzimek (Frankfurtmain): Beobachtungen an Säugetieren im Belgi-
schen Kongo.
9. A. Kleinschmidt (Braunschweig): Die Speed -Ebhardt'sche Pferdetypen-
lehre und ihre praktische Anwendung auf die Beurteilung von neuen Fun-
den aus dem Palaeolithikum von Salzgitter-Lebensstedt.
10. F. Kühlhorn (München): Tierische Lebensräume in Süd-Mattogrosso.
11. P. Leyhausen (Göttingen): Die wissenschaftliche Film-Enzyklopädie.
12. S. Mehl (München): Das Gaumendach einheimischer Kleinsäuger.
13. D. Müller-Using (Hann. -Münden): Zur Verbreitungsgeschichte und Öko-
logie der Marmota marmota L.
14. H. Pohle (Berlin-Schöneberg): über den Status des Schomburgkhirsches.
15. G. H. W. Stein (Berlin): Populationsanalysen am Maulwurf.
16. D. M. Stevens (Edinburgh) : A genetical analysis of the island forms of
Clethrionomys in Britain.
17. H. J. Teile (Klein-Machnow) : Zur Territorialität der Wanderratte.
18. 0. V. Wettstein (Wien): Was ist Gapra dorcas Reichenow?
19. A. V. Vietinghoff-Riesch (Hann. -Münden): Siebenschläfermarkierungen
im Deister.
20. A. V. Wijngaarden (Wageningen): Populationsdynamik der Feldmaus, Mi-
crotus arvalis Pallas, in der Betuwe.
Die Nrn. 2, 5, 8 fielen aus: Dafür wurden nachträglich gemeldet:
21. I. Eibl-Eibesfeld (Buldern): Vorführung des Filmes „Biologie des
Hamsters".
22. I. Eibl-Eibesfeld (Buldern): Beobachtungen über territoriales Verhal-
ten und Brutpflege des Galapagos-Seelöwen.
122
Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
23. O. Ryberg (Älnarp) : über die Lebensweise der Fledermäuse in Schweden.
24. H. J. Stammer (Erlangen): über Parasiten der deutschen Kleinsäuger.
25. H. J. Teile (Hannover): Vorführung des Aufklärungsfihnes „über Bio-
logie und Bekämpfung der Wanderratte".
26. K. Zimmermann (Berlin): Körpergroße und Bestandsdichte bei Feld-
mäusen.
Wünsche wegen etwa benötigter optischer und anderer Apparate und
Instrumente bitten wir an das Zoologische Institut der Universität München,
Luisenstr. 14, zu richten.
Zur Tagesordnung der Geschäftssitzung ist folgender Satzimgsänderungs-
antrag von den Mitgliedern Becker, Herter, Mohr, Nachtsheim, Stein und
Zimmermann eingegangen:
Die Hauptversammlung wolle beschließen, daß der § 12 un&erer Satzung
folgende Fassung erhalte:
„§ 12 Rechte und Pflichten des Vorstandes.
Der 1. Vorsitzende vertritt die Gesellschaft nach innen. Die anderen Vor-
sitzenden sind seine berufenen Vertreter. Der Geschäftsführer vertritt im Ein-
vernehmen mit den übrigen Vorstandsmitgliedern die Gesellschaft nach außen
und erledigt die laufenden Geschäfte. * Der Schriftführer hat über jede Ver-
sammlung und Sitzung der Gesellschaft sowie über jede Vorstandssitzung eine
Niederschrift herzustellen, die nach Genehmigung durch die betreffende oder
die nächste gleichartige Versammlimg von ihm und dem Vorsitzenden der
Versammlung zu vollziehen ist. Der Schatzmeister zieht die Beiträge ein, führt
die Kasse und verwaltet das Vermögen der Gesellschaft.
Die Gesellschaft gibt die Zeitschrift für Säugetierkunde heraus. Der Vor-
stand beruft ein Herausgeberkollegium. Dieses besteht aus dem Herausgeber
und vier Mitgliedern, deren Arbeitsgebiete möglichst verschiedene Richtungen
der Säugetierforschung umfassen sollen. Die fünf Mitglieder des Kollegiums
gestalten gemeinsam die Zeitschrift, in Zweifelsfällen entscheidet die einfache
Mehrheit. Nach Neuwahl des Vorstandes bedürfen die Mitglieder des Heraus-
geberkollegiums einer Bestätigung durch den neuen Vorstand.''
Die neue Fassung unterscheidet sich dadurch von der alten, daß bei *
folgender Satz: ,, insbesondere ist er der Herausgeber der Vereinszeitschrift"
fortgelassen und daß der zweite Absatz zugesetzt wurde.
Nun fällt unsere Tagung gerade in den Anfang der Festspielzeit. Damit
wir überhaupt Unterkimft bekommen können, müssen die Zimmer sofort fest
bestellt werden. Wir bitten daher, die zweite Anmeldekarte lungehend, d. h.
bis zum 25. 6., an Herrn Prof. Dr. E. P. Tratz, abzuschicken.
Für die Reise nach Salzburg ist kein besonderes Visum nötig. Es genügt,
wenn jeder Teilnehmer seinen Paß oder seine Kennkarte mit sich führt. Das
gilt auch für Bewohner der Sowjetzone, die von München aus an der Exkur-
sion teilnehmen.
Wegen der Logisbeschaffung in München wende man sich an unser Mit-
glied Dr. Th. Haltenorth, München 38, Menzinger Straße 67, Zool. Staatsslg.,
Telefon 62 260. Wir bitten die Teilnehmer im eigenen Interesse, Mitteilun-
gen möglichst umgehend abzusenden.
Der erste Vorsitzende Der Geschäftsführer
Prof. Dr. H. Nachtsheim, Prof. Dr. H. Pohle,
Berlin-Dahlem, Ehrenbergstr. 26, 28. Berlin W 30, Bamberger Straße 32.
K. BECKER, NiecLer&chrift der 28. Hauptversammlung.
123
B. Anwesenheitsliste.
Mitglieder :
Bauer, Neusiedl am See (Österreich); Becker, Berlin; v. Boetticher, Co-
burg; Burckhardt, Sempach (Schweiz); Dathe, Leipzig; Eibl-Eibesfeld,
Buldern; Eisentraut, Stuttgart; Feiten, Frankfurt a. M. ; Fehringer, Hecken-
dorf; Frank, Oldenburg; Freye, Halle (Saale); Gaffrey, Dresden; Gerber,
Leipzig; Gerlach, Hannover; Haltenorth, München; Hai trieb, Greif swald;
Haring, Göttingen; Herold, Berlin; Herre, Kiel; Herter, Berlin; Issel, Gar-
misch-Partenkirchen; Zool. Institut, Erlangen (Stammer); Kleinschmidt,
Braunschweig; Klemm, Berlin; Walter Koch, München; v. Lehmann, Ersdorf;
Leyhausen, Göttingen; Mohr, Hamburg; Müller-Using, Hann.-Münden;
Nachtsheim, Berlin; Hans Petzsch, Halle (Saale); Hertha Petzsch, Halle
(Saale); Piechocki, Halle (Saale); Charlotte Pohle, Berlin; Hermann Pohle,
Berlin; Priemel, Frankfurt a. M.; Reinig, Stuttgart; v. Roy, Berlin; Ryberg,
Alnarp (Schweden); Stein, Fürstenwalde; Steinbacher, Augsburg; Teile, Han-
nover; Tembrock, Berlin; Tenius, Hannover; Tratz, Salzburg (Österreich);
V. Wettstein, Wien (Österreich); Wolf, Bonn; Zieske, Passau; Zimmermann,
BerHn.
Gäste :
Dieter Backhaus, Mühlheim (Ruhr); Dr. A. C. V. van Bemmel, Utrecht
(Holland); Bisetzki, München; Dr. J. Boessneck, München; Dr. F. W..
Braestrup, Kopenhagen (Dänemark); Hans Buchner, München; Dr. Dennis
Chitty, Oxford (England); Helen Chitty, Oxford (England); Frl. Nora
Croin-Michielsen, Leiden (Holland); Dr. Richard Dehm, München; Dr. H.
Erhard, Adelholzen; Fr. Erhard, Adelholzen; Fr. W. Fehringer, Heckendorf;
Gerrit Friese, Greifswald; Dr. R. Ginzinger, München; 0. Göllner, München;
Renate Graf, München; Dr. Grau, München; Dr. Griesinger, München; Dr. R.
W. Grünwaldt, München; Fr. E. Grünwald t, München; Frl. Dr. Ruth Gruhn,
Göttingen; Gstindler, München; Frl. Dr. Brigitte Hagen, Bonn; Fr. Charlotte
Haltenorth, München; Hehnuth Haltenorth, München; Dr. Henze, Garmisch-
Partenkirchen; Heinz Heck, sen., München; Heinz Heck, jun., München;
Fr. Margarete Herter, Berlin; Fr. Dr. Brigitte Issel, Garmisch-Partenkirchen;
R. Jander, München; Karin Kärst, Bremen; Konrad Klemmer, Frankfurt
a. M.; Dr. Koller, München; Dr. Helmut Kraft, München; Fr. Kraft, Mün-
chen; Dr. H. E. Krampitz, Frankfurt a. M.; Dr. Friedrich Kühlhorn, Mün-
chen; Hans Georg Kuhn, Heidelberg; Dr. Bernhard Lange, Oldenburg; Dr.
PhiKpp Lehrs, München; Frl. Antonie Lochbrunner, München; G. A. v. May-
dell, Stuttgart; Dr. Siegbert Mehl, München; Dr. H. Mendheim, München;
Meuser, Unterpfaffendorf; Dr. Raimond Neseni, Rostock; Fr. Neufang, Salz-
burg; Th. Oettingen, München; Hubert Oldiges, München; Kurt Ostermann,
München; Johann Popp, München; Dr. G. Piekarski, München; Dr. Wal-
ter Rieck, Hann. -Münden; Fr. Rieck, Hann.-Münden; Dr. Manfred Röhrs,
Kiel; Wolf gang Rohr, München; Ernst Rühmekorf, Frankfurt a. M.; Otmar
Schäuf feien, Ulm; Thomas Schelkopf, München; Otto Silier, München; Dr.
David M. Steven, Edinburgh (Schottland); Fr. M.-L. Tembrock, Berlin; Fr.
124
Zeitschrift für Säiigetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
Renate Tenius, Hannover; M. Tohmey, München; Dr. A. Freiherr v. Vieting-
hoff-Riesch, Hann. -Münden; Dr. Hugo Weigold, Krailling; Frl. Weiß, Greifs-
wald; Dr. A. van Wijngaarden, Wageningen (Holland); Fr. Zieske, Passau;
Alfred Zoll, München; 2 unleserliche Namen. Insgesamt: 123 Teilnehmer.
C. Verlauf des ersten Tages, Freitag, 30. 7. 1954.
18 Uhr 15 bis 19 Uhr 15 Vorbesprechung.
Anwesende: Becker, Haltenorth, W. Koch, Nachts heim, Pohle, Stein und
Zimmermann.
Vor Eröffnung des Begrüßungsabends traf der Vorstand der Gesellschaft
unter dem Vorsitz von Herrn Nachtsheim mit dem Ortsausschuß zu einer
kurzen Sitzung im Hotel Wolff zusammen, um das Programm endgültig fest-
zulegen. Es wurde außerdem beschlossen, vorzuschlagen, Herrn Schwangart,
der aus gesundheitlichen Gründen der Versammlung fernbleiben mußte, als
dem derzeitig ältesten Mitglied der Gesellschaft ein Grußtelegramm zu über-
mitteln. Die Eröffnungssitzung beschloß ein solches Telegramm. Es hatte fol-
genden Wortlaut:
„Die in München und Salzburg tagende Deutsche Gesellschaft für
Säugetierkunde hat mich beauftragt, Ihnen herzliche Grüße und beste Glück-
wünsche für Ihr Wohlergehen im neunten Jahrzehnt zu übermitteln.
Dr. Hermann Pohle."
Herr Schwangart dankte der Gesellschaft mit folgendem Schreiben:
Gräfelfing, den 6. 8. 1954
An die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde,
zu Händen von Herrn Prof. Dr. H. Pohle
Berlin W SO, Budapester Straße 36
Sehr geehrter Herr Kollege,
bitte, übermitteln Sie der Gesellschaft meinen herzlichen Dank für das
freundliche Begrüßungstelegramm und die guten Wünsche von der München-
Salzburger Tagung. Ich habe um so mehr bedauert, ihr fernbleiben zu müs-
sen, nachdem ich durch meinen vormaligen Schüler Dr. Petzsch von dem
besonders erfolgreichen Verlauf erfahren hatte bei seinem Besuch in meiner
Wohnung.
Mit herzlichen Grüßen der Gesellschaft und Ihnen persönlich
Ihr ergebener F. Schwangart.
19 Uhr 15 bis 24 Uhr 00 Begrüßungsabend.
Zu dem Begrüßungsabend, der ebenfalls im Hotel Wolff stattfand, er-
schienen 40 Mitglieder und 28 Gäste. Wie immer, wenn sich nach langer Zeit
alte oder neue Freunde und Bekannte begegnen, sich Fremde mit Namen, die
bisher nur aus der Literatur oder über den Briefwechsel vertraut waren, ge-
genseitig vorstellen, so gab es auch hier ein nicht endenwollendes Gespräch
in freundschaftlicher Atmosphäre. Nur schwer war die Versammlung dazu
zu bewegen, in dem inzwischen viel zu eng gewordenen Raum Platz zu
nehmen. Dadurch war den Herren 'Nachtsheim und Pohle Gelegenheit ge-
geben, einige geschäftliche Mitteilungen zu machen. U. a. gab Herr Nachts-
K. BECKER, Niederschrift der 28. Hauptversammlung.
125
beim den Anwesenden die endgültige Vortragsfolge an den wissenschaftlichen
Sitzungen bekannt und Herr Pöble verteilte die Teilnehmerkarten, zwei neu
erschienene Hefte der Zeitschrift an die Mitglieder (Band 19, Heft 1/2,
Band 20, Heft 1) u. a.
D. Eröffnung der Tagung, Sonnabend, 31. 7. 1954.
Anwesende: 40 Mitglieder, 28 Gäste. Vorsitz: Herr Nachtsheim.
Als 1. Vorsitzender der Gesellschaft eröffnete Herr Nachtsheim 9.20 Uhr
die 28. Hauptversammlung 1954 im Großen Hörsaal des Zool. Instituts der Uni-
versität München. In seinen Begrüßungsworten dankte er dem Hausherrn,
Prof. IC. V. Frisch, für die Gastfreundschaft, welche die Versammlung in
seinem Institut genießt. Ebenso gedachte er in herzlichen Worten Prof. H.
Krieg, der leider auch an der Teilnahme der Versammlung verhindert war.
Anschließend überbrachte Herr v. Wettstein die Grüße des österreichischen
Arbeitskreises für Wildtierforschung in Graz. Herr Haltenorth begrüßte die
Versammlung als Vertreter des Ortsausschusses der Gesellschaft in München
und wünschte der Tagung einen harmonischen Verlauf.
Zur Tagung der 28. Hauptversammlung erhielt die Gesellschaft folgende
Glückwunschadressen :
a) Zur 28. Hauptversammlung in München sende ich der Deutschen Ge-
sellschaft für Säugetierkunde die herzlichsten Grüße! Eberhard Jany, Mam-
malogist of the Museum Zoologicum Bogoriense. — b) Ich wünsche der Ta-
gung einen erfolgreichen Verlauf in der Hoffnung, mich an der nächsten
Hauptversammlung beteiligen zu können. Mit dem Ausdruck meiner vorzüg-
lichsten Hochachtung verbleibe ich Ilir sehr ergebener Dr. Dr. A. Kiessel-
bach, Regensburg. — c) Wegen Erkrankung verhindert wünscht der Tagung
guten Erfolg. Grzimek, Frankfurt. (Telegramm). — d) Ich wünsche Ihrer
Tagung einen guten Verlauf. Prof. Dr. H. Liebmann, München 22, Bayerische
Biologische Versuchsanstalt. — e) Ich wünsche Ihnen besten Verlauf der
Tagung und grüße herzHeh Ihr ergebenster P. Kassner.
Als Vertreter ausländischer Gesellschaften meldeten sich der österrei-
chische Arbeitskreis für Wildtierforschung, Graz, und der Verein für Säuge-
tierkunde und Säugetierschutz in den Niederlanden mit folgenden Schrei-
ben an:
a) An die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde, Berlin. Wegen Un-
abkömmlichkeit des Vorstandes der Geschäftsführung, Dr. Rudolf Amon,
Graz, wird aller Voraussicht nach den österr. Arbeitskreis für Wildtierfor-
schung, Sitz Graz, Herr Pd. Dr. Otto Wettstein-Westersheim, Wien III,
Löwengasse 25, bei der 28. Hauptversammlung in München vertreten. Mit
dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung Dr. Amon, Vorstand der Geschäfts-
führung, österreichischer Arbeitskreis für Wildtierforschung, Sitz Graz. Ge-
schäftsführung: Graz, Ballhausgasse 3/2.
b) Ich nehme an der Tagung in München vom 30. Juli 1954 bis 2. August
1954 teil. Dr. A. G. V. van Bemmel, Vertreter des Vereins für Säugetier-
kunde und Säugetierschutz in den Niederlanden.
Vor Eröffnung der ersten wissenschaftlichen Sitzung machte Herr Pohle
noch einige geschäftliche Mitteilungen.
126
Zeitschrift für SäugetLerkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
E. 1. wissenschaftliche Sitzung.
Sonnabend, 31. Juli 1954, 9 Uhr 33 bis 13 Uhr 22. Vorsitz: H. Nachts-
heim. Anwesende: 38 Mitglieder, 35 Gäste.
Herr Nachtsheim eröffnet die erste wissenschaftliche Sitzung und erteilt
Herrn F. Frank (Oldenburg) das Wort zu seinem Referat über „Ergeb-
nisse und Probleme neuer populationsdynamischer Un-
tersuchungen an deutschen Kleinsäugern (Microtinae/% das
er wie folgt referierte:
Zyklische Massenvermehrungen von Nagetieren sind als weitverbreitetes
Phänomen Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in vielen Ländern der
Erde gewesen. Da sich diese Arbeiten aber meist auf eine rein statistische
Erfassung und Deutung der Phänologie beschränkten und sich kaum mit der
Beobachtung und Aufklärung der den Zyklen zugrundeliegenden populations-
dynamischen Vorgänge befaßten, blieben die Lösungsversuche durchweg im
Stadium der Spekulation stecken. Erst seit den Jahren 1949/50 wird auch in
Deutschland an diesem Problem gearbeitet. Nach den vor allem an Micro-
tinen und unter diesen in erster Linie an der Feldmaus (M. arvalis) durch-
geführten Untersuchungen von Frank und Stein sowie Becker und
Maercks ergibt sich nunmehr folgende Auffassung: Die durch zyklischen
Massenwechsel ausgezeichneten Arten verfügen über ein hohes „Fortpflan-
zungspotential", das aus starken Würfen, schneller Wurffolge, früher Ge-
schlechtsreife und einer relativ ausgedehnten Fortpflanzungsperiode resul-
tiert. Dieses Potential kann in optimalen Lebensräumen (Plagegebieten) tat-
sächlich realisiert werden. Als beeinflussende ökologische Faktoren sind vor
allem Nahrung, Deckung, Grundwasserstand, Sonnenlicht, überwinterungs-
möglichkeiten und Landschaftsstruktur anzusehen, die unter dem Sammel-
begriff „Raumpotential" zusammengefaßt werden. Das Ausmaß der durch
Zusammenspiel von Fortpflanzungs- und Raumpotential ausgelösten Massen-
vermehrung hängt entscheidend vom „Verdichtungspotential" der betreffen-
den Art ab, das durch eine Reihe von sozialen Verhaltensmechanismen geför-
dert wird (Revierverkleinerungsvermögen, GroßfamiUen und Rudel, Winter-
gemeinschaften, Nestgemeinschaften der Weibchen, Männchenelimination). —
Die Dichteregulation erfolgt normalerweise durch Abwanderung und Sterb-
lichkeit (vor allem Wintersterblichkeit). Feinde spielen in den eigentlichen
Plagegebieten keine wesentliche Rolle. Haben Fortpflanzungs-, Raum- und
Verdichtungspotential extreme Populationsverdichtung hervorgerufen, werden
weitere Regulationsmechanismen wirksam, zuerst die Einschränkung der Fort-
pflanzung und verstärkte Abwanderung und schließlich der Populationszu-
sammenbruch, der durch psychische und physische Belastungen vorbereitet
und durch ungünstige Witterungsperioden synchron ausgelöst wird. Es existiert
eine „autonome", im Zeitmaß festliegende Periodizitätsrhythmik, die durch
das Fortpflanzungs- und Verdichtungspotential der betreffenden Art und das
Raumpotential ihrer Umwelt bestimmt wird, aber nur in ausgeglichenen Kli-
mabereichen ungestört in Erscheinung treten kann. Extreme Abweichungen
im Wettergeschehen können die Periodizität von Fall zu Fall ändern und die
Periodizität voneinander isolierter Populationen synchronisieren. — Die Nage-
tier-Zyklen lassen sich also ohne Zuhilfenahme kosmischer oder anderer
hypothetischer Außeneinflüsse durch Zusammenwirken von innerartiichen
biologischen Mechanismen mit der Umwelt erklären. Ihr äußerst komplexes
K. BECKER, Niederschrift der 28. Hauptversammlung.
127
Gefüge ist allerdings nur durch gründliche und schrittweise Analyse der zahl-
reichen eng miteinander verflochtenen und aufeinander einwirkenden Kausal-
faktoren freizulegen. (Der Wortlaut des Referates erscheint unter dem Titel
„Frank, F., Die Kausalität der Nagetier-Zyklen im Lichte neuer popula-
tionsdynamischer Untersuchungen an deutschen Microtinen" in der Zeit-
schrift für Morphologie und Ökologie der Tiere 43, 1954, p. 321—356.)
An der Diskussion beteiligten sich: Stein: 1. Der Terminus „Rudel"
sollte beschränkt werden auf die Gemeinschaften von Huftieren und be-
stimmten Garnivoren. Er schließt unausgesprochen den Begriff des Leit- oder
Führertieres ein. Die sozialen Verbände kleiner Nager lassen es nicht zu, von
einem Leit- bzw. führendem Einzeltiere zu sprechen. 2. Auch bei Feldunter-
suchungen findet es sich, daß senile Weibchen nur noch Würfe geringen Umf an-
ges produzieren. Aber von draußen bedarf es eines wesentlich noch umfang-
reicheren Materials, da im Freileben die Weibchen in überwiegender Zahl
vor Erreichen des Höchstalters wegsterben. Mir liegen bisher nur zwei senile
Weibchen vor, die eine Wurf große von zwei und drei haben. — Frank.—
Teile: Auf die von Stein angeschnittene Frage, ob der Terminus Rudel
für Feldmäuse und allgemein auch für Kleinsäuger anzuwenden ist, wird auf
Wanderratten hingewiesen, die wohl sicher einen starken Bock als Rudel-
führer besitzen. — v. Vietinghoff : Hinweis auf die Bedeutung der Aus-
führungen für die große Politik (Menschliche Populationsschwankungen,
Reizbarkeit, Kriege bei Populationsdruck). — v. Wettstein weist darauf hin,
daß im pontischen, ebenen Gebiet von Nordösterreich früher von Zeit zu
Zeit katastrophale Feldmausvermehrungen aufgetreten sind, die in den gün-
stigen Jahren 1947 und 1951 nicht auftraten und glaubt, daß die immer wei-
tergehende und allgemeine Verwendung von Kunstdünger daran »chuld ist. —
Zimmermann: Feldmaus = Steppentier? Nein, aber Vorkommen auch
auf Hochmoor ist nicht entscheidend (siehe Formica uralensis). Vergleich
Hamster — Feldmaus. Hamster keine zyklischen Schwankungen, obgleich
hohes Vermehrungspotential, aber kein Verdichtungspotential! — Müller-
U s i n g : Die künstliche Begründung von Hecken, die der Vortragende als
landschaftssanierende Maßnahme auch im Hinblick auf Feldmausplagen er-
wähnte, wird von den Jägern gemeinhin als ein Faktor betrachtet, der der
Populationserhöhung des Feldhasen u. a. Niederwildarten förderlich ist. M. E.
ist gerade das Gegenteil der Fall, worin mich der wohl erlaubte Rückschluß
auf die Verhältnisse bei den Arvicoliden bestärkt. — Auf großer Fläche glei-
chen sich beim Hasen Populationsschwankungen in etwa aus. — Die Wild-
katze dürfte ein Beispiel für eine Tierart mit außerordentlich geringem Ver-
dichtungspotential sein, wie ihre Ausbreitung nach dem Populationszuwachs
im Harz zeigt: im Norden bis nach Dannenberg (Unterelbe), im Süden bis
nach Leipzig. — Frank.
10 Uhr 55 bi,s 11 Uhr 20: Vortrag D. Ghitty (Oxford): Reccnt
work on fluctuations in numbers of mammals and birds.
In deutscher Sprache gehalten; s. p. 55 dieses Bandes.
Diskussion :Frank. — Zimmermann: Gibt es bei den täglichen Be-
suchen immer wieder Kämpf e, auch unter sich bekannten Tieren? — C h i 1 1 y:
Ja. — Mendheim: Das Absinken der optimalen Lebensbedingungen nach
überschreiten einer bestimmten Populationsdichte kann beim Reh- und auch
beim Rotwild erklärt werden durch vermehrte Übertragungsmöglichkeit von
Parasiten und Seuchenerregern. — Müller-Using.
128
Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 20, 1952 (1955).
11 Uhr 27 bis 11 Uhr 49: Vortrag G. H. W. Stein (Berlin): Popula-
tionsanalysen am Maulwurf.
Maulwürfe sind nicht Einzelgänger, sie leben vielmehr in Gemeinschaf-
ten. In Trockenbiotopen finden sich kleinwüchsige, in feuchten Lebens-
räumen großwüchsige Sippen. Die Unterschiede in den Schädellängen beider
sind statistisch real und beruhen auf genetischen Grundlagen. Großwüchsige
Populationen zeigen — ein paradoxer Befund — hohe, kleinwüchsige geringe
Siedlungsdichte. Schließt man von der Molarenabtragung auf das Lebensalter
der Tiere, so ergibt sich, daß in zwergwüchsigen Populationen der Anteil
ältester Tiere höher liegt als in großwüchsigen. Es ist dies ein Ausdruck
intraspezifischer Konkurrenz, die sich, da große Sippen ja dichter siedeln,
bei ihnen schärfer auswirkt. — Ohne Diskussion. —
Lüftungspause.
11 Uhr 57 bis 12 Uhr 08: Vortrag K. Zimmermann (Berlin)}
Körpergröße und Bestandsdichte bei Feldmäusen.
Die von C h i 1 1 y für die Erdmaus, Microtus agrestis, untersuchte Frage
nach den Beziehungen zwischen Körpergröße und Bestandsdichte wurde für
Feldmäuse, Microtus arvalis, behandelt. Aus Gewöllen bei Potsdam-Rehbrücke
überwinternder Waldohreulen wurden in den fünf Jahren 1949 — 1954 etwa
8000 Feldmaus -Schädel entnommen, als Index der Körpergröße die Man-
dibel-Länge gemessen. 1949 und 1953 erfolgten im Gebiet Zusammenbrüche
von Massen-Entwicklungen, im untersuchten Material sank in den beiden
Wintern nach einem Zusammenbruch der Feldmaus -Anteil an der gesamten
Eulenbeute von 80 — 90 o/o auf 60 %, der Spitzmaus -Anteil stieg von 0 — 1 %
auf 10 — 13 %. In beiden Wintern nach einem Zusammenbruch war bei ge-
ringer Siedlungsdichte die Feldmaus-Population an Körpergröße im Mittel
kleiner als in den übrigen Wintern (mittlere Mandibel-Länge 13,6 und
13,9 mm gegenüber 14,3, 14,5 und 14,6 mm). Die Geschwindigkeit des An-
wachsens der mittleren Körpergröße war in beiden Wintern nach Zusam-
menbruch verschieden. Im Winter 1950/51 erfolgte schnelles Wachstum, im
Winter 1953/54 nicht. Während sonst von November bis März die mittlere
Körpergröße steigt, sank sie im entsprechenden Zeitraum 1953/54. Außen-
faktoren sind wahrscheinlich für solche Wachstums-Differenzen verant-
wortlich.
Diskussion : Stein: Nach dem Zusammenbruche 1952/53 waren die
Mittelwerte der Wurfgröße (Embryonenzahlen) statistisch niedriger als im
Frühjahr 1952 und 1954. Es könnte vermutet werden, daß die Feldmaus-
weibchen durch den Zusammenbruch auch physiologisch geschädigt sind, was
sich in Erniedrigung der Wurfgröße andeutet. — Frank. — v. Vieting-
h o f f : Zu dem Diskussionsbeitrag von Herrn Stein, daß Feldmäuse nach
einem Jahr des Zusammenbruches zahlenmäßig sehr schwache Würfe hervor-
brachten, wird vor Verallgemeinerung gewarnt, da bei Siebenschläfern gerade
nach einem Populationssturz im folgenden Jahr erheblich stärkere Wurf-
zahlen beobachtet wurden.
12 Uhr 13 bis 12 Uhr 34: Vortrag A. v. Wijngaarden (Wagenin-
gen) : Population sdynamik der Feldmaus ( Microtus arvalis Pal-
las) in der Betuwe. (Siehe p. 61 dieses Bandes.)
Diskussion : Zimmermann: Feldmaus in Korbweiden-Pflanzungen ?
W. : Ja. — Zi. : Für Deutschland nichts ähnliches bekannt. — Hagen. — Stein:
Gefragt wird nach Größe der Korbweidenbestände; es wird vermutet, daß es
K. BECKER, Niederschrift der 28. Hauptversammlung,
129
sich um nicht ständige Bewohner handeln könnte. Bei der von v. Wijngaarden
angegebenen Größe der Bestände sollten es jedoch stationäre Feldmaus-
bestände sein, und es liegen dann Verhältnisse vor, wie sie in Deutschland
unbekannt sind. — Frank. — v. Lehmann: Stationäre Feldmausbestände
in Korbweidenanpflanzungen sind überall dort durchaus möglich, wo die
Weiden oft genutzt werden und daher ein üppiges Gras wuchert bzw. keine
Beschattung vorliegt. Außerdem dann, wenn die Streifen relativ schmal sind.
— Gaffrey: Zu der ungewöhnlichen und dichten Besiedlung von Korb-
weidenanpflanzungen des holländischen Niederungsgebietes (in denen man
eher Erdmäuse erwartet hätte) durch Feldmäuse wird auf die große Plastizi-
tät mancher Nager in bezug auf die Gewinnung neuer Lebensräume bzw. An-
passung an neue Umweltbedingungen hingewiesen. Als Beispiel wird die Haus-
ratte erwähnt, die im Gebiet von Dresden nach der Zerstörung der Altstadt
die Trümmerfelder, unterirdische Kühlräume, Kellergänge und dgl. bewohnt,
nach dem zweiten Weltkriege an Zahl sehr stark zugenommen hat, die
Wanderratte stellenweise übertrifft und elbaufwärts bis in die GSR vor-
gedrungen ist.
12 Uhr 43 bis 13 Uhr 20: Vortrag mit Film: L E i b 1 - E i b e s f e 1 d
(Buldern) :Biologiedes Hamsters.
Der aus einer Zusammenarbeit des Verfassers mit Heinz Sielmann in
Buldern entstandene zweiteilige Film behandelt das Verhalten des Hamsters
im jahreszeitlichen Ablauf. Wir beobachten im ersten Teil das vollständige
Paarungsvorspiel. Das Männchen dringt in das Territorium des Weibchens
ein, nimmt es durch Duftmarkieren in seinen Besitz und nähert sich, be-
stimmte Treiblaute äußernd, dem Weibchen, das zunächst abweisend ist.
Erst durch längeres Werben wird dessen Kontaktscheu überwunden. Nachdem
das Weibchen durch Belecken zur Paarungsbereitschaft stimuliert wurde,
vollzieht sich im unterirdischen Bau die Paarung, Das Verhalten der blinden
und sehenden Jungen, Brutpflege (Zubereitung von feinem Nestmaterial,
Jungentransport, Zutragen von Beikost, Zudecken der Jungen, Führen
u.a.m.), Auseinandersetzungen mit Artgenossen und artfremden Feinden und
das Eintragen von Nahrungsvorräten wird in beiden Filmen genau dargestellt.
Das unterirdische Leben des Hamsters wurde in einem Kunstbau, der Wohn-
kammer, Vorratskammer und Gänge im Schnitt zeigte, aufgenommen. Eine
ausführliche Darstellung der Ethologie des Hamsters erschien 1953 in der
Zeitschrift für Tierpsychologie 10, p. 504 — 554. Auf sie sei zur weiteren
Orientierung über den Film verwiesen.
Diskussion : Zimmermann: Versteht Hamster Zieselruf ? — E. : Weiß
nicht. — Frank. — Kleinschmidt: 1, Sind die strahlenförmig von Brut-
kesseln ausgehenden Röhren der jungen heranwachsenden Hamster als Flucht-
röhren vor dem langsam wiederauftretenden Solitär- Verhalten der Mutter zu
deuten? — 2. Planmäßige Beobachtungen an ohne gegenseitige Sichtmöglich-
keit getrennt gehaltenen Goldhamster-Männchen und -Weibchen zeigten, daß
diese sich während der Zeit der Copulations- (Aufnahme-) Bereitschaft des
Weibchens mit einem merkwürdigen leisen Ruflaut unaufhörlich gegenseitig
lockten. Treiben und Besprung erfolgt wie beim Feldhamster, nur bleibt im
Gegensatz zu den gezeigten Bildern vom Feldhamster, das Goldhamster-
weibchen hierbei während einer ganzen Serie von Besprüngen unbeweglich
mit aufgestelltem Schwanz und leicht angehobenem Hinterteil an ein und
demselben Ort sitzen.
130
Zeitschrift für Säugeti«rkuiMk, Bd. 20, 1952 (1955).
13 Uhr 22 Photographische Aufnahme der Versammlungsteilnehmer vor
dem Portal des Zoologischen Instituts.
13 Uhr 35 bis 15 Uhr 05 Mittagspause.
F. 2. wissenschaftliche Sitzung.
Sonnabend, 31. Juli 1954, 15 Uhr 05 bis 16 Uhr 45. Vorsitz: W.Herold.
Anwesende: 31 Mitglieder, 28 Gäste.
15 Uhr 05 bis 15 Uhr 20: Film mit Vortrag H. J. Teile (Hannover):
Auf klär ungsfilm über Biologie und Bekämpfung der Wander-
ratte. Ohne Diskussion.
15 Uhr 22 bis 15 Uhr 48: Vortrag D. M. Steven (Edinburgh):
A genetical analysis of theisland forms of Glethrionomys
in Britain. In deutscher Sprache gehalten; s. p. 70 dieses Bandes.
Diskussion: Zimmermann: Ob die Inselformen Reste älterer Siedlung
oder neue Kombinationen aus C. g. britannicus sind, ist nicht zu entscheiden
durch genetische Analyse. — Siehe orcadensis-arvalis-Beis]^ieh — Frank. —
Steven.
15 Uhr 57 bis 16 Uhr 13: Vortrag K. Becker (Berlin): über Art-
und Geschlechtsmerkmale am Becken einheimischer
Spitzmäuse ( Soricidae ).
An projizierten Bildern wurde gezeigt, daß die Beckenknochen von Sorex,
Neomys und Crocidura gattungsspezifisch ausgebildet sind. Innerhalb der
Gattungen lassen sich die Becken der einzelnen Arten nur der Größe nach
unterscheiden, sofern deutliche Größendifferenzen bei ihnen anzutreffen sind,
wie z. B. bei Sorex araneus und S. minutus. — Mit dem Einsetzen der Ge-
schlechtsreife werden am Becken männlicher Spitzmäuse sekundäre Ge-
schlechtsmerkmale angelegt. Die Becken jugendlicher Spitzmäuse und die
der Weibchen sind formgleich. — Durch Analyse von Eulengewölle verschie-
dener Herkunft wurde aufgezeigt, daß in gewissen Populationen von
S. araneus das Geschlechtsverhältnis zugunsten der Weibchen verschoben sein
kann. Es ist wahrscheinlich, daß die Männchen während einer Übervermeh-
rung durch innerartliche Revierkämpfe eliminiert werden, wie dies von Mi-
crotus arvalis bei hoher Bevölkerungsdichte bekannt ist.
Diskussion : Herold : Anfrage, ob Herr Becker auch in Gewöllen die
Zusammengehörigkeit von Gebiß und Becken zu finden gesucht hat. — B.:
Das ist nicht immer möglich. — Stein: Dichteschwankungen bei Sorex
araneus sind augenscheinlich nicht vorhanden. Sicher scheint mir auch zu
sein, daß der Rhythmus der Bestandsdichteabweichungen nichts mit denen
der Feldmaus zu tun hat. — Frank. — Becker. — Frank.
16 Uhr 20 bis 16 Uhr 42: Vortrag H. Dathe (Leipzig): Bau und
Funktion des K o p u 1 a t i o n s o r g a n s männlicher hystrico-
morpher Nagetiere.
Es wurden Untersuchungen zur Morphologie und Anatomie der Penes
von Dasyprocta, Hydrochoerus, Hystrix, Caviella, Octadon, Capromys, Pla-
giodontia, Myocastor und Proechimys vorgetragen, wobei einige Bemerkun-
gen zur Systematik und Funktion gemacht werden konnten. Das Material
wird an anderer Stelle ausführlich dargestellt und veröffentlicht, so daß hier
auf weitere Ausführungen verzichtet werden kann. — Keine Diskussion.
K. BECKER, Nie